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Pflege? Leicht!Nanotechnologien in der Haustechnik: Möglichkeiten, Chancen, Grenzen und Risiken

Nano - ein Begriff, der immer häufiger in zahlreichen Produktgruppen erscheint und viele gute Eigenschaften verspricht. Dies betrifft sowohl den verbrauchernahen als auch den gebäudetechnischen Bereich. So erhalten mit Nanotechnologie beschichtete Oberflächen neue Eigenschaften und sind, je nach verwendetem Produkt, z.B. hydrophob (wasserabweisend). In Verbindung mit einer katalytisch wirkenden Beschichtung kann diese beispielsweise die Eigenschaft besitzen, Geruchsstoffe in der Luft zu neutralisieren. Der nachfolgende Beitrag beschreibt die Nanotechnologie und zeigt zudem Einsatzmöglichkeiten aber auch Risiken der neuen Technologie auf.

Wassertropfen, die von einer hydrophoben Oberfläche abperlen (Lotoseffekt). Bild: Stefan Sepeur/NanoBioNet

 

Nanotechnologische Konzepte – so viel lässt sich heute schon mit großer Sicherheit sagen – dürften die Basis der Techniken des 21. Jahrhunderts werden, wenn sie es nicht bereits schon sind. Nano steht eigentlich nur für eine (mess)technische Größenangabe. Namensgeber ist das griechische Wort nanos, das für Zwerg steht. So ist ein Nano-Meter der milliards­tel Teil eines Meters, oder anders ausgedrückt: 0,000000001  m. Die Fachwelt spart sich diese umständliche Schreibweise und nutzt den Ausdruck 1*10-9 m, oder eben 1 nm. Strukturen dieser Größe werden auch als „nanoskalar“ bezeichnet. Zum Vergleich: Ein DNS-Strang ist ca. 2,5 nm, ein rotes Blutkörperchen etwa 7000 nm und ein menschliches Haar rund 80 000 nm breit. Oder als weiteres Beispiel: Ein Nanopartikel verhält sich in der Größe zu einem Fußball wie der Fußball zur Erde.
Chemische Reaktionen laufen im Nanobereich ab. Nano ist also nichts wirklich Neues, denn schließlich besteht alles aus Atomen und Molekülen, welche ab einer bestimmten Anzahl Nanogröße erreichen.

 

Nanotechnologie macht Textilfasern wasser- und schmutzabweisend. Die Partikel geben den Oberflächen dieser Textilfasern eine Struktur, die einen ähnlichen Effekt aufweist wie die Blätter der Lotospflanze – Wasser und Schmutz perlen einfach ab.  Bild: BASF – The Chemical Company

 

Keine Chance für Zahnpasta und Co – durch den Lotosblüteneffekt der Waschtischoberfläche perlt das Wasser und der Schmutz leicht ab. Bild: Villeroy & Boch AG

 

Was sind Nanotechnologien?
Nanotechnologien sind alle künstlich und zielgerichtet hergestellten Strukturen kleiner als ca. 130 bis 100 nm. Sie besitzen ein anderes Oberflächen/Volumenverhältnis als Makroteile. An der Oberfläche von „Nanos“ stehen mehr reaktive Atome zur Verfügung, was einen entscheidenden Einfluss auf die Reaktionsfreudigkeit der Oberfläche hat. Stoffe, die wir aus der makroskopischen Welt kennen, besitzen in ihrer nanoskalaren Größe andere Eigenschaften. Ein gutes Beispiel dafür ist Gold, denn ein Goldstück kann Tausende von Jahren offen herum liegen, ohne dass es sich äußerlich erkennbar verändert. Es „rostet“ nicht, geht also keine Verbindung mit Sauerstoff ein und auch nahezu nicht mit anderen Stoffen. Wird Gold aber ultrafein gemahlen, wird es hoch reaktiv und verbindet sich sofort mit anderen Stoffen. In diesem Zustand kann es auch „rosten“. Makro-Gold ist gelblich glänzend, Nano-Gold ist rötlich, da die Lichtwellen anders zurückgeworfen werden.
Im nanoskalaren Bereich überwiegen andere Kräfte als im makroskopischen. Die sogenannten nahen Wechselwirkungskräfte (Van-der Waals-Kräfte) sind die Hauptakteure in dieser Größenordnung. In der „normalen“ Welt werden deren Einflüsse durch z. B. elektromagnetische Kräfte und die Schwerkraft überlagert. Aber betrifft den Verbraucher die Nanotechnologie überhaupt?
Diese Frage kann eindeutig mit „ja“ beantwortet werden. Denn wenn die produktbezogene Entwicklung in der bisherigen Geschwindigkeit fortschreitet, dürfte in naher Zukunft ein Großteil unserer Alltagsgegenstände nanotechnologisch hergestellt, behandelt, oder unterstützt sein.

 

Abflussverhalten von Flüssigkeiten auf einer herkömmlichen Keramikoberfläche (links) im Vergleich zu einer Oberfläche mit Lotoseffekt (rechts).
Bild: Villeroy & Boch AG

 

Mit Nanotechnologie vor Verrußung geschützte Kaminscheiben. Bild: NADICO

 

Verbrauchernahe Nano-Produkte
Zahlreiche Alltagsprodukte enthalten heute bereits Nanomaterialien. Da es aber keine Verpflichtung zur Kennzeichnung gibt, sind sie für Verbraucherinnen und Verbraucher nur schwer auszumachen. Der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland e. V. (BUND) setzt sich daher für eine Kennzeichnungspflicht und die Schaffung eines staatlichen Nano-Produktregisters ein. Da beides bisher fehlt, hat der BUND selbst die Initiative ergriffen und eine Nanoproduktdatenbank erstellt, die einen Überblick über die in Deutschland verfügbaren Nanoprodukte bietet. So zählte die Datenbank des BUND im letzten Jahr bereits mehr als 220 Alltagsprodukte mit nanoskalaren Inhalten oder Eigenschaften. Einige davon sind sogenannte verbrauchernahe Produkte, also solche, die entweder in Lebensmitteln oder direkt an oder im menschlichen Körper (z.B. Kosmetika) zum Einsatz kommen. Die Vor- und die möglichen Nachteile werden zwischen Verbraucherschützern und Industrie heftig diskutiert. Vor allem der Lebensmittelsektor wird sehr kritisch gesehen.
Unbestreitbar haben z.B. Sonnenschutzcremes mit nanoskalarem Titandioxid einen enormen Vorteil: Das für uns schädliche UV-Licht wird sehr viel effektiver heraus gefiltert, die Wahrscheinlichkeit für Sonnenbrand und Hautkrebs sinkt damit drastisch. Die Frage ist aber, ob das Titandioxid auf der Hautoberfläche bleibt, oder aufgrund seiner Winzigkeit einfach in das Innere der Zellen „einwandert“? Erste Untersuchungen geben hier für die gesunde Haut scheinbar Entwarnung. Die derzeit auf dem Markt befindlichen Produkte bleiben demnach in den obersten Hautschichten hängen und werden im Zuge der normalen Regeneration der Haut abgestoßen. Offen ist aber noch das Verhalten auf (vor)geschädigter Haut.
Inwiefern bei nanotechnologisch behandelten Lebensmittel die Vorteile überwiegen, wird die Zukunft zeigen.

Nano-Produkte im gebäudetechnischen Bereich
Im gebäudetechnischen Bereich sind die eingesetzten Nanos üblicherweise weniger nah am Verbraucher. Duschwände, Waschtische und Badewannen, an denen Wasser rückstandslos abperlt, sind sowohl aus praktischer wie aus ästhetischer Sicht sehr sinnvoll und gleichzeitig ökologisch. Es müssen weniger Reinigungschemikalien zum Einsatz kommen, dadurch wird der Geldbeutel und gleichzeitig die Umwelt entlastet.
Speziell der sogenannte Lotus-, oder Lotosblumeneffekt, welcher Flüssigkeiten komplett von Oberflächen abperlen lässt, spielt in der Sanitär- und Haustechnik eine immer größere Rolle. Auch Fenster, Wandfarben, Beschichtungen und auch Außenputze mit diesem Effekt sollen verhindern, dass sich Staub, Kalk oder Grünalgen auf den damit behandelten Oberflächen absetzen.

Filtervlies mit Lotoseffekt. Wasser, Öle und Emulsionen fließen leicht ab, anstatt im Filter zu verdunsten und zu verharzen.
Bild: GEA Air Treatment GmbH


Wie funktioniert der Lotoseffekt?
Dazu ist es sinnvoll, etwas weiter auszuholen, es beginnt nämlich beim Wasser selbst. Wasser besitzt starke innere „Zusammenhangskräfte“. Von Bildern aus der Raumfahrt kennt man die Situation: Wird Wasser freigesetzt, schwebt es aufgrund seiner eigenen zusammenziehenden Kräfte kugelförmig herum.
Die Lotosblüte nutzt diese Eigenschaft durch ihre Oberflächenstruktur aus. Dicht besetzt mit nanoskalaren Nadeln aus Wachs, stoßen diese die Wassermoleküle ab, wodurch die inneren Kräfte des Wassers überwiegen. Es bildet sich eine (durch die Schwerkraft abgeflachte) Kugel. Das Wasser kann die Oberfläche der Blüte nicht benetzen und rollt nahezu reibungslos darüber hinweg. Auf seinem Weg nimmt es alle Partikel mit, sodass der Reinigungseffekt das Blatt immer wie frisch erblüht aussehen lässt.
Viele technische Ansätze versuchen dies nachzubilden. Der bisher größte Nachteil dieser Techniken liegt meist darin, dass sich der Effekt abnutzen kann. Das heißt, dass bei mechanischer Beanspruchung diese Nadeln zerstört werden können, sodass das Wasser wieder an der Oberfläche haftet.

 

Nachträgliche nanotechnologische Oberflächenbehandlung.  Bild: NADICO

 

Nachträgliche Oberflächenbehandlung
Bei einer nachträglichen Oberflächenbehandlung müssen Gesundheitsaspekte beachtet werden. Hierbei steht im Allgemeinen der Hautschutz und der Schutz der Atmungsorgane im Vordergrund. Schon aus Arbeitsschutzgründen müssen entsprechende Schutzhandschuhe getragen werden. Sollte es darüber hinaus bei Sprays zu Sprühnebeln kommen, ist eventuell auch eine Schutzmaske notwendig. Aus dem Bereich der Schuhpflege und der dort eingesetzten Nanosprays weiß man, dass die Verwendung solcher Sprays am besten nur draußen durchgeführt werden sollte. Bei sanitären Einrichtungsgegenständen ist dies natürlich nur eingeschränkt möglich.
Laien dürften mit der fachgerechten Durchführung überfordert sein, da es umfangreicher Information für den richtigen Umgang mit diesen Produkten bedarf. Für SHK-Betriebe bieten sich damit neue Möglichkeiten zur Kundenansprache sowie zur Erschließung neuer Geschäftsfelder.

Katalytisch wirkende Beschichtungen
Ein weiteres, ebenfalls innovatives Konzept ist der Einsatz von katalytisch wirkenden Farben und Beschichtungen. Nanoskalares Titandioxid zersetzt dabei Gerüche und Schadstoffe wie Tabakrauch, ohne selbst zu reagieren. Dies bedeutet, dass die Beschichtung sich nicht verbraucht. Die Energie für den Vorgang bezieht das nanoskalare Titandioxid aus dem UV-Anteil des Lichts, sodass die unerwünschten molekularen Verbindungen „geknackt“ werden und nicht mehr wahrnehmbar sind. Allerdings gibt es zurzeit noch wenig Erkenntnisse, was bei dem Knacken der Substanzen übrig bleibt.
Inzwischen sind auch Wandfliesen mit Lotos- und katalytischem Effekt auf dem Markt. Diese sollen weder Kalk ansetzen noch einen mikrobiellen Bewuchs zulassen. Dazu garantieren einige Hersteller auch die mechanische Abriebbeständigkeit der Oberfläche.

Ausblick
Nanotechnologien können eine enorme Bereicherung unserer technisierten Gesellschaft sein und zur Lösung drängender Probleme in den Bereichen von Energieerzeugung, -speicherung und -verarbeitung beitragen. Ebenso helfen sie, seltene und teure Materialien sparsamer und gleichzeitig effizienter zu nutzen. Allerdings sind zurzeit noch viele Fragen offen. So betrifft z. B. ein wichtiger Klärungspunkt die Beständigkeit von Nanoteilchen in der Umwelt: Was geschieht mit Nano-Silber in der Kläranlage? Oder mit nanoskalarem Titandioxid, wenn in 20 Jahren Putze von Wänden entfernt werden? Wie sieht es dann mit dem Arbeits- und Umweltschutz aus? Hier ist die Industrie gefordert, Produkte zu entwickeln, deren Lebensdauer begrenzt ist. Mit langlebigen, biologisch und/oder ökologisch nicht abbaubaren Stoffen (wie Dioxin, PCB und Asbest) haben wir mehr als schlechte Erfahrungen gemacht. Diese Erkenntnisse sollten bereits heute für die weitere Entwicklung berücksichtigt werden.
Erfreulicherweise sind die Industrie und die Politik bereits aktiv in der Klärung offener Fragen engagiert. Selten wurde und wird eine neue Technologie von Anfang an so intensiv wissenschaftlich begleitet, wie die der nanotechnologischen Ansätze. Die Beschreibungen im Text zeigen aber, wie komplex die zugrunde liegenden physikalischen, technischen, ökologischen und humantoxikologischen Zusammenhänge sind.
Für das Handwerk gibt es jedoch bereits eine breite Fülle von Produkten, die – unter Beachtung von Arbeitsschutz, sinnvollem Einsatzzweck und entsprechender Kundenberatung – ebenfalls helfen können, Energie- und Ressourcen zu schonen. Dies bei gleichzeitigem Plus an Komfort und Bequemlichkeit. Und wenn die neuen nanotechnologischen Produkte nur ansatzweise ihre Versprechen halten, kann dies einen enormen technologischen und gesellschaftlichen Sprung nach vorne bedeuten, auch und gerade unter dem Blick auf kommende Herausforderungen wie z.B. den Klimawandel. Die schon erwähnten Einsparungen bei elektrischer Energie, Wasch- und Putzmittel, sind letztendlich indirekt auch ein Beitrag zur CO2- Reduzierung. Zudem erhöhen neue Produkte, wie nanotechnologisch optimierte Solarzellen und -Absorber die Energieausbeute.

Autor: Dipl.-Ing. Rolf Rheinschmidt, Geschäftsführer, Umwelt : Hygiene : Gesundheit | Coaching & Consulting

www.umwelt-hygiene-gesundheit.de

 


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