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Dichtheitsprüfung von privaten Schmutzwassergrundleitungen nach DIN EN 1610

Das Absperren der Rohrleitung oder des zu prüfenden Rohrabschnitts erfolgt mit Prüf- und Absperrblasen. Dafür gibt es von der Industrie komplette Hausanschluss-Prüfsets. Bilder: Rothenberger, Wöhler

Das Absperren der Rohrleitung oder des zu prüfenden Rohrabschnitts erfolgt mit Prüf- und Absperrblasen. Dafür gibt es von der Industrie komplette Hausanschluss-Prüfsets. Bilder: Rothenberger, Wöhler

Erster Schritt der Dichtheitsprüfung ist die Reinigung der Rohrleitungen (Schächte) mit einem Hochdruckreiniger oder einem Spülwagen. Gegebenenfalls müssen die Rohrleitungen bei stärkerer Verschmutzung noch zusätzlich gereinigt werden. Bild: Rothenberger

Spiralen- und Werkzeug-Sets gibt es in verschiedenen Durchmessern und Längen. Sie werden in Körben geliefert. Zum Lieferumfang gehören verschiedene Bohrer zum Beseitigen von Verschmutzungen unterschiedlicher Art. Bild: Rems

Vor der eigentlichen Dichtheitsprüfung wird eine Sichtprüfung mittels einer Videoinspektionskamera mit dreh- und schwenkbarem Kamerakopf durchgeführt. Bild: Wöhler

 

Tatsächlich gab es nur in Nordrhein-Westfalen eine exakte gesetzliche Regelung. Dort hatte man 2007 den Termin für den Dichtheitsnachweis privater Grundstücksentwässerungsleitungen in den §61a des Landeswassergesetzes aufgenommen. Mittlerweile gilt in NRW dieser Fertigstellungstermin nur noch in Wasserschutzgebieten und nur für alte Abwasserleitungen aus der Zeit vor 1965. Für neuere Abwasserleitungen wurde der Termin auf den 31. Dezember 2020 verlängert.
Für die meisten anderen Bundesländer gilt: Nichts Genaues weiß man nicht oder nicht viel mehr: In Schleswig-Holstein soll ebenfalls in Wasserschutzgebieten geprüft werden, Hessen will alle Regelungen überprüfen, in Hamburg gilt die DIN 1986 Teil 30, allerdings ohne Fris­ten. Andere Bundesländer hatten sowieso schon immer eine eigene Sichtweise bei der Dichtheitsprüfung. Beispielsweise Rheinland-Pfalz: Dort gibt es einen kooperativen Ansatz. Die Hauseigentümer werden aufgefordert, immer dann ihre Abwasserleitungen untersuchen zu lassen, wenn die Kommunen die öffentlichen Kanäle inspizieren. Das ist in der Regel alle zehn Jahre der Fall.
Vereinzelt sind auch Kommunen und Städte aktiv. Die Vorgehensweise, Regeln und Fristen zur Dichtheitsprüfung sind in den Gemeindesatzungen zu finden.

Voraussetzungen zur Durchführung von Dichtheitsprüfungen
Aufgrund der Komplexität der Randbedingungen bei der Dichtheitsprüfung sind an die Sachkundigen hohe fachliche, technische und rechtliche Anforderungen zu stellen. Voraussetzung für die Durchführung der Dichtheitsprüfung ist der Nachweis der Sachkunde, wobei diese Zertifizierung nicht für den Betrieb, sondern nur für die jeweilige Person gültig ist. Sachkundige für die Dichtheitsprüfung können beispielsweise werden:

  • Ingenieure einer entsprechenden technischen Fachrichtung mit mehrjähriger Berufserfahrung,
  • ein von den Kammern öffentlich bestellter und vereidigter Sachverständiger,
  • geprüfte Abwassermeister,
  • staatlich geprüfte Techniker der Fachrichtung Bautechnik mit Schwerpunkt Tiefbau oder Kanalmeister, Poliere/Straßenbaumeister,
  • Personen mit abgeschlossener handwerklicher Ausbildung und mehrjähriger Berufserfahrung, insbesondere Meister für Rohr-, Kanal- und Industrieservice sowie Installateur- und Heizungsbaumeister des SHK-Handwerks.


Regional kann auch noch der Eintrag bei der Industrie- und Handelskammer oder die Mitgliedschaft in der Berufsgenossenschaft erforderlich sein.
Der Nachweis der Sachkunde kann durch eine Teilnahme an einem Seminar erbracht werden. Verbände und Innungen bestehen auf ein Sachkundeseminar mit einem theoretischen und praktischen Teil, in dem unter anderem die Dichtheitsprüfkriterien für Grundstücksentwässerungsleitungen, Regelwerke und Normen, Dichtheitsprüftechniken und Verfahren sowie anstehende Sanierungsmaßnahmen vermittelt werden.
Tatsächlich dürfen nur mit einer Sachkunde-Zertifizierung Dichtheitsprüfungen durchgeführt werden. Die wird nicht auf den Betrieb ausgestellt, sondern auf den Ausführenden, also auf den Gesellen oder Meister. Wenn der Teilnehmer oder die Teilnehmerin eines Sachkundeseminars die Sachkunde erteilt bekommen hat, ist die Teilnahme an einer geeigneten, mindestens eintägigen Fortbildungsveranstaltung alle drei Jahre erforderlich. Schulungen werden von unterschiedlichen Institutionen angeboten.

Zwei Prüfverfahren sind möglich
Die Prüfung auf Dichtheit von Rohrleitungen, Schächten und Inspektionsöffnungen kann entweder mit Wasser (Verfahren W) oder mit Luft (Verfahren L) erfolgen. Beide Verfahren sind zulässig. Genauso ist eine getrennte Prüfung mit beiden Verfahren, also Rohrleitungen mit Luft und Schächte mit Wasser, möglich. Bei der Prüfung im Luftverfahren ist die Anzahl der Korrekturmaßnahmen und Wiederholungsprüfungen bei neuen Leitungen unbegrenzt. Bei wiederholtem Nichtbestehen der Prüfung mit Luft kann infolge auch mit dem Verfahren Wasser geprüft werden. Das Ergebnis dieser Prüfung ist dann maßgeblich.
Erster Schritt ist die Reinigung der Rohrleitungen (Schächte) mit einem Hochdruckreiniger oder Spülwagen. Gegebenenfalls müssen die Rohrleitungen bei stärkerer Verschmutzung noch zusätzlich gereinigt werden, beispielsweise mittels einer professionellen Rohrreinigungsmaschine mit Spiralen.
Vor der eigentlichen Dichtheitsprüfung wird eine Sichtprüfung (TV-Inspektion) mittels einer Kamera mit Schwenkkopf durchgeführt. Anschließend erfolgt die Dichtheitsprüfung mit den Prüfmedien Luft oder Wasser, wobei hier die Leitungen mit entsprechenden Absperrelementen wie Blasen oder Scheiben verschlossen werden müssen. Von der Schachtseite aus wird das Absperrelement gesetzt und der vom Prüfmedium abhängige Prüfdruck aufgebracht. Bei der Prüfung mit Wasser kommt eine Vorbereitungszeit von ca. 1 Stunde dazu.
Bei der Dichtheitsprüfung mit Luft wird mehrheitlich ein Druck von 100 mbar gewählt. Der Anfangsdruck sollte aber 10% über dem vorgegebenen Prüfdruck liegen, damit nach der Stabilisierungszeit der Druck nicht unter 100 mbar fällt. Die Drucktoleranz muss innerhalb von 15mbar liegen.
Bei Wasser wird mit einem maximalen Druck von 0,5 bar geprüft. Die Grundleitung wird drucklos mit Wasser gefüllt und entlüftet. Es ist ebenfalls eine Vorbereitungszeit von 1 Stunde einzuhalten, unabhängig vom Rohrwerkstoff der Leitungen. Die Toleranz ergibt sich sowohl aus den innen benetzten Rohroberflächen, die sich aus den Durchmessern und Längen der Leitung errechnen lassen, als auch von der zugeführten Wassermenge der Druckkonstanthaltung. Wenn nur die Rohrleitung geprüft wird, ist eine Toleranz von 0,15 l/m² benetzter Innenrohrfläche erlaubt. Wenn auch der Schacht mitgeprüft wird, liegt der Wert bei 0,2 l/m². Für die Messungen bzw. zur elektronischen Erfassung und Protokollierung der Messdaten bietet die Industrie dementsprechende Prüfgeräte.

Grundleitung: dicht oder undicht?
Regional reicht vorab eine Sichtprüfung für die Beurteilung aus. Eine TV-Inspektion wird auch in der DIN 1986 Teil 30 als zusätzliche Untersuchungsmöglichkeit beschrieben und wird in bestimmten Fällen als ausreichend zur Bestimmung der Dichtheit angesehen. Ansonsten geben die Normen vor, wann die Grundleitung als dicht oder als undicht zu erklären ist.
Eine Leitung gilt als undicht, wenn die zulässigen Werte nach dem jeweiligen Prüfverfahren überschritten werden. Undichte Leitungen müssen umgehend saniert werden, wenn die Dichtheitsprüfung negativ ausgefallen ist. Denn nach §324 StGB (Strafgesetzbuch) begeht derjenige eine Straftat, der wissentlich Gewässer verunreinigt: „Wer unbefugt ein Gewässer verunreinigt oder sonst dessen Eigen­schaften nachteilig verändert, wird mit Freiheitsstrafe bis zu 5 Jahren oder Geldstrafe bestraft.“ Die Behebung der
Undichtigkeit muss aber nicht die komplette Sanierung oder das Ersetzen der Leitung nach sich ziehen, sondern kann, je nach Schaden, auch in Form einer örtlich begrenzten Reparatur durchgeführt werden.

Wichtiges Dokument: das Prüfprotokoll
Für jede Prüfung ist ein Protokoll zu erstellen. Es muss Folgendes beinhalten: Auftraggeber, Auftragnehmer, gegebenenfalls Projektleiter, Prüfort, Datum, Uhrzeit, Adresse und/oder Schachtnummer, Bestandsdaten des Objektes (Kanalart, Nennweite etc.), Angaben zu Prüfvorschriften, Drücke, Toleranzen und Ergebnis der Prüfung. Die Dokumentation ist beim Auftraggeber, bei der Kommune und beim Handwerksbetrieb bis zur nächsten Prüfung zu archivieren.
Im Normalfall muss die Dichtheitsprüfung innerhalb von 20 Jahren wiederholt werden. Anders sieht es in Wasserschutzzonen aus. So steht in der Wasserschutzzone III die erste Wiederholungsprüfung nach 2 Jahren, die zweite nach 15 Jahren an. Details sind in der DIN 1986 Teil 30 genannt.

Umfangreiches Equipment notwendig
Für die Dichtheitsprüfung ist ein umfangreiches Equipment notwendig. Die Investitionen liegen zwischen 20000 und 35000 Euro. Diese Investitionen können anfallen:

  • Mess- und Prüfblasen-Equipment    ca. 3000 Euro
  • Schwenkkopfkamera
  • ca. 15000 - 18000 Euro
  • TV-Inspektionskamera mit dreh-
  • und schwenkbarem Kamerakopf
  • ca. 2000 – 3000 Euro
  • Rohrreinigungsgerätschaft
  • ca. 1400 Euro
  • Hochdruckreiniger
  • ca. 1000 Euro
  • Spülwagen
  • ca. 10000 Euro

Nicht komplett aus den Augen verlieren
Nachdem die Prüfung von Grundleitungen vor einigen Jahren viel diskutiert wurde, ist es ruhiger um sie geworden. Gerade NRW war sehr aktiv und hat eine Vorreiterrolle eingenommen. Doch Trittbrettfahrer und Bürgerinitiativen ließ die Politik ihre Einstellung überdenken.
Wann und wie die rund 7 Mio. km privaten Grundstücksentwässerungsleitungen geprüft werden, wird die Zukunft zeigen. Mit Gesetzen und Vorschriften verhält es sich wie mit Steuern und Übergangsabgaben: Zurückgenommen werden sie wohl nie, deshalb sollte man die Dichtheitsprüfung nach DIN EN 1610 und des WHG nicht komplett aus den Augen verlieren.

Autor: Dietmar Stump, freier Journalist

Die Rahmenbedingungen sind festgeschrieben

Grundlagen für die Dichtheitsprüfung von Grundstücksentwässerungsanlagen sind die DIN EN 1610 und die DIN 1986 Teil 30 (Instandhaltung). Generell wird in bestehende und neuverlegte Leitungen unterschieden. Die DIN EN 1610 und das DWA-Merkblatt A 139 (DWA – Deutsche Vereinigung für Wasserwirtschaft, Abwasser und Abfall e.V.) befassen sich mit neu verlegten Leitungen, u.a. werden die Prüfverfahren und die einzuhaltenden Parameter für die Prüfverfahren Luft und Wasser beschrieben. Die DIN 1986 Teil 30 (Instandhaltung) und das DWA-Merkblatt M 143 Teil 6 befassen sich mit bestehenden Leitungen. Diese Norm enthält Festlegungen für Maßnahmen zur Instandhaltung der Entwässerungsanlagen von Gebäuden und Grundstücken. Es wird auf die Inspektion, Wartung und Prüfung eingegangen. Ein Kapitel beschäftigt sich damit, in welcher Form der Dichtheitsnachweis durchzuführen ist. Weitere relevante Normen sind die DIN 12889 (grabenlose Verlegung und Prüfung von Abwasserleitungen und Kanälen) sowie das DWA-Merkblatt A 142 (Abwasserkanäle und Leitungen in Wassergewinnungsgebieten). Grundleitungen in Wasserschutzgebieten sind besonders zu beachten. Hierbei unterscheidet man zusätzlich in einzelne Wasserschutzzonen, bei denen auch kürzere Fristen gelten können. Sinnvollerweise sollten diese Termine dann im LWG oder bei der zuständigen Kommune erfragt werden.

 


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