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Heben oder schließen? – Experten-Tipps und Informationen zur Sicherheit vor Rückstau

Trotz zahlreich angebotener Weiterbildungen für Fachleute, Sach- und Fachkundige zeigt die Realität leider häufig, dass „Schutz vor Rückstau“ nicht die notwendige Beachtung findet. Der Sachverständige wird noch viel zu oft (für die Betroffenen) angesprochen, weil in diesen Fällen meist unsachgemäß oder in Unkenntnis gehandelt wird. In den Abwasser-Normen, Richtlinien und meist auch in den örtlichen Satzungen steht sinngemäß, dass jeder Eigentümer sein Gebäude gegen Rückstau zu schützen hat und dass jederzeit mit Rückstau gerechnet werden muss.

Ein Rückstau im Kanalnetz entspannt sich an der Rückstauebene (meist Straßenoberkante). Bild: Kessel

Richtiger und falscher Einbauort für zentrale Rückstauverschlüsse. Bild: Kessel

Rückstauverschluss Typ 2 für Grauwasser. Bild: Aco

Darstellung einer Abwasseranlage unterhalb einer Rückstauebene. 1 Fäkalienhebeanlage, 2, 8, 10 Absperrung, 3, 4, 5, 6, 7 Schwingungsdämpfer, 9 Handpumpe, 11 Bodenablauf mit integrierter Hebeanlage

Rückstauverschluss Typ 3 für Schwarzwasser. Bild: Dallmer

Rückstauverschluss, bei dem der elektrische Anschluss und die Motormontage (Inbetriebnahme und Einweisung) vergessen wurden.

Muster einer Checkliste.

 

Berichte über Unwetter und vollgelaufene Keller häufen sich. Unwetter und Regenfälle mit Niederschlagsmengen, die bisher in dieser Stärke in unseren Regionen nicht bekannt waren, suchen zwischenzeitlich alle Teile Deutschlands heim. Diese großen Regenmengen können oft vom öffentlichen Entwässerungssystem (Kanalisation) kurzzeitig nicht normal abgeleitet werden. In der Kanalisation entsteht ein Überdruck, der sich über die Abwasseranschlüsse von ungeschützten Gebäuden entspannt. Das Schmutzwasser der Kanalisation tritt dann aus den tiefer liegenden Gebäudeablaufstellen (die unterhalb der Rückstauebene liegen) aus.

Das öffentliche Entwässerungs­sy­stem muss für diese Fälle nicht ausgelegt sein. Häufig entstehen hohe Schadensfälle, die durch relativ kostengünstige Maßnahmen verhindert werden könnten, wenn Planer und Verarbeiter in diesem Fachbereich die entsprechenden Normen und Vorschriften beachten würden. Eine falsche Kosteneinsparung kann sich auch noch nach Jahren rächen: Wenn im Laufe der Zeit die tiefer liegenden Gebäude in der Nachbarschaft nach Rückstauschäden gesichert wurden, kann bei einem ungesicherten Gebäude auch erst nach fünf oder zehn Jahren plötzlich Wasser im Keller stehen. Ein Sicherheitscheck durch den Fachmann ist daher meist beruhigend und preisgünstiger. Die nachfolgenden sieben Fragen und die Tipps sollen Informationen und Hilfestellung zum Thema geben.

Was ist im Gebäude rückstaugefährdet?

Alle Ablaufstellen (z.B. Kellerabläufe, Ausgussbecken, Waschmaschinenanschlüsse, Duschen, Toiletten), die unterhalb der Rück­stauebene liegen, sind rück­staugefährdet und gegen Rückstau zu schützen.

Was ist die Rückstauebene?

Die Rückstauebene ist eine gedachte Linie auf Straßen- bzw. Geh­weg­niveau des Straßenablaufs, der am näch­sten beim Gebäudeabwasseranschluss an die Kanalisation liegt. Dies gilt, sofern von der zuständigen Behörde keine anderen Angaben gemacht sind.

Welche Abwässer fallen an?

In der Regel fallen bei Wohnhäusern folgende Abwässer an:

  • Schwarzwasser (fäkalienhaltiges Abwasser),
  • Grauwasser (fäkalienfreies Abwasser),
  • Niederschlags-/Regenwasser.

Welche Anlagen und/oder Geräte dürfen installiert werden?

Folgende Anlagen und Geräte können u.a. zum Schutz gegen Rückstau installiert werden:

  • Abwasserhebeanlagen (für fäkalienfreies oder fäkalienhaltiges Abwasser) nach DIN EN 12056-4 und zugehörige Normen wie DIN EN 12050,
  • Rückstauverschlüsse (für fäkalienfreies oder fäkalienhaltiges Abwasser) nach DIN EN 12056-4 und zugehörige Normen wie DIN EN 13564.

Was bietet den erforderlichen Schutz vor Rückstau?

Den notwendigen Schutz vor Rückstau bieten Abwasserhebeanlagen oder Rückstauverschlüsse (unter Einhaltung bestimmter Vorschriften) jeweils mit einer Zulassung vom DIBt (Deutschen Institut für Bautechnik in Berlin). Voraussetzung ist, dass das Gerät oder die Anlage an der richtigen Stelle installiert wird. Der Einbauort und die Art der Rückstausicherungen sind u.a. von der Abwasserart und dem Einbauort der Ablaufstelle bzw. der Ablaufstellen abhängig.

Wann muss grundsätzlich eine Hebeanlage eingebaut werden?

Wenn das Abwasser von der Gebäudeablaufstelle nicht im natürlichen Gefälle in die öffentliche Kanalisation geleitet werden kann, muss eine Abwasserhebeanlage installiert werden. Das Abwasser ist über die Rückstauschleife und danach im natürlichen Gefälle in die öffentliche Kanalisation zu leiten.

Was darf über Hebeanlagen und/oder Rückstauverschlüsse gegen Rückstau geschützt werden?

In der Regel dürfen nur Ablaufstellen, die unterhalb der Rück­­stau­­ebene liegen, über Rückstauverschlüsse oder Abwasserhebeanlagen geführt werden. Alle Ablaufstellen, die über der Rückstauebene installiert sind, sind direkt abzuleiten.

Wann dürfen auch Rückstauverschlüsse für fäkalienhaltiges Abwasser eingebaut wer­den?

Rückstauverschlüsse für Schwarzwasser (fäkalienhaltiges Abwasser) dürfen eingesetzt werden, wenn

  • das Abwasser im natürlichen Gefälle abgeleitet werden kann,
  • der Benutzerkreis klein ist,
  • ihm bei Rückstau ein WC oberhalb der Rückstauebene zur Verfügung steht,
  • er bei Rückstau auf die (mittels Rückstauverschluss) geschützten Ablaufstellen verzichten kann,
  • es sich um untergeordnete Nutzungsräume handelt und keine wesentlichen Sachwerte oder die Gesundheit der Bewohner beeinträchtigt werden können. 

Sie dürfen auch installiert werden, wenn nur Grauwasser (fäkalienfreies Abwasser) anfällt.

Wann dürfen Rückstauverschlüsse für fäkalienfreies Abwasser eingebaut werden?

Rück­stauverschlüsse für fäkalienfreies Ab­was­ser dürfen installiert werden, wenn

  • das anfallende Grauwasser im natürlichen Gefälle abgeleitet werden kann,
  • es sich um untergeordnete Nutzungsräume handelt,
  • keine wesentliche Sachwerte oder die Gesundheit der Bewohner beeinträchtigt werden können und
  • bei Rückstau auf die mittels Rückstauverschluss geschützten Ablaufstellen verzichtet werden kann.

Was muss bei der Installation von Rückstauverschlüssen u.a. beachtet wer­den?

Es dürfen nur Rückstauverschlüsse nach DIN EN 13564 mit Zulassung in Deutsch­land eingebaut werden:

  • für fäkalienfreies Abwasser sind es die Typen 2, 3 und 5,
  • für fäkalienhaltiges Abwasser ist es Typ 3 mit Kennzeichnung „F“.

Entscheidend für die Wahl der Rückstauverschlüsse ist das Abwasser, das durch den Rückstauverschluss in die Kanalisation geleitet wird, ob es sich dabei um Schwarz- oder Grauwasser handelt. Unerheblich ist in der Regel, welches Abwasser von der Kanalisation zurückdrücken könnte (i.d.R. handelt es sich um Schwarz­wasser).

Was darf durch Hebeanlagen oder Rückstauverschlüsse nicht geschützt werden?

  • Ablaufstellen, die oberhalb der Rückstauebene liegen, sind nicht über Abwasserhebeanlagen oder Rückstauverschlüs­se zu führen. In der Regel handelt es sich bei den Entwässerungssystemen in Deutschland um kommunizierende Röhren. Im Leitungssys­tem herrscht der „Rückstaudruck“ nur bis zur Rückstau­ebene und entspannt sich gegebenfalls spätestens über den Straßenablauf.
  • Das gesamte Entwässerungssystem (z.B. Schwarz-, Grau- und Regenwasser) des Ge­­bäu­de darf nicht gemeinsam über eine Abwasserhebeanlage oder einen Rückstauverschluss geführt werden. Ablaufstellen, die über der Rückstauebene installiert sind, sollen direkt abgeleitet wer­den.
  • Niederschlagswasser ist, wenn es gehoben werden muss, nicht gemeinsam mit Schwarz- oder Grauwasser über eine gemeinsame Abwasserhebeanlage abzuleiten.
  • Niederschlagswasser darf nicht über einen Rückstauverschluss abgeleitet werden. Bei Rückstau aus dem Kanalnetz schließt der Rückstauverschluss, sodass das Regenwasser nicht abgeleitet werden kann. Der rückstaugeschützte Bereich würde überschwemmt.

Wo und wie sind die Anlagen oder Ge­räte zu installieren?

Bei der Installation von Abwasserhebeanlagen muss u.a. beachtet werden, dass:

  • das Abwasser von Hebeanlagen über die Rückstauschleife der Kanalisation zuzuleiten ist,
  • das häusliches Ab- und Niederschlagswasser in der Regel nicht gemeinsam über eine Abwasserhebeanlage abgeleitet werden dürfen,
  • eine Abwasserhebeanlage für Niederschlagswasser in der Regel außerhalb des Gebäudes zu installieren ist,
  • bei der Installation der Rückstauschleife im Freien (außerhalb von Gebäuden) eine mögliche Frostgefahr zu beachten ist und entsprechende Schutzmaßnahmen vorzusehen sind.

Ist für die Anlagen oder Geräte eine regelmäßige Inspektion oder/und Wartung erforderlich?

Inspektion von Abwasserhebeanlagen

Laut DIN EN 12056-4 soll bei allen Abwasserhebeanlagen monatlich die Betriebsfähigkeit von mindestens zwei Schaltzyklen durch den Betreiber geprüft werden.

Inspektion von Rückstauverschlüssen für fäkalienhaltiges Abwas­ser

Die ordnungsgemäße Geräte-Funktion sollte vom Betreiber monatlich durch Inaugenscheinnahme geprüft werden.

Wartung von Hebeanlagen:

Je nach Art und Nutzung des Gebäudes sind Abwasserhebeanlagen durch Fachkundige zu warten:
• 1/4-jährlich bei Anlagen in gewerblichen Betrieben,
• 1/2-jährlich bei Anlagen in Mehrfamilienhäusern,
• jährlich bei Anlagen in Einfamilienhäusern.

Wartung von Rückstauverschlüssen für fäkalienfreies Abwas­ser

Rückstauverschlüsse sollen zweimal im Jahr kontrolliert und geprüft werden. Die Wartung der Typen 2 und 5 hat durch sachkundiges Personal zu erfolgen.

Wartung von Rückstauverschlüssen für fäkalienhaltiges Abwas­ser

Diese Rückstauverschlüsse sollen zweimal im Jahr kontrolliert und geprüft werden. Der Typ 3 ist durch fachkundiges Personal zu warten. Es wird außerdem empfohlen, die Geräte monatlich vom Betreiber (Gebäudebesitzer oder Haus­meister) auf ihre Funktion zu prüfen.

Wie funktioniert ein Rückstauverschluss?

Allgemeine Anforderungen
Alle in Deutschland zugelassenen Rückstauverschlüsse müssen selbstständig schließen und nach Rückstauende wieder den ungehinderten Ablauf des Abwassers ermöglichen. Sie müssen u.a. zwei selbsttätige, unabhängig voneinander funktionierende Verschlüsse und einen per Hand verschließbaren Notverschluss haben, wobei der Notverschluss mit einem selbsttätigen Verschluss kombiniert sein darf.

  • Die Typen 2 und 3 sind zum Einbau in durchgehende Abwasserleitungen geeignet.
  • Der Typ 5 ist als Bodenablauf (z.B. Kellerabläufe) oder als Ablaufgarnitur (z.B. für Abwasserleitungen von Ausgussbecken, Wasch­maschinen, etc.) einzubauen.

Rückstauverschlüsse für fäkalienfreies Abwasser

Diese Geräte können mit mechanischen Verschlüssen ausgestattet sein, die bei Rück­stau selbsttätig schließen und nach Rückstauende selbsttätig das Abwasser wieder abfließen lassen.

Rückstauverschlüsse für fäkalienhaltiges Abwasser

Diese Geräte müssen mit einer Hilfs­energie ausgestattet sein, da:

  • im Normalfall 90% des Rohrquerschnitts geöffnet sein muss,
  • der Betriebsverschluss bei Rückstau innerhalb von maximal 60 Sekunden selbsttätig verschlossen sein muss,
  • der Schließvorgang spätestens dann beginnen muss, wenn das Rückstauniveau am Geräte-Ablaufstutzen 100mm erreicht hat,
  • nach Ende des Rückstaus der Betriebsverschluss wieder selbsttätig öffnen muss.

Welche Alternativen gibt es?

Rückstauverschlüsse mit Pumpe

Diese Geräte müssen eine Zulassung als Rückstauverschluss für Deutschland besitzen. Sie sind keine Hebeanlagen und als solche auch nicht einsetzbar. Sie sind wie die oben beschriebenen Rückstauverschlüsse verwendbar und zu installieren. Vorteil dieser Geräte bzw. Anlagen ist, dass bei Rückstau und dem erforderlichen automatischen Verschluss das in dieser Zeit anfallende Gebäudeabwasser die integrierte Pumpe in Betrieb setzt. Die Pumpe leitet dieses Abwasser dann gegen den Rückstau ab und verhindert eine Überflutung der rückstaugeschützten Ablaufstellen durch „Eigenabwasser“. Die Einsatzmöglichkeit dieser Anlagen muss aber im Einzelfall geprüft werden. Eine Installation dieser Anlagen zum Rückstauschutz von gewerblich genutzten Bereichen mit großen Benut­zerzahlen wie öffentliche WC- oder Waschanlagen kann in der Regel nicht empfohlen werden.

Informationen und Tipps

Neben der falschen Wahl des Rückstauverschluss-Typs sind es in erster Linie die falschen Einbauorte, die für den Rückstau verantwortlich sind. Bei der Wahl des Einbauorts sind sehr viele Faktoren zu berücksichtigen. Zum Beispiel darf das gebäudeeigene Regenwasser nicht über den Rückstauverschluss geleitet werden. Denn wenn die Verschlüsse bei Rückstau ordnungsgemäß schließen, kann das Regenwasser nicht mehr ablaufen und überschwemmt die Räume, in denen die tiefsten Ablaufstellen des Gebäudes liegen. Ähnliches kann passieren, wenn das gesamte Gebäude über einen Rückstauverschluss „abgesichert“ ist und in der Rückstauphase z.B. das Abwasser von einer Badewanne, die über der Rückstauebene eingebaut ist, abgeleitet wird.

Es kommt wohl auch vor, dass Rückstauverschlüsse korrekt eingebaut, aber nicht funktionieren können – wenn der elektrische Anschluss fehlt. Als hilfreich bei allen genannten Fällen hat sich die Verwendung einer Checkliste zur Vermeidung von Fehlern erwiesen.

Sicherheit kommt nur vom Fachmann

Wie die oben angeführten Vorschriften und Bedingungen zeigen, ist das Thema „Schutz vor Rückstau“ für den Laien recht unübersichtlich. Wichtige und ausschlaggebende Faktoren können leicht übersehen werden und zu teuren Folgen führen. Eine orgfältig Planung des Entwässerungssys­tems von Gebäuden und eine evtl. not­wendig werdende Überprüfung und Beratung durch den kompetenten Fachmann dienen der Sicherheit des Eigentümers. Jeder Fachbetrieb sollte seinen Mitarbeitern die Möglichkeit bieten, durch Weiterbildungsmaßnahmen die notwendige Kompetenz zu erlangen bzw. zu erhalten.

Literatur: Praxis-Broschüre „Sicherheit vor Rückstau“. Bezug über Reinhold K. Tränkle.

Autor: Dipl.-Ing. (FH) Reinhold K. Tränkle, freier Sachverständiger im BVFS, Mitarbeiter in verschiedenen DIN- und Euronormausschüssen (u.a. für Hebeanlagen und Rückstauverschlüsse)


www.aco-haustechnik.de
www.dallmer.de
www.kessel.de

 


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