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Produktzertifizierungen – halten sie das, was sie versprechen?

Über die aktuelle Ausgangslage, das Frabo-Urteil und den Weg, hin zu einem europäisch einheitlichen Standard

Dipl.-Ing. Volker Meyer, Geschäftsführer Figawa Fachbereich Wasser.

Jeder Installateur kann sich auch weiter darauf verlassen, dass (DVGW-)zertifizierte Produkte alle aktuellen Anforderungen einhalten. Bild: Nils Kemmerling/FV SHK NRW

Momentan liegen „nur“ fünf harmonisierte Normen vor (EN 681, EN 1057, EN 10224, EN 10311 und EN 10312), die analog zur Bauproduktenverordnung für Bauprodukte in Kontakt mit Trinkwasser angewandt werden können. Bild: Beuth

 

Das Trinkwasser hierzulande setzt ein hohes Maß an Qualität. Nicht zuletzt sorgt der Einsatz von zertifizierten Produkten dafür, dass dieser Maßstab in der gesamten Installation aufrechterhalten werden kann. Die zunehmende Europäisierung und die damit verbundene Marktsituation lässt allerdings die verschiedenen Produktanforderungen der einzelnen Mitgliedsstaaten miteinander kollidieren. Speziell das sogenannte Frabo-Urteil im Jahr 2012 löste eine kontroverse Diskussion über den Umgang mit Zertifizierungen aus und brachte vermehrt Unsicherheit. Dipl.-Ing. Volker Meyer, Geschäftsführer Figawa Fachbereich Wasser, gibt in seinem Vortrag Aufschluss über die derzeitige Lage und präsentiert mögliche Rahmenbedingungen für die weiteren europakonformen Entwicklungen.

Die europäische Trinkwasserrichtlinie fordert seit 1998, dass Trinkwasser stärker als jedes andere Lebensmittel eine hohe Qualität besitzen muss. Es darf keine Stoffe enthalten, welche in irgendeiner Art die menschliche Gesundheit gefährden könnten. Hieraus resultieren entsprechende höchste Anforderungen an die Qualität und Leistungsbeständigkeit aller Komponenten im Kontakt mit Trinkwasser. Diese sind beispielsweise Rohre und Rohrsysteme, jegliche Art von Armaturen, Filter, Wasserzähler, Wasserbehandlungsanlagen, Pumpen, Trinkwassererwärmer, Beschichtungen, Dichtungen und Mem­branen.
Die nationale Umsetzung der europäischen Trinkwasserrichtlinie ist die deutsche Trinkwasserverordnung (TrinkwV). Diese fordert, dass das Umweltbundesamt (UBA) zur Konkretisierung der Anforderungen an Werkstoffe Bewertungsgrundlagen definiert. Gleichzeitig legt sie fest, dass Produkte und Verfahren von einer für den Trinkwasserbereich anerkannten Prüf- und Zertifizierungsstelle überprüft werden und ein entsprechendes Zertifikat haben müssen. In Deutschland und in anderen Ländern hat sich hierbei besonders das bekannte DVGW-Qualitätszeichen etabliert.

Das Frabo-Urteil und seine Folgen
Durch die Entscheidung des Europäischen Gerichtshofes vom Sommer 2012 und die Entscheidung des Oberlandesgerichtes Düsseldorf wird zunächst nur festgestellt, dass die deutschen Anforderungen an Produkte im Kontakt mit Trinkwasser bestimmte inhaltliche und formale Anforderungen erfüllen müssen, um nicht in Konflikt mit den Anforderungen des gemeinsamen europäischen Binnenmarktes zu geraten. Im konkreten Fall Fra.bo/DVGW wurde entschieden, dass die Einhaltung der entsprechenden Anforderungen in einem anderen Mitgliedsstaat der EU als gleichwertig mit den Anforderungen in Deutschland zu betrachten ist. Gleichzeitig wurde die DVGW Cert GmbH verpflichtet, dem klagenden Unternehmen ein entsprechendes Zertifikat (mit Einschränkungen) auszustellen. Das ist mittlerweile erfolgt. Ob sich weitere Unternehmen auf dieses Grundsatzurteil berufen werden, ist derzeit noch unklar. Fest steht hingegen, dass aus heutiger Sicht 99,9 % aller mit dem DVGW-Zeichen gekennzeichneten Produkte alle bekannten Anforderungen einhalten. Daher können sie wie bisher bedenkenlos eingesetzt werden. Allerdings macht das Urteil deutlich, dass die nationale Festlegung von Anforderungen an die-
se Produkte an rechtliche Grenzen stößt. Notwendig ist es jetzt, klare und zukunftsweisende Entscheidungen auf dem Weg zu einem europäischen Regelwerk unter dem Motto zu treffen: „Ein Produkt, ein Standard, eine Prüfung und ein Zeichen, dass allen Installateuren die notwendige Sicherheit gibt.“
Zusätzlichen Schwung bekommen die notwendigen und von der deutschen Industrie begrüßten Schritte in Richtung einer europaweiten Vereinheitlichung des technischen Regelwerkes durch die neue EU-Bauproduktenverordnung. Bislang halten sich jedoch die Aktivitäten des Europäischen Komitees für Normung (CEN) diesbezüglich in Grenzen. So liegen momentan „nur“ fünf harmonisierte Normen vor (EN 681, EN 1057, EN 10224, EN 10311 und EN 10312), die analog zur Bauproduktenverordnung für Bauprodukte in Kontakt mit Trinkwasser angewandt werden können. Bis alle Normen vereinheitlicht sind, existieren in Europa unterschiedliche Vorgaben dieser Produktgruppe. Daher bieten viele Zertifizierer (DVGW, KIWA, CSTB usw.) verschiedene nationale Konformitätsbescheinigungen an.

Auswirkungen für den SHK-Fachbetrieb
Für den SHK-Fachbetrieb ändert sich entgegen den Sorgen erst einmal nichts. Der Installateur kann sich auch weiterhin auf das DVGW-Zertifizierungszeichen verlassen. Ob und wann zusätzliche nationale Anforderungen an Werkstoffe im Kontakt mit Trinkwasser wirksam werden, wird derzeit zwischen dem zuständigen Bundesgesundheitsministerium, dem Umweltbundesamt und der EU-Kommission intensiv diskutiert. Klar ist allerdings, dass solche zusätzlichen Anforderungen zunächst ein sogenanntes europäisches Notifizierungsverfahren durchlaufen müssen und in der Regel erst 2 Jahre nach ihrer Veröffentlichung im Bundesgesetzblatt wirksam werden.
Das heißt, dass das in der Branche immer wieder heiß diskutierte Werkstoffthema nur indirekt mit dem Frabo-Verfahren zu tun hat und jeder Installateur sich auch weiter darauf verlassen kann, dass DVGW zertifizierte Produkte alle aktuellen Anforderungen einhalten. Wer allerdings z. B. bei Baumaßnahmen mit einem Bauabnahmetermin nach 2017 ganz auf der sicheren Seite sein will, muss sich intensiv mit den verwendeten Werkstoffen beschäftigen. Das lag aber nach DIN 1988 schon immer im Aufgabenbereich des SHK-Betriebes. In der Vergangenheit bot das DVGW-Zeichen noch nie Sicherheit bei noch nicht rechtsgültigen Anforderungen.

Zukunft europakonformes Zertifizierungszeichen
Wie bereits erwähnt ist es notwendig, eine harmonisierte Regelung der Produktzertifizierung anzustreben, um einheitlich Klarheit zu bieten. Das Zeichen dafür muss eine klare und verlässliche Orientierung für Entscheider im SHK-Handwerk und im Fachhandel sowohl in der Planung als auch in der Ausschreibung sein. Dadurch wird es den Anforderungen gemäß nationaler TrinkwV und AVBWasserV gerecht und vergleichbar mit der heutigen Marktfunktion des DVGW-Zeichens. Des Weiteren muss es sowohl den nationalen Verwendbarkeitsnachweis für Bauprodukte im Kontakt mit Trinkwasser (z. B. § 17 TrinkwV) enthalten, als auch dem geltenden europäischen Normensystem für diese Produktgruppe gerecht werden und europa- und wettbewerbsrechtlich kompatibel sein.
Die Vorstellung geht demnach dahin, dass das Zertifizierungszeichen unverwechselbar sein muss und klar auf die Eignung von Produkten für den Einsatz in Trinkwasserinstallationen hinweist. Deshalb vertreten viele Hersteller auch die Auffassung, dass das bekannte CE-Zeichen auf trinkwasserführenden Produkten eigentlich nichts verloren hat, denn solange es keine europaweit einheitlichen Anforderungen gibt, darf das CE-Zeichen nicht verwendet werden. Ob und welche Rolle das CE-Zeichen im Trinkwasserbereich spielen wird, ist offen und wird momentan intensiv diskutiert. Aus heutiger Sicht kann es die Funktion einer raschen und verlässlichen Orientierung für Fachhandel und Fachhandwerk jedenfalls noch nicht wahrnehmen. Deshalb wird auch bei ähnlichen Produkten wie Elektro-Installationsmaterial konsequent auf eine CE-Kennzeichnung verzichtet. Nur wenn das CE-Zeichen z. B. mithilfe eines Wassertropfens als Verwendungszeichen weiterentwickelt wird, wäre es eine Hilfe für den Anwender.

Zusammenfassung
Die (DVGW-)zertifizierten Produkte halten heute das, was sie versprechen. Sobald neue hygienische und technische Anforderungen vorliegen, werden sie wie bisher in die Prüf- und Zertifizierungsverfahren des DVGW aufgenommen. Jedoch muss das bewährte „deutsche“ Qualitätszeichen runderneuert und in ein europaweit akzeptiertes und rechtskonformes Konzept eingebunden werden. Welche nationalen Anforderungen dann noch Bestand haben und ab wann alle Anforderungen aus der europäischen Gesetzgebung und Normung kommen, ist noch offen. Die Verbände des SHK-Handwerkes (ZVSHK) und die Bundesvereinigung der Firmen im Gas– und Wasserfach (figawa) arbeiten in diesem Rahmen eng zusammen. Gemeinsames Ziel ist es, ein mit dem hohen deutschen Niveau vergleichbares Sicherheits-, Qualitäts- und Hygieneniveau bei Produkten in Kontakt mit Trinkwasser in ganz Europa zu etablieren.

 


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