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Folgenreiches Urteil - Der Fall Frabopress gegen den DVGW und die Konsequenzen für die SHK-Branche

Am 14. August 2013 hat das Oberlandesgericht Düsseldorf ein Urteil (Az.: VI-2U (Kart)15/08) gefällt, das in der SHK-Branche für Aufsehen gesorgt hat und zukünftig zum Umdenken zwingt: Der Deutsche Verein des Gas- und Wasserfaches e.V. – Technisch-wissenschaftlicher Verein (DVGW) muss dem Produkt „Frabopress“ des italienischen Herstellers Frabo das DVGW-Zertifizierungszeichen uneingeschränkt erteilen, obwohl es nicht die heute maßgeblichen Prüfkriterien erfüllt.

Dr. Hans-Michael Dimanski, hier während einer Vortragsveranstaltung: „Die europäische Spielregeln für den Wirtschaftsverkehr sind ernst zu nehmen.“

Andreas Müller: „Handwerksbetriebe haben darauf zu achten, dass Angebote oder Leis­tungsbeschreibungen regelkonform sind. Allein das DVGW-Kennzeichen bietet keinen ausreichenden Schutz.“

 

Rückblick. Frabo hatte in der Vergangenheit für bestimmte Pressfittings eine DVGW-Zertifizierungen für die Bereiche Gas und Wasser erhalten. Einige Jahre später wurde eine neue Prüfgrundlage (DVGW W 534 „Rohrverbinder und Rohrverbindungen in der Trinkwasser-Installation“) veröffentlicht. Darin waren für die im Rohrverbinder verwendeten O-Ringe einige zusätzliche Prüfanforderungen enthalten – u.a. die Prüfung des Druckverformungsrestes über eine Prüfdauer von 3000 Stunden bei 110°C. Weil der Hersteller seine Fittings nicht erneut prüfen lassen wollte, entzog der DVGW das Zertifikat. Frabo klagte und hatte vor dem OLG Düsseldorf Mitte August dieses Jahrs Erfolg: Der Entzug des Zertifikates sei rechtswidrig. Der Fortbestand des Zertifikats dürfe nicht von zusätzlichen Anforderungen, wie dem Bestehen eines 3000-Stunden-Tests, abhängig gemacht werden, da diese Forderung gegen das europaweite Verbot von Einfuhrbeschränkungen nach Artikel 28 EG (nunmehr Artikel 34 AEUV) verstoße, heißt es in der Begründung. Zur Erläuterung: In dem zitierten Artikel heißt es, dass mengenmäßige Einfuhrbeschränkungen sowie alle Maßnahmen gleicher Wirkung zwischen den Mitgliedstaaten verboten sind. Das sieht der Europäische Gerichtshof bereits dann verletzt, wenn ein Mitgliedstaat ohne triftige Rechtfertigung die Unternehmen veranlasst, nationale Konformitätszeichen zu erwerben.
Für den Baurechtsspezialisten Dr. Hans-Michael Dimanski kommt diese Entscheidung nicht unerwartet. Längst zeige sich, dass deutsche Hersteller unter akribischer Beobachtung europäischer Konkurrenten stehen. Dimanski: „Die europäischen Spielregeln für den Wirtschaftsverkehr sind ernst zu nehmen, gleichwohl wird mit zunehmender „Europäisierung“ das Leben der Installationsunternehmen nicht einfacher.“ Während die Warenverkehrsfreiheit auf der einen Seite zu einer größeren Produktvielfalt in Deutschland führe, nehme auf der anderen Seite das Niveau der Produktsicherheit ab, weil eben die Sicherheits-und Zertifizierungsstandards in Europa – z.B. was die Trinkwasserinstallation angeht – unterschiedlich seien. „Die Bürde einer mangelfreien und den allgemein anerkannten Regeln der Technik in Deutschland entsprechenden Trinkwasserinstallation trägt die SHK-Firma als Werkunternehmer“, so Dimanski.

Konsequenzen für Handwerk, Handel und Planer

Über die mittel- und langfristigen Konsequenzen für die Branche aus dem Urteil kann allenfalls spekuliert werden. Fakt ist allerdings: Bislang ist der DVGW die einzige privatrechtliche organisierte Einrichtung, die in der Vergangenheit die Befugnis hatte, gemäß §12 Abs. 2 AVBWasserV mittels Zertifizierung den Zugang von Erzeugnissen im deutschen Markt zu regeln. Bis vor wenigen Jahren hieß es unter Punkt 4: „Es dürfen nur Materialien und Geräte verwendet werden, die entsprechend der anerkannten Regeln der Technik beschaffen sind. Das Zeichen einer anerkannten Prüfstelle (zum Beispiel DIN-DVGW, DVGW- oder GS-Zeichen) bekundet, dass diese Voraussetzungen erfüllt sind.“ Erst 2010 wurde diese Formulierung deutlich entschärft. In der aktuellen Fassung heißt es: „Die Einhaltung (….) wird vermutet, wenn eine CE-Kennzeichnung (…) vorhanden ist (…) wenn das Produkt oder Gerät ein Zeichen eines akkreditierten Branchenzertifizierers trägt, insbesondere das DIN-DVGW-Zeichen oder DVGW-Zeichen. (…).
Aus der Quasi-Befugnis wurde de facto eine Vermutungsregelung. Unlängst hat zudem die Bundesregierung angekün­digt, ihrerseits Konsequenzen aus dem Urteil zu ziehen. „Die in den einschlägigen Leitlinien des Umweltbundesamtes vorhandenen Erwähnungen und Verweise auf Zertifikate der DVGW Cert werden kurzfristig gestrichen“, sagt Andreas Müller, Geschäftsführer Technik beim Zentralverband Sanitär Heizung Klima (ZVSHK), Bezug nehmend auf ein Schreiben der Regierung an die EU-Kommission vom 28. August dieses Jahres. Und ergänzt: „Es gibt keine staatlich verliehene Kompetenz des DVGW.“
Dem widerspricht auch der DVGW nicht. Auf eine schriftliche Anfrage zur Gültigkeit von DVGW-Zertifikaten erklärt der Verein: „Grundsätzlich sind der Hersteller bzw. der Inverkehrbringer (Anmerkung der Redaktion: z.B. SHK-Großhandel) eines Produktes für die Einhaltung der gesetzlichen Vorgaben verantwortlich, dies gilt mit und ohne DVGW-Zertifikat. Ein DVGW-Zertifikat ist lediglich eine Konformitätsbestätigung mit den Anforderungen, die zum Zeitpunkt der Ausstellung des Zertifikates gültig waren.“

Mangelhafte Werkleistung trotz Zertifizierung

Heißt konkret: Ähnlich wie Normen können DVGW-Zertifizierungen den aktuellen Stand der Technik widerspiegeln oder eben nicht. Ein aktuelles Beispiel aus der Praxis macht dies deutlich: Es geht um Produkte aus dem Werkstoff CW602N. Mit der Absenkung des Bleigrenzwertes ab Dezember 2013 verliert dieses gebräuchliche entzinkungsbeständige Messing seine allgemeine trinkwasserhygienische Eignung. Gleichwohl gibt es im deutschen Markt eine Vielzahl an DVGW-zertifizierten Armaturen oder Fittings aus diesem Material. Dass die Hersteller auch nach Ende 2013 mit dem DVGW-Zeichen werben werden, ist nicht ausgeschlossen. Ablaufdatum für entsprechende Zertifikate ist schließlich erst November 2015. Überdies findet sich in den entsprechenden Produktblättern und Montageanleitungen seit vielen Jahren der Hinweis auf das DVGW-Zeichen. Mit einer Überarbeitung dieser Schriften alleine ist es nicht getan. Über den Großhandel und das Fachhandwerk dürften Zigtausende Broschüren auch nach Dezember 2013 weiterhin den Weg zum Kunden finden.
Ebenfalls problematisch: Nicht wenige Betriebe dürften Restbestände an Produkten aus dem Werkstoff CW602N in den Lagern horten. Was aber tun damit? Baut das SHK-Unternehmen derartige Restbestände ohne Hinweiserteilung und ausdrückliche Genehmigung des Auftraggebers ein, läuft es Gefahr, dass die Werkleistung diesbezüglich als mangelhaft eingestuft wird. Die allgemein anerkannten Regeln der Technik entwickeln sich weiter und der Werkunternehmer schuldet zum Abnahmezeitpunkt eben eine Leistung, die den allgemein anerkannten Regeln der Technik entspricht. Wenn sich Materialien oder Produkte aufgrund öffentlich-rechtlicher Vorgaben nicht mehr eignen, indem sie Schutzziele nicht mehr oder nicht mehr ausreichend erfüllen, wäre ein Einbau problematisch.
Handwerksbetriebe haben demnach darauf zu achten, dass eigene Angebote oder Leistungsbeschreibungen des Auftraggebers regelkonform sind. Gegebenenfalls haben die Firmen hier erhöhte Hinweis- und Aufklärungspflichten. Allein das DVGW-Kennzeichen bietet keinen ausreichenden Schutz.

Risiken minimieren

Andreas Müller rät Fachbetrieben deshalb „unabhängig vom DVGW-Zeichen eine Konformitätserklärung vom Hersteller der Produkte zu verlangen. Damit wird bestätigt, dass die Produkte uneingeschränkt in der Gas- oder Trinkwasser-Installation eingesetzt werden dürfen.“ Ein solches Formular zur Anforderung einer Konformitätserklärung steht Innungsbetrieben über die Internetplattform www.shk-musterschreiben.de zur Verfügung.*
Der Geschäftsführer nennt aber noch eine weitere Lösung: Mit zahlreichen Herstellern habe der ZVSHK inzwischen sogenannte Haftungsübernahmevereinbarungen abgeschlossen. Organisierte SHK-Innungsbetriebe genießen dabei einen Rückgriffsanspruch gegen den Hersteller, sofern sein Produkt den Gewährleistungsfall verursacht hat. Müller zu den Vorteilen: „Bei Einbau von Produkten der Gewährleistungspartner haften die Hersteller der eingebauten Teile solange, wie SHK-Unternehmer von ihren Kunden in Anspruch genommen werden können. Zudem wird die Abwicklung des Gewährleistungsschadens erheblich vereinfacht.“
Risiken minimieren kann der Fachbetrieb auch bei Bestellungen an den Großhandel. Hier sollte am besten schriftlich der Hinweis gegeben werden, dass die bestellten Produkte wie Schrägsitzventile oder Armaturen in der Trinkwasser-Installation Verwendung finden sollen. „Als Inverkehrbringer dürfte der Fachgroßhandel in diesem Fall formal juristisch ebenfalls nur hygienisch unbedenkliche Produkte an den Besteller liefern“, so Müller.

Nach der Urteilsverkündung: Wie geht es weiter?

Der DVGW hat gegen das Urteil Revision beim Bundesgerichtshof eingelegt und spricht von einer Einzelfallentscheidung zugunsten der Firma Frabo, da noch keine allgemein gültige höchstrichterliche Entscheidung vorliege. In den nächsten Wochen oder gar Monaten wird der BGH entscheiden, ob es den Fall annimmt oder dem DVGW empfiehlt, die Revision zurückzunehmen. Im letzten Fall würde es bedeuten, dass der Bundesgerichtshof kaum Chancen auf Erfolg sieht. Würde der Fall angenommen, werden Verfahrensfragen geklärt, d.h. ob das OLG Düsseldorf eine rechtskonforme Beweisaufnahme durchgeführt hat. Neue Sachverhalte nimmt das Gericht nicht auf. Nach der Prüfung bestätigt der BGH das Urteil oder verweist es bei Verfahrensfehlern zurück an das OLG.
Auf eine Anfrage der IKZ-Redaktion heißt es: „Selbstverständlich wird der DVGW bzw. die DVGW CERT GmbH dem Urteil des Oberlandesgerichts Düsseldorf in diesem Einzelfall folgen, sofern es vollstreckbar ist. Generell wird aber zunächst die Befugnis zum Führen des DVGW-Zeichens weiterhin von der vollständigen Erfüllung der technischen Anforderungen des DVGW-Regelwerks sowie der in Deutschland aktuell gültigen hygienischen Anforderungen zum Schutz des Trinkwassers abhängig gemacht. Planer und Installateure können – bis auf diesen Einzelfall – davon ausgehen, dass ein DVGW-Zeichen auch weiterhin dafür steht, dass alle normativen und öffentlich-rechtlichen Anforderungen für das entsprechende Produkt erfüllt sind.“ Dass gerade der letzte Satz durchaus mit Vorsicht zu genießen ist, zeigt das vorgenannte Beispiel aus der Praxis zum Werkstoff CW602N.

Verlässliches Indiz

„Gleichwohl sollte die sprichwörtliche Kirche im Dorf gelassen werden“, sind sich sowohl Dr. Dimanski als auch Andreas Müller einig: „Das DVGW-Zeichen war in der Vergangenheit ein verlässlicher Begleiter der Branche. Abgesehen davon dürfte auch ausländischen Herstellern nicht verborgen geblieben sein, dass ein DVGW-Kennzeichen für die Verarbeiter bislang zumindest ein verlässliches Indiz für die Einhaltung der anerkannten Regeln der Technik war. Allerdings ist die gewohnte Floskel „Alles was ein DVGW-Zeichen trägt, kann bedenkenlos eingebaut werden“, nicht mehr durchgängig gültig.“


Übermittlung einer EG-Konformitätserklärung – Musterschreiben


Sehr geehrte Damen und Herren,

im Zuge der Erbringung von Werkleistungen beabsichtigen wir, folgende Produkte Ihres Hauses einzubauen:
•    …
•    …
•    …
Bitte bestätigen Sie uns rechtsverbindlich, dass die oben genannten Produkte alle sicherheitstechnischen Anforderungen der auf dieses Produkt anwendbaren EG-Richtlinien erfüllen oder mit der Bauart konform sind, für die eine EG-Baumusterprüfbescheinigung ausgestellt wurde.

Mit freundlichen Grüßen


 


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