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Zentralverband – Massive Kritik an Fernwärme

Studie zur Wärmeversorgung gibt Rechenbeispiele

Verschiedene Institutionen und Verbände, darunter der ZVSHK, haben an dieser Studie mitgewirkt. Das über 200 Seiten umfassende Werk steht mit einer Summary unter www.zvshk.de zum Download bereit (im Suchfeld den Quicklink QL89116896 eingeben).

Was ist günstiger – die sanierte Einzelheizung oder das Wärmenetz? Für diese Studie wurden Tausende wissenschaftlich abgesicherte Beispiele zusammengetragen, die oftmals Vorteile für dezentrales Heizen errechnet haben.

Das Bündnis Freie Wärme gibt Hilfestellung und rät, möglichst frühzeitig bei Bekanntwerden zentraler Wärmekonzepte ein lokales Netzwerk zu gründen und rechtliche wie auch wirtschaftliche Optionen zu prüfen.

Andreas Müller, stv. Hauptgeschäftsführer im ZVSHK, setzt sich seit Jahren mit den Brennpunkt-Themen Wärmenetze und Anschlusszwänge, Förderpolitik und Energieeffizienz auseinander.

 

Mit sanierten Einzelheizungen lassen sich die energiepolitischen Ziele der Bundesregierung günstiger erreichen als mit Nah- und Fernwärmenetzen. Zugleich ist die Fernwärme für die Verbraucher i.d.R. mit höheren Heizkosten verbunden. Das sind Ergebnisse einer aktuellen Studie, in der beide Formen der Gebäudebeheizung verglichen werden. Eine generelle, politische Bevorzugung von Wärmenetzen sei daher nicht gerechtfertigt. Derzeit wird der Wärmenetzausbau jährlich mit 250 Millionen Euro gefördert.

Der Ausbau von Wärmenetzen ist nur in bestimmten Fällen sinnvoll. Bezogen auf den deutschen Gebäudebestand mit 18 Mio. Häusern ist er aber weder aus Sicht des Klimaschutzes noch aus finanziellen Erwägungen eine massentaugliche Lösung. Das geht aus der jetzt veröffentlichten Studie „Dezentrale vs. zentrale Wärmeversorgung im deutschen Wärmemarkt“ hervor.
„Eine Sanierung mit dezentralen Heizungssystemen bietet in allen untersuchten Gebäudevarianten und Versorgungsgebieten wirtschaftliche Vorteile gegenüber einer Sanierung mit zentralen, wärmenetzgebundenen Versorgungssystemen“, heißt es in der Untersuchung, die von wissenschaftlichen Teams um Prof. Dr. Bert Oschatz vom Institut für Technische Gebäudeausrüstung Dresden Forschung und Anwendung (ITG) sowie um Prof. Dr. Andreas Pfnür, Leiter des Fachgebiets Immobilienwirtschaft und Baubetriebswirtschaftslehre an der TU Darmstadt, erstellt wurde. Gesamtwirtschaftlich betrachtet wäre die netzgebundene Wärmeversorgung aller Bestandsgebäude über einen Zeitraum von 20 Jahren um 250 Mrd. Euro teurer als bei einer Erneuerung durch dezentrale Heizungen. Auch im Neubau sind dezentrale Heizungen laut Studie i.d.R. günstiger.

Einzelheizung fast 15.000 Euro günstiger
Die Autoren rechnen vor, dass z.B. eine durchschnittliche Einzelheizung im Falle eines unsanierten Einfamilienhauses über einen 20-Jahres-Zeitraum um 14.757 Euro günstiger als die Fernwärme-Variante wäre. Das sind mehr als 61 Euro pro Monat. Besonders Geringverdiener seien von höheren Fernwärmekosten betroffen. Die Berechnungen der Studie stützen frühere Untersuchungen des Kartellamts und der Verbraucherschutzzentralen, die aufzeigen, dass monopolistische Marktstrukturen in der Fernwärme die Wärmeversorgung für Verbraucher nicht nur intransparent gestalten, sondern auch spürbar verteuern.

Weniger CO2 durch Einzelheizungen
In Anbetracht eines begrenzten Investitionsvolumens könnten durch die Modernisierung von Einzelheizungen in der Regel auch mehr CO2-Emissionen eingespart werden als mit dem Einsatz von Wärmenetzen. Die klimapolitischen Ziele seien durch Optimierung von Einzelheizungen daher günstiger zu erreichen. Aufgrund dieser Ergebnisse sollten nach Einschätzung der Autoren die Rahmengesetzgebung sowie die bestehende Förderpolitik überdacht werden. Von übermäßigen Regulierungen und technologischen Einschränkungen für Gebäudeheizungen raten sie ab.

Schlussbemerkung
Die Studie wurde im Auftrag verschiedener Institutionen und Verbände des deutschen Wärmemarkts erstellt. Diese sind:

  • Bundesverband der Deutschen Heizungsindustrie (BDH),
  • Institut für Wärme und Oeltechnik (IWO),
  • Zentralverband Sanitär Heizung Klima (ZVSHK),
  • Deutscher Energieholz- und Pellet-Verband (DEPV),
  • Industrieverband Haus-, Heiz und Küchentechnik (HKI),
  • Initiative Pro Schornstein (IPS).


Die vollständige Studie steht mit einer Summary auf den jeweiligen Internetseiten zum Download zur Verfügung.


CO2-Reduktion ist oberstes Gebot

Andreas Müller, stv. Hauptgeschäftsführer im ZVSHK, hat an der Studie über das Für und Wider von Wärmenetzen mitgearbeitet. Seit Jahren setzt er sich mit den Brennpunktthemen Wärmenetze und Anschlusszwänge, Förderpolitik und Energieeffizienz auseinander. In der intensiven Recherche für die Studie, die sich weit über ein halbes Jahr erstreckt hat, gewann er wertvolle Detailkenntnis über Fehlentwicklungen bei der Förderung für die Energiewende. Er bezieht deshalb – aus Sicht des SHK-Fachhandwerks – klar Stellung für nötige Korrekturen in der jetzt praktizierten Energiepolitik.

IKZ-HAUSTECHNIK: Herr Müller, vor fünf Jahren, mitten im Marktanreizprogramm, das die Heizungsbauer für die Förderung beispielsweise von Brennwert plus Solarthermie, Wärmepumpen oder Pelletheizungen nutzten, kam etwas Wichtiges heraus. Aus diesem Fördertopf wurden den Kommunen gleichzeitig ’zig Millionen zum Ausbau oder zur Sanierung ihrer Fernwärmenetze bewilligt. Was die Heizungsbauer schon 2011 als Fehlentwicklung angesehen haben, kommt seitdem aus den negativen Schlagzeilen nicht heraus, denn Wärmenetze sind mit Anschlusszwängen verbunden und torpedieren den freien Wettbewerb im Heizungsmarkt – ein Skandal?
Andreas Müller: Nicht nur das. Es kommt erschwerend hinzu, dass für eine effiziente Energie- und Förderpolitik natürlich das Wirtschaftlichkeitsgebot gilt. Es ist nicht nachvollziehbar, dass über ein Marktanreizprogramm, das in erster Linie der Förderung innovativer und regenerativer Wärmeerzeugungssysteme dient, Infrastrukturmaßnahmen von ineffizienten Wärmenetzen gefördert werden.

IKZ-HAUSTECHNIK: Hätte diese Studie nicht Jahre eher kommen müssen? Das hätte manche Entscheider für ein Wärmenetz kritischer hinschauen lassen.
Andreas Müller: Natürlich wäre dies für die Weiterentwicklung eines freien Wärmemarkts günstiger gewesen. Aber die grundsätzlichen Themen der Fernwärme sind ja nicht neu. Insgesamt zeigt die Studie, dass in zahlreichen Fel­dern des Fernwärmesektors Probleme bestehen, die sich vor allem in Form überhöhter Wärmepreise nachteilig für Verbraucher auswirken. Dies zeigt sich besonders in regelmäßig langen Vertragslaufzeiten, der Entwicklung hin zu immer höheren Grundpreisanteilen oder in Form eines fehlenden Anspruches auf Herabsetzung von Anschlusswerten.

IKZ-HAUSTECHNIK: Sie halten den Verbraucherschutz in diesem Segment für unzureichend?
Andreas Müller: Absolut. Dem Fernwärmesektor mangelt es an Regularien. Doch es gibt darüber hinaus Defizite, die es unbedingt auszugleichen gilt. Ein wichtiger Punkt: Man trifft im Fernwärmebereich sehr oft auf die Konstellation, dass der Vertragspartner des Fernwämeanbieters der Vermieter ist und nicht der Mieter, der den Wärmepreis letztlich zahlen muss.

IKZ-HAUSTECHNIK: Etliche weitere Punkte sieht die Studie kritisch, doch finanziert haben sie sechs Verbände, die allesamt davon profitieren, wenn eine individuelle Nachfrage nach verschiedensten Heizsystemen besteht. Provoziert das nicht Argwohn, ob es sich da nicht um eine Gefälligkeitsstudie handelt?
Andreas Müller: Es ist nicht zu erwarten, dass von allen Seiten Beifall kommt. Was für uns als SHK-Handwerk jedoch besondere Bedeutung hat, sind die profunden und wissenschaftlich abgesicherten Beispiele, die darstellen, wann sich ein Wärmenetz energetisch, ökologisch und wirtschaftlich rechnet, bzw. wann einem individuellen Heizsystem Vorteile zugestanden werden müssen. Auf Basis dieser umfangreichen Daten und Fakten können nunmehr private und öffentliche Investoren die richtige Entscheidung treffen, wenn z.B. Pläne für die Erschließung von Bauland plus Wärmenetz erarbeitet werden sollen.

IKZ-HAUSTECHNIK: Was lässt sich mit der Studie erreichen?
Andreas Müller: Die Ergebnisse der Studie zeigen auf, dass die Förderung von Wärmenetzen zu hinterfragen ist. Die nationalen und europäischen Zielvorgaben in Sachen Energieeffizienz und Klimaschutz sind nur über einen energie- und technologieoffenen Wärmemarkt zu erreichen. Wer potenzielle Investoren mit Anschluss- und Benutzungszwängen keine freie Wahl lässt, löst keine Effizienzsteigerung aus, allenfalls eine abwartende Haltung beim Investor oder gar eine Verweigerung.

IKZ-HAUSTECHNIK: Was planen Sie konkret?
Andreas Müller: Im Hinblick auf die Bundestagswahl wird unser Aktionsbündnis Freie Wärme mit einem Wahlprüfstein Fragen an die Politik stellen. Ein Punkt wird dabei die Forderung sein, die AVB Fernwärme – also die Allgemeinen Vertragsbedingungen für die Nutzer von Wärmenetzen – mit einer Öffnungsklausel auszustatten...

IKZ-HAUSTECHNIK: ...damit Nutzer, die zu einem günstigeren Anbieter oder zu einem besonders effizienten Heizsystem wechseln wollen, dies auch können?
Andreas Müller: Richtig, da müssen wir hin. Es kann doch nicht sein, dass Kunden auf unbestimmte Zeit an einen Wärmeliefervertrag gebunden sind, in dem auf monopolistische Weise ein Wärmepreis festgelegt wird.

IKZ-HAUSTECHNIK: Ein solcher Wahlprüfstein könnte auch der Verbraucherzentrale gefallen...
Andreas Müller: ...Das ist auch so. Der Verbraucherzentrale Bundesverband fordert die Gleichstellung. Ob Liefervertrag für Gas oder Strom, ob Handyvertrag oder Fernwärme – der Kunde muss nach einem kalkulierbaren Zeitraum einen solchen Vertrag kündigen können. Wir sind hier auf gemeinsamer Linie.

IKZ-HAUSTECHNIK: Wie kann der einzelne Heizungsbauer von der Studie profitieren?
Andreas Müller: Die Rechenbeispiele der Studie, die auf Grundlage der Energieeinsparverordnung sowie den ökonomischen Gegebenheiten der Wohnungswirtschaft ermittelt wurden, gehen in die Tausende. Dieses Potenzial wollen wir nutzen, um damit letztlich die Beratungskompetenz unserer SHK-Mitgliedsbetriebe zu stärken. Zukünftig wird der Heizungsbauer mittels Konfigurator objektiv bewerten können, welches Heizungssystem am besten die vom Auftraggeber geforderten Anforderungen hinsichtlich Effizienz, CO2-Reduktion und Wirtschaftlichkeit erfüllt. Das Ziel ist ein fairer Wettbewerb zwischen einem möglichen Wärmenetz und dem dezentral hergestellten Heizungssystem – diesem Vergleich sehen wir gelassen entgegen.

IKZ-HAUSTECHNIK: Wann wird dieser Konfigurator laufen?
Andreas Müller: Schauen wir mal, im März ist wieder ISH. Dort werden jede Menge Innovationen gezeigt – warum nicht auch ein SHK-Heizungskonfigurator? Den SHK-Effizienzcheck hatte der ZVSHK ja bereits zur ISH 2011 vorgestellt. TD

 


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