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"Die perfekte Lösung kennen wir nicht"

Experteninterview: SHK-Schulungsbedarf zu Smart Home ist sehr hoch

Dipl.-Ing. Matthias Wagnitz, Referent für Energie- und Wärmetechnik beim Zentralverband Sanitär Heizung Klima (ZVSHK).

 

Matthias Wagnitz, Ingenieur für Gebäudetechnik, arbeitet als Referent für Energie- und Wärmetechnik beim Zentralverband Sanitär Heizung Klima (ZVSHK). Wir befragten ihn zu den Chancen, die eine Einführung des Konzeptes Smart Home/Smart Buildung dem SHK-Handwerk bieten könnte.

IKZ-HAUSTECHNIK: Herr Wagnitz, wie sehen Sie denn als Fachmann im Moment den Stand der Vernetzung im Bereich Smart Home/Smart Building?

Matthias Wagnitz: Im Moment gibt es eher alleinstehende Systeme, also Systeme, die nicht miteinander verbunden sind. Mehr investiert wird in Passivhäuser oder in Gebäude mit geringen Energieverbräuchen. Gerade bei diesen Häusern steigt aber der Bedarf nach einer koordinierten Steuerung der Gebäudetechnik.

IKZ-HAUSTECHNIK: Können Sie das mit einem Beispiel belegen?

Matthias Wagnitz: Ein sinnvolles Regelungssystem muss feststellen können: Dieser Raum ist zu warm, er muss verschattet werden. Das bedeutet aber auch: Die Heizung ist zugleich herunterzuregeln. Die Verschattung durch Rollläden könnte ein allein darauf ausgerichtetes Steuerungssystem übernehmen, das Einbeziehen des Heizungssystems wäre jedoch ein sinnvoller weiterer Schritt.

IKZ-HAUSTECHNIK: Wärmepumpen sind ja bisher als Einzellösung über W-LAN oder LAN geregelt…

Matthias Wagnitz: Ja, da wird geprüft: Wie ist die Vorlauftemperatur? Aber wenn der Computer an die Außentemperaturfühler angeschlossen wäre, könnten Verschattung und Kessel optimal zusammenarbeiten. Auch Lichtschaltungen lassen sich in so ein System einbinden; ein System könnte aus den Daten sogar errechnen, ob jemand im Urlaub ist, und selbsttätig die erforderlichen Urlaubsschaltungen aktivieren, falls das vergessen worden ist. Oder bei den Betroffenen per SMS nachfragen, welche Einstellungen genau gewünscht sind.

IKZ-HAUSTECHNIK: Gibt es denn eine Nachfrage nach derartigen Systemen? Wie müsste aus Ihrer Sicht eine perfekte Lösung aussehen?

Matthias Wagnitz: Die perfekte Lösung, was ein Kunde braucht, kennen wir alle noch nicht. Manche Leute wollen technisch spielen. Andere wollen mit Technik so wenig wie möglich belastet werden.

IKZ-HAUSTECHNIK: Ist das auch eine Generationenfrage? Oder lassen sich die Systeme so einrichten, dass auch ältere Menschen davon profitieren?

Matthias Wagnitz: Gerade für ältere oder körperlich eingeschränkte Personen wäre die Einführung von Smart-Home-Lösungen interessant. Ich denke da zum Beispiel an AAL, Ambient Assisted Living, also umgebungsunterstütztes Wohnen. In diesem Umfeld wird ein Notruf ausgelöst, wenn über eine vorgegebene Zeit keine Bewegung registriert wird. Einem Menschen, der ohnmächtig am Boden liegt, kann auf diese Weise geholfen werden, ohne dass er selbst ein Gerät bedienen müsste.

IKZ-HAUSTECHNIK: Wie schätzen Sie die Akzeptanz für so eine Technik ein?

Matthias Wagnitz: Es ist schwierig, herauszufinden, wo die Grenzen liegen, ab wann sich Nutzer von der Technik nicht mehr unterstützt, sondern eher beobachtet oder bevormundet fühlen, nicht zuletzt deshalb, weil unterschiedliche Menschen diese Grenzen unterschiedlich setzen.

IKZ-HAUSTECHNIK: Das ist die Problematik aus Nutzersicht. Wie ist denn die Akzeptanz in SHK-Betrieben?

Matthias Wagnitz: Es gibt in diesem Bereich einen unglaublich hohen Schulungsbedarf, und keiner weiß eigentlich, wofür genau. Dieser Schulungsbedarf wird immer größer, je mehr solitäre Systeme auf den Markt kommen.

IKZ-HAUSTECHNIK: Vermutlich gibt es bei den einzelnen Bestandteilen Anforderungen und Geräte, die nur schwer zusammenpassen?

Matthias Wagnitz: Durchaus. Ein Problem besteht darin, dass Wärmeerzeuger eine sehr lange Lebensdauer haben, in der Regel 20 bis 30 Jahre. Es ist den Nutzern nicht zumutbar, die gesamte Regelungstechnik auszutauschen, nur weil ein Rollladenmotor nicht mehr funktioniert und der Ersatzmotor mit dem "alten" System nicht mehr arbeitet. Das bedeutet, die Steuerungs- und Regelungssysteme müssten über lange Zeiten zuverlässig laufen - und das ist leider etwas, was die IT-Branche bisher nicht so kennt. Ungünstig für die Entwicklung ist der Trend, dass jeder Hersteller seine eigene Steuerung anbieten will. Wenn aber die Kombination Wärmeerzeuger/Rollladen nicht funktioniert, ist die Chance auf ein Smart Home- oder Smart Buildung-Konzept vertan.

IKZ-HAUSTECHNIK: Und wie sieht es mit der Preisentwicklung aus?

Matthias Wagnitz: Elektronik wird zwar grundsätzlich immer günstiger, das komplette Haustechnikpaket wird aber immer teurer. Auch das ist ein Problem, denn die Kunden müssen das ja auch noch bezahlen können!

IKZ-HAUSTECHNIK: Für wie realistisch halten Sie vor diesem Hintergrund einen Offenen Standard für das Smart Home der Zukunft?

Matthias Wagnitz: Wenn man einen offenen Standard vorschlägt, lachen einen erst einmal alle aus. Jeder will nur seinen eigenen Standard setzen, funktionierende Schnittstellen sind im Moment illusorisch. Aber als Heizungsbauer haben wir Akzeptanzprobleme: Wir sind ja nicht sexy, wir machen nur die Bude warm. Ein Herstellersystem nach dem Apple-Vorbild erscheint in unserer Branche nicht durchsetzungsfähig. Nur: Wenn wir als Branche den Standard nicht setzen, machen es andere, die möglicherweise aus dem IT-Bereich kommen. Ansätze, um dem Wirrwar Herr zu werden, gibt es aber inzwischen, zum Beispiel mit Quivicon.

IKZ-HAUSTECHNIK: Was ist die Idee dahinter?

Matthias Wagnitz: Die dahinterstehende Idee ist die einer Zentrale für die Kommunikation im gesamten Haus, ohne Verkabelung und ohne bauliche Veränderung. Auch Waschmaschinen zum Beispiel könnte man einbinden in so ein System; bei Quivicon macht unter anderem Miele mit. Die Waschmaschine könnte erkennen, wann kostenloser Solarstrom verfügbar ist, und dann selbsttätig das Waschprogramm starten. Nicht für alle Haushalte wäre das sinnvoll, aber für Singles, die selten waschen, könnte es interessant sein. Über Multimedia-Einbindung kommt außerdem auch digitalisierte Musik überall hin. Der Charme von so einer Lösung liegt darin, dass prinzipiell herstellerübergreifend die Geräte miteinander "reden" können. Was davon dann umgesetzt wird, kann dann auch nachträglich vor Ort entschieden werden.

IKZ-HAUSTECHNIK: Gibt es weitere Geräte, die für eine Vernetzung infrage kämen?

Matthias Wagnitz: Ob ein Kühlschrank sinnvoll ist, der dringende Bestellungen an Online-Anbieter schickt, wenn er sich strichcodemäßig leer glaubt, oder ein Zwei-Meter-Bildschirm neben dem Schreibtisch, mit dem man per Standfahrrad virtuell durch New York radeln kann, dürfte nur durch Ausprobieren feststellbar sein.

IKZ-HAUSTECHNIK: Wie interessiert sind eigentlich die Hersteller an dieser Entwicklung?

Matthias Wagnitz: Das ist verschieden. Pumpenhersteller zum Beispiel sagen gern mal: Wozu soll ich denn meine Pumpe regeln, sie hat doch nur drei Watt? Die Drei-Watt-Pumpe ist aber gar nicht das Problem, die Regelung muss ja auf das Gebäude bezogen werden. Es geht darum, die Wärme zu regeln, Anwesenheit vorzutäuschen, Störungsmeldungen zu bekommen, wenn man verreist ist… Es ist ein sehr buntes Gemisch!

Die Fragen stellte Elke Zobel

 


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