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Keine gesicherte Rechtslage

Prof. Dr. Ulrich Dall

In der Praxis kommt es oft vor, dass ein Unternehmer aus Kulanzgründen eine Mängelbeseitigung an einem Werk ausführt, obwohl es sich nicht als Verursacher des Mangels ansieht. Welchen Einfluss hat dies auf die Verjährungsfrist?

 

Für den Unternehmer sowie den Besteller eines Werkes ergibt sich in der Praxis immer wieder folgende Konstellation:
Der Besteller behauptet in Bezug auf das von dem Unternehmer hergestellte Werk einen Mangel. Der Unternehmer bestreitet, dass der Mangel von ihm verursacht worden ist, erklärt sich jedoch aus Kulanzgründen bereit, den Mangel zu beseitigen. Die Mängelbeseitigung schlägt fehl, jedoch ist die ursprüngliche Verjährungsfrist inzwischen abgelaufen. Der Unternehmer weist weitere Mängelansprüche unter Berufung auf die Einrede der Verjährung zurück.

Vorstehende Problematik führt zu der Frage, ob die von dem Unternehmer aus Kulanz vorgenommene Mängelbeseitigung die Verjährungsfrist beeinflusst.

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Im BGB geregelt
Kommt der Unternehmer seiner Pflicht zur mangelfreien Lieferung des Werks nicht nach, steht dem Besteller primär ein Anspruch auf Nacherfüllung zu, wobei der Unternehmer ein Wahlrecht hat, nachzubessern oder das Werk neu herzustellen, falls dieses bei Abnahme mit einem Sach- oder Rechtsmangel behaftet war. Erst nach erfolglosem Ablauf einer Frist zur Nacherfüllung stehen dem Besteller die Sekundärrechte wie Rücktritt, Selbstvornahme etc. zu.

Die Verjährungsfrist für Mängelansprüche des Bestellers ist in § 634a BGB geregelt. Je nach Art des Werkes beträgt sie zwei Jahre für Werke, deren Erfolg in der Herstellung, Wartung oder Veränderung einer Sache liegt oder für entsprechende Planungs- oder Überwachungsleistungen, fünf Jahre für Bauwerke und Werke, deren Erfolg in der Erbringung von Planungs- oder Überwachungsleistungen dafür besteht und drei Jahre für sonstige Werke, wie z. B. Beförderungen.

Der Lauf der Verjährungsfrist beginnt mit der Abnahme des Werkes. Was aber kann den Ablauf dieser Frist hinausschieben?

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Neubeginn der Verjährung durch Anerkenntnis
§ 212 Abs. 1 Nr. 1 BGB sieht vor, dass die Verjährungsfrist im Falle eines Anerkenntnisses von Neuem zu laufen ­beginnt.

Unter einem „Anerkenntnis“ im Sinne dieser Regelung versteht man jede geschäftsähnliche Handlung, aus der sich für
den Gläubiger klar und unzweideutig ergibt, dass dem Schuldner das Bestehen des Gewährleistungsanspruchs bewusst ist und eine Erhebung der Verjährungseinrede unterbleiben wird.

Wird die Mangelhaftigkeit des Werks von dem Unternehmer ausdrücklich bestätigt und beginnt er im Anschluss daran mit der Nacherfüllung, liegt ein solches Anerkenntnis vor.

Je nach den Umständen des Einzelfalls kann sich ein Anerkenntnis auch aus einem entsprechenden schlüssigen Verhalten des Unternehmers ergeben.

In der Praxis nimmt der Unternehmer im Interesse eines Fortbestands der Geschäftsbeziehung eine Nacherfüllung jedoch häufig nur aus Kulanz vor. Ist diese Motivation offenkundig und nimmt der Besteller davon Kenntnis oder hätte er dies tun müssen, kann von einem Anerkenntnis nicht gesprochen werden, da die Nacherfüllungspflicht gerade nicht bestätigt wird.

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Stillschweigende ­Verjährungsabsprache
Vereinzelt wird die Auffassung vertreten, der Besteller müsse über die Konstruktion einer stillschweigenden Verjährungsabrede geschützt werden. Eine solche Konstruktion dürfte aber dem tatsächlichen Willen des Unternehmers nicht gerecht werden und begegnet daher erheblichen Bedenken.

Verjährungshemmung durch schwebende Verhandlungen
Hemmung in diesem Sinne bedeutet gemäß § 209 BGB, dass der Zeitraum, während dessen die Verjährung gehemmt ist, in die Verjährungsfrist nicht eingerechnet wird. Voraussetzung ist das Vorliegen eines Hemmungstatbestandes.

Nach § 203 BGB ist dies z. B. der Fall, wenn zwischen dem Schuldner und dem Gläubiger Verhandlungen über den Anspruch oder die den Anspruch begründenden Umstände schweben.  Die Verjährung ist dann solange gehemmt, bis der eine oder andere Teil die Fortsetzung der Verhandlung verweigert, wobei die Verjährung frühestens drei Monate nach dem Ende der Hemmung eintritt. In der Praxis wird diese Vorschrift immer wieder übersehen.

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Von einer Verhandlung im Sinne des § 203 BGB kann ausgegangen werden, wenn zwischen Gläubiger und Schuldner ein Meinungsaustausch über den Schadensfall stattfindet, sofern nicht sofort und eindeutig jeder Ersatz abgelehnt wird.
Verhandlungen schweben bereits dann, wenn der in Anspruch Genommene Erklärungen abgibt, die dem Geschädigten die Annahme gestattet, der Verpflichtete lasse sich auf Erörterungen über die Berechtigung von Schadensersatzansprüchen ein. Es muss nicht zwingend eine Vergleichsbereitschaft signalisiert werden.

Gespräche zwischen Unternehmer und Besteller bezüglich der Überprüfung, ob überhaupt ein Mangel vorliegt, sowie der Nacherfüllungsmodalitäten können bis zu ihrer endgültigen Fixierung als „Verhandlung“ angesehen werden.

Streitig ist jedoch, ob auch die Überprüfung selbst sowie die vereinbarte Mängelbeseitigung noch unter § 203 BGB fällt und damit eine Verjährungshemmung bewirkt.

Dagegen dürfte der Wortlaut des § 203 BGB sprechen, da der einer Verhandlung immanente Kommunikationsprozess nach Abschluss der Gespräche und dem Beginn der Überprüfung bzw. Mängelbeseitigung nicht mehr gegeben ist.

Wird § 203 BGB verneint, hat dies zur Konsequenz, dass sich der Besteller im Falle einer diskussionslosen Nacherfüllung aus Kulanz des Unternehmers weder auf einen Neubeginn der Verjährung noch eine Hemmung berufen kann.

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Um diesen (aus Sicht des Bestellers erheblichen) Missstand zu beseitigen, wird z. T. eine analoge Anwendbarkeit des § 203 BGB befürwortet, indem argumentiert wird: Wenn schon die Verhandlungen über einen Nacherfüllungsanspruch die Verjährungsfrist zugunsten des Gläubigers zum Stillstand bringen, dann sei dies erst recht bei einer die Mangelhaftigkeit des Werks beseitigenden Nacherfüllungshandlung gerechtfertigt.

Die Hemmung der Verjährung müsse mit Übergabe des alten Werks oder dem ausdrücklichen Nacherfüllungsbegehren beginnen und nach Beendigung der Nacherfüllung und der Rückgabe bzw. Neuherstellung des Werks enden.

Letztlich gibt es zu der vorstehend skizzierten Problematik jedoch keine gesicherte Rechtslage. Es muss daher immer damit gerechnet werden, dass ein Gericht eine Verjährungshemmung verneint und von einem Weiterlaufen der Verjährungsfrist trotz Überprüfung und Mängelbeseitigungsmaßnahmen durch den Unternehmer ausgeht.

Der Besteller sollte daraus die Konsequenz ziehen und vorsorglich andere, insbesondere verjährungshemmende Maßnahmen einleiten. Rechtliche Beratung ist sowohl dem Unternehmer als auch dem Besteller dringend anzuraten.

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Autor
Prof. Dr. ­Ulrich Dall, Essen, ist seit 1993 als Rechtsanwalt auf wirtschaftsrechtlichem Gebiet tätig. Sein Leis­tungsspektrum erstreckt sich auf die Beratung (insbesondere Vertragsgestaltung) sowie die bundesweite Prozessführung (einschließlich Schiedsverfahren) in den Bereichen Handels- und Gesellschaftsrecht sowie Wettbewerbsrecht und Arbeitsrecht. Seine umfangreichen Erfahrungen bringt Prof. Dr. Dall auch in seine Vortrags- und Lehrtätigkeit ein. Im März 2002 wurde er zum Professor ernannt und ist Herausgeber mehrerer Gesetzeskommentare.

 


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