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Klimaziele 2030 noch machbar – ohne Kohle

Das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) hat aktuell zur Debatte um den Kohleausstieg Modellrechnungen zu unterschiedlichen Ausstiegsszenarien vorgelegt. Kernaussage: Möglichst schnell raus aus der Kohle und vor allen Dingen möglichst schnell in Nordrhein-Westfalen.

Garzweiler II. Inbegriff der Braunkohleförderung und der damit verbundenen Landschaftszerstörung nicht nur in Nordrhein-Westfalen, sondern in ganz Deutschland. Die DIW Untersuchung empfiehlt die Abschaltung der Braunkohlekraftwerke in NRW bis 2030. Bild: Pixabay

Zufall? Die Deutsche Umwelthilfe zählt die Bundesregierung an, dass sie ihren Verpflichtungen zur Umsetzung der EU-Abgasstandards für Kohlekraftwerke nicht nachkommt. Bild: Pixabay

Sofern gleichzeitig die erneuerbaren Energien den Zielen der Bundesregierung entsprechend ausgebaut werden, können bei zeitgleich forciertem Ausstieg aus der Kohle die Klimaziele 2030 erreicht werden, sagt das DIW. Bild: Fotolia

 

Ein Team von Wissenschaftlern um die bekannte Energieökonomin Claudia Kemfert hat vor dem Hintergrund der anstehenden Tagung der Kohlekommission, die bis zum Jahresende einen Termin für den Ausstieg vorschlagen soll, die Wirkungen unterschiedlicher Ausstiegsszenarien auf die CO2-Emissionen anhand detaillierter Modellrechnungen verglichen. „Anders als beim Klimaziel für 2020, das bereits als gescheitert gilt, bestehen für 2030 durchaus noch Chancen, die Klimaziele zu erreichen“, sagt Kemfert. „Aber nur, wenn man mit dem Kohleausstieg so schnell wie möglich beginnt und den Ausbau der erneuerbaren Energien forciert.“

Meilern bis zum Schluss
Die Modellrechnungen simulieren drei Szenarien: Bei einem langsamen Ausstieg (Referenz-Szenario) werden die bestehenden Kohlekraftwerke ausschließlich nach Erreichen ihrer technischen Lebensdauer stillgelegt; dabei werden die Klimaziele für CO2-Emissionen in der Energiewirtschaft auch für 2030 deutlich verfehlt. Bei einem forcierten mittleren Ausstieg wird die gesamte Kohlekapazität bis 2030 auf gut 17 GW reduziert und zusätzlich Kapazitäten gedrosselt. Bei einem forcierten schnellen Ausstieg wird die Gesamtkapazität auf 8,6 GW reduziert. Sofern gleichzeitig die erneuerbaren Energien den Zielen der Bundesregierung entsprechend ausgebaut werden, können in den beiden letzteren Fällen die Klimaziele 2030 erreicht werden. Bei einer zusätzlichen Begrenzung der jährlichen Laufzeit alter Kohlekraftwerke kann der Stromsektor zudem noch zur Annäherung an das Klimaschutzziel 2020 beitragen.

Es wird dann kaum Kohlestrom importiert
Die Analyse zeige auch, dass sich die Kohleverstromung nur zu einem vernachlässigbaren Teil in die Nachbarländer verlagere und stattdessen dort vor allem der Anteil der erneuerbaren Energien steige.
Denn dort entstünden zusätzliche Anreize für den Ausbau erneuerbarer Energien, weil der günstige Import deutschen Kohlestroms entfällt und etwa die französischen Atom- oder die polnischen Kohlekraftwerke bereits ausgelastet sind.

NRW müsste richtig Gas geben
Nordrhein-Westfalen nimmt laut DIW im Rahmen der Energiewende eine Schlüsselposition ein. Erstens stehen dort noch sehr viele alte und ineffiziente Kohlekraftwerke, und zweitens liegt NRW gerade beim Ausbau der erneuerbaren Energien im Ländervergleich noch immer sehr weit hinten. Weil NRW der größte Emittent unter den Bundesländern ist, sind hier die Klimaschutzeffekte bei einem Kohleausstieg auch besonders groß. Im Falle eines mittleren Ausstiegspfades reduzieren sich die kohlebedingten Emissionen allein durch die Abschaltung von Braunkohlekraftwerken in NRW bis 2030 um circa 40 % gegenüber dem Referenz-Szenario. Bei einer zusätzlichen Begrenzung der jährlichen Laufzeit aller verbleibenden Kohlekraftwerke sinken die Emissionen um rund 64 %, im Falle eines schnellen Ausstiegs um etwa 69 %. Fazit der DIW-ExpertInnen: Die nordrhein-westfälischen Braunkohlekraftwerke sollten bis 2030, die Steinkohlekraftwerke bis 2040 abgeschaltet werden.
Der Ausstieg aus der Braunkohle würde nicht zuletzt auch dem Landschafts- und Umweltschutz dienen. „Der Kohleausstieg in Nordrhein-Westfalen kann so gestaltet werden, dass im Tagebau Garzweiler II keine weiteren Ortschaften weichen müssen und auch der Hambacher Forst größtenteils erhalten bleibt“, resümiert Kemfert.

DUH zählt Bundesregierung hart an
Aber ist das überhaupt gewünscht? Da passt ins Bild, dass die Deutsche Umwelthilfe (DUH) erst vorige Woche die Bundesregierung hart anzählte, sie würde die Umsetzung der EU-Abgasstandards für Kohlekraftwerke in nationales Recht blockieren.
Im August 2017 habe die EU neue Standards für die Abgasreinigung bei Braun- und Steinkohlekraftwerken – gegen den vorherigen Widerstand durch die Bundesrepublik – veröffentlicht, so die DUH. „Die EU-Anforderungen bilden den Stand der Technik bei der Abgasreinigung für Kohlekraftwerke ab und müssen ab August 2021 eingehalten werden. Die Frist zur Umsetzung der EU-Vorgabe in die Bundesimmissionsschutzgesetzgebung zum 16.8.2018 hat die Bundesregierung tatenlos verstreichen lassen. Die DUH befürchtet, dass damit auch die Einhaltung der neuen Abgasstandards ab August 2021 gefährdet ist. Dabei könnten die zur Einhaltung der neuen Standards erforderlichen Nachrüstungen die NOx-Emissionen um zwei Drittel reduzieren.“
Auch die DUH fordert einen schnellen Ausstieg aus der Kohle. Doch so lange sie noch genutzt würde, müssten die Kraftwerke so sauber sein, wie technisch möglich.
Würde aber eine aufwändige Nachrüstung in die Abgasreinigung den Kohleausstieg ggf. beschleunigen?

von Dittmar Koop

 


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