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Ökologische Nahwärmeversorgung

Wohnungsbaugesellschaft erneuert 47 Jahre altes Nahwärmenetz und wechselt den Brennstoff

Lageplan Grabenäckerstraße 1 bis 17 in Schwenningen. Hier wurden sieben Wohngebäude im Jahr 1969 mit einer Nahwärmeversorgung erstellt. Bild: wbg

Heizzentrale vor der Sanierung mit Ölheizkessel vorne und Spitzenlast-Gaskessel hinten. Im April 2016 erfolgte hier die Umstellung auf den Brennstoff Holzpellets.Bild: König

Verladen des Pelletspeichers beim Hersteller Mall in Donaueschingen-Pfohren. Bild: Mall

Projektdaten zur Sanierung der 7 Mehrfamilienhäuser mit Nahwärmenetz.

Nach dem Versetzen des Pelletspeichers erfolgte die Endmontage mit der Entnahmetechnik „Maulwurf“ durch die Einstiegsluke. Bild: Mall

Unterirdischer Pelletspeicher „ThermoPel 60000“ mit Entnahmesystem „Maulwurf“. Bild: Mall

Die mehrgeschossigen Wohngebäude werden bis Ende 2017 energetisch saniert. Im Vordergrund drei Befüllöffnungen und Einstiegsluke des 2016 unterirdisch eingebauten Pelletspeichers. Bild: König

Saugschlauch der Pelletentnahme mit integriertem Erdungsdraht. Bild: Mall

Neuverlegung der Nahwärmeleitungen zwischen den Wohngebäuden. Bild: König

Clemens Hüttinger, Produktmanager der Mall GmbH, zum Thema unterirdischer Pelletspeicher aus Betonfertigteilen.

 

Die Wohnungsbaugesellschaft Villingen-Schwenningen (wbg) saniert derzeit sieben mehrgeschossige Gebäude mit zusammen 64 Wohneinheiten. Sie stammen aus dem Jahr 1969, wie auch das Nahwärmenetz und die Heizzentrale, in der bislang Öl verfeuert wurde. 2016 stellt die wbg auf Holzpellets um. Das neue Brennstofflager mit 60 m³ Fassungsvermögen befindet sich im Außenbereich. Die Mietpreise werden nur moderat steigen, da die Sanierung mit Umstellung auf den regenerativen Brennstoff Zuschüsse von 1,76 Mio. Euro bringt und die Nebenkosten durch einen geringeren Energiebedarf sinken.

Pro Jahr wird eine der drei Gebäudegruppen modernisiert und energetisch saniert. Die Gebäudehülle erhält Mineralwolldämmung, Fenster werden ausgetauscht und Wärmebrücken durch Erneuerung der Balkone entfernt. Die Aktion begann Anfang 2015 und soll Ende 2017 abgeschlossen sein. Im April 2016 wurden die Kessel ausgetauscht und das Nahwärmenetz komplett erneuert – bei voller Belegung der 64 Wohnungen. Währenddessen war das alte Verteilnetz noch in Betrieb. Den späteren Spitzenlastkessel mit Gas ließen die Verantwortlichen montieren, als der 47 Jahre alte Ölkessel noch die Gebäude mit Wärme versorgte.

„Transplantation des Herzens“
Nach präziser Vorarbeit konnte die Umstellung in der Heizzentrale von einem Tag auf den anderen erfolgen. „Das gelingt in dieser Größenordnung nur mit besonders zuverlässigen Firmen“, meint Peter Fürderer, Leiter Bau und Technik bei der Bauherrschaft wbg. Er ist zuständig für die Durchführung dieses dreijährigen Sanierungsprojekts. „Und natürlich müssen unsere Fachingenieure für Architektur und Haustechnik sehr gut geplant haben!“ Jürgen Kern, Bauleiter des Architekturbüros Behnisch, sorgt u. a. dafür, dass Dämmung und luftdichte Gebäudehülle korrekt ausgeführt werden. „Auch die Balkonplatten mussten von den Geschossdecken getrennt werden, da die Wärmebrücken zu groß waren“, ergänzt er und zeigt beim fertiggestellten Häuserblock Graben­äckerstr. 1/3 die mit Wärmedämmkonsolen an der Fassade befestigten neuen Balkone in Stahlkonstruktion. „Das haben wir ohne Stützpfeiler geschafft“, betont Kern stolz. Er war auch verantwortlich dafür, dass die neuen, recht voluminösen Heizkessel durch eine Verbreiterung des bestehenden Kellerabgangs überhaupt in den Heizraum im Untergeschoss des Hauses Grabenäckerstr. 15 eingebracht werden konnten.
Während der neu installierte Gas-Brennwertkessel im April 2016 über das kurz zuvor fertiggestellte Wärmenetz die Wohnungen für einige Tage allein versorgte, konnte das „neue Herz“ der Heiztechnik, der künftige Grundlastkessel für Holzpellets, sorgfältig eingebaut und mit dem außen liegenden Pelletspeicher verbunden werden, bevor er regulär in Betrieb ging. Der dafür zuständige Hermann Lehmann, Inhaber der Aicher Haustechnik, war sehr zufrieden mit seinen Mitarbeitern. „Der Einbau war schwierig, die Inbetriebnahme eine Freude. Ich hoffe, dass mit unserer Inspektion und Wartung auch dieser Kessel über 40 Jahre gut funktioniert!“
Obwohl andere Betreiber von Gesetzes wegen nach 30 Jahren den Heizkessel austauschen mussten, konnte die wbg ihren ursprünglichen Ölkessel bei diesem Objekt 47 Jahre lang nutzen. „Das liegt daran, dass er mehr als 400 kW Leistung hatte und damit vom Gesetz nicht betroffen war, solange die Abgaswerte stimmen“, erklärt Fürderer von der wbg.

Gesetze und Zuschüsse
Maximal 11 % der Investitionen können laut § 559 Bürgerlichem Gesetzbuch (BGB) nach Modernisierung auf die Jahresmiete aufgeschlagen werden. Ein Team von Beratern hat Fürderer die Entscheidung nahegelegt, die KfW-55 Effizienzhaus-Standards zu realisieren. Diese böten bei dem Objekt das beste Preis-/Leistungsverhältnis und die größten Zuschüsse – und damit für die Mieter die geringsten Mietsteigerungen. Mehrere Zuschüsse dürfen für die gleiche Sache nicht in Anspruch genommen werden. „Mit KfW 55 sind wir 45 % besser als ein Neubau gemäß Energieeinsparverordnung (EnEV)“, sagt der Fachingenieur für Haustechnik, André E. Schwarz. „Allerdings gehört dazu auch die Blower-Door-Prüfung auf Winddichtigkeit – diese ist aufwendig, da die Tests in bewohnten Räumen stattfinden.“
Die Holzpellets als Brennstoff für den Grundlastbetrieb sind Bestandteil des förderfähigen Gesamtkonzepts „Energetische Sanierung Gebäudehülle-Heizung-Nahwärmenetz“, denn Jahresprimärenergiebedarf und Transmissionswärmeverlust sind die entscheidenden Kriterien. Auch der Austausch der elektrischen Durchlauferhitzer in den Wohnungen durch Warmwasseranschluss an die Trinkwasserstationen mit Pufferspeicher im Keller jedes Hauses gehört dazu. Pro Wohnung erhält die wbg 100 000  Euro zinsgünstiges Darlehen, bei 64 Wohnungen also 6,4 Mio. Euro. Die Förderung der KfW macht in diesem Fall bei dem zugesagten Tilgungszuschuss von 27,5 % immerhin 1,76 Mio. Euro aus.
Parallel zum bundesweit für Neubau geltenden Erneuerbare-Energien-Wärmegesetz (EEWärmeG) gilt in Baden-Württemberg zusätzlich das Erneuerbare-Wärme-Gesetz (EWärmeG) für den Bestand. Ziel der Politik ist, die erneuerbare Wärme noch stärker als bisher zu verankern, denn 1,2 Mio. Nachtspeicheröfen und 1 Mio. Ölheizungen waren in diesem Bundesland 2015 noch in Betrieb. Wird z. B. ein Heizungsaustausch fällig, löst das die Wirkung des nur in Baden-Württemberg geltenden EWärmeG aus. Es fordert einen Mindestanteil von 15 % Erneuerbare Ener­gie (oder die Energieeffizienz des Bestandsgebäudes mit anerkannten Ersatzmaßnahmen zu steigern). Auch damit hatte die Bauherrschaft kein Problem, da der Grundlastbetrieb der Heizung mit Holzpellets als 100 % regenerativ gilt.

Gründe für Pellets
In Villingen-Schwenningen auf der Ostseite des Schwarzwalds ist Holz – ob als Pellets, Hackschnitzel oder Scheitholz – einheimischer Rohstoff. Er bringt Vorteile für Umwelt, Klima, Volkswirtschaft und bei Betriebskosten. Dieses Heizmaterial ist nachwachsend, CO2-neutral, trägt zu einer 100%igen Wertschöpfung im Inland bei und ist für die Kunden in der Regel preiswerter zu beziehen als die fossilen Brennstoffe aus fernen Ländern. Außerdem besteht nicht das politische Risiko eines Lieferboykotts, und Unfälle beim Transport sind weit weniger gefährlich als bei Öl und Gas.
Die Entscheidung gegen Hackschnitzel und für Pellets fiel aufgrund der kompakten Bauform des Kessels und des Lagerbehälters, aber auch aufgrund des geringen Wartungsaufwands. Hackschnitzel bedeuten zwar günstigere Brennstoffkos­ten, hätten jedoch auch deutlich höhere Wartungs- und Baukosten verursacht – nicht zuletzt durch das im Vergleich zu Pellets drei Mal größere Lagervolumen.

Austrag mit Saugturbine
Die Saugturbine des Grundlastkessels bezieht die Pellets durch einen flexiblen Schlauch vom Austragsystem, das Teil des Speichers ist. Die mitgesaugte Luft strömt über einen zweiten Schlauch zurück in den Pelletbehälter. Als Austragsystem dient der vom Speicherhersteller mitgelieferte Roboter „Maulwurf“. Er wandert über die Oberfläche des Vorrats und entnimmt die Holzpellets schonend von oben, intervallartig von der Saugturbine des Heizkessels gesteuert. Welche Kessel in Bezug auf die Steuerung zu diesem Entnahmesystem passen, gibt der Speicherhersteller auf seiner Internetseite bekannt.
Das unterirdische Lager mit 6 m Durchmesser besteht aus Betonfertigteilen, die zum gewünschten Termin geliefert, mit einem Autokran versetzt und innerhalb weniger Stunden vom Hersteller vor Ort fertig montiert wurden. Der Einbauort des Speichers wurde so gewählt, dass zum Heizkessel eine geringe Entfernung besteht und Pelletlieferanten möglichst nah heran fahren können. Je kürzer und geradliniger die Austragung, des­to schonender für die Pellets. Entstehen viel Staub und Feinteile, steigt der Wartungsbedarf im gesamten System. Der Einstieg in den Speicher von oben ist möglich, allerdings nicht ohne mobiles CO-Messgerät erlaubt, obwohl neuartige Behälter mit einer Lüftung versehen sind. Das Lager muss bei über 60 ppm CO (Kohlenmon­oxid) verlassen werden.

Speichergröße und Füllstandskontrolle
Holzpellets, in Silofahrzeugen als loses Schüttgut mit ca. 650 kg/m³ gebracht, werden mit Luftdruck vom Lkw aus in den Speicher eingeblasen. Dies geschieht von oben über einen flexiblen Schlauch. Er ist mit dem Befüllstutzen, der sich unter der Abdeckung befindet, durch eine „Feuerwehr-Kupplung Storz A“ verbunden. Ein zweiter Schlauch, parallel dazu am zweiten Stutzen angeschlossen, sorgt für den Druckausgleich und befördert Staub sowie Luft über ein Gebläse in einen Staubsack am Lieferfahrzeug. Der unterirdische Behälter „ThermoPel“ fasst 60 m³. Das entspricht knapp 40 t Füllgewicht bzw. 20 000 l Heizöläquivalent.
Der Speicher hat 3 runde Öffnungen mit Stutzen, über die befüllt wird. „So entstehen 3 nebeneinander liegende Schüttkegel mit einem Minimum an Hohlraum. Das entspricht dem größtmöglichen Nutzvolumen im Speicher“, beschreibt Clemens Hüttinger, Produktmanager beim Hersteller Mall, die Besonderheiten des Brennstofflagers. „Vorab wird vom Lkw-Fahrer die rechteckige Einstiegsluke geöffnet, das Austragsystem Maulwurf nach oben gezogen und dort während des Einblasens fixiert“. Die Speichergröße und die eingebaute Füllstandskontrolle ermög­licht der wbg als Betreiber per Datenfernübertragung nachzubestellen, schon lange bevor der Brennstoff aufgebraucht ist.

Autor: Klaus W. König, Überlingen

 

Nachgefragt

IKZ-FACHPLANER: Dürfen Pelletspeicher auch im Grundwasser stehen?
Clemens Hüttinger: Ja, sie bestehen aus wasserundurchlässigem Beton. Die Fuge zwischen monolithischem Grundbehälter und Deckel bzw. Konus muss aber über dem Grundwasser liegen. Hier gilt als Faustregel: Grundwasser bis max. 1,20 m unter Geländeoberkante. Bis dorthin sind die Pelletspeicher eigenauftriebssicher. Liegt bei Großbehältern die Verbindungsleitung zwischen Speicher und Keller im Grundwasser, ist bauseits besondere Sorgfalt erforderlich, um diese Leitung vor Wassereintritt zu schützen.

IKZ-FACHPLANER: Worauf sollte in Bezug auf die Befahrbarkeit eines Speichers und die Schachtabdeckung geachtet werden?
Clemens Hüttinger: Pelletspeicher sind generell Lkw-befahrbar. Die Schachtabdeckungen können jedoch für den begehbaren (weniger Gewicht, preiswerter) oder den befahrbaren Bereich gewählt werden. Mall empfiehlt, falls befahrbar erforderlich, die Schachtabdeckung Klasse B, da sie für das Überfahren durch Feuerwehrfahrzeuge und Pelletlieferanten ausreicht und zum Befüllen des Speichers leichter zu öffnen ist als z. B. Abdeckungen der Klasse D.

IKZ-FACHPLANER:
Ist für den Einbau eines Pelletspeichers ein Fundament notwendig? Und darf der Speicher mit Aushubmaterial angefüllt werden?
Clemens Hüttinger: Ein Fundament ist nicht notwendig. Für das Planum ist z. B. Kiessand mit ca. 10 bis 20 cm Stärke vollkommen ausreichend. Nach dem Versetzen des Behälters kann dieser mit dem vorhandenen Aushubmaterial wieder angefüllt werden, sofern dieses nicht felsig ist. Zu beachten ist dabei, dass lageweise sorgfältig verdichtet wird, um Setzungen des Oberbelags zu vermeiden.

 

 

Regelwerke und weiterführende Informationen

  • VDI Richtlinie 3464 „Lagerung von Holzpellets beim Verbraucher – Anforderungen an Lager sowie Herstellung und Anlieferung der Pellets unter Gesundheits- und Sicherheitsaspekten“, Beuth Verlag, Berlin, September 2015, www.beuth.de
  • DEPI-Informationsblatt „Anforderungen an die Lagerbelüftung nach VDI 3464“, Deutsches Pelletinstitut, Berlin, August 2015, www.depi.de
  • Broschüre „Empfehlungen zur Lagerung von Holzpellets“, große Lagerstätten sind Thema in Kapitel 5. DEPI, Berlin, Oktober 2015, www.depi.de
  • Planerhandbuch „Unterirdische Lagersysteme für Biomasse, Pellets und Wärme“, Mall GmbH, Donaueschingen, 2016, www.mall.info

 


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