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Kompressorwärme clever genutzt

Beim Bau der neuen Produktionshalle der H&B Electronic GmbH & Co. KG in Deckenpfronn (Kreis Böblingen) wurden ökonomische Notwendigkeiten und ökologische Interessen in Einklang gebracht. Mit der Abwärmenutzung aus der Drucklufterzeugung lassen sich die Heizkosten drastisch reduzieren. Eine Industrieflächenheizung ermöglicht die Nutzung der Abwärme auf niedrigem Temperaturniveau und temperiert die Produktions- und Montageflächen sowie die Sozialräume.

Stehen für exakte Planung und Ausführung (von links): Dipl.-Ing. Armin Waidmann, Waidmann Ingenieurgesellschaft mbH

Die Industrieflächenheizung wurde nach dem Tichelmannverfahren geplant und verlegt. Das ­exakte Einmessen und Verlegen ist dafür unerlässlich.

Auf 3500 m² Fläche wurden die Produktionsbereiche Stanzen, Spritzgießen und Montage erweitert.

Zum Heizen und Kühlen wird vor allem die Abwärme der drei zentralen Kompressoren mit 80 kW genutzt.

Fließschema der Anlage.

Dipl.-Ing. Armin Waidmann

 

Die Bewährungsprobe erlebte das Energiekonzept bereits vor der Inbetriebnahme des 3500 m² großen Neubaus im Dezember des abgelaufenen Jahres. Parallel zum Bau des zweiten Produktionsgebäudes wurde die Abwärme der Kompressoren des ersten Produktionsgebäudes genutzt und in einem erdgedeckten Langzeit-Wärmespeicher gespeichert. Die Boden- und Deckenplatten wurden für die Beschichtungsarbeiten bereits mit der Wärme aus dem Pufferspeicher aufgeheizt.
Künftig sollen alle Produktionsgebäude und das geplante Verwaltungsgebäude mit der gepufferten Abwärme versorgt werden. Bislang werden jährlich etwa 40.000 l Heizöl für die Gebäude benötigt. „Ziel des Bauherren ist es, möglichst kein Heizöl mehr zu verbrauchen“, erklärt Dipl.-Ing. Armin Waidmann, Geschäftsführer der Waidmann Ingenieurgesellschaft mbH, Böblingen. Er ist für die Planung und Überwachung des Energiekonzepts und die TGA-Planung verantwortlich.

Qualität, auch beim Energiekonzept
Die H&B Electronic GmbH & Co. KG in Deckenpfronn entwickelt und produziert mit 200 Mitarbeitern feinwerktechnische Bauelemente, Steckverbinder-Systeme und Baugruppen für namhafte Unternehmen in den Bereichen Automotive, Medizintechnik und Steuerungstechnik. Seit Jahresbeginn 2012 wird die bestehende 6000 m² große Produktionsfläche um 3500 m² Fläche für die Produktionsbereiche Stanzen, Spritzgießen und Montage erweitert. Anforderung des Unternehmens ist es, ökonomische Notwendigkeiten mit ökologischen Interessen in Einklang zu bringen. „Wir produzieren nach höchs­ten Qualitätsstandards und haben bereits zahlreiche Entwicklungen zum Patent angemeldet. Diesen hohen Standard möchten wir auch beim Energiekonzept umsetzen. Damit reduzieren wir den CO2-Ausstoß und zeigen, dass auch Industrieunternehmen an nachhaltigen Energiekonzepten interessiert sind“, sagt Hans Böhm, Geschäftsführer der H&B Electronic GmbH & Co. KG.
Die Kunststoff-Spritzgussmaschinen und die metallbearbeitenden Maschinen haben einen hohen Druckluftbedarf. Zum Heizen und Kühlen des zweigeschossigen Produktionsgebäudes (Heizlast 106 kW) wird vor allem die Abwärme der drei zentralen Druckluft-Kompressoren mit zusammen 80?kW Leistung genutzt. Diese steht ganzjährig mit maximal 70?°C zur Verfügung. Über einen Plattenwärmetauscher wird das heiße Wasser in den oberen Bereich des Pufferspeichers geleitet.
Wärme-Überkapazitäten werden in zwei Langzeit-Wärmespeichern mit jeweils 100.000 l Fassungsvermögen gespeichert. Allein das Befüllen der Stahltanks (2,50 m x 18 m) mit enthärtetem Füllwasser (5 dH) nach den Anforderungen der VDI 2035 dauerte 30 Tage.
Bei Bedarf wird die Wärme dem Pufferspeicher entnommen und über einen Wärmetauscher zur Versorgung der Industrieflächenheizung auf 3000 m² Fläche sowie der Lüftung in den zwei Geschossen genutzt.

Projektierungsunterstützung durch den Hersteller
Da die Maschinen sehr viel Wärme abgeben, ist eine zusätzliche Temperierung der Produktion nicht notwendig. Damit dient die Industrieflächenheizung vor allem während der Abschaltzeiten der Maschinen der Frostfreihaltung. Zusätzlich wird im Untergeschoss im Bereich der Montagearbeitsplätze und der Sozialräume Fußkälte vermieden. Ergänzend dazu werden im Fassadenbereich einige Heizkörper und Zu- und Abluftanlagen mit Wärmerückgewinnung installiert, die im Winter ebenfalls mit der gespeicherten Abwärme versorgt werden.
Um die gespeicherte Wärme effizient zu nutzen, hat sich die Waidmann Ingenieurgesellschaft mbH für eine Industrie­flächenheizung entschieden. „Die Layouts und damit die Standorte der Maschinen und Arbeitsplätze in der Produktion müssen ständig neuen Gegebenheiten angepasst werden. Die Flächenheizung bietet dazu alle Möglichkeiten, da keine Heizelemente ab- und umgebaut werden müssen“, ergänzt Armin Waidmann.  Der TGA-Planer ist noch einen Schritt weiter gegangen und hat mit Unterstützung des Projektierungs-Services des Herstellers Uponor die Industrieflächenheizung in beiden Geschossen mit einer betonintegrierten Tichelmannverteilung geplant. Damit konnte auf Verteiler in den Geschossen und eine aufwendige Regelung verzichtet werden. Dies spart Kosten und minimiert die Wartung. Zudem ermöglicht die Tichelmann­anbindung eine Zonenregelung in den einzelnen Funktionsbereichen.

Betonintegrierte Tichelmannverteilung
Uponor habe das Wissen und die Erfahrung. „Das ist bei Projekten, die eine hohe Präzision bei Planung und Ausführung verlangen, sehr wichtig“, sagt Waidmann. Die Installation der PE-Xa-Rohre, die Verlegung der Bewehrung und die Betonierarbeiten der beiden Geschossdecken wurden exakt getimt, um das eng gefasste Zeitfens­ter einzuhalten und zudem die Qualität bei der Installation sicherzustellen. „Die Zusammenarbeit zwischen Planer, SHK-Fachhandwerker und Bauunternehmer hat hervorragend funktioniert“, ergänzt Frank Lissy, der für das Projekt verantwortliche Planerbetreuer aus dem Hause Uponor.
Im Erdgeschoss des Gebäudes haben die Mitarbeiter des SHK-Fachbetriebes Schäfer GmbH, Dotternhausen, in 10,5 Manntagen auf einer Fläche von 1658 m² das nach dem Verfahren Engel vernetze PE-Xa-Rohr in einem Verlegeabstand von 40 cm installiert. Mit einer Vorlauftemperatur von 40°C (Rücklauftemperatur 24°C) wird eine Heizleistung von 53 W/m² erzielt. Die Fläche wird von drei Tichelmanngruppen mit insgesamt 29 Heizkreisen versorgt.
Im Untergeschoss wurde im 1184 m² großen Produktionsbereich die Industrieflächenheizung mit den Rohrdimensionen 20/25x 2,3 mm in einem Abstand von 40?cm und der Tichelmannverteiler in 32 x 3 mm verlegt. Bei einer Vorlauftemperatur von 38?°C (Rücklauftemperatur 21°C) wird eine Heizleistung von 25 W/m² erreicht. In den Sozialräumen im Untergeschoss ist der Verlegeabstand auf 15 cm reduziert worden. Insgesamt haben die Mitarbeiter an 14 Manntagen drei Tichelmanngruppen mit 16 Heizkreisen installiert.

Bilder: Uponor

www.uponor.de

Nachgefragt
IKZ-FACHPLANER:
Im Zentrum des Energiekonzeptes für den H&B-Neubau stehen die Langzeit-Wärmespeicher, die in Verbindung mit wasserbasierten Flächenheizsystemen die konsequente Nutzung der Abwärme ermöglichen. Ist die Abwärmenutzung aufgrund der hohen Speicherkosten eigentlich wirtschaftlich darstellbar?

Waidmann: Den Brennstoffeinsparungen in Höhe von 35.000 Euro im ersten Jahr stehen Mehrinvestitionen in Höhe von 250.000 Euro entgegen. Egal, mit welchen Preissteigerungen man hier rechnet, für Investoren wie H&B Electronic, die das Gebäude auch nutzen, rechnet sich das.

IKZ-FACHPLANER: Bislang werden die Produktionsgebäude mit Deckenstrahlplatten beheizt, die über einen ölgefeuerten Kessel mit Wärme versorgt werden. Sie haben mit der Nutzung der gepufferten Abwärme einen im Vergleich revolutionären Ansatz gewählt. Wie konnten Sie den Bauherren die Sorge nehmen, dass Ihr Konzept funktioniert?

Waidmann: Unser Energiekonzept ist solide gerechnet und bietet noch genügend Puffer, wenn die Maschinen abgeschaltet sind. Zudem wird die thermische Behaglichkeit für die Mitarbeiter durch das Flächenheizsystem deutlich verbessert. Für den Investor ist das ebenfalls ein wichtiger Aspekt. Es ist als Planer aber auch eine angenehme Herausforderung einen Bauherrn zu haben, der alternative Konzepte fördert und fordert.

IKZ-FACHPLANER: Nicht nur das EEG motiviert Betreiber, Eigentümer und Mieter von Gewerbe- und Produktionsgebäuden möglichst energieeffizient zu betreiben, sondern auch die zunehmenden Energiekosten. Ist das Bauvorhaben von H&B Electronic dafür beispielgebend?

Waidmann: Ja, sicherlich. Die Investoren haben unternehmerisch und mit Weitblick gehandelt. Ich habe in der vergangenen Zeit einige Bauvorhaben planen dürfen, bei denen die Investoren neue Wege gegangen sind. Diesen Weitblick würde ich mir von noch mehr Entscheidern wünschen – denn die zusätzlichen Investitionen rechnen sich bereits bei den derzeitigen Energiekosten sehr schnell.

 


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