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Quartiere nachhaltig betreiben [Seite 1 von 2]

MEMAP-Projekt schreitet voran: Neu entwickelte Softwareumgebung zur Regelung der Energieversorgung von Quartieren tritt in Testphase ein

Bild 1: Wirkkette / Kommunikationsnetz aufgebaut im CoSES-Labor. (Technische Universität München)

Bild 2: Haustechnik und Vernetzung im 2-Häuser-Szenario. (Technische Universität München)

Bild 3: 3D-Scanaufnahme einer Heizzentrale mit Faro-Scanner. (IBDM GmbH)

Bild 4: 3D-Ansicht des Fernwärmenetzes. (IBDM GmbH)

Tabelle 1.: Technische Daten der Gebäude in Riemerling. (Quelle: fortiss GmbH)

Tabelle 2: Variantenvergleich und Wirtschaftlichkeitsberechnung der eingesparten Verbrauchskosten im Vergleich zu den Ausbaukosten mithilfe des MEMAP-Planungstools. (Quelle: fortiss GmbH)

 

Ein Energieverbund von Gebäuden birgt erhebliche Einsparungen in der Energieversorgung, da er eine bessere Ausnutzung von regenerativen Energien wie auch von dezentralen Energieerzeugern und Energiespeichern ermöglicht. Ziel des Forschungsvorhabens MEMAP ist es, eine Softwareplattform zu entwickeln, die eben diesen energetischen Verbund sinnvoll steuern kann.

Um die technischen Voraussetzungen dafür zu schaffen, haben sich insgesamt sieben Unternehmen und Forschungseinrichtungen an der Entwicklung einer offenen Softwareplattform für die Planung und den Betrieb von Quartierslösungen zusammengeschlossen1). Die Multi-Energie Management und Aggregations-Plattform (MEMAP) wird es erlauben, Gebäude mit unterschiedlichen Anforderungen an Energie zusammenzuschließen, um dadurch die Energieeffizienz im Verbund zu steigern. Als Testgebiet dient das Gewerbegebiet Riemerling bei München. Der Ener gieverbrauch der dort befindlichen fünf Gebäude wird mittels LoRa-Funktechnik minütlich erfasst. Mit den gewonnenen Lastprofilen werden Berechnungen zu einem möglichen Energieverbund erstellt. Die Lastprofile werden darüber hinaus auch im Reallabor CoSES der TU München eingesetzt, um den geplanten Energieverbund realitätsnah nachzubilden und zu bewerten. Das Reallabor ermöglicht damit ideale Voraussetzungen für den Praxistest der Softwareplattform und eine Verifizierung der Energieeinsparung.

Validierung der MEMAP-Plattform im Reallabor CoSES der TU München

Seit Ende 2020 wird die MEMAP-Plattform im Forschungslabor CoSES (Combined Smart Energy Systems) der TU München einem Test mit realen Anlagen unterzogen. Ziel der Testläufe ist dabei eine generelle und praxistaugliche Validierung des entwickelten Kommunikations- und Schnittstellenkonzeptes im Zusammenspiel mit realer Anlagentechnik wie Heizkessel und BHKW sowie die generelle Prüfung der Plattformfunktionalität und der Softwarearchitektur. Die MEMAP-Plattform ist auf dem Host-Computer im Labor installiert und die Nachbildung der einzelnen EMS (siehe Infokasten) erfolgt über selbst entworfene Modelle auf Basis verschiedener Software-Umgebungen (National Instruments: LabVieW und Veri-Stand). Über das interne Netzwerk (Ethernet) verbindet sich die Plattform mit den EMS-Systemen der einzelnen Gebäude, um – über das in der Automatisierungstechnik etablierte OPC-UA Protokoll – die für die Optimierung benötigten Anlagendaten und die zu erwartenden Lastanforderungen der einzelnen Gebäude (Wärme und Strom) auszulesen. Über die so hergestellte Kommunikationsverbindung erhält das lokale EMS wiederum die Leistungssollwerte von der übergeordneten MEMAP-Plattform, die das Zusammenspiel optimiert. Die Anbindung der MEMAP-Plattform an die EMS erfolgt dank eines neuartigen Datenmodells völlig automatisiert (Vertiefung Datenmodell siehe Infokasten).

Die Durchführung der Labortests mit realen Anlagen zeigte diverse Herausforderungen. Eine große Hürde, die es zu nehmen galt, war die zeitliche Synchronisation der Datenkommunikation zwischen MEMAP und den EMS-Systemen. Dies ist insbesondere im Zusammenhang mit den notwendigen Vorhersagen für die Optimierung relevant. Die benötigten Vorhersagen umfassen prognostizierte Verbräuche, prognostizierte Erzeugungskapazität aus Erneuerbaren Energien und prognostizierte zeitvariable Preise (Bild 1). Diese Prognosen werden im Feld dynamisch eingeholt (z. B. von Drittanbietern), für die Experimente im Laborumfeld werden im Moment fixe Zeitreihen (z. B. gemessen im Feldtest Riemerling) eingelesen. Gleichzeitig werden die Speicherzustände der realen Anlagen gemessen und an die MEMAP-Plattform übermittelt. Die Plattform schickt Sollwerte an die Anlagen zurück. Es muss sichergestellt werden, dass all diese Datenreihen synchron verlaufen und in der MEMAP-Plattform stets die Daten zusammenkommen, welche sich auf den gleichen Zeitpunkt beziehen. Aufgrund der unterschiedlichen involvierten Datenquellen wird hierfür ein zentraler Trigger inkl. Zeitstempel verwendet, welcher von der MEMAP-Plattform vorgegeben und per OPC-UA an alle involvierten Geräte gesendet wird.

Aktuell wird im Labor der Energieverbund von zwei Gebäuden betrachtet (Bild 2). Hier ist neben zwei 800-l-Wärmespeichern und den beiden Wärmesenken ein Brennwertkessel mit 21 kW Leistung und ein BHKW mit 2 kW elektrischer und 5 kW thermischer Leistung vorgesehen. Zudem sind die beiden Gebäude durch Wärmeleitungen über zwei Wärmetauscher miteinander verbunden. Auch die elektrische Seite wird bei dieser Ausbaustufe berücksichtigt – durch ein elektrisches Netz, welches die Nutzung des BHKW-Stroms zusätzlich zum öffentlichen Strom durch die emulierte Nachfrage beider Gebäude ermöglicht. Die gesamte Anlagentechnik befindet sich als reale Hardware im Labor der TU München.

Die Labortests werden jeweils über Zeiträume von 8 bis 36 Stunden in Echtzeit abgefahren. Im Moment ist eine reale Laboruntersuchung von mehr als zwei Gebäuden technisch noch nicht möglich. Um zum jetzigen Zeitpunkt dennoch Aussagen zu Einsparpotenzialen und zum Betriebsverhalten in größeren Verbünden und unterschiedlichen Anlagenkonstellationen treffen zu können, werden Simulationsrechnungen durchgeführt. Für diese simulativen Betrachtungen wird eine Simulationsumgebung genutzt, welche auf denselben Software-Kern zugreift, wie ihn die MEMAP-Plattform im Labor verwendet. Das macht einen sinnvollen Vergleich der Ergebnisse aus Laborumgebung und Simulation möglich. Die in der Laborumgebung durchgeführte Validierung der Plattform kann deshalb zudem als Validierung der Simulationsumgebung gesehen werden. Damit sind ganz wesentliche Schritte getan, um das Ziel des Forschungsvorhabens zu erreichen, eine validierte Plattform für den optimierten Betrieb im Energieverbund bereitzustellen. Basierend auf demselben Software-Kern bietet darüber hinaus die Simulationsumgebung ein Werkzeug zur Planung und Analyse solcher Energieverbünde.

Lokales EMS

In realen Gebäuden obliegt dem lokalen Energie-Management-System (EMS) die Steuerung und Regelung der gebäudetechnischen Anlagen, ähnlich einer Gebäudeleittechnik (GLT). Im Zusammenspiel mit MEMAP fungieren sie als Kommunikationsknotenpunkte und setzen erhaltene Setpoints mittels eigener Regelstrategien anlagentechnisch um.

MEMAP als Planungswerkzeug – Wirtschaftlichkeitsbetrachtung am Beispiel eines Gewerbegebietes

Im Gewerbegebiet Riemerling bei München konnten die Gebäudeeigentümer von insgesamt sechs Gebäuden für eine Zusammenarbeit mit der Forschungsgruppe gewonnen werden (Tabelle 1). Seit Installation der Messtechnik in Q4/2019 ist es möglich, auf den Wärmebedarf dieser Gebäude in Echtzeit zuzugreifen und ihn für den simulierten Gebäudezusammenschluss zu verwenden. Da eine messtechnische Erfassung des Stromverbrauchs im Rahmen des Projekts nicht möglich war, wurden reale Lastprofile ähnlicher Gebäude entsprechend den Verbrauchsdaten der Nebenkostenabrechnung skaliert und für die Betrachtung eingesetzt.

Trotz der Vielfältigkeit in der Gebäudenutzung zeigen die Gebäude ein ähnliches Bild in der Art der Wärmeerzeugung. Alle Gebäude werden zentral über ein bis zwei Kessel mit Wärme versorgt. Das Hotel besitzt als Alleinstellungsmerkmal zusätzlich eine Solarthermieanlage. Bedingt durch die Qualität der Gebäudehüllen wird eine vergleichsweise hohe Vorlauftemperatur zur Beheizung benötigt.

Für die wirtschaftliche Bewertung war es nötig, den Ist-Zustand genau zu untersuchen, um die Kosten für die Umrüstung des Gewerbegebietes zu einem Energieverbund ermitteln zu können. Die Platzsituation in den Gebäuden wurde mittels 3D-Laserscan aufgenommen und die erforderliche Zusatzinstallation an Messtechnik und Anlagenumrüstung ermittelt. Ergänzend dazu wurden die Gebäude untereinander vermessen und die Planung des Nahwärmenetzes durchgeführt. Die Erfassung der Geometrie über den 3D-Laserscan der Technikzentralen sowie die anschließende Drohnenvermessung der Gebäude wurde zudem für die Erstellung des BIM-Modells genutzt (Bild 3).

 

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