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Wie eine zweite Haut

Im Denkmalschutz ist der großflächige Einsatz von Walzblei weit verbreitet. Bei modernen Neubauten kommt der Werkstoff eher kleinflächig zum Einsatz – was aber nicht sein muss. Das Beispiel eines Einfamilienhauses am Dresdner Elbhang zeigt auf, wieso Walzblei auch bei der Einkleidung von privaten Neubauten eine interessante Option darstellt.

 

Wie eine zweite Haut bietet die Walzbleihülle dem Haus einen hohen Witterungs- und Lärmschutz. Zudem lässt sich der Werkstoff flexibel an vielfältige Gegebenheiten anpassen. Bild: Ludwig Seebauer

Neben Walzblei wurden Holz und Bruchsteine für die Gestaltung der Gebäudehülle eingesetzt.

Zwischen Unterkonstruktion und Bleideckung wurde eine diffusionsoffene Trennlage verlegt.

Für rund 200 m² Fläche setzten die Handwerker etwa 14 t Saturnblei ein.

Keine alltägliche Lösung. Bei dem Gebäude wurde keine Regenrinne vorgesehen. Die Bleiein­deckung fließt über die Traufe hinaus. Das Abfließen des Regenwassers gewährleistet eine Kas­tenrinne, die in die Dachfläche integriert ist.

Dachrand mit rundgeformten Anschlüssen.

 

Vor rund zehn Jahren traf Bauherr Ludwig Seebauer eine eher ungewöhnliche Entscheidung: In enger Abstimmung mit Architekt und Handwerkern wählte Seebauer den Werkstoff Walzblei als prägendes Element für seinen Neubau. Nicht nur das rund 140m² große Dach einschließlich Gaube, sondern auch große Teile der Fassade wurden mit Walzblei eingedeckt. Die Ausführung erfolgte mit hoher Präzision und der Bauherr ist mit dem Ergebnis auch heute noch sehr zufrieden.

Werkstoffeigenschaften waren ausschlaggebend

Als Ingenieur hatte Bauherr Seebauer konkrete Vorstellungen von seinem zukünftigen Heim: „Dach und Fassade sollten zuverlässigen Schutz vor Wind und jedwedem Wetter bieten.“ Zudem war dem Bauherrn wichtig, dass der Baustoff den Innenraum vor Lärm abschirmt. Gerade der Schallschutz ist häufig eine Schwachstelle, wenn massive Wände mit einem leichten Dach aus Holz kombiniert werden. Obendrein war eine Lösung gefragt, die über Jahrzehnte Bestand hat.
Zunächst zog der Bauherr gemeinsam mit Architekt und Handwerkern als Werkstoffe auch Zink oder Aluminium in Betracht. Der bautechnische Berater Chris­toph Jakobs erläutert: „Die Anschaffungskosten fallen bei diesen Baustoffen geringer aus, da sie bis zu dreimal dünner verlegt werden. Durch ihren hohen maschinellen Vorfertigungsgrad sind sie schnell zu verarbeiten. Demgegenüber lässt sich Walzblei deutlich flexibler an vielfältige Dachgegebenheiten anpassen. Auch in puncto Witterungs- und Lärmschutz ist Walzblei überlegen. Aufgrund seiner Langlebigkeit erweist sich der Werkstoff als eine sehr wirtschaftliche Lösung.“ So fiel die Materialwahl letztlich auf Walzblei.
Für die Materialwahl waren aber noch andere Aspekte entscheidend. Bauherr Seebauer: „Die Eindeckung sollte einer Haut gleichen, homogen und allumfassend.“ Den Bauherrn reizte die Vorstellung eines Daches, das in reiner Handarbeit entsteht. Der Werkstoff Walzblei wird manuell bearbeitet und allen Bauteilen präzise angepasst. „Walzblei verleiht auch Baukörpern mit einer großen Formenvielfalt gewissermaßen einen Maßanzug, der wie angegossen sitzt“, betont Seebauer. Dadurch wirke das gesamte Gebäude noch werthaltiger.
Auch rund acht Jahre nach Fertigstellung ist der Bauherr froh über seine Entscheidung für Walzblei. Seither hat sich die Bleieindeckung bewährt. Es traten keinerlei Mängel auf. Qualitätskontrollen im Rahmen eines Wartungsvertrags waren nicht notwendig.

Hand in Hand

Bauherr, Architekt und Handwerker agierten von Anfang an in enger Abstimmung. Das ambitionierte Projekt konnte nur gelingen, weil alle an einem Strang zogen. „Alle am Bau beteiligten Kräfte brachten ihre Erfahrung ein und tauschten sich weit über die fachliche Ebene aus“, berichtet der bautechnische Berater Jakobs, der gleichzeitig als Spengler- und Dachdeckermeister alle Bleiarbeiten übernahm. Als Architekt war Martin Junk aus München beteiligt, als Holzbauer die Firma Moser aus Freiberg. Die Zusammenarbeit begann bei der Materialwahl und reichte über die Zeit- und Finanzplanung bis hin zur konkreten Umsetzung.
Von der Planung bis zur Eindeckung war Präzision gefragt. Im Vorfeld der Arbeiten wurden CAD-Animationen und maßstabsgetreue Detailpläne angefertigt. Darüber hinaus wurde ein Musteraufbau des kompletten Hauses erstellt. Zu diesem Zweck errichtete die Firma Moser eine Vollholzkonstruktion in ihrer Montagehalle. „Wichtige Anschlussdetails, etwa die außergewöhnliche Trauf- und Ortgangausbildung, konnten so begutachtet und festgelegt werden“, berichtet Walzbleiexperte Jakobs.
Insgesamt zehn Wochen dauerte die Bleieindeckung. Für rund 200m² Fläche setzten die Handwerker etwa 14 t Saturnblei ein. Zunächst erstellten die Bleidecker das Hauptdach. Den Ausgangspunkt bildete eine doppelschalige und belüftete Unterkonstruktion. Spengler- und Dachdeckermeister Jakobs: „Die aus zwei versetzt angeordneten Ebenen bestehende Unterkonstruktion gewährleistet eine optimale Belüftung. Der Luftstrom wird durch die Gaubenflächen bis zur Fensterfront geleitet und der Hochpunkt als Entlüftung genutzt.“
Zwischen Unterkonstruktion und Bleideckung verlegten die Handwerker eine diffusionsoffene Trennlage vom Typ „Dörken Delta-Foxx“. Anschließend wurden die Dachflächen und die verschachtelte Gaube mit 2,5 mm dickem Saturnblei eingedeckt. Bei größeren Einzelzuschnitten war eine höhere Materialdicke erforderlich. So kam bei Teilen der Gefällestufen im Bereich der Rückkehlen, bei Abdeckungen und an der Dachgaube auch 3 mm dickes Blei zum Einsatz. Auf die Bleischare wurde zunächst rundum und gleichmäßig Patinieröl mit einem Baumwolllappen aufgetragen. Die Eindeckung erfolgte dann als original englische Leistendeckung mit Holzkernwulst. Die einzelnen Bleizuschnitte befestigten die Handwerker mittels aufgeschweißten Auftriebshaften auf dem Dach, um sie vor Windsoglasten zu schützen. Zusätzlich wurden die Schare am oberen Ende zweireihig auf der Unterkonstruktion sowie an der Unterdeckseite am Holzwulst festgenagelt. Die Wulstabschlüsse an der Dachgaube wurden geschweißt. Nach der Eindeckung erfolgte taggleich eine weitere Behandlung mit Patinieröl, Teilabschnitte wurden nach ihrer Fertigstellung auf der Oberseite geglättet und ebenfalls patiniert.

Keine alltäglichen Ausführungen

Besonderheiten in der Ausführung zeigten sich vor allem an Traufe und First. Bei dem Gebäude wurde keine Regenrinne vorgesehen. Stattdessen wurde ein Überstand aus Blei gefertigt. „Die Bleieindeckung fließt förmlich über die Traufe hinaus“, beschreibt Jakobs das Ergebnis. Der markante runde Abschluss an der Traufe setzt sich über die Gestaltung des Ortgangs fort. Das Abfließen des Regenwassers gewährleistet eine Kastenrinne, die in die Dachfläche integriert ist. Der First sollte auf Wunsch des Architekten mit durchgehenden Längswülsten ausgeführt werden. Keine alltägliche Lösung, denn typischerweise wird bei einer Deckung mit Holzkernwulst ein Firstwulst mit aufgesetzter Abdeckkappe verwendet. Im vorliegenden Fall kam ein klassisches Element der Hohlwulstdeckung zum Einsatz. Für die Ausführung wurden spezielle, an die Dachneigung angepasste Treibplatten hergestellt. Die Firstschare deckten die Handwerker durchgehend in 2/3-1/3-Versatz über den Hauptfirst.
Die Fassade wurde – anders als das Dach – mit einfachem Liegefalz als Spiegeldeckung im Längsbandformat eingedeckt. Auf der belüfteten Holzschalung wurde 2,5mm starkes Walzblei verlegt. Einhangstreifen aus Edelstahl gewährleis­ten, dass die Bleche aufgrund ihres hohen Eigengewichts nicht abrutschen. Liegehafte in den Falzen sorgen für eine zusätzliche Sicherung und erlauben gleichzeitig eine Ausdehnung des Materials. „Bei Bleifassaden sind unbedingt die Achsmaße in Bezug auf die Scharlängen sowie die Lage und Windsoglasten zu berücksichtigen“, beschreibt Jakobs die handwerkliche Herausforderung.
Neben Walzblei kam an der Fassade Holz und heimischer Bruchstein zum Einsatz. Standrinnen, Einhangbleche und Lüfterleisten an Dach und Fassade sind aus Edelstahl. Teile der Fenstereinfassungen sowie Fallrohre zur Entwässerung der Hauptdachfläche sind aus Messing gefertigt. Dabei kann Walzblei in Verbindung mit anderen Materialien sicher und flexibel eingesetzt werden. Als Kupfer-Zink Legierung lässt sich Messing nach Belieben mit Blei kombinieren. Messing zeichnet eine größere Härte, Dehngrenze und Zugfestigkeit als unlegiertes Kupfer aus. Die Messing-Fallrohre wurden zusätzlich poliert, um ihnen einen hellen, dauerhaften Glanz zu geben.

Anreiz für Nachahmer

Das Haus mit Bleihülle zieht viele Blicke auf sich. Seit der Fertigstellung im Sommer 2004 machen regelmäßig Passanten vor dem Gebäude Halt. Bauherr Seebauer berichtet: „Dachbaubetriebe kommen mit ihren Gesellen vorbei und präsentieren die Bleideckung als mustergültiges Beispiel. Hausbesitzer bleiben anerkennend stehen und sagen: Das ist eine stimmige Optik.“ Über die Jahre haben alle Baubeteiligten viele Anfragen von möglichen Nachahmern erreicht. Die meisten Anfragen kamen von Architekten. „Private Bauherren scheuen oft den Einsatz von Walzblei, da sie sich primär an Preisvergleichen und Fertiglösungen orientieren.“ Laut Seebauer ist eine Bleihülle für ein Wohnhaus eine durchaus denk- und machbare Lösung. „Entscheidend ist, dass die richtigen Partner zusammenkommen“, ergänzt Jakobs. Dann kann das Haus am Dresdner Elbhang viele Nachahmer finden.


Praxis-Schulung „Blei für Dach und Wand“

Die Gütegemeinschaft Saturnblei e.V. ist die zentrale Vereinigung von Walzbleiproduzenten und Vergabestelle des RAL-Gütesiegels „Saturnblei“ (www.saturnblei.de). Der Verband bietet technische Unterstützung in allen Anwenderfragen und qualifiziert u.a. Handwerker weiter. Am bundesweiten Schulungsangebot der Gütegemeinschaft nehmen jährlich rund 400 Fachkräfte teil. Interessenten können sich online anmelden oder für neue Termine vormerken lassen.


Bilder, soweit nicht anders angegeben: Jakobs Metallverarbeitung, Hennef/Sieg


www.saturnblei.de

 


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