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Zentralverband - Trinkwasser: keim- und bleifrei? - 15. Sanitärsymposium der Fachhochschule Münster / Burgsteinfurt

Das Thema Trinkwasserhygiene zwischen Werkstoffdiskussion und Gefährdungsanalyse mobilisiert die Sanitärbranche. Mehr als 400 Fachleute informierten sich am 20. Februar 2014 auf dem Burgsteinfurter Campus der Fachhochschule Münster, was Planer, Installateur oder Betreiber zu tun haben. Das Ziel ist klar: Beim Nutzer muss hygienisch einwandfreies Trinkwasser ankommen. Das kann problematisch sein.

Gut gefüllt: Im neuen Audimax der Fachhochschule Münster/Burgsteinfurt wollten über 400 Fachleute aus der Sanitärbranche mehr wissen zu aktuellen Entwicklungen rund um die Trinkwasserverordnung.

Teamwork gefragt: Um gravierende Mängel einer Trinkwasser-Installation zu beseitigen, müssen Beteiligte nach einem gemeinsamen Konzept vorgehen.

 

Für die Trinkwasserversorgung hat das Umweltbundesamt (UBA) seit Dezember 2013 eine hohe Hürde aufgebaut: Der Bleigehalt im Trinkwasser darf 10 µg/l nicht überschreiten. Diese bereits seit vielen Jahren angekündigte, ambitionierte Reduzierung bereitet Fachleuten wie Betreibern Kopfzerbrechen. Unbestritten ist: Der Grenzwert wird sich sicher nicht einhalten lassen, wenn sich auch nur ein Stück Rohrleitung aus Blei im Netz befindet. Dann muss gehandelt und die Ursache schnellstmöglich beseitigt werden. Einen Bestandsschutz gibt es nicht. Betroffene Entnahmestellen sollen mit „kein Trinkwasser“ gekennzeichnet werden.
Anlass für viele Diskussionen unter Sanitär-Experten und Hygienikern ist vielmehr ein anderes Problem: Auch etliche Armaturen oder Formstücke aus Messing und Rotguss, die bislang sogar eine DVGW-Zulassung bekommen haben, können durch Migration für einen unzulässig hohen Bleiwert sorgen. Vor allem bei der Inbetriebnahme einer neuen Trinkwasserversorgung könnten Wasserproben erhöhte Bleiwerte offenbaren und damit die Erfüllung des Werkvertrages infrage stellen.

Bleiproblem nicht aufbauschen

Dr. Johann-Wilhelm Erning (BAM Bundesanstalt für Materialforschung und -prüfung) machte anhand von Untersuchungsergebnissen bis ins Detail deutlich, wie entzinkungsbeständiges Messing beispielsweise in Armaturen zunächst erhöhte Bleiwerte durch Abschwemmen aufweist, die dann aber kontinuierlich zurückgehen können. „Doch nicht immer!“, warnte der Materialforscher. Es komme individuell auf jeden Werkstoff an.
Als ernstes Branchenproblem mochte er die momentane Situation allerdings nicht einstufen. Die Trinkwasser-Installation bestehe ohnehin zu 90% aus anderen Werkstoffen. Erning: „Entscheidend ist doch der Mittelwert bei der Probennahme. Deshalb sollte man das Problem nicht künstlich aufbauschen.“

UBA-Liste für Werkstoffe wird noch größer

„Es steht nicht gut um unsere Branche, dass wir noch immer über ein Bleiproblem im Trinkwasser reden müssen“, konstatierte Dr. Angelika Becker vom Rheinisch-Westfälischen Institut für Wasserforschung. In den westlichen Bundesländern kann es ihrer Kenntnis nach Häuser bis zum Baujahr 1973 betreffen (Osten bis 1989), in denen noch Blei-Komponenten in der Trinkwasser-Installation verbaut wurden.
Dass die UBA-Liste jetzt klare Vorgaben in Bezug auf Messing und Rotguss macht, damit in Zukunft Legierungen die hygienisch einwandfreie Trinkwasserqualität nicht gefährden, sei für sie höchste Zeit gewesen. Das UBA ermittelt zusammen mit Herstellern, welche Legierungen unbedenklich sind und in Zukunft in der Trinkwasser-Installation eingesetzt werden können. Im Wesentlichen geht es um weitere Kupferlegierungen, die im Laufe des Jahres freigegeben werden und damit die bestehende UBA-Liste vergrößern.

Gefährdungsanalyse als Einstieg in die Teamarbeit

In der Trinkwasserverordnung (TrinkwV) sind Verantwortlichkeiten strikt geregelt: Dabei können Betreiber unter Umständen verpflichtet werden, eine Gefährdungsanalyse für ihre Trinkwasser-Installation erstellen zu lassen.
„Die Gefährdungsanalyse hat den Schutz des Nutzers als klares Ziel definiert“, unterstrich Dr. Georg-J. Tuschewitzki vom Hygiene-Institut des Ruhrgebiets. „Mir ist die Gefährdungsanalyse allerdings zu technisch. Sie muss sich auch mit den hygienischen Aspekten intensiv auseinandersetzen“, prangerte er an. Wenn der Verdacht aufkomme, dass es mit der Trinkwasseranlage nicht zum Besten stehe, solle frühzeitig das Gesundheitsamt eingebunden werden. Der Betreiber als Verantwortlicher sei ohnehin kaum in der Lage, die richtigen Maßnahmen zu koordinieren und zu überwachen. Tuschewitzki: „Wie sollte ein gewöhnlicher Betreiber den Bewohnern eines Mehrfamilienhauses erläutern können, dass der Technische Maßnahmenwert überschritten wurde und wie man darauf angemessen reagierten sollte?“

Auffälligkeiten einer Anlage genau nachgehen

Wenn der Auftrag für eine Gefährdungsanalyse vorliegt, müsse der Sachverständige sich vor Ort ein genaues Bild machen, unterstrich Prof. Carsten Bäcker von der Fachhochschule Münster/Burgsteinfurt. „Manchmal reicht selbst das nicht, um eine Ursache klären zu können “, merkte er an und zeigte an einem Beispiel, dass man eine stagnationsgefährdete Hauptleitung erst dadurch habe entlarven können, nachdem Durchfluss und Temperatur durch einen Messschreiber aufgezeichnet waren. Dabei habe sich gezeigt, dass die 60°C Mindesttemperatur am Trinkwassererwärmer nicht minutenweise unterschritten wurde, sondern gar für zwei Stunden pro Tag. „Hier ist die geschuldete Werkleis­tung nicht erbracht worden!“, konstatierte der Sanitärexperte.
Raunen im Saal. Stimmen wurden laut mit dem Tenor: „Nach dem Maßstab kannst du die Hälfte aller Anlagen stilllegen...!“

Analyse ist gutachterliche Tätigkeit

Rechtsanwalt Thomas Herrig ging auf rechtliche Aspekte rund um die Gefährdungsanalyse ein. „Es geht hier um eine erfolgsorientierte Werkleistung. Deshalb ist auch ein Werkvertrag sinnvoll und eine Abnahme der Analyse ist nötig“, gab er zu bedenken. Grundlage für die Leistung seien die UBA-Empfehlungen zur Gefährdungsanalyse. Wenn an der Leistung ein Mangel erkennbar sei, müsse nachgebessert werden.
Der Sachverständige könne die Trinkwasser-Installation auch nicht systemisch begrenzen und sich beispielsweise nur auf den Warmwasserbereich beschränken.

Keine Gefahr für Dritte

Stelle sich heraus, dass die Temperaturen im benachbarten Kaltwasser negativ beeinflusst werden, könne diese Gefahr vom Fachmann erkannt und bemängelt werden, unterstrich Herrig. Er erinnerte an das Schutzziel, das bereits der Hygieniker Tuschewitzki als Prämisse herausgestellt hatte: „Es geht um die Gefahrenabwehr zugunsten Dritter.“ Wenn der Nutzer einer Trinkwasseranlage zu Schaden komme, stelle sich gleich die Haftungsfrage.
Werner Mathys, Hygieniker der Uni Münster, verfolgte das 15. Sanitärsymposium diesmal nicht als Redner, beteiligte sich aber in den Diskussionsrunden. Er gab zu bedenken: „Was die Gefährdungsanalyse jetzt aufdecken mag, ist bereits längst geschuldete Leistung des Betreibers, nämlich Trinkwasser in einwandfreier Qualität zu liefern.“ TD

 


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