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Zweierlei Regenwasser – Regenwasserversickerung, -bevorratung und -nutzung im Industriebetrieb

Das Industrieunternehmen Wisch Engineering aus Berlin setzte bei der Betriebserweiterung zwei unterschiedliche Verfahren zur Regenwasserbewirtschaftung ein. Trotz hohem Grundwasserstand und Wasserschutzgebiet gelang eine Kombination, die naturverträglich und für den Betreiber finanziell interessant ist.

Die Einleitung von Regenwasser in den öffentlichen Kanal zu vermeiden, stand für das Industrieunternehmen Wisch Engineering bei der Betriebserweiterung im Vordergrund. Neben der Versickerung des Dachflächenwassers wird das Regenwasser der asphaltierten Flächen gesammelt und als Löschwasservorrat sowie für WC-Spülungen genutzt.

Bei der Betriebserweiterung im Jahr 2010 musste bei Wisch Engineering ein Konzept für die Regenwasserbewirtschaftung von rund 12000 m² Hallendachfläche und 1650 m² asphaltierter Oberfläche entwickelt werden.

Entlang der neu gebauten Produktionshalle wurden Sickermulden für das Dachwasser angelegt.

Zwei der vier unterirdischen Löschwasserspeicher wurden um je 54m³ vergrößert, um für die WC-Spülungen das Regenwasser zu bevorraten.

Entnahmestelle für Löschwasser. Um einen ausreichenden Löschwasservorrat sicherzustellen, sorgen Wasserstandssonden mit Drucksensoren in der Zisterne dafür, dass der Mindestvorrat von 96m³ je Löschwasserspeicher nicht unterschritten wird.

Regencenter „Mall Tano XL“, die Zentrale der Regenwassernutzung im Gebäude.

 

Staaken ist der westliche Zipfel des Landes Berlin und Unternehmenssitz von Wisch Engineering. Vor mehr als 100 Jahren gegründet, begann die Firma unter dem Namen „Georg Wisch Maschinenfabrik“ auf dem Gelände der AEG als deren Zulieferer. Bis zum 2. Weltkrieg waren neue Technologien in der Metallverarbeitung ihr Spezialgebiet. Die hier gefertigten Bauteile fanden in der Verkehrstechnik, im Schiffsbau und im Flugzeugwesen Verwendung.

„Ob Sie mit Bahn oder Bus, zu Wasser oder in der Luft unterwegs waren, ein Teil von Wisch war meistens dabei“, sagt der heutige Inhaber und Geschäftsführer Klaus Ertel. Unter seiner Leitung gab es 2005/2006 einen Neubeginn am jetzigen Standort. Mit rund 100 Beschäftigten und 8000 m² Produktionsfläche werden Blech- und andere Metallteile zu hochwertigen Schweißverbindungen gefertigt. Dies sind z. B. Karosseriestücke und Tanksysteme für MAN und Bombardier. Zu den Kunden gehören auch Siemens und Rigips. Medizintechnik und Apparatebau sind neue Anwendungsfelder hier hergestellter Produkte, ebenso die Solartechnik mit Hochleistungskollektoren in Hybridbauweise, die gleichzeitig Strom und Heißwasser für Gebäude erzeugen.

Besonderes Konzept

500 m vom bisherigen Standort entfernt entstand im Jahr 2010 eine weitere Betriebsstätte mit rund 10500 m² Produktionsfläche und 1650 m² Sozialbereich. Für das anfallende Regenwasser von Gebäude und Gelände sowie für dessen Nutzung stellte die Wasserbehörde besondere Anforderungen. Dies lag daran, dass zwar ein Regenkanal der Kommune vorhanden, aber die Einleitung begrenzt ist. Hinzu kam ein hoher Grundwasserstand und die Wasserschutzzone III A, die auch die sonst erwünschte dezentrale Versickerung nicht ohne Weiteres erlaubten.

So erforderte die wasserrechtliche Genehmigung für die Betriebserweiterung – ähnlich einem raffinierten Kochrezept – ein „Gericht mit zweierlei Regenwasser“. Die für dieses Projekt zuständigen Fachingenieure nahmen die Herausforderung an und kreierten – wie Köche – mit besonderen Zutaten etwas, das für „die Natur schmackhaft und für den Industriebetrieb finanziell bekömmlich“ ist – so Stefan Gehring, Projektingenieur bei Mall, dem Lieferant von „Zutaten“ für Regenwasserbehandlung und -nutzung.

Dachabfluss für die Natur, die eine Sorte Regenwasser

Das gemäß amtlichem Sprachgebrauch „nicht schadhaft verunreinigte“ Regenwasser von etwa 12000 m² Dachfläche wird dem Grundwasser zugeführt. Es versickert in Geländemulden. Schadstoffe aus der Luft, Ablagerungen vom Flachdach und Metallionen aus dem Material der Fallrohre werden durch die Bestandteile des humushaltigen belebten Oberbodens zurückgehalten.

Dies erfolgt abschnittsweise über Fallrohre und weiter, oberflächennah querab vom Gebäude, in offenen Rinnen. Diese Rinnen münden nach wenigen Metern in eine bewachsene Sickermulde. Linienförmig verläuft die Mulde parallel zum lang gestreckten Hallengebäude, auf beiden Längsseiten. Alle 15m mündet ein Zulauf vom Dach. Und die Böschung der Mulde ist an diesen Stellen durch Steinpflaster gegen Erosion geschützt.

Eine der technischen Regeln zur Versickerung, das DWA-Arbeitsblatt 138, enthält zwei wesentliche Aspekte, die in der Praxis oft Schwierigkeiten bereiten, jedoch im Projekt gut gelöst werden konnten. Der erste Aspekt betrifft den Raum bzw. die Topografie, der zweite die Zeit bzw. den Bauablauf:

  • Ist das Gelände eben und die Sickermulde aus Sicherheitsgründen nur leicht vertieft (bei Einstau sollte der Wasserstand nicht mehr als 30 cm betragen), so erfordert dies eine oberflächennahe Zuleitung mit einem geringen Gefälle ab Fallrohrende. Es gelingt gut, gemäß Empfehlung des DWA-A 138, mit offenen Rinnen bei 0,5% Gefälle. Rohre, die laut DIN-Normen in frostfreier Tiefe verlegt werden, führen das Wasser mindestens 60 cm weit unter Geländeoberkante. Allerdings muss, was bei Rohren kein Problem ist, die Last von oben ggf. auch bei Rinnen berücksichtigt werden: Kreuzen die offenen Rinnen einen befahrbaren Weg, so müssen sie gemäß DIN EN 124 der maximal zu erwartenden Belastung durch Fahrzeuge standhalten.
  • Ist das Dach des Gebäudes fertiggestellt und die Entwässerung funktionsbereit, so muss auch die Sickermulde in betriebsfähigem Zustand sein. Das bedeutet, dass dieser Teil der Außenanlagen rechtzeitig fertiggestellt wurde und der Bewuchs vorhanden ist. Trotz knappen Terminen kann dieser Notwendigkeit durch kurzfristig aufgebrachten Rollrasen entsprochen werden. Der Bewuchs sichert durch seine Wurzelaktivität die Durchlässigkeit des Oberbodens.

Oberflächenabfluss für den Industriebetrieb, die andere Sorte

Die zweite Sorte Regenwasser stammt von den 1650 m² asphaltierten Oberflächen, den Zufahrten zu den Produktionshallen. Entsprechend der wasserrechtlichen Erlaubnis wird das hiervon abfließende Regenwasser in Zisternen gesammelt und als Löschwasservorrat sowie für WC-Spülungen genutzt. Der Überlauf, der bei vollen Regenspeichern und weiter anhaltendem Niederschlag entstehen kann, wird versickert. Dazu gibt es jedoch Auflagen hinsichtlich der Menge und der Qualität:

  • Auf dem gesamten Erweiterungsgelände dürfen pro Jahr maximal 50 m³ aus dem Abfluss der asphaltierten Flächen versickert werden. Diese Einschränkung der Behörde hat mit dem Wasserschutzgebiet zu tun. Darüber hinausgehende Mengen werden dem Schmutzwasserkanal der Kommune zeitlich verzögert zugeleitet.
  • Um die Qualität des Oberflächenabflusses Richtung Grundwasser vor Passage des bewachsenen Oberbodens zu verbessern, sind den Überlaufflächen – entsprechend den Auflagen der Behörde – zwei technische Reinigungsstufen (eine Sedimentationsanlage und ein Filterschacht) vorgeschaltet. Damit soll sichergestellt werden, dass bei einer im Industriegebiet möglichen schadhaften Verunreinigung des Regenwassers durch Fahrzeuge oder Warenumschlag keine Beeinträchtigung des darunter befindlichen Wasserschutzgebietes entsteht.

Behandlung und Nutzung

Ohne Einsatz von Pumpen durchströmt das von den Asphaltflächen in Gullys abfließende Regenwasser beide unterirdischen Reinigungsstufen. In der Sedimentationsanlage wird der Zufluss durch Prall- bzw. Leitbleche in Rotation versetzt. Dabei sondern sich leichte Stoffe (auch Öl oder Benzin) nach oben und schwere Partikel nach unten ab.

Aus der sauberen mittleren Zone kann das so gereinigte Wasser zum Filterschacht geschützt abströmen. Dort werden Schwebstoffe größer 0,6 mm Durchmesser durch eine Tauchwand aus Edelstahlsieben vom Wasser getrennt. So bleibt die Zisterne und – was der unteren Wasserbehörde wichtig ist – auch der gelegentlich genutzte Speicherüberlauf Richtung Grundwasser frei von unerwünschten Stoffen.

Die Sedimentationsanlage und der Filterschacht werden von Zeit zu Zeit gereinigt. Der notwendige Intervall wurde neben weiteren regelmäßig durchzuführenden Überprüfungen in einer Wartungsanleitung vom projektbegleitenden Planungsbüro Klaus Lange festgelegt, der dazu ergänzt: „Die Dimensionierung der Anlage, die Anordnung ihrer Bauteile und die Computersimulation mit den zu erwartenden Starkniederschlägen ist eine Gemeinschaftsleistung meines Büros und der Firma Mall, die die hier erforderlichen Komponenten geliefert hat.“

Er hatte zunächst alle Optionen geprüft, die gemäß wasserrechtlicher Erlaubnis für die Bewirtschaftung des Oberflächenwassers zulässig sind. Ein Anschluss an den Regenwasserkanal der Kommune war nur möglich mit gedrosselter Ableitung. Die dafür notwendigen Bauwerke eines Stauraumkanals oder eines Regenrückhaltebeckens wären zu aufwendig geworden, insbesondere in den Herstellungskosten. Hinzu kämen für die Kanalnutzung laufend Betriebskosten in Form des Niederschlagswasserentgelts, während die realisierte Variante durch Nutzen des Oberflächenwassers diese Kos­ten und zusätzlich einen Teil der Trinkwassergebühren spart.

WC-Spülung und Löschwasserspeicherung

Solange in den Zisternen vorrätig, können mit dem gesammelten und gereinigten Oberflächenwasser die WCs im Betrieb gespült werden. Die dafür notwendige Zisternengröße wurde mit 108 m³ ermittelt. Lange erklärt dazu sein Konzept und ist stolz auf die preiswerte Herstellung dieses Speichervolumens: „Wir haben zwei der vier unterirdischen Löschwasserspeicher, die mit jeweils 96 m³ Regenwasser gefüllt sind, um je 54m³ vergrößert. Und die Mehrkos­ten waren verhältnismäßig gering.“

Um eine funktionierende Regenwassernutzungsanlage zu erhalten, musste noch die Pumpentechnik und ein Verteilnetz zu den Toiletten installiert werden. „Die WC-Spülung hilft“, erklärt Lange weiter, „regelmäßig freies Speichervolumen zu erhalten, da sie das ganze Jahr über gleichmäßigen Wasserbedarf hat. Sollte der Vorrat dafür einmal aufgebraucht sein, erhält das System automatisch Trinkwasser zugeführt, bis wieder Regenwasser vorhanden ist.“ Die dafür notwendige Steuerung übernimmt das „Mall-Regencenter Tano XL“. Es steht im Gebäude und enthält die Mikroprozessorsteuerung, eine Doppelpumpen-Druck­erhöhungsanlage und einen Vorlagebehälter.

In der großen unterirdischen Zisterne steht die Zubringerpumpe und fördert nach Bedarf, von der Regenwasserzentrale gesteuert. Wasserstandssonden mit Drucksensoren in der Zisterne stellen dabei sicher, dass der Feuerlöschvorrat nicht genutzt wird und schalten das Regencenter in Trockenperioden rechtzeitig auf Trinkwasserbetrieb um. Zudem weist die Steuerung mit einem optischen und akustischen Signal auf Fehlfunktionen hin. Der potenzialfreie Störmelder ermöglicht darüberhinaus eine Fernanzeige der Störung.

Im Regencenter werden auch die Wassermengen registriert, um:

  • die zulässigen 50 m³ pro Jahr für die Versickerung aus den asphaltierten Flächen nicht zu überschreiten,
  • die daraufhin zum Kanal gepumpten Überläufe aufgrund der Abwassergebühr zu ermitteln und
  • die zu den WCs gepumpte Spülwassermenge, ebenfalls wegen der Abwassergebühr, festzustellen.

Auftriebssicherheit

Bei hohem Grundwasserstand wie hier unterirdische Behälter zu bauen, erfordert Maßnahmen gegen Auftrieb. Insbesondere leere Behälter können im Grundwasser so viel Auftrieb erhalten, dass sie aus dem Erdreich herausgedrückt werden. Da die Zisternen, Sedimentations- und Filterschächte jedoch als Betonfertigteile zum Einsatz kamen, konnten diese einfach mit einem entsprechend breiten Überstand der Bodenfläche vom Hersteller produziert werden, sodass nach Einbau die umgebende Erde als Auflast wirkt.

Literatur:

  • fbr-top 8: Betriebs- und Regenwassernutzung für kleine und mittlere Betriebe. Loseblatt-Reihe zu grundsätzlichen Themen der Regenwassernutzung. Fachvereinigung Betriebs- und Regenwassernutzung e.V., fbr-Dialog GmbH, Darmstadt
  • König, Klaus W.: Ratgeber Regenwasser. Für Kommunen und Planungsbüros. Rückhalten, Nutzen und Versickern von Regenwasser im Siedlungsgebiet. Herausgeber: Mall GmbH, Donaueschingen, 4. Auflage, 2012. 36 Seiten, DIN A4, 12,00 Euro zzgl. Versand; ISBN 3-9803502-2-3
  • Nolde, E., Rüden, H., König, K. W.: Innovative Wasserkonzepte, Betriebswassernutzung in Gebäuden. Grau- und Regenwasseranlagen in Berliner Gewerbe- und Wohngebäuden sowie in öffentlichen und kulturellen Einrichtungen der deutschen Hauptstadt. Herausgeber: Senatsverwaltung für Stadtentwicklung Berlin, Broschüre, 1. Auflage, Berlin, 2003.

Autor: Klaus W. König, Überlingen

Bilder, soweit nicht anders angegeben: Klaus W. König
www.mall.info

 


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