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Aus der betrieblichen Beratungspraxis

Teil 3: Mindestlohn – Entspannt sich die Lage?

Grundsätzlich gilt der Mindestlohn für alle Arbeitnehmer, also auch für Aushilfen und Praktikanten, wenn sie kein Praktikum zur Berufsorientierung oder Pflichtpraktikum im Rahmen einer Ausbildung absolvieren. Bild: IKZ-HAUSTECHNIK

 

Spätestens seit dem 1. Januar 2015 ist das Mindestlohngesetz in Deutschland ein Dauerbrenner in der rechtlichen Beratung. Erste Änderungen sind in Kraft getreten und auch erste Urteile wurden von den Gerichten gesprochen. Zum 1. Januar 2017 erhöht sich der Mindestlohn auf 8,84 Euro. Bereitschaftszeiten sind mit dem Mindestlohn zu vergüten. Diese Themen beschäftigen die SHK-Branche und erfordern eine erste Bestandsauf­nahme.

Die Erhöhung des Mindestlohns zum Beginn des Jahres 2017 wurde gerade beschlossen. Wie kommt es zu dieser schnellen Erhöhung nach der Einführung?
Es gibt eine Mindestlohnkommission, die nach dem Willen des Gesetzgebers regelmäßig über die Anpassung des gesetzlichen Mindestlohns entscheidet. Die Kommission hatte gemäß der Regelung im Mindestlohngesetz erstmalig über eine Anpassung bis zum 30. Juni 2016 zu befinden. Danach hat die Mindestlohnkommission alle zwei Jahre erneut über eine Anpassung des Mindestlohns zu entscheiden. Vor dem Hintergrund einer ers­ten Erhöhung haben die Gewerkschaften und zum Teil die Politik im Vorfeld einer Kommissionsentscheidung versucht, auf eine drastische Erhöhung des Mindestlohns hinzuwirken. Der Gesetzgeber hat dem einen Riegel vorgeschoben, indem er eine Orientierung an den Tarifindex vorgeschrieben hat. Bei der Beurteilung, ob und wie hoch der Mindestlohn zu erhöhen ist, hat sich die Kommission also an der laufenden Tarifentwicklung zu orientieren. Nach den Feststellungen des Statistischen Bundesamtes haben sich die Löhne im öffentlichen Dienst des Bundes und der Kommunen in dem Zeitraum zwischen Einführung des Mindestlohns und der Entscheidung der Kommission am 28. Juni 2016 über die Anhebung um 4,0 % erhöht. Bei einer Anhebung des Mindestlohns um 4 % ergibt sich schließlich der ab 1. Januar 2017 geltende Mindestlohn von 8,84 Euro.

Der Mindestlohn ist mit der Erfüllung von Dokumentationspflichten verbunden. Wie sind die Erfahrungen in der Praxis?
Zunächst galt eine Dokumentationspflicht für alle Arbeitnehmer, deren monatliches Brutto-Einkommen 2958,00 Euro nicht übersteigt. Aufzuzeichnen waren Beginn, Ende und Dauer der täglichen Arbeitszeit des Arbeitnehmers. Bereits zum 1. August 2015 kam es zu einer Erleichterung für die Betriebe. Die Aufzeichnungspflichten des Arbeitgebers bestehen seither nur noch bei einem Brutto-Monatseinkommen bis zu 2000,00 Euro. Voraussetzung ist, dass diese 2000,00 Euro brutto in den letzten 12 Monaten auch tatsächlich ausgezahlt worden sind. War dies zum Beispiel wegen einer Neueinstellung nicht der Fall, bleibt es bei den Aufzeichnungspflichten wie vor dem 1. August 2015. Aufzeichnungen für nahe Angehörige – hierzu zählen Ehepartner/innen, Kinder und eingetragene Lebenspartner – sind gar nicht mehr erforderlich.
Zusammenfassend kann man feststellen, dass die Erleichterung der Dokumentationspflichten Entspannung für die Betriebe gebracht hat. Zumeist sind die Aufzeichnungen nur noch für geringfügig Beschäftigte und Neueinstellungen erforderlich, da der Tariflohn ohnehin den Mindestlohn übersteigt.

Wie erfolgt die Berechnung des Mindestlohns und welche Bestandteile des Lohns dürfen auf den Mindestlohn angerechnet werden?
Grundsätzlich gilt der Mindestlohn für alle Arbeitnehmer, also auch für Aushilfen und Praktikanten, wenn sie kein Praktikum zur Berufsorientierung oder Pflichtpraktikum im Rahmen einer Ausbildung absolvieren. Ein Berufsorientierungspraktikum darf einen Zeitraum von drei Monaten nicht überschreiten, da sonst der Mindestlohn rückwirkend zum ersten Tag fällig wird.
Es gibt in den meisten Arbeitsverhältnissen verschiedene Lohnbestandteile, die nicht alle auf den Mindestlohn anzurechnen sind. Es ist daher darauf zu achten, ob der jeweilige Lohnbestandteil auf die ausgeführte Arbeit gezahlt wird und dann auf den Mindestlohn anzurechnen ist. Das ist zum Beispiel nicht der Fall, wenn etwas gesondert vergütet werden soll. Zuschläge für Mehrarbeit, Schmutzzulagen, Auslösungen oder Vermögenswirksame Leistungen werden zusätzlich auf die eigentliche Arbeit vergütet und sind nicht bei der Berechnung des Mindestlohns zu berücksichtigen.
Beim Weihnachtsgeld ist zu differenzieren, aus welcher Motivation das Weihnachtsgeld gezahlt wird. Stellt die Sonderzahlung lediglich eine Treueprämie dar und macht keinen wesentlichen Lohnbestandteil in der Gesamtvergütung des Arbeitnehmers aus, ist die Gratifikation einem Urteil des Sächsischen Landesarbeitsgerichts zufolge nicht auf den Mindestlohn anzurechnen. Wird das Weihnachtsgeld aber nach dem Wunsch des Arbeitgebers auf die Arbeitsleistung gezahlt, ist das Geld im Zeitpunkt der Auszahlung in den Mindestlohn einzubeziehen. Davon ist immer auszugehen, wenn die Sonderzahlung einen wesentlichen Bestandteil der Gesamtvergütung ausmacht. Im Einzelfall kann es dann günstig sein, das zusätzliche Weihnachtsgeld auf die einzelnen Monate verteilt auszuzahlen.

Zum Thema Bereitschaftsdienste ging ein Urteil des Bundesarbeits­gerichts (BAG) durch die Medien, dass diese auch mit dem Mindestlohn zu vergüten sind. Sind SHK-Betriebe auch von diesem Urteil betroffen?
Das Urteil des BAG erging ausschließlich für Bereitschaftszeiten, die überwiegend in medizinischen Berufen vorkommen. Von diesen abzugrenzen ist jedoch die, in SHK-Betrieben meist verbreitete Rufbereitschaft. Entsprechend ist eine Differenzierung der Rufbereitschaft von den Bereitschaftsdiensten vorzunehmen. Bereitschaftsdienst bedeutet, dass sich ein Arbeitnehmer an einem bestimmten Ort bereithalten muss, um von dort aus während der Bereitschaft jederzeit die Arbeit aufnehmen zu können. Im Gegensatz dazu muss sich der Arbeitnehmer bei der Rufbereitschaft nicht an einem bestimmten Ort aufhalten. Er muss sich nur innerhalb des bestimmten Zeitraums in einem gewissen Radius zur Arbeitsstätte befinden, um von dort die Arbeit aufnehmen zu können. Letztlich kann der Arbeitnehmer innerhalb dieser Rufbereitschaft seine Zeit frei gestalten und ist auch örtlich nicht gebunden, sodass diese Zeit der Freizeit gleicht. Die Arbeitnehmer werden für die Rufbereitschaft meist mit einer Pauschale vergütet, um anzuerkennen, dass sie sich für die Arbeit bereithalten. Eine Vergütung nach Stundensätzen, die dem Mindestlohn entsprechen, erfolgt erst, wenn der Arbeitnehmer tatsächlich zu einem Einsatz gerufen wird.

Autorin: RA Dania Boldemann-Kühle

 

 

 

In der sechsteiligen Artikelserie „Aus der Beratungspraxis“ beantworten technische, betriebswirtschaftliche und juristische Referenten des Fachverbandes Sanitär Heizung Klima NRW Fragen aus der betrieblichen Praxis, die ihnen wiederkehrend im Rahmen ihrer Beratung gestellt werden. Dieser Artikel zum Thema „Mindestlohn“ wurde von Dania Boldemann-Kühle verfasst. Sie ist Rechtsanwältin beim Fachverband SHK NRW und berät Innungsbetriebe hinsichtlich Vertragsrecht, Wettbewerbs- u. Handwerksrecht sowie Datenschutz.
Bislang erschienen:
Teil 1: Heizungsfülleinrichtung nach aktueller Norm – auch für den Bestand (Heft 22/2016).
Teil 2: Aufklärungs-, Prüfungs-, Beratungspflichten des Installateurs (Heft 23/24/2016).

 


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