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Haftungsrisiken richtig bewerten und bewältigen - Solarteure im Spannungsfeld zwischen den Gewerken

Andreas Lietz

Der nachstehende Artikel behandelt die Stellung des Solarteurs und dessen Haftung gegenüber dem Anlagenbetreiber. Darüber hinaus wird auf die häufigsten Fehler hingewiesen.

 

Solarteure bewegen sich in einem bisher wenig beachteten Spannungsfeld zwischen verschiedenen Gewerken. Die zum Errichten einer Solaranlage notwendigen Arbeitsschritte berühren gleich mehrere klassische Gewerke.

Solarteure bewegen sich in einem bisher wenig beachteten Spannungsfeld zwischen verschiedenen Gewerken. Die zum Errichten einer Solaranlage notwendigen Arbeitsschritte berühren gleich mehrere klassische Gewerke, wie beispielsweise das Elektro-, Dachdecker- oder SHK-Handwerk. Dabei sind diverse Vorschriften der Einzelgewerke zu beachten.

Darüber hinaus reicht der Solaranlagen-Installateur die von den Herstellern der Komponenten (Module, Kabel, Wechselrichter, Untergestelle) gegebenen Produkt- und Leistungsgarantien an seinen Kunden weiter und bestätigt zumeist die Richtigkeit der mitgelieferten Prüfbescheinigungen, Zertifikate und Garantieerklärungen.

Nicht erst seit Einführung des Dächerpasses (PV-Anlagenpass) ist der Solarteur damit erster Ansprechpartner für den Anlagenbetreiber, sobald nicht die versprochene Leistung erbracht wird oder sich anderweitige Störungen im Rechtsverhältnis "Kaufvertrag mit Montageverpflichtung" (BGH, VIII ZR 76/03 v. 03.03.04) ergeben.

"Mädchen für alles"
Der Solarteur als "Mädchen für alles": Planung, Materialbeschaffung und Um-setzung aus einer Hand - so lässt es sich kurz auf einen spruchreifen Nenner bringen.

Die Errichtung einer Solaranlage zur Stromerzeugung betrifft zunächst das Elektrohandwerk. Unabhängig vom Montageort werden elektrotechnische Bauteile miteinander zu einer PV-Anlage montiert. Wegen der überwiegenden Dachmontage der Anlagen kommt der Solarteur eben-falls mit dem Dachdeckerhandwerk in Berührung, da zumindest Teile der Dachhaut zur Anbringung der Befestigungsteile geöffnet werden müssen. Zudem können mit den Bereichen Sanitär, Heizung und Klima weitere Gewerke betroffen sein, sobald solarthermische Komponenten in Kombination mit der Photovoltaik-Anlage verbaut werden.

Oftmals tritt der Solarteur neben der eigentlichen Installation der Anlage auch als Händler und/oder Importeur der zugelieferten Komponenten auf, erstellt die Planung und Ertragsprognose, beurteilt die Statik des Daches, liefert Finanzierungs- und Versicherungsvorschläge und besorgt Anträge beim örtlichen Energieversorger. Je nach Konstellation sind verschiedene Ausprägungen der betrieblichen Tätigkeit des Solarteurs anzutreffen.

Keine eindeutige Gewerkezuordnung
Eine Internetsuche bei den Berufsgenossenschaften Energie-Textil-Elektro, zu der auch die BG Gas-, Fernwärme- und Wasserwirtschaft gehört, oder bei der BG Bau und beim Zentralverband der Deutschen Elektro- und Informationstechnischen Handwerke (ZVEH) zum Begriff Solarteur oder Solarinstallateur, führt zu genau 0 Treffern. Ähnlich sieht es bei den Industrie- und Handelskammern aus. Auch auf dem Onlineportal Handwerkskammer.de, einer Initiative der deutschen Handwerkskammern, führt die Suche zu keinem einzigen Treffer. So ist es nicht überraschend, dass die Zuordnung zu einem Gewerk unmöglich erscheint. In Folge dessen sind einheitliche Standards für die Berufsgruppe aktuell nicht zu finden.

Wer sich für den Beruf des Solarteurs interessiert, muss zunächst eine Ausbildung in einem klassischen Handwerksberuf ablegen. Die notwendigen Kenntnisse der Solarbranche werden dort aber nur unzureichend und sehr allgemein vermittelt. So ist eine berufsbegleitende Ausbildung zwangsläufig erforderlich, um sich mit den speziellen Anforderungen bei der Planung und Installation einer Solaranlage vertraut zu machen. Eine Studie des Bundesministeriums für Bildung und Forschung fordert deshalb auch eine duale Berufsausbildung im Bereich der Erneuerbaren Energien.

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Komplexe Haftungssituation
Nach guter deutscher Handwerkstradition sind die Regeln der jeweiligen Zunft in diversen Vorschriften geregelt. Die Aufzählung der einzelnen Normen und Vorschriften der relevanten Gewerke wäre lang und umfangreich. Dazu kommen noch die Herstellervorgaben für die Installation. Jede einzelne Fachnorm gilt immer für sich, nie fach- oder gewerkeübergreifend, und muss deshalb beachtet werden. Für die qualitätsgerechte Ausführung des Werkvertrages unter Beachtung aller Normen haftet der Handwerker gegen-über dem Auftraggeber.

Üblicherweise erbringt der Handwerker seine Leistung in Form eines Werkvertrages. Danach haftet er für die Herstellung eines Werkes. Im Gegensatz zum Kaufvertrag schuldet er nicht die Übereignung einer Sache und haftet damit auch nicht für die Eigenschaften der Komponenten. Hier kommt die Herstellerhaftung nach Produkthaftungsgesetz (ProdHaftG) zum Tragen.

Jedes Gewerk für sich hat ausreichend Haftungspotenzial, da die Nichtbeachtung eine Reihe von Ansprüchen seitens des Auftraggebers im Bezug auf die geschuldete Leistung nach sich ziehen kann. Hinzu kommen noch mögliche Folgeschäden, die im Rahmen der Vertragserfüllung entstehen können. Dazu zählen Sachschäden, beispielsweise am Gebäude, aber auch reine Vermögensschäden, z. B. wegen verspäteter Leistungserbringung, infolgedessen dem Auftraggeber ein geplanter Umsatz entgeht. Es ist festzuhalten, dass der Solarteur nicht nur einem Gewerk zuordenbar ist, sondern sich in aller Regel zwischen diesen bewegt und handelt.

In allen Fällen haftet er für sein Tun gegenüber dem Auftraggeber und dies in weit umfassenderer Weise, als oftmals angenommen. Ein einfaches Verweisen auf die Hersteller der gelieferten und montierten Produkte, wie auf den Modulhersteller, ist nicht ohne Weiteres möglich. Spätestens mit dem Anlagenpass ist es für den Anlagenbetreiber deutlich einfacher geworden, seinen Solarteur in die Haftung für fast jede Störung oder Minderertragsleistung zu nehmen, da dieser mit dem Pass für die in der Ausschreibung der Anlage zugesicherten Eigenschaften die Gewähr übernimmt. Somit sind Ansprüche, welche sich üblicherweise gegen den Hersteller richten würden, nun gegenüber dem Solarteur geltend zu machen.

Die Liste der möglichen Haftungsszenarien wurde durch das Urteil des Bundesgerichtshofes (BGH) vom 3. März 2004 (VIII ZR 76/03) noch verlängert, wonach die Lieferung und Montage einer PV-Anlage als Kaufvertrag mit Montageleistung gewertet wurde. Damit haftet der Solarteur für Sachmängel der Einzelkomponenten, ebenso wie für eine unsachgemäße Montage. Hier muss der Solarteur, wie bereits beschrieben, sämtliche Fachvorschriften der Einzelgewerke beachten.

Ebenso sind die Vorschriften für Planer und Statiker einzuhalten, sofern die Prüfung der Statik, die Ertragsprognose und weitere Planungstätigkeiten vom Solarteur erstellt wurden. Aber auch die Anlagenauslegung durch Dritte, welche vom Installateur genutzt wird, zieht Haftung nach sich, sofern der Installateur die Auslegung nicht als zugekaufte Drittleistung deklariert. Weicht der Solarteur von den Installationsvorschriften der Hersteller ab, z. B. bei der Befestigung der Module, kann er in einem Schadenfall nicht mehr auf den Hersteller verweisen.

Sofern der Solarteur Anlagenkomponenten direkt aus dem nichteuropäischen Wirtschaftsraum bezieht, wird er nach den Vorschriften des § 4 Abs. 2 und 3 Produkthaftungsgesetz (ProdHaftG) sogenannte Quasi-Hersteller der gelieferten Teile. Somit übernimmt er auch die direkte Haftung für die vom Hersteller gestellten Produkt- und Leistungsgarantien. Werden Mängel an den Modulen im Zeitablauf sichtbar (Anschlussdosen) oder nimmt die Degradation einen deutlich schnelleren Verlauf als zugesichert (Leistungsgarantie), steht plötzlich der Solarteur in der Pflicht, die Reparatur oder den Minderertrag der Module gegenüber dem Anlagenbetreiber auszugleichen.

Hier baut sich, von den Meisten fast unbemerkt, ein erhebliches Haftungspotenzial auf, sofern der Hersteller nicht mehr vorhanden oder nicht bereit ist, für sein mangelhaftes Produkt einzustehen. Beruhigt können dann nur die Solarteure schlafen, die einen starken und finanzkräftigen Partner an ihrer Seite wissen, der im Ernstfall Ansprüche prüft, berechtigte Ansprüche reguliert und unberechtigte Ansprüche auf eigene Kosten abwehrt.

Oftmals tritt der Solarteur neben der eigentlichen Installation der Anlage auch als Händler und/oder Importeur der zugelieferten Komponenten auf, erstellt die Planung und Ertragsprognose, beurteilt die Statik des Daches, liefert Finanzierungs- und Versicherungsvorschläge und besorgt Anträge beim örtlichen Energieversorger.

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Erweiterte Haftungsrisiken
Zusammenfassend ist die Haftungssituation der Solarteure wesentlich komplizierter und umfassender als gemeinhin angenommen. Von der übergreifenden Gewerkehaftung, über die als Kaufvertrag mit Montageverpflichtung anzusehende Leistungsverpflichtung für alle Anlagenteile, die besondere Haftung für die Planung und Auslegung der Anlage in Bezug auf Leistung und Ertrag, Standfestigkeit, Wind- und Schneelasten, Dachstatik und Dimensionierung der Unterkonstruktion, bis hin zur Haftung als Quasihersteller bei direktem Import aus Ländern außerhalb des Geltungsbereiches des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum.

Die Liste wird noch verlängert durch neue, zu unterstützende Bemühungen der Branche, einheitliche Qualitätsstandards für die Errichtung von PV-Anlagen zu setzen. Dazu zählt der vom Bundesverband Solarwirtschaft (BSW) und dem Zentralverband der Deutschen Elektro- und Informationstechnischen Handwerke (ZVEH) auf freiwilliger Basis geschaffene "PV-Anlagenpass". Auch hieraus resultieren erweiterte Haftungsrisiken, da der Solarteur die Richtigkeit diverser Prüfbescheinigungen, Datenblätter, Zertifikate und Garantieerklärungen bestätigt.
Am Anfang der Beurteilung der Haftungsrisiken steht eine gründliche und umfassende Risikobewertung des jeweiligen Unternehmens. Wie dargelegt, sind die Ausprägungen der Solarunternehmen höchst unterschiedlich, die Tätigkeitsfelder auf der solaren Wertschöpfungskette weit gefächert. Eine detaillierte Erfassung aller Tätigkeitsmerkmale, von der Akquisition geeigneter Dächer über die Planung und Errichtung bis zur laufenden Wartung von Anlagen, ist zwingend erforderlich. Dazu gehört es, den gesamten Produktbeschaffungsprozess zu beleuchten. Von wem und woher werden welche Komponenten bezogen, und wer haftet für den Transportweg (zum Lager oder zur Baustelle)? Welche Garantien werden von den Herstellern gegeben, welche eigenen Produkt- oder Leistungsgarantien abgegeben? Ebenfalls zu beantworten und ggf. auch zu prüfen ist der Einsatz von Subunternehmern für die Montage und deren Haftung gegenüber dem Auftraggeber.

Umso detaillierter die Erfassung, umso einfacher wird die Frage zu beantworten sein, welche Risiken sind durch das Unternehmen selbst zu tragen, welche Risiken sind durch organisatorische Maßnahmen zu bewältigen oder zu minimieren und welche Risiken sind in entsprechende Versicherungspolicen abzuwälzen.

Für die Bewältigung von Existenz bedrohenden Risiken, hier von gesetzlichen Haftpflichtansprüchen privatrechtlichen Inhalts gegen das Unternehmen, wird die Betriebs- und Produkthaftpflichtversicherung abgeschlossen. Die Versicherungswirtschaft hat die Risiken der klassischen Gewerke entsprechend bewertet und berechnet die Prämien anhand von Tarifen je nach Umsatz oder Mitarbeiteranzahl. Grundlage für die Zuordnung ist in der Regel die Beschreibung des Tätigkeitsfeldes des versicherten Unternehmens. In der Praxis fällt diese Beschreibung leider viel zu häufig ungenau aus, entweder aus Unkenntnis oder weil die Tätigkeit des Unternehmens nicht wirklich hinterfragt wird.

Betriebsbeschreibung muss aktuell sein
Die oftmals aus der Vergangenheit resultierenden Betriebsbeschreibungen hinken der tatsächlichen Risikosituation weit hinterher, meist im Ergebnis eines rasanten Wachstums. Viele Solarteure kommen aus einem klassischen Gewerk, und so ist auch der Versicherungsschutz auf dieses Gewerk beschränkt. Auch die Versicherer kennen den Solarteur und dessen spezifischen Tätigkeitsfelder nicht wirklich.

Im Schadenfall wird der Versicherer sehr genau prüfen, ob die dem Schaden zugrunde liegende betriebliche Tätigkeit tatsächlich auch Gegenstand des Haftpflichtvertrages war. Resultiert der angemeldete Schaden aus einer nicht angezeigten Tätigkeit, wird der Versicherer die Regulierung ablehnen. Einziger Rettungsanker ist die sogenante Vorsorgeversicherung im Rahmen der Haftpflichtpolice. Hier wird, oft mit minimalen Versicherungssummen, eine Veränderung in der betrieblichen Tätigkeit innerhalb eines Jahres versichert. Das Unternehmen muss aber spätestens zur nächsten Hauptfälligkeit in dem dann auszufüllenden Frage-bogen die neue Tätigkeit anzeigen. Unterbleibt diese Anzeige, ist auch die Vorsorgeversicherung dahin, und ein möglicher Schaden wird nicht reguliert. Nicht zu vernachlässigen ist auch die passive Schutzfunktion der Haftpflichtversicherung, die zunächst die gestellten Ansprüche prüft und unter Umständen nicht berechtigte Ansprüche auf eigene Kosten abwehrt. Die Abwehr kann immens teuer werden, bindet viel Zeit und bedarf hochspezialisierter Fachanwälte und Sachverständiger. Diese Schutzfunktion tritt nicht in Kraft, wenn die Beschreibung der versicherten Tätigkeit mangelhaft ist, da der Versicherer dem Grunde nach nicht in die Regulierung einsteigt.

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Erweiterte Produkthaftung dringend überprüfen
Ein Augenmerk sollte auch der Versicherung zur Produkthaftung gelten, auch der erweiterten Produkthaftung. Wie bereits dargelegt, haftet der Solarteur für das Produkt PV-Anlage und seine Tätigkeit. Die Betriebs- und zusätzlich erforderliche Produkthaftpflichtversicherung sichert das allgemeine Betriebsstätten- und das konventionelle Produkthaftpflichtrisiko für Personen-, Sach- und Vermögensschäden. Die erweiterten Risiken aus dem Produkt, nämlich die auch verschuldensunabhängige Haftung für reine Vermögensschäden, z. B. wegen das Fehlens zugesicherter Eigenschaften, ist nur über die erweiterte Produkthaftpflichtversicherung gedeckt, die in Ergänzung der Betriebshaftpflicht abgeschlossen werden muss. Hier sind dann u. a. auch die Ein- und Ausbaukosten versichert. Sollte ein Hersteller (auch Quasihersteller) zu einem Produktrückruf gezwungen werden können (z. B. der Solarteur wegen mangelhafter, brandgefährdender Anschlussdosen) ist der Abschluss einer Rückrufkostenversicherung in Erwägung zu ziehen. Diese würde, bei drohendem Personenschaden, auch einen Eigenrückruf decken.

Das Haftungspotenzial der Solarteure ist sehr weit gefasst und wird mit Sicherheit weiter steigen. Die in der Praxis anzutreffenden Policen sind oft mangelhaft und genügen nicht den tatsächlichen Ansprüchen. Insofern ist den Verantwortlichen in den Unternehmen dringend anzuraten, sich die Haftpflichtpolicen genauestens anzusehen und schnell Kontakt mit einem versierten Berater aufzunehmen, um die Lücken im Versicherungsschutz zu schließen.

Für Solarteure relevante Gewerke und Fachbereiche im Überblick (Auszug)

  • Elektrotechnik
  • Dachdeckerhandwerk
  • Fachplanungen für Elektrotechnik
  • Fachplanungen für Statik
  • Fachplanungen für Photovoltaik
  • Import
  • Handel
  • Finanzberatung

Autor

Betriebswirt (VWA) Andreas Lietz (43) ist seit 2007 Firmenkundenbetreuer im Fachbereich Erneuerbare Energien bei BDJ Versicherungsmakler GmbH & Co. KG mit Sitz in Hamburg. Der gelernte Werkzeugmechaniker und Versicherungskaufmann war zuvor 12 Jahre lang bei DaimlerChrysler Insurance Services als Regionalleiter tätig.

Bilder: IKZ-ENERGY Archiv

 


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