Werbung

Geänderte Bewertungsgrundlage und andere Hindernisse

Das Umweltbundesamt hat die Positivliste für metallene Werkstoffe in Kontakt mit Trinkwasser geändert – das nährt die Unsicherheit bei Herstellern, Handel und dem Handwerk / AGSI-Pressekonferenz zeigt Tendenzen und Entwicklungen auf

Dirk Lückemann.

Stefan Oberdörfer.

Harald Hotop.

Das DVGW-Zeichen genießt nach wie vor einen hohen Stellenwert in der Branche. Zu diesem Ergebnis kommt eine Studie des VDMA-Fachverbands Armaturen. Befragt wurden 450 Sanitärinstallateure und 50 Sanitärfachplaner. Befragungszeitraum war September 2014.

 

Beinahe unbemerkt von der Fachöffentlichkeit wurde die 1. Änderung der Bewertungsgrundlage für metallene Werkstoffe Ende Januar 2016 veröffentlicht. Die darin im Anhang aufgeführte UBA-Positivliste für trinkwasserhygienisch geeignete metallene Werkstoffe wurde in diesem Zuge ergänzt. Statt 13 sind dort nun 19 Werkstofflegierungen gelistet. Über diese und weitere für alle drei Vertriebsstufen relevanten Änderungen und Entwicklungen informierte die Arbeitsgemeinschaft Sanitärarmaturenindustrie im März dieses Jahres anlässlich einer Fachpressekonferenz.

Bleiben wir bei der UBA-Positivliste. Harald Hotop, Mitglied des AGSI-Lenkungsausschusses, sieht in der jüngsten Änderung ein für Hersteller, Handel und Handwerk gleichermaßen relevantes Dilemma: Auf der einen Seite entscheide die Positivliste über die Eignung eines Werkstoffes in der Trinkwasser-Installation, auf der anderen Seite sei sie ein „lebendes Dokument“. Während die im April 2015 veröffentlichte Liste 13 Werkstoffe aufführte, enthalte die Ende Januar 2016 publizierte aktualisierte Fassung bereits 19 Stoffe. Im Herbst sei mit einer neuen Metallpositivlis­te und der Aufnahme weiterer Werkstoffe zu rechnen. Genau das mache es für die Armaturenproduzenten „schwierig bis unmöglich“, die von den Marktpartnern geforderten verbindlichen Erklärungen zur trinkwasserhygienischen Eignung der Produkte abzugeben.
Ähnlich problematisch seien Erklä­rungen, dass Produkte bei „ordnungs­gemäßer Anwendung“ keine Grenzwerte überschreiten. Schließlich werde die Wasserqualität nicht nur durch die Armatur und ihre Werkstoffe, sondern auch durch das Nutzerverhalten beeinflusst. Das könne im ungünstigen Fall zur Bildung von Keimen und Bakterien und zu Grenzwert-Intoleranzen führen. Hotop: „Die Metallpositivliste treibt nach wie vor einen Keil zwischen Industrie, Großhandel und Handwerk.“ Deshalb sei ein gegenseitiger Informationsaustausch „unbedingt anzustreben“. Er diene dazu, Klarheit zu schaffen und Missverständnisse auszuräumen. „Am Ende benötigt die Branche vor allem eines – Rechtssicherheit.“

Verlängerte Frist, aber ungelöstes Grundproblem
Darüber hinaus habe das Umweltbundesamt auch organische Werkstoffe im Fokus, so Hotop. In dem Kontext stehe derzeit die „Leitlinie zur hygienischen Beurteilung von Elastomeren im Kontakt mit Trinkwasser“ im Mittelpunkt. Zu ihr gehöre eine Liste mit nur noch bis Ende 2016 verwendbaren und damit erlaubten Ausgangsstoffen. Dazu zählen Peroxide als für die Produktion von O-Ringen benötigte Vernetzungsmittel. Ihr Einsatz über 2016 hinaus bedinge eine toxikologische Bewertung. Sie erfordere jedoch detaillierte Informationen der Peroxid-Hersteller etwa zur Rezeptur. Aktuell seien die Rohstofflieferanten dazu aber nicht bereit.
Nach einer gezielten AGSI-Initiative habe das Umweltbundesamt inzwischen angekündigt, die Übergangsregelung bis Ende 2021 zu verlängern. Das sei zwar zu begrüßen, löse aber nicht das Grundproblem. Deshalb gehe es jetzt im Austausch mit dem UBA und anderen betroffenen Verbänden darum, die Verwendung der benötigten Stoffe möglichst über 2021 hinaus zu gewährleisten.

Armaturen: 99 % sind verchromt
Neben der nationalen Gesetzgebung rückt für die Armaturenproduzenten auch die EU-Reglementierung immer stärker ins Blickfeld. So befasste sich Stefan Oberdörfer im Rahmen der Fachpressekonferenz mit der Chemikalienverordnung REACH. Wie der AGSI-Referent erläuterte, zielt sie darauf ab, die Verwendung sogenannter „Besorgnis erregender Stoffe“ zu regulieren. Tauche eine Substanz im Anhang XIV der Verordnung auf, dürfe sie nach einer Übergangszeit nur noch bei Zulassung für einen bestimmten Verwendungszweck genutzt werden. Konkret betreffe das Chromtrioxid und weitere Chrom VI-haltige Verbindungen. Für sie laufe die Übergangsfrist Ende September 2017 aus.
Damit stelle sich die Frage, ob die Chemikalienverordnung zum „Totengräber für verchromte Armaturen“ werde. Ganz so dramatisch sehe es nicht aus, denn die Industrie beschäftige sich bereits seit 2010 intensiv mit diesem Thema. Als Teil eines internationalen Konsortiums mit rund 150 Unternehmen bemühten sich die Sanitärarmaturenproduzenten um die Erstellung der nötigen Zulassungsanträge. Gemeinsam wolle man erreichen, das derzeit „alternativlose“ Chrom VI auch künftig verarbeiten zu können. Aktuell sei davon auszugehen, dass das durch eine zunächst siebenjährige Zulassung gelinge. Wie wichtig und brisant das Thema für die Branche ist, verdeutlichte Oberdörfer mit einer Zahl: „Fast 99 % der Sanitärarmaturen sind verchromt.“

EU-Verordnungen 1 : 1 umsetzen
Überhaupt sei REACH alles andere als eine Bagatelle. Die Chemikalienverordnung nehme derzeit nicht weniger als 168 Substanzen kritisch unter die Lupe – mit steigender Tendenz. Exemplarisch nannte Oberdörfer mit Blei, Beryllium und Borsäure drei für die Sanitärarmaturenindustrie relevante Materialien. Dabei sei das wegen der Zerspanbarkeit wichtige Blei besonders hervorzuheben. Werde dem Antrag der schwedischen Umweltbehörde stattgegeben, den Stoff bereits bei einer Konzentrationsgrenze von 0,03 % als fortpflanzungsgefährdend einzustufen, wäre die vom Umweltbundesamt selbst bei einem Bleianteil von bis 2,2 % festgestellte trinkwasserhygienische Eignung erst einmal hinfällig. Denn: EU-Verordnungen sind für die Mitgliedsstaaten absolut bindend und 1 : 1 umzusetzen. Ohnehin droht weiteres Ungemach: Nickel bzw. Nickelmetalle stehen ebenfalls bereits im REACH-Fokus.

Warenverkehrsfreiheit vor Gesundheitsschutz
Nach Meinung des stellvertretenden AGSI-Vorsitzenden Dirk Lückemann geraten auf dem Feld von Zertifizierung und Klassifizierung nationale Lösungen immer mehr „auf das Abstellgleis“. In dem Zusammenhang bezeichnete er das 2013 ergangene „DVGW-frabo-Urteil“ des Oberlandesgerichtes Düsseldorf als „echten Paukenschlag“. Hintergrund: Der italienische Pressfittinghersteller wollte seine Produkte weiter mit dem renommierten deutschen Testat vermarkten, obwohl sie die dafür geltenden und inzwischen weiter verschärften Anforderungen nicht mehr voll erfüllten. Das Unternehmen berief sich in seiner Klage auf den Grundsatz der Warenverkehrsfreiheit in der EU. Das Gericht folgte der Auffassung und rückte damit den vom DVGW betonten Gesundheitsschutz ins zweite Glied. Trotz des mittlerweile außergerichtlich beigelegten Rechtsstreites seien seine Auswirkungen unverändert spürbar.
Das habe auch das Umweltbundesamt erfahren müssen. Die um fast eineinhalb Jahre verzögerte Veröffentlichung der Positivliste für metallene Werkstoffe beruhte auf erheblichen Zweifeln der Kommission an der Verhältnismäßigkeit der Liste und ihrer Vereinbarkeit mit EU-Recht.
Diese Entwicklung erfordert aus Sicht der Sanitärarmaturenindustrie die Harmonisierung europäischer Trinkwasserstandards. Die AGSI setze sich deshalb dafür ein, plädiere aber gleichzeitig für die Beibehaltung des hohen deutschen Trinkwasser-Schutzniveaus und seine Verankerung innerhalb der EU. Man wisse jedoch, dass es sich dabei um ein keineswegs einfach zu erreichendes „Maximalziel“ handele. Ungeachtet dessen werde man sich darauf konzentrieren, denn auch in dem Sektor brauche die Branche Rechtssicherheit.
Außerdem fehle ein europaweit einheitliches Zertifizierungssystem. Gegenwärtig dominiere eine landesspezifische Praxis, die eine gegenseitige Anerkennung meist nicht vorsehe. Konsequenz: Um Zertifikate und Zulassungen für die einzelnen Märkte zu erhalten, müssen sich die gleichen Produkte jeweils einer neuen Prüfung unterziehen. Die daraus für die Industrie resultierenden Mehrkosten bezifferte Lückemann auf mehrere hundert Mio. Euro pro Jahr. Höhere Produktsicherheit sei damit nicht verbunden.
Sicherheit und Gewährleistung seien im Übrigen die wesentlichen Argumente für das DVGW-Zeichen. Das habe Ende 2014 eine von der AGSI initiierte Umfrage bei 500 Handwerkern und Planern ergeben. 96 % von ihnen stuften danach die DVGW-Zertifizierung von Produkten als „sehr wichtig“ bzw. „wichtig“ ein. Das betreffe die Einsatzgebiete „Vor der Wand“ und „Hinter der Wand“ gleichermaßen. Ein eventueller Wegfall des etablierten Zeichens habe daher für die Hersteller ebenso erhebliche Auswirkungen wie für deren Abnehmer und hier vor allem das Handwerk.

„Selbst regeln, bevor man geregelt wird“
Auch die ständig wachsende Zahl sogenannter Klassifizierungssysteme erfordere europaweit einheitliche Lösungen. Sie müssten einerseits der Öko-Designrichtlinie entsprechen, mit der die EU-Kommission energieeffiziente Produkte im Visier habe. Bei der Klassifizierung wasserführender Armaturen etwa gelte es, neben dem Durchfluss weitere Kriterien wie Temperatur und Hygiene zu berücksichtigen. Andererseits solle sich ein harmonisiertes System streng an den jeweils relevanten EN-Normen orientieren.
Generell verfolge die Industrie bei der Klassifizierung ein klares Prinzip. Es laute: „Selbst regeln, bevor man geregelt wird.“ So unterstütze die AGSI das Produktklassifizierungssystem „WELL – Water Efficiency Label“ der europäischen Sanitärarmaturenindustrie bereits seit seiner Einführung im Jahre 2011. Die zur „ISH 2015“ vorgestellten Neuerungen erstreckten sich u. a. auf die stärkere Gewichtung des die Durchflussmenge beeinflussenden Energieverbrauches sowie zusätzliche Komfortaspekte.
Bei der Markteinführung hätten sich indes „unerwartete Störungen durch unsere britischen Kollegen“ ergeben. Im Verbund mit weiteren nationalen Armaturenverbänden reklamierten sie für ihr eigenes, im Wesentlichen auf Durchflussmengen basierendes Label bei der Kommission einen europäischen Alleinstellungsanspruch, erläuterte Lückemann. Zahlreiche „Brüsseler Kooperationsgespräche“ seien daraufhin bis heute ohne befriedigendes Ergebnis geblieben. Inzwischen zeichne sich jedoch ab, dass für die Kommission „WELL“ mit seinem Energiebezug erste Wahl sei. In Zusammenarbeit mit dem europäischen Armaturenverband EUnited Valves beginne deshalb „in diesen Tagen“ der (verspätete) europaweite Roll Out des Systems. „Unterstützungssignale“ aus Großhandel und Handwerk seien dabei zweifellos hilfreich.
Trotz aktueller nationaler Alleingänge etwa in der Flüchtlingskrise stehe fest, dass Europa immer mehr zusammenwachse. Das erhöhe auch den Druck, unterschiedliche Normen und Standards zu harmonisieren. Das zeige nicht zuletzt die Diskussion über die Novellierung der Trinkwasserrichtlinie. Für Lückemann ist deshalb klar, dass „der Zug nach Europa nicht ohne uns abfahren darf“.

Bilder: AGSI
www.vdma.org

 

Spannungsfeld UBA-Metallpositivliste – Vortragsveranstaltung auf der IFH/Intherm

Die Frage, welche Werkstoffe in Kontakt mit Trinkwasser künftig verwendet werden dürfen, beschäftigt Armaturenhersteller genauso wie Großhandel und Handwerk. Vor allem in Bezug auf metallene Werkstoffe stellen sich derzeit viele Fragen, die trotz der Neuveröffentlichung der vom Umweltbundesamt geführten Metall-Positivliste am 28. Januar 2016 weiter im Raum stehen. Unter dem Titel „Konfliktfeld Konformität: Handel, Handwerk und Hersteller im Spannungsfeld von UBA-Metallpositivliste“ wird Prof. Dr. Zeller, Fachanwalt für Baurecht sowie Professor für Bau- und Architektenrecht an der Hochschule Kaiserslautern, die Problematik von verschiedenen Seiten betrachten und die Konsequenzen darstellen. Eine anschließende Diskussionsrunde mit Vertretern aus der Armaturenindustrie sowie dem Großhandel und Handwerk rundet die Veranstaltung ab.
Die Veranstaltung findet im Rahmen der Fachmesse IFH/Intherm am 7. April in der Zeit von 13.00 bis 14.30 Uhr im Raum Krakau / NCC Ost, Ebene 2, statt. Die Teilnahme ist kostenlos. Anmeldung per E-Mail unter claudia.kopp@vdma.org.

 


Artikel teilen:
Weitere Tags zu diesem Thema: