Werbung

Ein Quartier auf Eis gelegt

Ein ausgeklügeltes Energiekonzept garantiert 20 Jahre Heizkostenstabilität

Ein Herzstück des Energiekonzepts im ­geplanten Kasseler Quartier ist der ­Eisspeicher. Er versorgt die Sole/Wasser-­Wärmepumpen mit Quellenergie. Dadurch kühlt er aus. Bild: Caldoa

Das Flussbild verdeutlicht über die blauen Linien die Versorgung der dezentralen Einheiten mit Quellenergie aus dem Eisspeicher. Über Abwärme aus PVT-Kollektoren zum Beispiel ­(orangefarbene Linien) kann er wieder regeneriert werden. Bild: eVera

 

Selbst Stadtquartiere können über die intelligente Verbindung verschiedener Erneuerbare-Energien-Techniken plus Speicher emissionsfrei und dazu auch noch kostenstabil beheizt werden, wie nachfolgendes Beispiel zeigt.

Begeben wir uns nach Kassel. Im Ostteil der Stadt soll im nächsten Jahr auf dem Gelände der ehemaligen Joseph-von-­Eichendorff-Schule in mehreren Bauabschnitten ein neues Wohnquartier entstehen. Es ist von stattlicher Größe: Vorgesehen sind 127 Mietwohnungen und 45 Eigenheime, in Form von Mehrfamilien und Ein- bis Zweifamilienhäusern, sodass das Quartier für Singles, Paare und Familien gleichermaßen ein neues Zuhause bieten wird. Bauträger des Quartiers „Eichwald – Lossegrund“ ist die Gemeinnützige Wohnungsbaugesellschaft der Stadt Kassel (GWG Kassel), die das Bebauungs-Konzept der Kasseler Architekten Pape+Pape zusammen mit Thomas Schüler Architekten und Stadtplaner (Düsseldorf) bei einem von ihr ausgeschriebenen internationalen Wettbewerb einstimmig zum Sieger erkor.
Das Energiekonzept wurde davon unabhängig entwickelt. Die Vorgabe der Stadt bedingt, dass alle Gebäude emissionsfrei beheizt werden müssen. Um dies zu erreichen, wurde ein innovatives Lösungskonzept zur Energieversorgung entwickelt, das in seiner Zusammenstellung bislang einzigartig sein dürfte. Folgende Bausteine sind Bestandteil des Konzepts:

  • dezentrale Sole/Wasser Wärmepumpen,
  • Kaltwasser-Nahwärmenetz,
  • Eisspeicher,
  • photovoltaisch-thermische (PVT) Hybridkollektoren,
  • Stromspeicher, die primärregelleis­tungs (PRL)-fähig sind.

Durch dieses Konzept wird der Strom, der für die Bewohner des Quartiers benö-
tigt wird, dezentral erzeugt. Durch Photovoltaikanlagen und spezielle Stromspeicher (PRL-fähig) werden die Heizkosten in dem Quartier für die nächsten 20 Jahre kostenneutral bleiben. Der Beitrag soll die einzelnen Komponenten und ihr Zusammenspiel erläutern.

Dezentrale Sole/Wasser-Wärmepumpen
Warum Sole/Wasser- und keine Luft/Wasser-Wärmepumpen (LWP)? LWP können nur Wärme aus der Umgebungsluft entziehen. Je höher die Lufttemperatur, des­to höher der Wirkungsgrad der Wärmepumpe. Umgekehrt sinkt der Wirkungsgrad mit fallenden Lufttemperaturen. Bei LWP kommt es außerdem immer häufiger zu Problemen mit Geräuschemissionen. In einem Mehrfamilienhaus in der Innenstadt von Wiesbaden beispielsweise wurde jüngst der Einsatz einer LWP mit ca. 55 kW von den Behörden untersagt.
Sole/Wasser-Wärmepumpen hingegen sind im Außenbereich absolut geräusch­emissionsfrei. Bei verdichteter Bebauung ist das existenziell von Bedeutung. Sie sind unabhängig von schwankenden Lufttemperaturen und dadurch wesentlich effizienter, was auch vom Bundesamt für Wirtschaft und ­Ausfuhrkontrolle (BAFA) mit einer deutlich höheren Förderung bedacht wird, sowohl im Bestand als auch im Neubau.

Kaltwasser-Nahwärmenetz
Der Vorteil eines Kaltwasser-Nahwärmenetzes (8 °C -10 °C) besteht darin, dass das Wärmeträgermedium auch auf lange Strecken – praktisch unbegrenzt – keine Wärmeverluste hat. Es können daher kostengünstige Kunststoffleitungen ohne Isolierung verlegt werden. Das Kaltwasser-Nahwärmenetz wird über ein Erdsondenfeld mit Wärme versorgt. Das Sondenfeld überträgt die Wärme des Erdreichs auf eine Sole, ein Gemisch aus Wasser und Frostschutzmittel. Alternativ zum Erdsondenfeld wird dies mit einem Latentspeicher (siehe Eisspeicher) bewerkstelligt. Das Nahwärmenetz ist eine Ringleitung, an die die einzelnen Gebäude angeschlossen sind. Über die Ringleitung wird die vorerwärmte Sole in die angeschlossenen Gebäude geleitet. Dort heben dann die Wärmepumpen das Medium auf das gewünschte Temperaturniveau.

Funktionsweise Eisspeicher
Ein Latentspeicher – im Volksmund auch Eisspeicher genannt – ist in der Lage, Energie langfristig zu speichern und wieder abzugeben. Wie lässt sich das Prinzip eines Eisspeichers erklären? Der Ursprung liegt in der Natur des Elementes Wasser. Wird Wasser unter dessen Gefrierpunkt abgekühlt, gehen die in der flüssigen Phase ungeordneten Wassermoleküle in eine feste Kristallstruktur über, Eis entsteht. Beim Übergang in die geordnete Kristallstruktur wird die sogenannte Kristallisationswärme oder auch latente Wärme frei. Diese freiwerdende, latente Wärme entspricht der gleichen Menge an Energie, die benötigt wird, um Wasser von 0 auf 80 °C zu erwärmen.
Der Latentspeicher versorgt die Sole/Wasser-Wärmepumpen mit Quell-Energie. Dadurch kühlt der Speicher aus. Um zu verhindern, dass der Speicher „durchfriert“ und dann keine Wärme mehr für die Versorgung der Wärmepumpen zur Verfügung steht, muss er ständig regeneriert werden. Das geschieht, in dem diesem Speicher Wärme, im besten Fall „kos­tengünstige“ Umweltwärme zugeführt wird. Das ist zum Beispiel durch PVT-Hybridkollektoren möglich, die gleichzeitig noch Solarstrom produzieren.
Gegen Ende der Heizperiode macht es allerdings durchaus Sinn, die Regeneration abzuschalten und den Speicher bewusst durchfrieren zu lassen. In diesem Fall entsteht dann ein „Eisklotz“ in der Größe des Volumens des Speichers. Im Fallbeispiel 800 m3 Eis. Der geplante unterirdische, zylindrische Eisspeicher wird einen Durchmesser von 16 m haben sowie eine Höhe von 4 m. Damit können dann im Sommer die Wohnungen „passiv“ gekühlt werden, wofür nur ein geringer Stromeinsatz für die Umwälzpumpen benötigt wird. Dies wird auch als Freecooling bezeichnet. Der „Eisklotz“ schmilzt ab. Sollte das Volumen des zur Verfügung stehenden Eises nicht für die Kühlperiode ausreichen, kann mit Hilfe der Wärmepumpen auch „aktiv“ gekühlt werden. Die überschüssige Wärme wird aus den Gebäuden abgeführt über die Ringleitung. Die Wärme wird wiederum genutzt, um den Eisspeicher zu regenieren.

PVT-Hybridkollektoren
Aus Gründen der Effizienz wird im Projekt PVT-Hybridkollektoren der Vorzug gegeben, um den dabei selbst generierten Strom für die Versorgung des Quartieres zu nutzen. Der thermische Teil des PVT-Systems führt die Abwärme des PV Teils über eine Soleflüssigkeit (Sole vom Dach) den Wärmepumpen zu. Die Steuerung entscheidet, ob die Wärmepumpen die Sole vom Dach direkt nutzen oder ob die Wärmeversorgung über den Eisspeicher zum Einsatz kommt. Auch ein Parallelbetrieb ist möglich. Zum Einsatz kommen Hybridabsorber von eVera. Bei diesen werden die Absorber von hinten in den Rahmen eines PV-Moduls geklemmt.
Das Fabrikat des PV-Moduls ist dabei nebensächlich. Der Kunde entscheidet, ob er mono- oder polykristaline Module, Full-Black-Module usw. auf seinem Dach haben möchte. Der Hybridabsorber ist daher auch in Bestandsanlagen nachrüstbar. Er ist in 3 verschiedenen Größen lieferbar. Damit können 95 % aller PV-Module mit diesem System aus- oder nachgerüstet werden.
In der Praxis hat sich überdies gezeigt, dass es durch den Einsatz des PVT-Systems oft gelingt, einen Neubau, der als KfW-Effizienz-Haus 55 geplant wurde, ohne großen Aufwand in ein KfW-Effizienz-Haus 40 plus umzuwandeln. Dadurch erhöht sich der Zusschuss der KfW von 5000 auf 10 000/15 000 Euro pro Wohneinheit. Weitere Förderungen für derartige Projekte sind ggf. über Länderprogramme möglich.
Mit der Förderbekanntmachung des Bundeswirtschaftsministeriums vom 27. Juni 2017 „Modellvorhaben Wärmenetze 4.0“ werden außerdem die Planung und der Bau hochinnovativer, multivalenter Wärmenetzsysteme der vierten Generation gefördert, wenn diese weitere Anforderungen erfüllen, die eine hocheffiziente und umweltschonende Bereitstellungvon Wärme und Kälte sicherstellen. Konkret wird der Einsatz innovativer Systemlösungen gefördert, an die mindestens 100 Abnehmer angeschlossen sind oder die mindestens 3 GWh Wärmeabnahme nachweisen können.

PRL-fähige Stromspeicher
Um das System abzurunden werden zur „Energiekostenautarken ­Quartierslösung“ Stromspeicher zum Einsatz kommen, die in der Lage sind, das Stromnetz in Deutschland zu stabilisieren, indem sie auf Anforderung des Übertragungsnetzbetreibers entweder Strom aus dem Netz aufnehmen oder einspeisen. Für ­diese Dienstleistung erhält der Besitzer des Stromspeichers Freistrom zu jedem Zeitpunkt in Höhe des von der PV-Anlage generierten „Grünstroms“. Dadurch sollen die Stromkosten für den im Quartier benötigten Strom auf null sinken.

Autor: Rainer Büsser, Technischer Vertrieb eVera GmbH

 


Artikel teilen:
Weitere Tags zu diesem Thema: