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Energiegewinnung auf Kosten der Gesundheit?

Wenn es um die Endlichkeit der Erdgasvorräte geht, so steht eines fest: Das Versiegen des fossilen Energieträgers ist unausweichlich. Wann dieser Zeitpunkt genau erreicht wird, kann nur vermutet werden.

 

Dies heute umso mehr, da es seit einigen Jahren mit einem neuen Bohrverfahren aus den USA möglich ist, die sogenannten „unkonventionellen“ Erdgasvorräte zu erschließen. Damit haben die Förderspezialisten jenes Gas im Visier, das nicht wie das „konventionelle“ Erdgas umhüllt in einer Blase, sondern in Gesteinsschichten eingelagert ist. Um an diesen Schatz in rund 1300 bis 1600 m Tiefe zu kommen, wird in der Regel die neue („Fracking“ genannte) Bohrmethode eingesetzt, die allerdings auch große Risiken in sich birgt. Denn um das Gas in den Gesteinsschichten freizusetzen, wird ein Gemisch aus Wasser, Sand sowie teilweise giftigen Chemikalien mit hohem Druck in den Boden gepresst. Obwohl die Energiekonzerne die Methode als umweltsicher betrachten, beklagen betroffene Bürger und Umweltverbände in den USA, dass in mehreren Fällen u. a. Grundwasser mit Chemikalien und Erdgas verunreinigt worden sei. Und die Folgen sind offensichtlich dramatisch: Trinkwasserleitungen aus denen Wasser fließt, das nicht mehr trinkbar aber brennbar ist.

Medienberichten zufolge wurden Gasrückstände im Trinkwasser nachgewiesen. Chemikalien hätten Millionen Kubikmeter Wasser verschmutzt. Und in einem Dokumentarfilm Namens „Gasland“, der in der Kategorie „Beste Dokumentation“ für den Oskar 2011 nominiert wurde, zeigt der US-Regisseur Josh Fox u. a., wie aus Spül- und Waschtischarmaturen dieses Wasser fließt, das entzündbar ist (mehr dazu erfahren Sie in unserem Beitrag auf Seite 16). In den US-Bundesstaaten New York und Pennsylvania wurden die Bohrungen aufgrund der Vorfälle vorerst gestoppt und die US-Umweltbehörde EPA untersucht die Vorgänge.

Ungeachtet der Vorfälle in den USA erlebt die Erschließung von Gas aus unkonventionellen Quellen mittlerweile auch in einigen Ländern der EU einen Boom. Dies ist einerseits nachvollziehbar, denn durch die Erschließung dieser Erdgasvorräte eröffnet sich ein gewaltiger Rohstoffschatz. Über 920 Billionen Kubikmeter Gas weltweit, so schätzt die internationale Energieagentur, könnten durch die unkonventionelle Fördermethode zugänglich werden – dies sei fünfmal so viel Gas, wie in klassischen Vorkommen liege.

Fast unbemerkt gibt es in Deutschland einen regelrechten Run auf die neuen Erdgasvorräte. Energiekonzerne wie Exxon Mobile, BNK Petroleum oder Reals Energy und auch die betroffenen Bundesländer hoffen auf satte Gewinne. Allein in Nord­rhein-Westfalen will ein knappes Dutzend Unternehmen Probebohrungen für die Feststellung der Ergiebigkeit und der wirtschaftlichen Fördermöglichkeit durchführen, da hier mit über 2000 Mrd. m³ Erdgas das zweitgrößte Vorkommen Europas vermutet wird. Und in Niedersachsen haben die Bohrarbeiten in Lünne Mitte Januar dieses Jahres bereits begonnen. Hier wird nun rund um die Uhr etwa vier bis sechs Wochen lang gebohrt und zudem auch Flüssigkeit mit giftigen Chemikalien ins Erdreich gepresst, um das Potenzial der unkonventionellen Gasstätte zu erkunden. Allerdings gibt es hierzulande auch massive Widerstände aus Teilen der Politik, von Interessenverbänden und insbesondere aus der Bevölkerung – wenn auch Bohrgenehmigungen teilweise schon erfolgt sind.

Alles in allem eine brisante Angelegenheit. Auf der einen Seite können der Erdgasvorrat vergrößert, Gewinne erzielt und neue Arbeitsplätze geschaffen werden. Auf der anderen Seite können Umweltschäden nicht ausgeschlossen und letztlich auch die Gesundheit der Bevölkerung nicht garantiert werden, wie die erschreckenden Beispiele aus den USA zeigen. Hinzu kommt, dass sich in der Deutschen Gesetzgebung scheinbar eine Lücke auftut: Denn eine sogenannte Umweltverträglichkeitsprüfung für das Vergeben von Bohrlizenzen sieht das bundesdeutsche Bergrecht erst für große Fördermengen ab 500 000 m³ Gas pro Tag vor. Hier würde eine Verschärfung der Regelung nicht nur für mehr Sicherheit sorgen, sondern auch der Bevölkerung eine – zumindest stückweit – ordnungsgemäße Anwendung aufzeigen, meint

Markus Münzfeld
Redakteur IKZ-HAUSTECHNIK
m.muenzfeld@strobel-verlag.de

 


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