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Ausreichend Luft(wechsel) nach der Gebäudesanierung – Anforderungen und normative Rahmenbedingungen für die Wohnungslüftung im Bestand

Die Einhaltung eines für die Gesundheit und Beheizung erforderlichen Mindestluftwechsels gehört für die Erstellung von Neubauten zum Pflichtenheft. Was hier zum Planungsalltag zählt, muss meist auch bei einer Gebäudesanierung berücksichtigt werden, wenn z.B. die Fenster oder das Dach erneuert werden. In diesen Fällen ist ein Lüftungskonzept zu erstellen, das über die Notwendigkeit von lüftungstechnischen Maßnahmen, wie z.B. der Einbau einer Lüftungsanlage, entscheidet.

Bild 1: Systematik der Wohnungslüftung nach DIN 1946-6.

Bild 2: Notwendige Außenluftvolumenströme nach DIN 1946-6 in Abhängigkeit der beheizten Wohnfläche.

Bild 3: Überschlägige Bemessung von Luftleitungen mit einer maximal zulässigen Strömungsgeschwindigkeit von 3 m/s.

 

 

Vor dem Hintergrund der steigenden Luftdichtheit der Gebäude fordert die DIN 1946-61) für neu zu errichtende und für lüftungstechnisch relevant zu modernisierende Wohngebäude die Erstellung eines Lüftungskonzeptes. Dies bedeutet, dass im Fall einer Instandsetzung/Modernisierung immer dann ein Lüftungskonzept zu erstellen ist, wenn ausgehend von einem für den Gebäudebestand anzusetzenden n50-Wert von 4,5 h-1

  • im Mehrfamilienhaus mehr als 1/3 der vorhandenen Fenster ausgetauscht werden und
  • im Einfamilienhaus mehr als 1/3 der vorhandenen Fenster ausgetauscht oder mehr als 1/3 der Dachfläche abgedichtet werden.

Allgemein gilt: Wenn der notwendige Luftvolumenstrom zum Feuchteschutz (qv,ges,NE,FL) größer ist als der Luftvolumenstrom durch Infiltration (qV,Inf,wirk = einströmende Außenluft durch bautechnisch nicht vermeidbare Restundichtigkeiten), werden lüftungstechnische Maßnahmen in einer Nutzungseinheit erforderlich. Bei der Erstellung des Lüftungskonzeptes ist deshalb im ersten Schritt immer dieses Kriterium zu prüfen. Dabei werden u.a. die Geometrie des Gebäudes, die Gebäudedichtheit sowie dessen Lage (windstarke oder windschwache Gegend) berücksichtigt. Die erforderlichen Berechnungsgleichungen liefert die Norm. Als lüftungstechnische Maßnahme werden Einrichtungen zur freien oder ventilatorgestützten Lüftung bezeichnet, die zur Sicherstellung eines nutzerunabhängigen Luftaustausches dienen.

Lüftungssysteme und Lüftungsstufen

Sind lüftungstechnische Maßnahmen notwendig oder ist aus hygienischen (z.B. Allergiker) bzw. aus energetischen (z.B. Effizienzhaus-Anforderungen) Gründen eine Lüftungsanlage erforderlich, ist im nächsten Schritt ein geeignetes Lüftungssystem auszuwählen. Die Systeme der Wohnungslüftung lassen sich nach dem Wirkprinzip einteilen (Bild 1). Diese Systematik findet sich sowohl in DIN 1946-6 als auch in DIN V 18599-62). Der durch Undichtheiten der Gebäudehülle verursachte Luftvolumenstrom durch Infiltration wird nach DIN 1946-6 nicht als eigenständiges Lüftungskonzept betrachtet, wird aber bei der Auslegung der Lüftungssysteme berücksichtigt.
Für die im Planungsprozess folgende Auslegung des Lüftungssystems ist das Verständnis der Lüftungsstufen nach DIN 1946-6 erforderlich. In der Norm werden vier Lüftungsstufen definiert:

  • Lüftung zum Feuchteschutz (entscheidend für die Notwendigkeit von lüftungstechnischen Maßnahmen),
  • reduzierte Lüftung (Auslegung für Systeme der freien Lüftung),
  • Nennlüftung (Auslegung für Systeme der ventilatorgestützten Lüftung),
  • Intensivlüftung (Auslegung für Systeme der ventilatorgestützten Lüftung im Maximalbetrieb).

Der in der Energieeinsparverordnung zum Zwecke der Gesundheit und Beheizung erwähnte Mindestluftwechsel entspricht dabei der zeitlichen Mittelung der in DIN 1946-6 definierten Lüftungsstufen über den Bilanzzeitraum (z.B. Heizperiode oder Jahr).

Auslegung von Lüftungssystemen

Um den notwendigen Gesamt-Außenluftvolumenstrom für eine Nutzungseinheit in den einzelnen Lüftungsstufen bestimmen zu können, sind Anforderungen an die Nutzungseinheit, an einzelne Räume und, wenn bekannt, an den pro Person zu realisierenden Luftvolumenstrom zu beachten.
Im ersten Schritt werden dazu die Anforderung an die Nutzungseinheit und damit die Außenluftvolumenströme abhängig von der beheizten Wohnfläche (Bild 2) ermittelt. Parallel dazu sind die Luftvolumenströme der einzelnen Räume zu betrachten, wie z.B. für die Ablufträume bei ventilatorgestützter Lüftung abhängig von der Raumnutzung (Tabelle 1). Der Außenluftvolumenstrom bestimmt sich dann aus dem höheren Wert der Nutzungseinheit oder der einzelnen Räume. Wenn die planmäßige Belegung einer Wohnung bekannt ist, kann der Außenluftvolumenstrom zudem personenbezogen ermittelt werden. Dazu wird nach DIN 1946-6 im Regelfall 30 m³/(h · Pers.), mindestens aber 20 m³/(h · Pers.) angesetzt.
Welche Lüftungsstufe dabei durch die lüftungstechnischen Maßnahmen zu realisieren ist, wird nach dem Lüftungssystem unterschieden. DIN 1946-6 fordert mindestens die Einhaltung der:

  • Lüftung zum Feuchteschutz bei Querlüftung (Feuchteschutz),
  • reduzierten Lüftung bei Querlüftung und Schachtlüftung sowie
    Nennlüftung bei ventilatorgestützter Lüftung.

Die Auslegung für höhere Luftvolumenströme ist ausdrücklich zulässig und teilweise empfohlen. Bei der Berechnung der Luftvolumenströme durch lüftungstechnische Maßnahmen wird der wirksame Luftvolumenstrom durch Infiltration berücksichtigt. Während bei unsanierten Gebäuden aufgrund der Undichtheiten der Gebäudehülle die notwendigen Außenluftvolumenströme ganz oder zumindest teilweise durch den Volumenstrom durch Infiltration erbracht werden konnten, ist dies bei dichten Gebäuden nur noch stark eingeschränkt der Fall.
Die DIN 1946-6 gibt über die Berechnung der Luftvolumenströme hinaus auch konkrete Dimensionierungshinweise für Lüftungskomponenten, wie beispielsweise Bild 3 für Luftleitungen und Tabelle 2 für Überströmluftdurchlässe zeigen.

Fazit

Die Ziele der Lüftung, Minimierung der Lüftungswärmeverluste einerseits und Erfüllung der hygienischen und bauphysikalischen Anforderungen andererseits, lassen sich auch bei energetischen Sanierungen im Gebäudebestand durch den Einsatz ventilatorgestützter Lüftung lösen. Durch Wärmerückgewinnung (Abwärmenutzung), Einbindung regenerativer Energie und bedarfsgeführte oder zonengeregelte Lüftung lassen sich die Lüftungswärmeverluste entscheidend senken, ohne Einschränkungen bei Raumluftqualität und Bautenschutz befürchten zu müssen. Die DIN 1946-6 ist dazu von zentraler Bedeutung bei der Planung, der Ausführung und dem Betrieb von Lüftungssystemen für Wohngebäude.

Autor: Prof. Dr.-Ing. Thomas Hartmann, Institut für Technische Gebäudeausrüstung Dresden Forschung und Anwendung GmbH (ITG)


1) DIN 1946-6 "Raumlufttechnik – Teil 6: Lüftung von Wohnungen – Allgemeine Anforderungen, Anforderungen zur Bemessung, Ausführung und Kennzeichnung, Übergabe/Übernahme (Abnahme) und Instandhaltung"

2
) DIN V 18599-6 "Energetische Bewertung von Gebäuden – Berechnung des Nutz-, End- und Primärenergiebedarfs für Heizung, Kühlung, Lüftung, Trinkwarmwasser und Beleuchtung – Teil 6: Endenergiebedarf von Lüftungsanlagen, Luftheizungsanlagen und Kühlsystemen für den Wohnungsbau"

 


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