Werbung

Strom auf’m Rohr kommt häufig vor – Elektrische Fehl- und Ausgleichsströme auf Rohrsystemen

Kaum jemand wird sich ernsthaft vorstellen, dass aus einer Badarmatur Erdgas strömt. Eher schon heißes Wasser aus der Toilettenspülung, wenn die Anschlüsse verwechselt wurden. Elektrischer Strom auf metallenen Heizungs-, Gas- und Wasserrohren ist dagegen recht häufig vorzufinden. Dabei handelt es sich um sogenannte Fehlströme, die über elektrisch leitfähige Wege fließen, die hierfür eigentlich gar nicht vorgesehen sind.

Bild 1: Elektrischer Strom auf Heizungsrohren, gemessen mit einer Stromzange.

Bild 2: Prinzip der elektrischen Energieversorgung im TN-C-System mit PEN-Leiter („Speisende Hälfte“).

Bild 3: TN-C-S-System in einem Mehrfamilienhaus.

Bild 4: Fehlstrom von mehreren Ampere auf dem Trinkwasserrohr, zentral unter dem Wohnzimmer.

Bild 5: Elektrische Hausanschlussleitung an der Außenseite des Wohnzimmers.

Bild 6: Magnetfeld am Fußboden eines Wohnzimmers, über dem Wasserrohr an der Kellerdecke.

Bild 7: Kompensation des resultierenden Magnetfelds bei gleich großen, gegensinnig gerichteten Strömen auf benachbarten Leitern (H: Magnetische Feldstärke, B: Magnetische Flussdichte).

Bild 8: Bahntrasse in 250 m Entfernung ...

Bild 9: ... von einem Baugrundstück für mehrere Büro-Hochhäuser.

Bild 10: Die Bahntrasse verläuft in 250 m Entfernung, dennoch wird eine 16,7-Hz-Magnetfeldquelle 5 m vor dem Grundstück gemessen.

Bild 11: Je ein Sensor und zwei Aktoren zur Summenstrom-Kompensation auf zwei elektrischen Hausanschlussleitungen.

Bild 12: Verlegung von „Sandwich“-Abschirmblechen im Fußbodenbereich über einer 10-kV-Erdleitung.

Bild 13: Lage der Kompensationsschleifen in der Hausfassade.

Dr. Martin Virnich: Beim Auftreten von Korrosion muss man Fehlströme als mögliche Ursache mit im Repertoire haben.

 

Außerhalb von Gebäuden sind das Erdreich oder im Erdreich verlegte Installationsleitungen potenzielle Fließwege für Fehlerströme. Innerhalb von Gebäuden sind es häufig metallene Sanitär- und Heizungsinstallationen. Neben unnötigen Belastungen der in den Gebäuden lebenden oder arbeitenden Personen mit Magnetfeldern können mittel- und langfristig Schäden an den beteiligten Rohrsystemen die unerwünschte Folge sein.

Was sind Fehlströme?
Ein Fehlstrom ist ein Teil des normalen Betriebsstroms, der einen „ungeplanten“ Rückweg nimmt und deshalb auf dem dafür eigentlich vorgesehenen elektrischen Leiter fehlt (daher auch „Differenzstrom“ genannt). Er kann je nach den Gegebenheiten eine beträchtliche Stärke annehmen, aber die Spannung auf den betroffenen Installationssystemen liegt in der Regel nahe bei null, vor allem, wenn die Installationssysteme ordnungsgemäß und zuverlässig in den vorgeschriebenen Potenzialausgleich einbezogen sind.
Ein Fehlstrom ist kein Fehlerstrom und darf nicht mit diesem verwechselt werden. Ein Fehlerstrom fließt nicht beim normalen Betrieb, sondern nur im Fehlerfall (Defekt eines elektrischen Gerätes), und führt zum sofortigen Auslösen des Fehlerstrom-Schutzschalters (FI bzw. RCD) – sofern einer vorhanden ist.

Wie können Fehlströme entstehen?
Um die Ursachen für die Entstehung von Fehlströmen zu verstehen, bedarf es der kurzen Erläuterung einiger elektrotechnischer Fachbegriffe im Zusammenhang mit Energieverteilungssystemen.

  • TN-S-System (S = separated/separat): Schutzleiter (PE) und Neutralleiter (N) für den Betriebs-Rückstrom sind in der gesamten Elektroanlage konsequent getrennt.
  • TN-C-System (C = combined/kombiniert): Schutzleiter (PE) und Neutralleiter (N) für den Betriebs-Rückstrom sind als gemeinsamer PEN-Leiter ausgeführt.
  • TN-C-S-System: Mischung von TN-C- und TN-S-System.

Für Fehlströme anfällige Systeme sind das TN-C-System und das TN-C-S-System. Also diejenigen Systeme, in denen PEN-Leiter eingesetzt sind und wo somit keine konsequente Trennung von Neutral- und Schutzleiter in der gesamten Elektroanlage besteht.

Fehlströme auf dem Weg zwischen Trafo des Energieversorgers
und Gebäude mit elektrischen Verbrauchern („Speisende Hälfte)“

Die Zuführung der elektrischen Energie zum Gebäude mit den elektrischen Verbrauchern erfolgt vom Trafo des Energieversorgers über die drei Außenleiter mit den drei um jeweils 120° zeitlich gegeneinander verschobenen Phasen des Drehstromsystems. Eigentlich sollte der gesamte Betriebs-Rückstrom ausschließlich über den in Bild 2 grün dargestellten PEN-Leiter fließen (Anmerkung: PEN-Leiter sind in der Praxis vorschriftsmäßig mit einer grün-gelb gefärbten Isolierung versehen). Da der PEN-Leiter jedoch sowohl am Trafo des Energieversorgers als auch gebäudeseits über den Gebäudeerder mit dem Erdpotenzial verbunden ist, fließt – je nach den Widerstandsverhältnissen auf dem PEN-Leiter und im Erdreich – ein Teil des Rückstroms über die Erde.

Fehlströme im Gebäude („Verbrauchende Hälfte“)
In Bild 3 wird ein Gebäude mit mehreren Wohnungen (sanierter Altbau) betrachtet, wo die Steigleitung von der Hauptverteilung als 4-adrige Leitung mit einem PEN-Leiter als TN-C-System ausgeführt ist (alte Installation, die nicht erneuert wurde), während die Wohnungen selbst im Zuge der Renovierung mit zeitgemäßen TN-S-Systemen ausgestattet worden sind.
Diese nicht ganz konsequente Umstellung auf ein reines TN-S-System im gesamten Gebäude „rächt“ sich nun durch Fehlströme auf den Trinkwasserleitungen. Denn auch in den Unterverteilungen – und nicht nur in der Hauptverteilung – befindet sich eine Brücke zwischen PE- und N-Leiter; außerdem ist das Gehäuse des Durchlauferhitzers sowohl mit dem PE-Schutzleiter als auch mit der Trinkwasserinstallation verbunden. Hierdurch kommt es zu einer Aufteilung des Rückstroms aus dem N-Leiter (blau) an der Brücke in der Unterverteilung in die Zweige PEN-Leiter (Steigleitung) und PE-Leiter (2. Etage). Der Strom auf dem PE-Leiter fließt dann über das Gehäuse des Durchlauferhitzers, die Wasserleitung und den Potenzialausgleich an der Hauptverteilung sowohl zum Gebäude­erder als auch zum PEN-Leiter des Energieversorgers am Hausanschluss. Würde an der Unterverteilung anstatt des elektrischen Durchlauferhitzers eine Etagen-Gastherme betrieben, so würde der Rückstrom sich entsprechend über alle angeschlossenen und in den Potenzialausgleich einbezogenen metallischen Rohrsysteme aufteilen und dort Fehlströme bilden: also auch auf Heizungsrohren und der Gasleitung.

Praxisbeispiel
Das nachfolgend dargestellte Beispiel aus der Praxis stammt aus einer mehrgeschossigen Wohnanlage. Die Bilder 4 und 5 zeigen die Installationsleitungen von Wasser, Heizung und Elektrizität an der Kellerdecke eines Gebäudes. Auf der Trinkwasserleitung wurde ein Fehlstrom von mehreren Ampere gemessen, der sich entsprechend auch auf der elektrischen Hausanschlussleitung auswirkt. Im Wohnzimmer der darüber liegenden EG-Wohnung wurde das in Bild 6 dargestellte 50-Hz-Magnetfeld (rote Kurve) über einen Zeitraum von 24 Stunden gemessen. Man sieht deutlich die Abhängigkeit des Magnetfeldes vom „Stromverbrauch“ im Gebäude mit den Spitzen tags­über und dem Rückgang des Nachts. Im Maximum wird eine magnetische Flussdichte von 4000 nT = 4 µT erreicht (nT: Nanotesla, µT: Mikrotesla, 1 µT = 1000 nT). Dies ist ein Wert, wie er typischerweise in unmittelbarer Nähe von Hochspannungsleitungen anzutreffen ist. Er liegt zwar weit unter dem deutschen Grenzwert der 26. Bundesimmissionsschutzverordnung (26. BImSchV) von 100 µT, würde aber z.B. in der Schweiz den Vorsorgewert der NISV (Verordnung über den Schutz vor nichtionisierender Strahlung) von 1 µT um den Faktor vier überschreiten.

###newpage###


Nachgefragt

IKZ-Haustechnik: Fehlströme auf Sanitär- und Heizungsrohrleitungen in Wohnungen – wie häufig kommt das vor?

Dr. Martin Virnich: Die gute Nachricht: Im sogenannten TT-Versorgungsnetz gar nicht.
Die schlechte Nachricht: In Deutschland werden weite Gebiete über ein TN-Netz versorgt. Für TN-Netze gilt: In Neubauten sehr selten – da muss ein Elektriker schon nahezu groben Unfug treiben, um die Voraussetzungen für Fehlströme zu produzieren. In Altbauten mit einer Elektroinstallation, in der sich über die Jahrzehnte mehrere Generationen von Elektrikern verewigt haben, und die nicht gründlich modernisiert wurde, sehr häufig. Und auch nach umfangreichen Erneuerungsmaßnahmen in Gebäuden mit mehreren Wohneinheiten recht häufig, wenn die durchgeführten Maßnahmen nicht 100%ig gründlich durchgeführt worden sind.

IKZ-Haustechnik: Welches sind Ihrer Be­obachtung nach die häufigsten Ursachen?

Dr. Martin Virnich: Nicht 100%ig konsequente Umstellung eines veralteten TN-C- oder TN-C-S-Netzes auf ein „astreines“ TN-S-Netz. Nehmen Sie z.B. ein älteres Wohngebäude mit mehreren Wohneinheiten, sagen wir mal acht. Wenn sieben davon mittlerweile vom Hausanschluss bis zur letzten Steckdose auf ein astreines TN-S-Netz umgestellt worden sind, die letzte Einheit, in der seit 40 Jahren Oma Kasulzke mit lebenslangem Wohnrecht wohnt, aber noch nicht, dann gibt es die Fehlstromproblematik weiterhin im gesamten Gebäude.

IKZ-Haustechnik: Für die einen ist Elektrosmog platt ausgedrückt „Spinnerei“, andere wiederum sehen in den magnetischen Wechselfeldern aufgrund der Fehlströme ein ernsthaftes gesundheitliches Gefährdungspotenzial. Wie beurteilen Sie als Baubiologe das Thema?

Dr. Martin Virnich: Wie unterschiedlich die Einschätzungen des gesundheitlichen Risikos und der Umgang damit auch auf politischer und gesetzgeberischer Seite sind, zeigt die Festsetzung von Grenzwerten für die allgemeine Bevölkerung in verschiedenen Ländern. Während in Deutschland der Grenzwert für magnetische Felder mit der Frequenz 50 Hz bei 100 Mikrotesla liegt, hat z.B. die Schweiz einen sogenannten Anlagengrenzwert, der in Wohnungen und an Büroarbeitsplätzen gilt, von 1 Mikrotesla, also einem Prozent des deutschen Grenzwertes! Und auch einige große deutsche Städte limitieren mittlerweile bei kommunalen Bauvorhaben die maximal zulässigen Magnetfeldimmissionen – z.B. in der Nähe von Hochspannungsleitungen – auf das Schweizer Maß von 1 µT oder sogar noch niedriger auf 0,4 µT.
Aus der baubiologischen Praxis wissen wir, dass es auch deutlich unterhalb von 1 µT zu Befindlichkeitsstörungen und gesundheitlichen Problemen kommen kann. Es sollten daher bei baubiologischer Bewertung vorsorglich 0,1 µT nicht wesentlich überschritten werden.  

IKZ-Haustechnik: Werfen wir einen Blick auf die Technik: Inwieweit können Fehlströme haustechnische Anlagen beeinflussen?

Dr. Martin Virnich: In Zusammenhang mit der ständigen Zunahme sogenannter nichtlinearer elektrischer Verbraucher wie Steuerungen, Regelungen, Wechselrichter, Frequenzumrichter usw. gewinnt das Thema „Dirty Power“ rasant an Bedeutung. Eine Auswirkung von „Dirty Power“ sind Gleichstromanteile aufgrund von Unsymmetrien im Wechselstromnetz. Fließen solche Gleichströme als Fehlströme über haustechnische Anlagen, so kann es dort zu Korrosionseffekten kommen.

IKZ-Haustechnik: Korrosion in haustechnischen Anlagen äußert sich in vielfältigen Erscheinungsformen. Gibt es Indizien oder besondere Korrosionsformen, die auf das Vorhandensein von magnetischen Wechselfeldern deuten können?

Dr. Martin Virnich: Nein. Beim Auftreten von Korrosion muss man einfach Fehlströme als eine mögliche Ursache mit im Repertoire haben und mit entsprechenden Messungen überprüfen, ob sie im betreffenden Korrosionsfall eine Rolle spielen.

IKZ-Haustechnik: Wie sollte der SHK-Fachmann vorgehen, wenn er magnetische Wechselfelder als Ursache von Korrosion oder sonstigen Anlagenstörungen vermutet? Kann er beispielsweise Messungen vornehmen und wenn ja, lassen sich die Messergebnisse nachvollziehbar bewerten?

Dr. Martin Virnich: Für solche Messungen ist eher die Elektrofachkraft gefragt. Auch qualifizierte baubiologische Messtechniker, die sich als Schwerpunkt mit EMF-Messungen befassen, können hier Ansprechpartner sein. Kontakt zu solchen Messtechnikern erhalten Sie beim Berufsverband Deutscher Baubiologen VDB e.V. (www.baubiologie.net).
Man benötigt für die Messung Stromzangen, die auch Gleichströme erfassen und die groß genug für die betreffenden Rohrdurchmesser sind. Zu beachten ist auch, dass die Fehlströme zeitlich nicht konstant sind. Da es sich hierbei um Betriebs-Rückströme handelt, hängt ihre Stärke von der Anzahl und Leistung der in Betrieb befindlichen elektrischen Verbraucher ab. Wenn kein Verbraucher eingeschaltet ist und kein Betriebsstrom fließt, gibt es auch nichts zu messen.

IKZ-Haustechnik: Was ist zu tun, wenn sich die Vermutungen aufgrund von Messungen bestätigen und im Gebäude Fehlströme vorliegen?

Dr. Martin Virnich: Dann ist Ursachen­ermittlung und -beseitigung gefragt. Dazu wird man in der Regel die elektrische Gebäudeinstallation „durchleuchten“ müssen – eine Aufgabe für die Elektrofachkraft, ggf. in Verbindung mit einem qualifizierten baubiologischen Messtechniker.

IKZ-Haustechnik: Abschließend eine Frage am Rande: Können installationstechnische Veränderungen, wie die Sanierung einer Trinkwasser-Kellerverteilung, der Einbau eines neuen Heizkessels oder Ähnliches, magnetische Wechselfelder zur Folge haben?

Dr. Martin Virnich: Ja, und zwar immer dann, wenn im TN-C- oder TN-C-S-System haustechnische Anlagen mit der elektrischen Schutzklasse 1 „Schutzerdung“ verändert oder hinzugefügt werden. Da kann schon ein kleiner Durchlauferhitzer oder Warmwasserspeicher reichen.


Welche Nachteile bzw. Risiken bringen Fehlströme mit sich?
Fehlströme erzeugen – wie alle Ströme – Magnetfelder. Diese sind aus baubio­logischer Sicht unerwünscht, da sie eine Belastung für den menschlichen Organismus darstellen. Eine „Spezialität“ des Fehlstroms ist es, dass ein Magnetfeld nicht nur dort erzeugt wird, wo er fließt, sondern auch auf der Leitung, wo er „fehlt“. Grund hierfür ist der Wegfall der sonst stattfindenden Kompensation des Magnetfeldes durch den gegensinnig gerichteten Hin- und Rückleiterstrom (Bild 7).  
Im Zeitalter der „nichtlinearen Verbraucher“ ist im Zusammenhang mit Fehlströmen zudem eine besondere Problematik entstanden. Bei nichtlinearen Verbrauchern fließt der Strom nicht kontinuierlich, sondern er wird gewissermaßen  „zerhackt“ (elektronische Steuerungen, Regelungen, Schaltnetzteile, Wechselrichter, Frequenzumrichter usw). Hierdurch entsteht eine Vielzahl von Oberschwingungen, dies sind ganzzahlige Vielfache der Grundfrequenz von 50 Hz. Während sich bei der Grundfrequenz von 50 Hz im Dreiphasensystem die Rückströme aufgrund ihrer Phasenverschiebung um jeweils 120° kompensieren – der Summenstrom also kleiner ist als der größte Strom auf einem der Phasenleiter/Außenleiter – geschieht dies bei den Oberschwingungen nicht durchweg. Denn bei Oberschwingungen n x 3. Ordnung (also 150 Hz, 300 Hz, 450 Hz ...) findet beim Rückstrom keine Reduzierung durch Kompensation statt, sondern eine Addition. Diese Oberschwingungs-Rückströme können daher besonders groß werden – größer als der maximale Strom auf den Außenleitern.
Bei nichtlinearen Verbrauchern kommt es außerdem häufig zu leichten Unsymmetrien zwischen positiver und negativer „Halbwelle“; hieraus resultiert ein überlagerter Gleichstromanteil. Dieser Gleichstrom­anteil kann zu Korrosion an den Leitern führen, über die er fließt. Bei Fehlströmen also auch an den betroffenen Rohreitungen der Sanitär- und Heizungsinstallation.

Vagabundierende Ströme: z.B. Bahnstrom
Es gibt immer wieder Fälle, wo Ströme unkontrolliert und sprichwörtlich auf dem „Weg des geringsten Widerstands“ über das Erdreich zur Quelle zurückfließen; sie werden daher auch als „vagabundierende“ Ströme bezeichnet, die oft an unvermuteter Stelle auftauchen. Ein typisches Beispiel hierfür ist der Bahnstrom. Die in Bild 8 wiedergegebene Bahntrasse befindet sich in 250 m Entfernung von einem Baugrundstück, das vorsichtshalber auf mögliche Magnetfeld-Einflüsse von der Bahntrasse untersucht werden sollte. Das Magnetfeld des Bahnstroms kann aufgrund seiner Frequenz von 16,7 Hz in Deutschland leicht von den 50-Hz-Magnetfeldern der elektrischen Ener­gieversorgung unterschieden werden.
Das 16,7-Hz-Magnetfeld wurde auf dem Grundstück senkrecht zur Bahntrasse zeitgleich an vier Messpunkten gemessen (gelbe Punkte in Bild 10). Nimmt man den Messwert am ersten Messpunkt (MP1) als Referenzwert und berechnet, wie das Magnetfeld bei einer Quelle in 250 m Entfernung gemäß den Abstandsgesetzen ~1/r und ~1/r² abklingen müsste, so ergibt sich der gestrichelte, rote Kurventrichter („Quelle Bahnlinie“). Dieser liegt aber weit über den ermittelten Messwerten und klingt viel langsamer ab, da man sich weit von der Quelle befindet. Simulationsrechnungen mit verschiedenen angenommenen Entfernungen der Quelle führen zu dem überraschenden Ergebnis, dass sich die Magnetfeldquelle fünf Meter vor dem Grundstück befinden muss (blauer Kurventrichter „Quelle 5 m vor Grundstück“). Hier verläuft aber nur der Bürgersteig einer innerstädtischen Straße und keine Bahnlinie. Offensichtlich sind unter dem Bürgersteig elektrisch gut leitfähige Installationsleitungen verlegt, die in weiterer Entfernung an den Rückstrom der Bahntrasse ankoppeln und den Bahnstrom bis vor das Grundstück verschleppen. Schließt man an diese Infrastruktur nun die Versorgungsleitungen von Gebäuden an, so holt man sich den vagabundierenden Bahnstrom direkt ins Gebäude. Durch entsprechende elektrische Isolierstücke ist daher sicherzustellen, dass diese Einkopplung nicht erfolgt.

Maßnahmen zur Vermeidung bzw. Reduzierung
Maßnahmen zur Reduzierung oder Beseitigung von Fehlströmen bzw. vagabundierenden Strömen und ihren Folgewirkungen (Magnetfelder) können zum einen direkt an der „Ursache Strom“ ansetzen oder zum anderen am „Symptom Magnetfeld“. Dabei ist nach Maßnahmen des Emissionsschutzes (Vermeidung der Entstehung bzw. Freisetzung direkt am Ort der Quelle) und des Immissionsschutzes (Aufenthaltsbereiche von Personen an vielen Orten, die im Einwirkungsbereich der Quelle liegen) zu unterscheiden.

1. Emissionsschutz (Ströme und damit auch Magnetfelder) geht generell vor Immissionsschutz,

  • Fehlströme durch geeignete, EMV-freundliche Elektroinstallation vermeiden (TN-C-System, TT-System),
  • Fehlströme kompensieren (aktive Summenstromkompensation).

2. Immissionsschutz (Magnetfelder), wenn Emissionsschutz nicht möglich ist.
Aber: Immissionsschutz ist weniger wirksam, hat Nebenwirkungen, ist aufwendig und teuer!

  • Magnetfeld-Abschirmung,
  • aktive Raumkompensation des Magnetfeldes.

Fehlströme vermeiden:
EMV-freundliche Elektroinstalla­tion (TN-S-oder TT-System)

Das TN-S- und das TT-System werden als EMV-freundlich bezeichnet, da bei ihnen Fehlströme prinzipbedingt nicht entstehen können. Das TN-S-System wurde eingangs beschrieben. Beim TT-System (als speisendes System) werden Fehlströme zwischen dem Gebäudeerder des Verbrauchers und dem Trafo des Energieversorgers vermieden, da der Rückleiter ausschließlich als Neutralleiter dient. Er führt den vollen Betriebs-Rückstrom, da er nur an der Trafoseite geerdet ist. Die Erdung des gebäudeseitigen Schutzleiters erfolgt über den Gebäudeerder; im Hauptverteiler besteht keine Brücke zwischen N- und PE-Leiter. Dieses Konzept bedingt eine zuverlässige und regelmäßig überwachte Gebäudeerdung, da hiervon die Schutzfunktion des PE-Leiters und damit die Sicherheit der Elektroanlage abhängen.  

Fehlströme kompensieren: Aktive Summenstrom-Kompensation
Treten Fehlströme auf, so kann man sie durch eine aktive Summenstrom-Kompensation erheblich reduzieren. Die Kompensationsanlage besteht aus einem Sensor, einem oder mehreren Aktoren (Bild 11) und einer Regeleinheit. Sensor und Aktoren werden nebeneinander auf der zu kompensierenden Leitung (Sanitär-/Gasinstallationsleitung oder Elektroleitung) angebracht und funktionieren nach dem Induktionsprinzip. Der Sensor misst den Fehlstrom nach Amplitude, Frequenz und Phase und leitet sein Signal der Regeleinheit zu. Diese erzeugt dynamisch ein Ausgangssignal mit umgekehrter Phasenlage, das auf die Aktoren gegeben wird. Die Aktoren induzieren auf der betreffenden Leitung eine Kompensationsspannung, die das den Fehlstrom verursachende Potenzial ausgleicht. Hierfür sind nur geringe Spannungen und Ströme erforderlich, sodass die laufenden Kosten der Kompensationsanlage niedrig sind.
Hinweis: Da das Funktionsprinzip auf dem Induktionseffekt beruht, lassen sich Gleichstromanteile nicht kompensieren.

Magnetfeld-Abschirmung
Immer wieder ist die Meinung anzutreffen, Kupferblech sei gut zur Abschirmung von Magnetfeldern der elektrischen Energieversorgung oder des Bahnstroms geeignet. Es hat zwar einen gewissen Effekt, der auf dem Prinzip der Gegeninduktion beruht, aber Kupfer ist primär zur Abschirmung elektrischer Felder hervorragend geeignet (Erdungserfordernis beachten!), jedoch weniger geeignet zur Schirmung niederfrequenter magnetischer Felder. Hierfür sind eigens „magnetische Schirmbleche“ entwickelt worden, die über eine hohe magnetische Permeabilität verfügen und auf den ferromagnetischen Metallen Eisen, Nickel und Kobalt basieren. Die besten Effekte erzielt man mit speziellen „Sandwich-Platten“, die aus einem dreischichtigen Blech mit den Lagen Alu – ferromagnetisches Blech – Alu bestehen.
Diese metallischen Werkstoffe haben jedoch eine Reihe von Nachteilen:

  • „Versiegelung“ der Wände (absolute Diffusionssperre, die zu Kondensationsproblemen und ggf. Schimmelpilzbildung führen kann).
  • Bei Verwendung im Wandbereich müssen Fenster und Türen auch abgeschirmt werden, daher nur für Laborzwecke geeignet, nicht jedoch an Wänden im Wohnungsbau und in Büros.
  • Teilweise extreme Veränderung des natürlichen Erdmagnetfeldes.
  • Hohe Kosten.

Aktive Raumkompensation des Magnetfeldes
Hier wird für einzelne Räume oder – bei entsprechend homogenem Magnetfeld – für ein ganzes Wohnhaus das von einer externen Quelle (z.B. Hochspannungsleitung, Erdkabel, elektrifizierte Bahntrasse) einfallende Magnetfeld durch ein Gegenfeld kompensiert. Die Induktionsspulen (Kompensationsschleifen, siehe Bild 13), die das Gegenfeld erzeugen, sind in die Raum- bzw. Gebäudekanten eingelassen. Je nach Lage des Magnetfeldes im Raum ist eine ein-, zwei- oder gar dreidimensionale Kompensation mit entsprechend vielen Spulen erforderlich. Ein Sensor misst das zu kompensierende Feld in den erforderlichen Raumdimensionen und leitet seine Signale einer Regeleinheit zu, die entsprechende dynamische Kompensationsströme auf die Induktionsspulen des Gebäudes einspeist.
Solche Kompensationsanlagen sind aufwendig und dementsprechend teuer. Die Magnetfeldimmissionen lassen sich hiermit aber in der Regel auf 10% des ursprünglichen Wertes reduzieren.

Literatur:
[1] Virnich, Martin: Baubiologische EMF-Messtechnik: Grundlagen der Feldtheorie, Praxis der Feldmesstechnik; Fachbuchreihe de-FACHWISSEN; Hüthig & Pflaum Verlag GmbH & Co. Fachliteratur KG München/Heidelberg, 2012; ISBN 978-3-8101-0328-4;
www.de-online.info/shop/fachbuecher/virnich.html
[2] Schauer, Martin: Feldreduzierung in Gebäuden: Geschirmte Elektroinstallation, Abschirmung an Gebäuden und in Wohnungen; Fachbuchreihe de-FACHWISSEN; Hüthig & Pflaum Verlag GmbH & Co. Fachliteratur KG München/Heidelberg, 2012; ISBN 978-3-8101-0315-4; www.de-online.info/shop/fachbuecher/schauer_feld.html
[3] Mennekes, Rolf: Maßnahmen zur Reduzierung niederfrequenter magnetischer Wechselfelder; in: „Energieversorgung & Mobilfunk“, Tagungsband der 4. EMV-Tagung des Berufsverbandes Deutscher Baubiologen VDB e.V., 14.-15. April 2005 in Attendorn; Im Verlag des AnBUS e.V. Fürth, 2005, ISBN 3-9808428-8-6; S. 25-42; www.baubiologie.net/literatur-und-presse/tagungsbaende-des-vdb/emv-elektromagnetischevertraeglichkeit/
[4] IMS – Iphöfer Messtechnik-Seminare Dr. D. Moldan; Seminarunterlagen zum Workshop „Praxis der Reduzierung von magnetischen Wechselfeldern“ am 26.06.2009; www.drmoldan.de/html/umweltanalytik.htm

Autor: Dr.-Ing. Martin H. Virnich, ibu - Ingenieurbüro für Baubiologie und Umweltmesstechnik, Mönchengladbach, E-Mail: virnich.martin@t-online.de.

www.baubiologie-virnich.de

 


Artikel teilen:
Weitere Tags zu diesem Thema: