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Den Waschtisch bei den Griffen packen

SHK-Handwerk und Pflegeberufe gemeinsam: Leuchtturm-Veranstaltung zu neuer „Pflegebad“-Koje benennt Herausforderungen und zeigt Lösungen auf

Kunden, die sich in einer Badausstellung inspirieren lassen, sollen dort auch ein Pflegebad sehen und betreten können. Die Koje hier befindet sich im Bäderstore von r+f in Nürnberg. (IKZ)

„Wir brauchen Standards“, so ZVSHK-Präsident Michael Hilpert in seinem Grußwort, „für den Endverbraucher, das SHK-Handwerk, die Pflegebedürftigen und diejenigen, die assistieren.“ (IKZ)

Thomas Warmuth, Ausstellungsleiter r+f Nürnberg, stellte die Produkte in der neuen Pflegebad-Koje vor. (IKZ)

Im barrierefreien Bad kann die Toilette auch mal ein Verschnaufplatz sein, zeigte Siegfried Zecha, Obermeister der Innung Sanitär- und Heizungstechnik Nürnberg-Fürth. (IKZ)

(V.l.) Matthias Thiel (ZVSHK), Dominik Beierlorzer (Geschäftsführer der Richter+Frenzel Nürnberg GmbH), Andreas Henninger (Geschäftsführer der Innung SHK Nürnberg), Siegfried Zecha (Obermeister der Innung SHK Nürnberg), Michael Hilpert (Präsident des ZVSHK) und Claudio Paulus (stv. Obermeister der Innung SHK Nürnberg) bei der Vorstellung der neuen Bad-Koje. (Richter+Frenzel Nürnberg)

 

Vom Pflegebad nur hören, oder es selbst betreten und die Sanitärobjekte anfassen, macht einen großen Unterschied. Daher wollen der ZVSHK und der Großhandel in den Badausstellungen entsprechende Kojen einrichten. Der Anfang ist gemacht, bei Richter+Frenzel in Nürnberg, wo in einer Leuchtturm-Veranstaltung die erste Pflegebad-Koje des Großhandelshauses vorgestellt wurde.

Das Projekt „Pflegebad“, das der Zentralverband Sanitär Heizung Klima (ZVSHK) seit einigen Jahren vorantreibt, wird buchstäblich greifbarer. Eine zweite begehbare Pflegebad-Koje bei einem Großhändler wurde, neben Friedberg bei Augsburg [1], am 6. Februar dieses Jahres bei der Richter+Frenzel GmbH + Co. KG in Nürnbergvorgestellt. Sie soll Prototyp für weitere der bundesweit 70 r+f-BäderStores sein.

Grundlage für die Koje sind die Planungskonzepte aus der Pflegebad-Studie des ZVSHK von 2022, „Optimierung der Ausführung, Planung und Finanzierung von pflegegerechten Bädern im Rahmen der Wohnungsanpassung“ [2] (siehe Kasten). Für die meisten Kunden und Bad(um)bau-Interessenten ist ein barrierefreies Bad, als eine Variante unter vielen, vermutlich neu. Sie können hineingehen und die Produkte erleben, den flachen, unterfahrbaren Waschtisch selbst bei den Griffen packen, die Duschabtrennung an die Wand schieben oder die Toilette als Sitz zum Verschnaufen nutzen.

Standards für eine Herkulesaufgabe

Dass überhaupt Pflegebad-Kojen eingerichtet werden, gehört zum Konzept „Badkomfort für Generationen“ [3] des ZVSHK.

Die Vorstellung der Koje erfolgte im Rahmen der Leuchtturm-Veranstaltung „Pflegegerechter Badumbau in einer alternden Gesellschaft “. Beteiligt waren neben Vertretern von r+f und des ZVSHK auch die Geschäftsführung des Pflegestützpunktes Nürnberg sowie der SHK-Innung Nürnberg-Fürth, die an der Umsetzung der Koje mitgewirkt hatten.

Kontext der Veranstaltung vor den etwa 30 Gästen im BäderStore war die Pflege im häuslichen Umfeld. Zurzeit gilt diese etwa 3,3 Mio. Menschen. Für die Pflegenden bedeutet sie körperliche Arbeit, die oft durch die Wohnsituation der Betroffenen erschwert wird – nicht zuletzt durch ein zu enges Bad mit ungeeigneten Sanitärobjekten.

Die vielen in die Jahre gekommenen Bäder im Bestand zu möglichst pflegetauglichen, einladenden Alltagsbädern zu modernisieren, sieht der ZVSHK neben der Energiewende als zweite Herkulesaufgabe für das SHK-Handwerk an.

„Die Zukunft liegt im Pflegebad“, sagte ZVSHK-Präsident Michael Hilpert in seinem Grußwort. Er forderte Standards „für den Endverbraucher, das SHK-Handwerk, die Pflegebedürftigen und diejenigen, die assistieren.“ Matthias Thiel, Referent Betriebswirtschaft, Datenmanagement, Demografischer Wandel beim ZVSHK, präsentierte die Pflegebad-Studie. Der Leiter der r+f-Ausstellung, Thomas Warmuth, präsentierte die Koje sowie die technischen Herausforderungen bei der Installation. Gabriele Metschl, die Leiterin des Pflegestützpunktes Nürnberg, gab Einblicke in die Arbeit ihrer Institution und stellte das „Kompetenznetzwerk Wohnungsanpassungsberatung – KOWAB“ in Nürnberg vor. „Das ist das Neue“, so Dominik Beierlorzer, Geschäftsführer des r+f-Standorts, in seinem Grußwort, „diese Kombination von Pflegeberufen und SHK-Handwerk, die das Thema gemeinsam in den Markt tragen.“

Pflegegerechtes Altbaubad

Die Pflegebad-Studie verfolgt vier Ziele, leitete Matthias Thiel seinen Vortrag ein.

  1. Anerkennung des häuslichen Bades als Arbeitsplatz für Pflegeberufe (oder pflegende Angehörige)
  2. Bauliche Minimalanforderungen als Voraussetzung für Zuschüsse bei der Wohnungsanpassung und Umsetzung eines pflegegerechten Badumbaus durch geschultes SHK-Handwerk
  3. Weiterbildung für das SHK-Handwerk
  4. Verbesserung der Fördersituation.

Die Angaben der professionell Pflegenden zeigen, wie anstrengend (z. B. Waschen eines Pflegebedürftigen vornübergebeugt auf dem Bett) oder auch krankmachend (beim Duschen ohne Spritzschutz wird die Pflegekraft selbst nass) die Arbeit in einem ungeeigneten Bad sein kann.

Zu diesen „Belastungsfaktoren“ erarbeitete die Studie „Bauliche Minimalanforderungen für pflegegerechte Bäder“, aus denen Thiel sechs Punkte hervorhob.

Anforderungen und Nutzerwünsche

  • Im Bad muss auch eine zweite Person Platz haben. „Das bedeutet, dass die Anforderungen über die DIN 18040-2 hin ausgehen“, so Thiel.
  • Badzugang: „Ausreichend breit und schwellenlos“
  • Dusche: „schwellenlos, breiter Einstieg, Spritzschutz, Hocker“
  • Waschbecken: ausreichend zugänglich, Sitzmöglichkeit“
  • Toilette: Rangiermöglichkeit für Rollator oder Duschstuhl, ausreichende Stütz- und Haltemöglichkeiten“.
  • Beleuchtung: „mehrere Zonen; Szenarien und Helligkeitsgrade müssen einstellbar sein“.

Im Rahmen der Studie bewerteten Pflegekräfte, Wohnberatungsstellen und Handwerk innovative Produkte. Die Ergebnisse:

  • „Das Dusch-WC steht nicht mehr an erster Stelle, sondern die drehbare Toilette“, so Thiel. „Es gibt einen Hersteller aus Norwegen. Sie sieht nicht gut aus, wird aber gut bewertet.“
  • Die horizontal teilbare Duschabtrennung.
  • Als Wunschprodukt (das es aber nicht am Markt gibt), nannten die Pflegekräfte ein Waschbecken, das sich über drehbare Glieder flexibel verschieben lässt. „Wie im Frisiersalon“ erläuterte Thiel, „also deutlich flexibler als das höhenverstellbare Waschbecken“.

Die Studie greift nicht zuletzt das Thema Kosten auf. Drei Handwerksbetriebe kalkulierten jeweils einen konkreten Schlauchbadentwurf nach Leistungspositionen. Thiel stellte das Kapitel vor. Für den Umbau eines Schlauchbades nannte er die Summe von 24 700 Euro.

Badkoje: Planung und Umsetzung

Thomas Warmuth, Ausstellungsleiter r+f Nürnberg, stellte die Koje, die Planung und die Produkte vor. „Wir arbeiten mit geschlossenen Kojen, nicht mit halboffenen Wänden.“ Dadurch würden die Kunden einen Raum und nicht eine Ausstellungskoje erleben. Circa 5 m2 seien ausreichend und auch eine realistische Größe, meinte er. Alle Höhen in der Koje seien DIN-gerecht.

Bei der Planung stellte die Platzausnutzung die größte Herausforderung dar. Bei der baulichen Umsetzung war es die Installation der Duschwanne (Kaldewei Multispace 60 %). Diese sollte bündig in den Boden eingesetzt sein und nicht, wie in den anderen Kojen, daraufgestellt sein. Die Besucher sollen nicht durch einen falschen Eindruck irritiert werden.

Eine Pumpe (Sanftläufer) ist ein einer Nische sichtbar hinter Glas eingebaut und kann Interessierten erläutert werden.

Die Waschtischanlage (Hewi, Universal Design) ist veränderbar, z. B. lassen sich die Griffe abnehmen.

Die Armatur ist eine herausziehbare Grohe Plus. „Man sagt, je unbeweglicher der Nutzer, desto flexibler müssen die Produkte sein“, so Warmuth.

Als WC wurde ein Dusch-WC von TECE gewählt. Zudem werden drei Varianten Spültechnik gezeigt. Nur jeweils zwei würden beim Kunden installiert:

  • eine pneumatische Auslösung seitlich an der Wand, die wie ein herkömmlicher, zweigeteilter Drücker bedient wird (TECEflushpoint),
  • die Betätigungsplatte für berührungslose Auslösung oder Funkauslösung an der hinteren Wand (TECEsolid),
  • die Funkauslösung am Stützgriff (TECEplanus, Hewi System 900).

Zusätzlich sollen noch Elektroelemente gezeigt werden, z. B. eine Safety+-Steckdose mit Selbstauswurf, die nicht zum Programm von r+f gehört. „Wir wollen dem Kunden Ideen mit an die Hand geben.“

Für den Zweiten im Bad

Zur aktuellen Pflegebad-Studie gibt es eine Vorläuferstudie [4] des ZVSHK, die im November 2018 vorgestellt worden war. Die Recherche hierfür hatte ergeben, dass auch nach einem mit öffentlichen Mitteln geförderten Umbau kein rundum alltagstaugliches Bad entstanden war. Z. B. wurde in Schlauchbädern die Wanne herausgenommen und eine Dusche, mit tiefem Einstieg oder bodeneben, an derselben Stelle installiert. Das Foto einer Seniorin im altersgerecht umgebauten Altbaubad, die sich am Gehstock zwischen Duschkabine und Wand zur Toilette durchzwängt, zeigt in der aktuellen Studie, wo die Probleme liegen.

Fördergeber und Beteiligte aus der Praxis

Solche Anhaltspunkte, dass „die Gelder nicht zweckmäßig vergeben“ wurden, so Matthias Thiel, waren Ausgangspunkt dafür, dass das Bundesgesundheitsministerium und der Spitzenverband der Gesetzlichen Krankenkassen (GKV) die aktuelle Pflegebad-Studie „Modellprogramm zur Weiterentwicklung der Pflegeversicherung gemäß § 8 Abs. 3 SGB XI“ finanzierten.

Ausführende waren eine Architektin (Dipl.-Ing. Dagmar Lautsch-Wunderlich) und eine Sozialwissenschaftlerin (Dr. phil. Dipl. Soz. Sibylle Meyer, Leiterin SIBIS Institut für Sozial- und Technikforschung GmbH). Projektpartner war die GSW Gesellschaft für Siedlungs- und Wohnungsbau Baden-Württemberg mbH. Einbezogen waren auch die Bundesarbeitsgemeinschaft Wohnungsanpassung, der Arbeitgeberverband Pflege (AGVP), der Deutsche Berufsverband für Pflegeberufe (DBfK), Wir! Stiftung pflegender Angehöriger sowie die Bundesarbeitsgemeinschaft der Seniorenorganisationen (BAGSO).

Fundgrube für SHK-Betriebe

Für die Studie wurden bereits umgebaute Bäder besucht und betroffene Bewohner sowie Pflegende befragt. Mehrere Projekte werden kurz vorgestellt, zudem vermitteln Fotos, der jeweilige Grundriss und Zitate der Badnutzer eine Vorstellung von der Situation vor Ort. Die in Nürnberg vorgestellten „Minimalanforderungen“ beziehen sich auf diese Recherchen in der Praxis.

Danach wurden in Workshops mit SHK-Handwerksbetrieben Bäder verschiedener Grundrisse neu geplant, zunächst ohne Kostengesichtspunkte.

Pflegenden und Wohnberatern bewerteten ausgewählte Planungen auf die Lebensqualität für die Nutzer hin.

Inwieweit die Planungen für eine baulich-technische Umsetzung in Frage kommen würden, beurteilten Fachleute, auch mit Blick auf die Kosten.

Planungskonzepte als Blaupausen

Die Studie stellt ausführlich die ausgewählten „Best-Practice-Vorschläge“ vor. Auch die Kosten werden detailliert aufgeschlüsselt. Die Planungskonzepte sind ausdrücklich als Anregung bzw. als Blaupausen für die Praxis gedacht.

 

[1] Die erste pflegegerechte Minibad-Koje in einer Großhandelsausstellung wurde im Juli 2022 bei Elements in Friedberg nahe Augsburg (Bayern) eingerichtet (IKZ berichtete, bit.ly/Pf-B_A).

[2] Die aktuelle Pflegebad-Studie kann unter bit.ly/Pf_Bad2022 heruntergeladen werden.

[3] Unter „Badkomfort für Generationen“ (bit.ly/Bad_Plk) kommuniziert der ZVSHK das Thema pflegegerechte Badkonzepte. Z. B. wurden unter „Planungskonzepte für die ambulante Pflege“ zur digitalen ISH 2021 Zwischenergebnisse zur aktuellen Pflegebad-Studie vorgestellt. Hier wird auch „die Konzeption von pflegegerechten Badausstellungskojen für die Ausstellungen des Handwerks und des Großhandels“ angekündigt.

[4] Der Vorläufer zur aktuellen Pflegebad-Studie, „Erfolgsfaktor Badezimmer für die ambulante Pflege“ von 2018, kann unter bit.ly/Pflege_bad heruntergeladen werden. Der ZVSHK stellte diese Studie im November 2018 vor (IKZ berichtete, bit.ly/Pf_Bad2018).

www.richter-frenzel.de

www.zvshk.de

 


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