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Wie kann die Solarthermie in Deutschland gerettet werden?

Die Solarthermie befindet sich in Deutschland derzeit auf einem absteigenden Ast. Für Kunden ist es aus vielerlei Hinsicht nicht mehr so attraktiv in Sonnenwärme zu investieren. Dr. Rolf Meißner, Geschäftsführer der Ritter XL Solar GmbH, untersucht die Zusammenhänge und beschreibt einen Ausweg, ohne eine Technik auszugrenzen oder zu bevorzugen.

Rasanter Niedergang: Monatlicher Absatz von Solarkollektoren in Deutschland. Auch die Energiepolitikwende nach den Reaktorkatastrophen in Japan änderte daran bisher nichts. Bild: BDH/BSW-Solarstatistik

Den thermischen Solaranlagen bläst derzeit ein scharfer Wind ins Gesicht. Veränderte Rahmenbedingungen könnten die Wetterlage ändern.

 

Der Nutzer von Solarthermie möchte Energiekosten sparen, während der Nutzer von Photovoltaik oder Kraftwärmekopplung dagegen mit der Stromeinspeisung Geld verdienen. Bislang gilt in Deutschland, dass sich Sparen weniger lohnt als Einspeisen, weshalb sich potenzielle Nutzer von Kleinanlagen zunehmend von Sonnenwärme abwenden und mögliche Nutzer von Großanlagen immer schwerer dafür zu gewinnen sind. Es scheint momentan so, als ob nur noch steigende Primärenergiepreise daran etwas ändern könnten.

Qualitätsunterschiede
Die ältesten und schlechtesten solarthermischen Technologien bringen nur Bruchteile der modernsten und leistungsstärk­sten, werden in Deutschland aber am meisten gefördert. Das „Gesetz für den Vorrang erneuerbarer Energie“ (EEG) verlangt im Neubau eine bestimmte Bruttokollektorfläche, und das „Marktanreizprogramm“ (MAP) fördert ebenfalls nicht Leistung oder Ertrag, sondern nur die ins­tallierte Bruttokollektorfläche. Davon profitieren die leistungsschwächsten Systeme am meisten, verbunden mit den amtlich verbrieften zwei Botschaften, dass es dem Gesetzgeber egal ist, was die Anlagen leis­ten und dass der Nutzer davon ausgehen soll, dass alle Anlagen ungefähr gleich gut sind. Es wird zwar im EEG und im MAP zusätzlich ein Mindestertrag gefordert, dieser orientiert sich aber eher an den schlechtesten Kollektoren. Dieser Mindestertrag wurde bereits vor 25 Jahren von den damals guten Kollektoren mühelos erfüllt. Mit dieser Politik wird immerhin keine Technologie ausgegrenzt, Innovation und Fortschritt werden so jedoch gebremst und verhindert. Außerdem wollte man die chinesische Konkurrenz fernhalten, denn genau von dort kommen zunehmend leistungsstärkere Kollektoren mit verbesserter Qualität. Diese Absicht wurde jedoch verfehlt: Zunehmend werden europäische Markenkollektoren oder deren wichtigsten Komponenten in China, Indien und Vietnam gefertigt.
Die Solarthermie steht nach zwei Jahren drastischen Marktrückganges so schlecht da wie noch nie in ihrer über 30-jährigen Geschichte. In der Öffentlichkeit zeigt sie sich zerstritten: Vor allem Anbieter leis­tungsstärkerer Systeme rebellieren gegen die Benachteiligung der politischen Gleichmacherei, während die große Mehrheit das alte System verteidigt. Auf der Strecke bleibt die Glaubwürdigkeit – und genau das spiegelt der Markt wider.

Behinderer der Solarthermie
Doch die größte Behinderung der Solarthermie (Groß- wie Kleinanlagen) sind inzwischen alternative Technologien, allen voran die Photovoltaik. Heute wird bei PV-Kleinanlagen jede erzeugte kWh bis zu 30-mal und bei PV-Großanlagen bis zu 20-mal mehr gefördert als die gleiche Energiemenge aus thermischen Solaranlagen.
Insbesondere solarthermische Großanlagen werden außerdem zunehmend aufgrund der politischen Vorfahrt von Kraftwärmekopplung (KWK) verhindert. Beim Betrieb von Blockheizkraftwerken (BHKW) entstehen besonders im Sommer Wärme­überschüsse, wodurch eine Solaranlage unattraktiv wird. Deshalb ist die KWK derzeit der größte Verhinderer von solarthermischen Großanlagen. Allein der Erlass der EEG-Abgabe für Stromeigenbedarf ist inzwischen ein so großer Subventionsvorteil, dass sich ein zur Wirtschaftlichkeit verpflichteter Investor eine solarthermische Anlage nicht einmal schenken lassen dürfte, wenn dadurch KWK-Wärmeüberschüsse entstünden.

Flächenbedarf
Nicht ganz vergessen werden sollte auch die Flächeneffizienz der verschiedenen Nutzungsarten des Sonnenlichts. So sind in Deutschland für die Erzeugung des Öläquivalents von 1 MWh (= 100l Öl) Bruttoflächen von ca. 2-3 m² Kollektoren oder 8-10 m² Solarzellen oder 200 m² Ackerfläche zur Erzeugung von Biomasse erforderlich.

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Auswege
Nur die Politik und der Öl- bzw. Gaspreis können eine Wende herbeiführen, damit es attraktiver ist, das Wärmegeschenk der Sonne anzunehmen, statt weiter mit Öl und Gas zu heizen. Dann wären BHKW, solarthermische Großanlagen und ein gemeinsamer Speicher auch gut miteinander kombinierbar. Spezielle Wärmepumpen könnten zusätzlich die Kapazität des Speichers regenerieren und erhöhen.
Der Niedergang der Solarthermie wird in Deutschland voraussichtlich weitergehen, während andere Märkte expandieren. Eine Umkehr wird erst eintreten, wenn

  1. der Wärmepreis noch um mindestens ca. 20% ansteigt,
  2. die solaren Wärmegewinne genau gezählt werden und eine Ertragsgarantie obligater Bestandteil jedes Kaufvertrages einer solarthermischen Anlage ist,
  3. wenn sich jede Förderung ausschließlich nach dem gemessenen Solarertrag richtet.


Die erste Bedingung wird in überschaubarer Zeit erfüllt sein. Bei der zweiten bedarf es nicht nur entsprechender Vorreiter, sondern auch einer Unterstützung durch die Politik. Die dritte Bedingung wäre nach Eintritt der ersten und nach einer Harmonisierung aller Förderungen weniger entscheidend.
Allerdings werden bei den Ertragsgarantien neue Probleme zutage treten. Weil solarthermische Anlagen ihre Leistung bisher nie ernsthaft unter Beweis stellen mussten, wurde umso mehr darüber fabuliert. In den Fach- und Firmenmedien kursieren traumhafte Werte, meistens beruhend auf Simulationen unter idealisierten Umständen und oft unter Geringschätzung oder Schönrechnung der Speicher- und Systemverluste. So hat auch der mit dem Umweltzeichen „Der blauen Engel“ geforderte Mindestertrag von 525 kWh/m2 Aperturfläche und Jahr etwa so wenig Realitätsbezug wie die Angabe des Benzinverbrauchs bei Autos. Bei der Trinkwassererwärmung mit Deckungsraten von über 80% und einer Heizungsunterstützung von vielleicht 30% dürften 500 kWh/(m² · a) bereits für die besten Systeme sehr gute praktische Werte sein. Die schlechtesten werden dabei unter 250 kWh/(m² · a) bleiben, obwohl sie bestimmt auch das Umweltzeichen tragen. Bei solarer Kühlung oder Prozesswärme werden sich die Geister noch weiter scheiden. Gegen Funktions- und Ertragsgarantien werden deshalb zunächst große Widerstände zu überwinden sein.
Förderung verdient nur der gezählte Solarenergieertrag. Gehören Speicher zum System, dürfte nur die genutzte Solarwärme nach dem Speichern gezählt werden. Um dem höheren Wert von Wärme gerecht zu werden und um möglichen Betrug durch Wärmevernichtung während der Überschüsse im Sommer vorzubeugen, sollte nur vom 1. September bis zum 30. April gefördert werden. Wenn dann z.B. 1 kWh genauso bewertet würde wie PV für Eigenbedarf oder auch etwas mehr, weil die vier ertragreichsten Monate bzw. etwa die Hälfte des Jahresertrages nicht gefördert würden, wäre das angemessen. Würden z.B. 20 Cent pro kWh gezahlt und nur 200 kWh gezählt, dann wären das in 10 Jahren 400 Euro Förderung pro m2 Kollektorfläche. Diese Solaranlage wäre bereits wieder wettbewerbsfähig.
Betreiber von Nah- und Fernwärmenetzen müssten analog dem EEG dazu verpflichtet werden, Solarwärme in ihr Netz einspeisen zu lassen und mit den vermiedenen Brennstoffkosten zu vergüten. Dies würde sehr schnell Investoren auf den Plan rufen. Denn die jahreszeitliche Vergütung plus die Einsparung der Brennstoffkosten würde für einen wirtschaftlichen Betrieb sorgen.
Erst wenn der Primärenergiepreis einmal alle infolge von Förderungen entstandenen Kostenverzerrungen marginalisiert hat, wird sich zeigen, welche Technologien dauerhaft eine Zukunft haben. Dann wird jede Form direkter, vor allem dezentrale Sonnenenergienutzung, eine wichtige Rolle spielen, ebenso Wind- und Wasserkraft sowie lokal gewonnene Biomasse und auch Erdwärme. KWK wird sich irgendwann nur noch mit Biomasse und zusammen mit Solarthermie lohnen. Die Politik kann zusehen, wie die Ökonomie diesen Weg langsam sowieso diktieren wird, was jedoch noch Jahrzehnte dauern kann. Sie hätte aber gerade jetzt, im Zuge der energiepolitischen Abkehr von der Kernkraft, die vielleicht einmalige Chance, diese Entwicklung zu beschleunigen und vorausschauend mitzugestalten.

Fazit
Nur ein ausgewogener Mix und ein anwendungsorientierter Einsatz dieser Erneuerbaren Energien – Kollektoren zur Wärmebedarfsdeckung, Wind und PV für Strom-/Kraftanwendungen, Biomasse als Backup für sonnenarme Zeiten – werden den Bedarf aus heimischer Solarenergie sinnvoll decken können.

 


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