Werbung

Grenzen des Wettbewerbsverbots BHG-Urteil zur Reichweite eines Wettbewerbsverbots

Eine von GmbH-Gesellschaftern häufig gestellte Frage betrifft die Reichweite eines Wettbewerbsverbots. Zu diesem Problemkreis hat der BGH in einem Urteil vom 30.11.2009 für den Fall eines Gesellschafteraustritts Stellung genommen und die Grenzlinie zugunsten des austretenden Gesellschafters verschoben.

 

Was war passiert? Der Gesellschafter A war mit 34,2% an einer auf die biotechnische Forschung, Entwicklung und Produktion sowie den Verkauf von Spezialreagenzien spezialisierten X-GmbH beteiligt.
§ 6 der GmbH-Satzung enthielt folgendes Wettbewerbsverbot: „Den Gesellschaftern ist es untersagt, unmittelbar oder mittelbar auf dem Geschäftsgebiet der Gesellschaft Geschäfte zu betreiben und abzuschließen oder der Gesellschaft auf andere Weise Konkurrenz zu machen...“
§ 11 der GmbH-Satzung regelte die Zulässigkeit und Umsetzung eines Austritts aus der Gesellschaft: „Ein Gesellschafter kann den Austritt aus der Gesellschaft aus wichtigem Grund erklären .... Erklärt ein Gesellschafter seinen Austritt aus der Gesellschaft, können die übrigen Gesellschafter mit einer Frist von einem Monat beschließen, dass der Geschäftsanteil des austretenden Gesellschafters von der Gesellschaft, einem oder mehreren Gesellschaftern oder einem Dritten erworben oder eingezogen wird .......“
Mit Schreiben vom 21. 9.2005 erklärte A seinen Austritt aus der GmbH aus wichtigem Grund, woraufhin die Gesellschafterversammlung der GmbH beschloss, A zur Übertragung seines Gesellschaftsanteils an den Gesellschafter B zu verpflichten. Der Beschluss wurde A am 7.11.2005 bekanntgegeben. Da sich die Beteiligten nicht über die Höhe der an A zu zahlenden Abfindung einigen konnten, wurde im Hinblick auf eine entsprechende Regelung im GmbH-Vertrag ein Schiedsgutachten in Auftrag gegeben, das bis zur BGH-Entscheidung noch nicht erstellt war.
Mit Gesellschaftsvertrag vom 19.9.2005 war die Y–GmbH gegründet worden, unter deren Namen A im Geschäftsverkehr auftrat. Unternehmenszweck dieser Gesellschaft ist die biotechnologische Forschung sowie die Entwicklung, Produktion und Vermarktung von Feinchemikalien.
Die X–GmbH vertrat die Auffassung, A habe bis zu seinem Ausscheiden das Wettbewerbsverbot zu beachten, und verklagte ihn auf Unterlassung. Zu Recht?

Kein Verstoß

Im Gegensatz zu den Vorinstanzen sah der BGH keinen Verstoß des A gegen das Wettbewerbsverbot.
Der BGH legte das Wettbewerbsverbot in § 6 des GmbH-Vertrages im Lichte der grundrechtlich geschützten Berufsfreiheit in dem Sinne einschränkend aus, dass das Wettbewerbsverbot nur bis zur Annahme des Austritts des A durch die GmbH Gültigkeit beanspruchte.
A sei zwar noch Gesellschafter der GmbH gewesen, da der Verlust der Gesellschafterstellung erst mit dem Vollzug der Austrittsentscheidung durch Einziehung des Geschäftsanteils oder durch seine Verwertung eintrete, woran es vorliegend gefehlt habe. Das Wettbewerbsverbot gelte jedoch nach dem Austritt des A nicht bis zum Verlust seiner Gesellschafterstellung fort, da dies zu einem gegen die guten Sitten verstoßenden Berufsverbot führen würde.
Darüber hinaus stellte die BGH klar: Gesellschaftsvertragliche Wettbewerbsverbote sind nur zulässig, wenn sie nach Ort, Zeit und Gegenstand nicht über die schützenswerten Interessen des Begünstigten (hier der X-GmbH) hinausgehen und den Verpflichteten (hier A) nicht übermäßig beschränken.

Differenzierte Beurteilung
Ob diesen Anforderungen genügt ist, ist aufgrund einer Abwägung der beiderseitigen Interessen unter Berücksichtigung der jeweiligen Umstände des Einzelfalls, insbesondere des mit dem Wettbewerbsverbot verfolgten Zwecks, zu beurteilen.
Während der Zugehörigkeit zur Gesellschaft findet ein an die Gesellschafterstellung geknüpftes vertragliches Wettbewerbsverbot seine Rechtfertigung regelmäßig in dem anzuerkennenden Bestreben der Gesellschaft, dass der Gesellschafter als Ausfluss seiner gesellschafterlichen Treuepflicht den Gesellschaftszweck loyal fördert und Handlungen unterlässt, die seine Erreichung behindern könnten. Dieser das Wettbewerbsverbot legitimierende Zweck, zu verhindern, dass die Gesellschaft von innen her ausgehöhlt und ihrer wirtschaftlichen Existenzgrundlage beraubt wird, ist mit der Austrittsentscheidung des A und der mit dem Gesellschafterbeschluss verbundenen Erklärung der X-GmbH, sie wolle sich gegen den Austritt nicht wehren, entfallen.
A ist zwar formell noch Gesellschafter, weil er seinen Geschäftsanteil noch nicht übertragen hat. Seine von der X–GmbH akzeptierte Austrittsentscheidung, durch die er zu erkennen gegeben hat, sich in der Gesellschaft nicht mehr unternehmerisch betätigen und den Gesellschaftszweck nicht mehr fördern zu wollen, hat jedoch zur Folge, dass er mit der Gesellschaft bis zur Umsetzung des Austritts nur noch vermögensrechtlich verbunden ist. Geht es A nach seinem Austritt demnach nur noch darum, die ihm zustehende Abfindung zu erhalten, darf er seine Mitspracherecht in der Gesellschaft nur noch insoweit ausüben, als sein wirtschaftliches Interesse an der Durchsetzung seines Abfindungsanspruchs betroffen ist.
Ist es A somit trotz fortbestehender Gesellschafterstellung weitgehend versagt, nach seinem Austritt in den Angelegenheiten der Gesellschaft mitzusprechen und auf die künftige Entwicklung der Gesellschaft Einfluss zu nehmen, kann es ihm, da er keinem nachvertraglichen Wettbewerbsverbot unterliegt, nicht zugemutet werden, sich bis zur Umsetzung seines Austritts jeglichen Wettbewerbs mit der Gesellschaft zu enthalten.
Die hier skizzierte Entscheidung macht deutlich, dass es sich lohnt, genauer hinzuschauen, ob der Vorwurf eines Verstoßes gegen das Wettbewerbsverbots gerechtfertigt ist. Die Beurteilung fällt häufig differenzierter aus, als es der Wortlaut der jeweiligen Klauseln vermuten lässt.

Autor: Prof. Dr. Ulrich Dall, Essen, ist seit 1993 als Rechtsanwalt auf wirtschaftsrechtlichem Gebiet tätig. Sein Leistungsspektrum erstreckt sich auf die Beratung (insbesondere Vertragsgestaltung) sowie die bundesweite Prozessführung (einschließlich Schiedsverfahren) in den Bereichen Handels- und Gesellschaftsrecht sowie Wettbewerbsrecht und Arbeitsrecht.
Seine umfangreichen Erfahrungen bringt Prof. Dr. Dall auch in seine Vortrags- und Lehrtätigkeit ein. Im März 2002 wurde er zum Professor ernannt und ist Herausgeber mehrerer Gesetzeskommentare.

 


Artikel teilen:
Weitere Tags zu diesem Thema: