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Unzulässig für Trinkwasser­installationen

Aktuelle Gerichtsurteile zur Innenrohrbeschichtung mit Epoxidharz als Sanierungsmaßnahme

Bild oben: Beispiel einer Rohrinnenbeschichtung: So soll‘s in der Praxis aussehen. Bild Mitte: Fehler bei der Innensanierung: Hier weisen die Arbeitsschritte Reinigen und Beschichtung große Mängel auf. Bild unten: Fehler durch ungleichmäßige Verteilung des Beschichtungsmittels. Ursache: zu geringe Viskosität. Bilder: IKZ-Archiv

 

Dass die Innenbeschichtung von Trinkwasserrohrleitungen mit Epoxidharz weder eine regelkonforme Lösung zur Sanierung, noch zur Schadensprävention darstellt, darin herrscht in Sachverständigenkreisen wohl Übereinstimmung. Gleichwohl rühren die Hersteller dieser Verfahren weiterhin kräftig die Werbetrommel, mitunter mit Erfolg, wie die jüngste Anfrage eines Architekten an unser Magazin zeigt. Längst beschäftigen sich auch die Gerichte mit der Thematik.

Regelmäßig erhält die IKZ-Redaktion Leseranfragen oder -kommentare zu unterschiedlichsten Themen. Auf besonderes Interesse stieß die Frage eines Architekten. Er schrieb: „Aufgrund eines kapitalen Wasserschadens in einem Mehrfamilienwohnhaus, verursacht möglicherweise durch Lochfraß in Wasserverteilungsleitungen aus Kupfer verlötet, stellt sich aktuell die Frage, ob es Sinn macht, alle Steige- und Verteilungsleitungen mit einer verkrustungslösenden flüssigen Substanz zu reinigen und mit einem speziellen Beschichtungssystem rohrinnenseitig zu beschichten?“ Ergänzt wird das Schreiben durch die Nennung einer einschlägigen Internetadresse. Wie es abschließend heißt, habe der Architekt vor 20 Jahren die Aufstockung für das betroffene Mehrfamilienhaus geplant und baubegleitend betreut.
Derartige Anfragen überraschen nicht angesichts der Werbeversprechen im Internet. So argumentieren die Hersteller dieser Beschichtungsverfahren nicht nur mit Sanierungskosten „weit über 50% günstiger“. Auch sei das „alte Rohr wie von einem Metallpanzer geschützt“. Das Beschichtungsmaterial sei gesundheitlich vollkommen unbedenklich; die meisten Konservendosen seien mit diesem Material beschichtet. Nicht zuletzt seien die sanierten Rohrleitungen „so dauerhaft wie die heutigen Kunststoff-Rohre“. Welcher Investor kann angesichts solcher Verlockungen schon widerstehen?

Gerichte sind eingeschaltet
Zwei aktuelle Gerichtsurteile kommen nun zum Schluss, dass die Innenbeschichtung mit Epoxidharz im Trinkwasserbereich nicht den anerkannten Regeln der Technik entspricht. So gab das Landgericht Mannheim (Urteil vom 23.10.2014 – 3O17/14 – noch nicht rechtskräftig) einem Mannheimer Wasserversorger recht, der die Rohrinnensanierung mittels Epoxidharz in seinem Versorgungsbereich für unzulässig erklärt hatte. Ein Installationsbetrieb hatte gegen den Wasserversorger geklagt.
Hintergrund: Bereits im November 2013 erklärte der betreffende Mannheimer Wasserversorger gegenüber der Klägerin – und weiteren, im örtlichen Installationsverzeichnis eingetragenen Betrieben – dass die Rohrinnensanierung mit Epoxidharz nicht den anerkannten Regeln der Technik entspreche und deshalb die Verpflichtung besteht, dieses Verfahren zu unterlassen. Auch auf seiner Homepage wies der Wasserversorger darauf hin, dass die Sanierung häuslicher Trinkwasserleitungen nach dieser Methode unzulässig sei.
Interessant in diesem Zusammenhang ist, dass in der Urteilsbegründung auch auf die möglichen Gesundheitsgefahren eingegangen wird. So heißt es unter anderem: „In den vergangenen Jahren ist es zu einer intensiven Diskussion über die Eignung des Harzes aus hygienischer Sicht gekommen. Im Rahmen der Diskussion wurde geltend gemacht, dass Epoxidharz-Komponenten, wie die Stoffe Bisphenol A (BPA) und Epichlorhydrin, gesundheitsschädlich sind und bei der Benutzung von Trinkwasserleitungen freigesetzt werden können.“
Noch ist das Urteil des Landgerichts nicht rechtskräftig. Der Installationsbetrieb hat dagegen Berufung zum Oberlandesgericht eingelegt. Bis dahin bleibt das Verbot des Mannheimer Wasserversorgers aber wirksam.

Schadensersatzansprüche gegen den Betrieb
Auch das Landgericht Frankfurt/Main (2-31O205/12 – ebenfalls noch nicht rechtskräftig) kommt in seinem Urteil vom 13. Februar 2015 zum Schluss, dass die Sanierung mittels Epoxidharz nicht den anerkannten Regeln der Technik entspricht. Geklagt hatte ein Handwerksunternehmen, welches das strittige Verfahren einer Wohnungseigentümergemeinschaft angeboten hatte. Auch dieser Fall hat es in sich: Das Unternehmen wurde von der Eigentümergemeinschaft um Abgabe eines Angebotes zur Rohrinnensanierung gebeten. Es legte ein Angebot vor und gab dabei auch an, einen Schutzfilm durch Einblasen eines Epoxidharzes im Rohr aufzutragen. Die Methode sei „zugelassen nach UBA Leitlinie A1, Umweltbundesamt Berlin“, argumentierte das Unternehmen und erhielt den Auftrag. Unmittelbar vor Beginn der Arbeiten stellte die Eigentümergemeinschaft fest, dass die Listung des verwendeten Epoxidharzproduktes beim Umweltbundesamt ausgelaufen war und verhängte einen Baustopp.
Die Eigentümergemeinschaft machte Schadensersatzansprüche gegen den Betrieb geltend. Der Handwerksbetrieb forderte seinerseits den Gewinn aus dem entgangenen Auftrag. Auch hier entschieden die Richter gegen das Sanierungsverfahren mit Epoxidharz. In der Begründung heißt es unter anderem: „Im Hinblick auf das Vorsorgeprinzip und dem Besorgnisgrundsatz kommt der Sachverständige zu dem nachvollziehbaren Ergebnis, dass die Rohrinnensanierung von Trinkwasserleitungen mittels Epoxidharzbeschichtung nicht den allgemein anerkannten Regeln der Technik entspricht. Der Sachverständige führt aus, dass bei der Rohrinnenbeschichtung mit Epoxidharzen es zur Freisetzung von Epichlorhydrin und Bisphenol in das Trinkwasser und damit zum Verbraucher kommen kann. Eine Überschreitung des Grenzwertes sei nicht ausgeschlossen. Eine eindeutige gesundheitliche Unbedenklichkeit insbesondere im Hinblick auf den im Epoxidharz enthaltenen Stoff Bisphenol A sei daher nicht gegeben. Im Hinblick auf das hohe Gut der Gesundheit kommt der Sachverständige zu dem Schluss, dass das Verfahren nicht den allgemein anerkannten Regeln der Technik entspricht. […]“
Das Haustechnikunternehmen dagegen scheiterte mit seiner Widerklage auf Schadenersatzanspruch wegen entgangenen Gewinns nach §649S.2BGB: Die Klägerin habe zu Recht die Durchführung des Auftrages abgelehnt, da die Rohrinnensanierung mit Epoxidharz nicht den anerkannten Regeln der Technik entspreche, urteilten die Richter. Der Installationsbetrieb wurde verurteilt, Schadenersatz in Höhe von 2300 Euro zahlen. Auch dieses Urteil ist noch nicht rechtskräftig.

TÜV Nord warnt vor Chemikalien im Trinkwasser nach Rohrsanierung
Unabhängig von diesen Gerichtsentscheiden warnt der TÜV Nord vor dem Einsatz der Innenrohrsanierung mit Epoxidharz. In einer Pressemitteilung vom Mai dieses Jahres heißt es u.a.: „Nicht nur das bei dieser Methode eingesetzte Material ist kritisch zu betrachten. Auch das Verfahren an sich ist fragwürdig, da gültige Richtlinien zur Umsetzung, Prüfung und Qualifizierung fehlen und es dadurch fraglich ist, ob es den allgemein anerkannten Regeln der Technik entspricht“, erklärt David Dreesen, Mitarbeiter des Arbeitsgebiets gefährliche Stoffe bei TÜV Nord. Besonders problematisch sei, dass es keine vorgeschriebenen, regelmäßigen und sys­tematischen Kontrollen der Wasserqualität nach einer Innenrohrsanierung mit
Epoxidharz gäbe. Unklar sei, wie viele Schadstoffe nach einer solchen Behandlung ins Trinkwasser gelangten. Auch sei die wissenschaftliche Debatte noch nicht beendet. „Wir empfehlen daher Immobilienbesitzern und -betreibern immer eine klassische Rohrsanierung, das heißt den Austausch der alten Leitungen, durchführen zu lassen. Sie ist zwar kostenintensiver, aber gesundheitlich ist man auf der sicheren Seite,“ rät Dreesen. „Mieter können sich bei den Hauseigentümern erkundigen, ob vorhandene Leitungen mit Epoxid­harz saniert wurden. Wenn ja, sollten sie auf jeden Fall eine regelmäßige Überprüfung der Wasserqualität fordern.“1)
Der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) fordert sogar schon seit 2012, aus Vorsorgegründen auf Sanierungen von Trinkwasserleitungen mit BPA-haltigen Materialien zu verzichten. In einem Hintergrundpapier heißt es dazu: „Dort, wo bereits Sanierungen im Relining-Verfahren durchgeführt wurden, muss das Wasser gemäß Trinkwasserverordnung regelmäßig auf Belastungen mit BPA und anderen Schadstoffen überprüft werden. Bei Belastung mit BPA kann ein Austausch der Rohrleitungen notwendig sein.“
Angesichts solcher Warnungen bläst den Innenrohrsanierern derzeit ein starker Gegenwind ins Gesicht. Einige Anbieter haben reagiert und setzen anstatt Epoxidharz ein dem Bekunden nach lebensmittel­echtes Keramik-Komposit ein. Mit dieser hitzebeständigen Beschichtung könne sogar eine thermische oder chemische Desinfektion des Rohrsystems vorgenommen werden, heißt es. Ob dieses Material mitunter gesundheitsgefährdende Schwermetalle wie Cadmium oder Blei enthält, darüber schweigen sich die Hersteller aus.

Schlussbemerkung
Im Gasleitungsbereich oder bei Abwasserkanälen hat sich die Innenbeschichtung durchaus als Alternative etabliert. In Trinkwassersystemen, wo der Gesundheitsschutz absolute Priorität genießt, sind erhebliche Zweifel angebracht – trotz der zahlreichen Werbeversprechen der Hersteller. Das belegen die beiden Urteile, auch wenn sie noch nicht rechtskräftig sind. Die Recherchen der Redaktion zeigten überdies, dass es bundesweit weitere Streitfälle und laufende Verfahren in Zusammenhang mit einer Epoxidharz-Innenrohrsanierung von Trinkwasserinstallationen gab und gibt. Für das SHK-Handwerk gute Argumente, mit einer fundierten Sanierung mit hygienischen Werkstoffen und schlank dimensionierten Rohrleitungen beim Kunden zu punkten. Dass die Sanierung auch großer Wohnkomplexe in puncto Belastung der Bewohner inzwischen ein beherrschbares Unterfangen ist, belegen die Fachbetriebe regelmäßig in der täglichen Praxis.


1) Siehe Bericht „Trinkwasser: Rohrinnensanierung mit Epoxidharz in der Kritik“ in Heft 12/2015, Seite 12 f. oder im Internet unter www.ikz.de.

 


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