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Neuer Diesel – neueste Technik?

Diskussion um Schadstoffe und Wertverlust

Im neuesten Sprinter bleibt es vorerst bei den 2,1-l-Dieseln und Euro 6-Zulassung. Eine Einstufung nach Euro 6d wird vermutlich erst mit dem 2,0-l-Aggregat kommen. Bild: Thomas Dietrich

Vor einem Jahr sorgte das Umweltbundesamt für Schlagzeilen: Die Realemissionen von Stickoxid liegen teils erheblich über den zugelassenen Grenzwerten bei Euro 3 bis Euro 6. Bild: Umweltbundesamt

Iveco listet seit einigen Monaten den „Daily Blue Power“: Es ist der erste in Europa zugelassene Transporter, dessen Realemissionen nach zertifizierten RDE-Kriterien geprüft wurden. Bild: Iveco

Transporter mit Erdgasmotor: Der „Ducato Natural Power“ ist in der Anschaffung zwar teurer, soll aber laut Gesamtkostenrechnung von Fiat genauso günstig wie die Dieselalternative unterwegs sein – allerdings ohne kritische Emissionen. Bild: Fiat Professional

 

Der Selbstzünder ist massiv in der Kritik: Bei einer Zulassung gemäß Euro 5 droht Wertverlust und der Euro 6-Status ist nicht leicht durchschaubar. Was kann der Handwerker tun? Zumindest kurzfristig besteht kein Grund zur Eile. Übergangsfristen bzw. Ausnahmegenehmigungen werden dem Entscheider im Handwerksbetrieb Zeit geben, den Fuhrpark auf besonders schadstoffarme Fahrzeuge umzustellen.

Mit dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts Ende Februar dieses Jahres zu möglichen Restriktionen für ältere Dieselfahrzeuge wurde gleich festgelegt, dass die Verhältnismäßigkeit der Mittel gewahrt bleiben müsse. Gleichwohl werden Städte in nächster Zeit für besonders verkehrsreiche Straßen mit hoher Schadstoffkonzentration ihre Luftreinhaltepläne überarbeiten und nach individuellen Lösungen suchen, damit die Grenzwerte möglichst nicht mehr überschritten werden. Für ältere Fahrzeuge von Handwerksbetrieben und betroffenen Anwohnern wird es Sonderregelungen geben. So wird wahrscheinlich mehrere Jahre Zeit bleiben, sich über die Neuanschaffung eines schadstoffarmen oder -freien Fahrzeugs Gedanken zu machen.
Und um diesen Gedanken auf die Sprünge zu helfen, können Hintergrundinfos zu den Zulassungsarten Euro 5 und 6 nützlich sein: Seit dem Herbst 2017, mit dem Start ins Modelljahr 2018, werden nach neuer Gesetzgebung die Emissionen von Pkw-Modellen, die neu auf den Markt kommen, einem RDE-Test unterzogen (Typ­zulassung). Der RDE-Test beschreibt das reale Emissionsverhalten von Fahrzeugen im alltäglichen Gebrauch. In nächster Zeit gelten noch kaum durchschaubare Übergangsfristen, doch spätes­tens Anfang 2020 müssen die Hersteller diese Prüfpflicht für alle neu in den Markt eingeführten Pkws und leichten Nutzfahrzeuge zugrunde legen. Spätestens ab Anfang 2021 ist Euro 6d Voraussetzung für die Neuzulassung eines Autos beim Straßenverkehrsamt.
Für den Kaufinteressenten, der auf ein besonders schadstoffarmes Dieselfahrzeug Wert legt, dürfte deshalb interessant sein, welche Aussage der Hersteller für seinen aktuellen Euro 6-Diesel trifft. Besteht das neu produzierte Dieselaggregat bereits jetzt die hohen Anforderungen der RDE-Messung und wird somit bereits der Status Euro 6d erreicht?
Momentan können die RDE-Messungen nämlich durchaus eine Herausforderung sein. Wie Tests offenbart haben, überschreiten Dieselfahrzeuge mit einer Euro 6-Zulassung der ersten Generation die Grenzwerte häufig um ein Vielfaches. Das dürfen sie künftig auch noch, allerdings nur zu einem geringen Grad. Im Klartext: Diesel ist nicht Diesel – einem nach Euro 6 eingestuften, bereits zugelassenen Diesel der ersten Generation könnte die RDE-Zertifizierung zum Verhängnis werden.

VW bessert bei Abgaswerten nach
Volkswagen Nutzfahrzeuge hat offenbar dazugelernt. In der Öffentlichkeit kaum wahrgenommen und diskutiert, ereignete sich in den letzten Monaten Erstaunliches: In einer Art Selbstanzeige beim Kraftfahrtbundesamt (KBA) gab man im Dezember 2017 Auskunft darüber, dass die Abgaswerte bei bestimmten Ausführungen (mit Pkw-Zulassung) des Transporters „T6“ sowie des „Multivans“ im Fahrbetrieb Grenzwerte überschreiten. Konsequenterweise wurde für viele Wochen die Auslieferung an Kunden gestoppt. Zunächst galt es nämlich, die Software für die Motorsteuerung weiterzuentwickeln. Erst nach Freigabe durch das KBA und durch das entsprechende Update im Neufahrzeug wird der wartende Kunde an sein lange bestelltes Auto kommen.
Wird das Schule machen? Werden auch andere Hersteller ähnlich transparent vorgehen und bei auffälligen Testfahrten zunächst nachbessern, bevor man dem Kunden eine nicht ausgereifte Technik übergibt?

Konform mit Euro 6d ist Stand der Technik
Unter der Motorhaube laufen komplexe physikalische Prozesse ab. Eine Abgasrein­igung mit Harnstoff (Adblue) ist erst ab 180 bis 200 °C wirkungsvoll. Um dieses Temperaturfenster sicherzustellen – und damit einen Betriebszustand weitestgehend unabhängig von der Außentemperatur –, könnte sich das Softwareupdate für die Motorsteuerung allein nicht als ausreichend erweisen. Vielleicht könnte erst ein Umbau die Voraussetzung schaffen, damit das System aus Katalysator und Partikelfilter dichter ans Dieselaggregat heranrückt. Bei Dieselaggregaten gemäß Euro 6d sind diese Zusammenhänge berücksichtigt.

Bei Kaufentscheidung nicht blenden lassen
Derzeit herrscht unter Besitzern von Euro 5-Dieseln große Aufregung darüber, dass sie vor wenigen Jahren eine Kaufentscheidung im guten Glauben an ein schadstoffarmes Fahrzeug getroffen haben, das jetzt vor einem rapiden Wertverlust steht. Gleiches könnte sich mit einem Euro 6-Diesel der ersten Generation wiederholen. Beispielsweise dann, wenn Euro 7 neue Extremwerte fordern wird.
Es ist ratsam, sich nicht von einer Umstiegsprämie, satten Rabattierungen oder allerlei Marketingfloskeln blenden zu lassen. Dazu gehört beispielsweise die Zusage im Autohaus, dass man mit einer Euro 6-Zulassung kein Problem mit einer etwaigen Blauen Plakette haben wird. Diese Prognose mag zutreffen. Vielmehr sollte jedoch bei der Bestellung eines Dieselfahrzeugs im Vordergrund stehen, dass tatsächlich die neueste Abgastechnik eingebaut wird. Im Frühjahr 2018 erfüllen dies erst wenige Pkw, bei leichten Nutzfahrzeugen ist es sogar die Ausnahme.
Bei den Transportern listet Iveco seit einigen Monaten die Serie „Daily Blue Power“: Dazu gehört der erste in Europa zugelassene Transporter mit Dieselmotor, dessen Realemissionen nach zertifizierten RDE-Kriterien geprüft wurden.
Die Konkurrenz agiert anders. Beispielsweise baut Mercedes Benz Vans beim neuesten „Sprinter“, der ab Juni 2018 beim Händler stehen soll, weiterhin die 2,1-l-Diesel mit den bekannten Leis­tungsstufen und Euro 6-Zulassung ein. Eine Einstufung gemäß Euro 6d gibt es zunächst nicht. Vermutlich wird dies erst mit dem 2,0-l-Aggregat realisiert, das bereits in der Pkw-Sparte unterwegs ist.

Ältere Dieselmodelle nachrüsten?
Die anhaltende Diskussion um die Nachrüstung bzw. den Wertverlust von Euro 5-Dieselfahrzeugen wird besser verständlich, wenn man die Entwicklung der Vergangenheit Revue passieren lässt. Als vor gut zehn Jahren die Typzulassungen für den Euro 5-Motor festgelegt wurden, ging es vorwiegend darum, den ambitionierten Klimazielen durch geringen Verbrauch und einen möglichst niedrigen CO2-Ausstoß näherzukommen. Stick­oxid (NOx) hatte nicht den Stellenwert von heute, denn die Emission ist erst in den letzten Jahren in den Fokus öffentlicher Diskussionen gekommen und wird mit verantwortlich gemacht für die Erkrankung von Atemweg oder Herz-Kreislauf-System. 
Weil die meisten Euro 5-Motoren keinen SCR-Kat und Adblue-Einspritzung haben, wird in diesen Abgassystemen die NOx-Rohemission fast ungefiltert durch den Auspuff geschickt. So emittiert der Euro 5-Diesel mit durchschnittlich 906 mg/km erheblich mehr Stick­oxid als betagte Motoren, die nach Euro 1 bis 4 zugelassen wurden. Dies hat das Umweltbundesamt durch Messungen ermittelt.
Inzwischen werden die verschiedensten Nachrüstlösungen diskutiert – selten frei von kommerziellen Beweggründen. Wie beispielsweise Motorexperten des ADAC untersucht haben, ist eine Nachrüstung von Euro 5-Autos mit der SCR-Technik möglich und auch wirksam. Doch die Nachweise haben unter Prüfstandbedingungen stattgefunden, nicht unter allen möglichen Alltags- und Klimabedingungen über einen längeren Zeitraum.
Auch ist diese Nachrüsttechnik weit entfernt von der Massenfertigung. Der Grund: Die Entwicklung entsprechender Systeme wäre nicht „mal eben“ zu realisie­ren. Es mangelt sogar noch an einer Zulas­sungsrichtlinie für Nachrüstungen. Auch müssten gemäß einer geltenden Bestimmung für Tausende Fahrzeugmodelle indi-
viduelle Lösungen entwickelt und jeweils der gesamte Abgasstrang einschließlich der Motorsteuerung penibel abgestimmt werden. Vertiefende Kenntnisse dazu findet man unter anderem über www.umweltbundesamt.de (im Suchfeld die vier Schlagworte „Neun Fragen Antworten Diesel“ eingeben).
Weil auch die Gewährleistung hohe Bedeutung hat, wäre eine solche Nachrüs­tung in großem Stil sehr teuer und würde für Millionen Fahrzeuge insgesamt mehrere Jahre in Anspruch nehmen. In einigen Jahren aber werden die betroffenen Fahrzeuge nur noch eine Minderheit im deutschen Markt sein. Denn sie verschwinden nach und nach aufgrund ihres fortschreitenden Alters.
Vor diesem Hintergrund ist bereits auf dem Dieselgipfel im August 2017 nicht eine solche Hardwarelösung, sondern die Softwarelösung als kurzfristig machbare Vorgehensweise beschlossen worden. Unter dem Strich soll dabei rein rechnerisch herauskommen, dass in Millionen von Autos so viele Schadstoffe per Motorsoftware reduziert werden, wie man über Restriktionen anderer Art – beispielsweise Fahrverbote in belasteten Innenstädten – erreichen würde. Doch dieses Planspiel ist unter Experten umstritten und sorgt für anhaltende Diskussionen.

Städte arbeiten zunächst Luftreinhaltepläne aus
Aufgrund der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts können Städte in Zukunft für bestimmte schadstoffbelastete Zonen allgemeine Fahrtbeschränkungen verfügen. Für verkehrsreiche Straßen mit hoher Schadstoffkonzentration werden Städte in nächster Zeit ihre Luftreinhaltepläne überarbeiten und nach individuellen Lösungen suchen, damit Grenzwerte eingehalten werden. Für ältere Fahrzeuge von Handwerksbetrieben und betroffenen Anwohnern wird es Sonderregelungen geben, um auch dort weiter fahren zu können.
Wegen dieser nötigen Ausnahmeregelungen für Handwerker bleibt Zeit, sich über die Anschaffung eines Neufahrzeugs Gedanken zu machen. Bei der Suche nach Alternativen für die Schadstoffreduzierung kommt unter anderem der Erdgasantrieb zurück in den Fokus. Denn wer beispielsweise an einem besonders schadstoffarmen 3,5-Tonner interessiert ist, kann dies nach wie vor durch einen Iveco „Daily CNG“ oder Fiat „Ducato Natural Power“ realisieren. Feinstaub ist hier kein Thema und weitere Emissionen erreichen allemal Euro 6-Niveau. Bei den Lieferwagen machen Fiat „Doblò“ und Opel „Combo“ oder VW „Caddy“ ein solches Angebot und als Pkw erhält derzeit der Audi „A5 ­g-tron“ eine gute Beurteilung.
Beim Elektroantrieb stehen in der Lieferwagenklasse momentan der Renault „Kangoo Z.E.“ sowie der Nissan „e-NV200“ (beide mit verlängerter Reichweite) im Vordergrund. Größere Frachträume bieten der Mercedes „eVito“ (voraussichtlich ab Mitte 2018) sowie der Iveco „Daily Electric“.

Schlussbemerkung
Transparenz ist gefragt: Die öffentliche Empörung in der Dieseldiskussion zeigt Wirkung und zielt auf Kontrollmecha­nismen, die aufseiten des Staates lange Zeit unzureichend waren. Denkt man die Verbreitung des schadstoffarmen Diesels in Richtung Euro 6d bzw. in puncto RDE-Messung konsequent weiter, wird der effiziente Selbstzünder seine unbestrittenen Stärken auch in Zukunft unter Beweis stellen können.
Doch der Diesel ist nur Teil des Verkehrssystems. Eine bessere Taktung von Ampeln, alternative Antriebssysteme, gar die Vermeidung von Fahrten gehören zu wichtigen Schritten, die in Zukunft in die Tat umgesetzt werden müssen. Sonst kommen viele Großstädte aus der Problem­zone nicht heraus.

Autor: Thomas Dietrich, freier Journalist

 


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