Werbung

Keine Energiewende ohne Effizienzgewinne - Studie: Gas- und Öl-Heizkessel werden auch 2030 das Rückgrat der Wärmeversorgung stellen/Verbände fordern mehr Engagement von der Politik

Nur 20% aller Heizgeräte in deutschen Kellern entsprechen dem aktuellen Stand der Technik. Bei über 5 Mio. alten Heizanlagen entweicht jeder dritte Cent ungenutzt durch den Schornstein. Durch eine beschleunigte Heizungsmodernisierung, neue Heiztechniken und die verstärkte Nutzung Erneuerbarer Energien ließen sich die Treibhausgasemissionen des deutschen Wohnungssektors bis 2030 um rund 30% reduzieren. Das sind Erkenntnisse der Hauswärme-Studie*, die Shell und der Bundesindustrieverband Deutschland Haus-, Energie- und Umwelttechnik (BDH) in Zusammenarbeit mit dem Hamburgischen Weltwirtschaftsinstitut (HWWI) und dem Institut für Technische Gebäudeausrüstung (ITG) erstellt haben.

Altersstruktur der Öl- und Gasheizungen in Deutschland. Es gibt viel zu tun. Bild: Shell/BDH

Vorstellung der Hauswärme-Studie 2013 (v.l.): Prof. Michael Bräuninger, Forschungsdirektor HWWI, Dr. Jörg Adolf, Chefvolkswirt Shell, Andreas Lücke, Geschäftsführer BDH. Bild: Shell/BDH

Vorfahrt für eine deutsch-französischen Energiewende: Bundesumweltminister Peter Altmaier und die französische Umweltministerin Delphine Batho (r.). Bild: BMU/Sascha Hilgers

Der Gebäudesektor muss endlich stärker in den Fokus rücken, fordert VdZ-Geschäftsführer Dr. Michael Herma.Bild: VdZ

 

Die Studie analysiert unter der Überschrift „Klimaschutz im Wohnungssektor – Wie heizen wir morgen? Fakten, Trends und Perspektiven für Heiztechniken bis 2030“ zum einen die Potenziale aktueller und neuer Heiztechniken und Energien. Zum anderen wird mithilfe von verschiedenen Szenarien untersucht, wie sich Heiztechniken – neben Gebäudesanierung – im Wohnungssektor in den kommenden 20 Jahren entwickeln und welche Beiträge sie zu Energie- und Klimazielen der Politik leisten können. Dabei werden zum einen aktuelle Trends fortgeschrieben, zum anderen Alternativszenarien mit ambitionierten politischen Rahmenbedingungen entwickelt. „Ohne Effizienzgewinne im Hauswärmebereich können die Energie- und Klimaziele nicht erreicht werden und ist die Energiewende nicht zu schaffen“, machte Dr. Jörg Adolf, Chefvolkswirt bei Shell Deutschland, bei der Vorstellung der Studie in Hamburg deutlich. Derzeit laufe das Kesseltauschgeschäft auf zu niedrigem Niveau, mahnte Prof. Michael Bräuninger, Forschungsdirektor am HWWI: „Was heute in der Heizungssanierung passiert, reicht für die Ziele der Energiewende nicht aus.“

Ergebnisse und Schlussfolgerungen

Die Ergebnisse und Schlussfolgerungen Hauswärme-Studie 2013 in Stichpunkten:

  • Wohnungssektor: Mit der Zahl der Haushalte steigt auch die Zahl der Wohnungen – von heute 40,3 Mio. auf 41,9 Mio. Wohneinheiten im Jahr 2030, vor allem in Ein- und Zweifamilienhäusern. Über 70% der Wohnfläche sind vor 1979 erbaut.
  • Hauswärme: Der Haushaltssektor ist mit einem Endenergieverbrauch von 625 Mrd. kWh sowie einem Anteil von rund 25% einer der großen Endverbrauchssektoren. 71% des häuslichen Energieverbrauchs werden für Raumwärme und 14,5% für Warmwasser benötigt.
  • Heiztechnik: Die Modernisierung häuslicher Wärmeerzeuger liegt seit 2007 bei nur etwa 3% pro Jahr. Von den aktuell 21,3 Mio. Wärmeerzeugern sind schon 2,7 Mio. über 25 Jahre alt. Nur 20% aller Heizgeräte in deutschen Kellern entsprechen dem Stand der Technik.
  • Diversifizierung: Von den heute 21,3 Mio. Wärmeerzeugern in Wohngebäuden sind 18,4 Mio. bzw. 86% Gas- oder Öl-Heizkessel. Dennoch werden sich im Trend die Heiztechnik und damit auch die Heizenergieträger bis 2030 zunehmend diversifizieren. Die Zahl erneuerbarer Wärmeerzeuger – wie Wärmepumpen, Kraft-Wärme-Kopplung, Holzfeuerungen – wird sich von heute weniger als 3 Mio. auf 6,3 Mio. mehr als verdoppeln. Die Zahl der Solarwärmeanlagen könnte sich von heute 1,6 Mio. auf über 7 Mio. fast verfünffachen.
  • Erneuerbare Energien: Mit der Zunahme alternativer bzw. neuer Heiztechniken wächst auch der Anteil Erneuerbarer Energien am Heizenergieträgermix. Heute liegt der Anteil bei 12,5%, bis 2030 könnte er bei trendmäßiger Entwicklung auf 24%, unter ambitionierten Bedingungen der Alternativ­szenarien auf 29 bis 31% zulegen. Holz ist und bleibt der mit Abstand bedeutendste erneuerbare Energieträger.
  • Schlüsseltechnologie Brennwerttechnik: Dennoch werden auch im Jahr 2030 zentrale Gas- und Öl-Heizkessel das Rückgrat der Hauswärmeversorgung stellen. Ihr Anteil an den zentralen Hauswärmeerzeugern fällt von 85 leicht auf 81% (Trend) bzw. deutlich auf 72% (Alternativ) im Jahr 2030, von dann 22,5 Mio. Heizanlagen werden 2030 18,2 bzw. 16,2 Mio. Gas-/Öl-Heizkessel sein. Dabei wird sich die Zahl der Brennwertgeräte von heute 4,1 Mio. auf 10,6 Mio. (Trend) bzw. 11,7 Mio. (Alternativ) nahezu verdreifachen.

„Um die Ziele der Energiewende im Hauswärmesektor zu erreichen, müssen deutlich mehr Heizungen modernisiert werden“, unterstrich BDH-Geschäftsführer Andreas Lücke. Von zentraler Bedeutung sei es, Planungssicherheit für die Haushalte zu schaffen und dabei realistische Ziele einschließlich eines ausgewogenen Energiemixes anzustreben. Von der Politik verordnete Maßnahmen müssten das Wirtschaftlichkeitsgebot beachten, gleichzeitig müsse die Akzeptanz der Verbraucher sichergestellt werden.

„Vier Wände“ müssen Teil der Energiewende werden“

Mehr Einsatz der Bundesregierung für die Gebäudesanierung und ein Maßnahmenpaket für die flächendeckende energetische Modernisierung in Deutschland – das forderte auch die Gebäude-Allianz, bestehend aus Bundesverband der Energie- und Klimaschutzagenturen Deutschlands (eaD), Deutschem Mieterbund (DMB), VdZ – Forum für Energieeffizienz in der Gebäudetechnik und dem NABU, im Rahmen der diesjährigen Berliner Energietage. Der Gebäudesektor sei bei der Energiewende bislang vernachlässigt und müsse endlich zum festen Bestandteil der Energiepolitik werden, so die Verbände. Dr. Michael Herma, Geschäftsführer VdZ – Forum für Energieeffizienz in der Gebäudetechnik: „Der Gebäudesektor als vernachlässig­tes Drittel der Energiewende muss endlich stärker in den Fokus rücken.“ Andernfalls drohe die Energiewende zu scheitern. „Um den dringend benötigten Schub in das Thema energetische Gebäudesanierung zu bekommen, muss Hauseigentümern und Investoren der Weg vom Altbau zum Effizienzhaus transparent und einfach gemacht werden. Darüber hinaus muss die Politik die Weichen stellen für eine zuverlässige und dauerhafte Förderung für qualitativ hochwertige Beratungsleistungen und Sanierungsmaßnahmen“, so Martin Grocholl von den Energie- und Klimaschutzagenturen Deutschland (eaD).
Gemeinsam mit Partnern aus Industrie, Gewerkschaften, Verbraucherschützern und Umweltverbänden setzt sich die Gebäude-Allianz dafür ein, in der kommenden Legislaturperiode ein verbindliches Maßnahmenpaket umzusetzen und die energetische Modernisierung insgesamt stärker in den Mittelpunkt zu rücken. Dazu müssen nach Ansicht der Partner sowohl der Energieverbrauch gesenkt als auch die Energieeffizienz in Gebäuden erhöht werden. „Die Politik ist für die Ener­giewende im Wärmesektor auf einem Auge blind“, urteilte Jörg-Andreas Krüger, stellvertretender NABU-Bundesgeschäftsführer. „Bislang hat sie die Chance vertan, die energetische Gebäudesanierung zum größten Wertschöpfungs- und Werterhaltungsprogramm der Bundesrepublik zu machen und damit zu einem echten Jobmotor für die heimische Wirtschaft. Nur mit zusätzlichen Anstrengungen und der Neuausrichtung der drei Säulen ‚Fordern‘, ‚Fördern‘ sowie ‚Information und Beratung‘ werden auch die ‚Vier Wände‘‚ Teil der Ener­giewende werden.“

Europa statt Deutschland – Strom statt Wärme

Ob diese Appelle tatsächlich fruchten werden, ist fraglich. Derweil, so scheint es, hat Europapolitik Vorfahrt vor nationalen Belangen – und Strom vor Wärme. Auf einer Pressekonferenz im Mai in Berlin stellten Bundesumweltminister Peter Altmaier und seine französische Amtskollegin Delphine Batho die Kernpunkte des gemeinsamen Projekts einer „deutsch-französischen Ener­giewende“ vor. Sowohl die deutsche Energiewende als auch die französische Politik der „transition énergétique“ haben zum Ziel, den Anteil der Erneuerbaren Ener­gien am Energiemix signifikant zu erhöhen. Die „transition énergétique“ zielt darauf, den Anteil der Kernenergie an der Stromerzeugung von aktuell 75 auf 50% bis 2025 zu senken und im Gegenzug den Anteil der Erneuerbaren Ener­gien an der Stromversorgung auf rund 23% zu steigern. Deutschland hat sich das Ziel gesetzt, bis Ende 2022 ganz aus der Kernenergie auszusteigen und bis 2030 mindes­tens einen Anteil von 50% Erneuerbarer Energien an der Stromversorgung zu erreichen.
Altmaier erklärte das gemeinschaftliche Engagement für die Energiewende zu einem wichtigen Identifikationsprojekt der deutsch-französischen Freundschaft, das den Wohlstand beider Länder nachhaltig und verträglich sichern und darüber hinaus auch ein Motor für den Umbau der Energieversorgung auf europäischer Ebene sein könne.

Schlussbemerkung

Ohne Effizienzgewinne im Hauswärmebereich laufen die Energie- und Klimaziele derBundesregierung Gefahr, nicht erreicht zu werden. Verbände fordern deshalb mehr Einsatz der Bundesregierung für die Gebäudesanierung und darüber hinaus ein Maßnahmenpaket für eine flächendeckende energetische Modernisierung. Die, so hat es den Anschein, fokussiert sich in Sachen Energiewende lieber auf den Stromsektor. Und so wird die Ener­giewende im Wärmesektor wohl weiterhin das Stiefkind der Politik bleiben.
www.shell.de
www.bdh-koeln.de
www.vdzev.de

 


Artikel teilen:
Weitere Tags zu diesem Thema: