Werbung

Energieberater: Ist die Einführung einer neuen dena-Expertenliste notwendig?

Seit Jahren existiert die sogenannte BAFA-Liste. Sie wird beim Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (BAFA) geführt und enthält eine Vielzahl von Gebäude-Energieberatern. Ein potenzieller Auftraggeber kommt nur dann in den Genuss einer staatl. Förderung, wenn er die Energieberatung von einem der dort gelisteten Experten durchführen lässt. Damit sollte in der Vergangenheit erreicht werden, dass durch die nachweislich qualifizierten Personen auch eine fundierte Energieberatung durchgeführt wird. Jetzt allerdings sind die BAFA und die KfW (Kreditanstalt für Wiederaufbau) zu der gemeinsamen Auffassung gelangt, dass der erstrebte Qualitätsanspruch in weiten Zügen nicht gegeben ist. Daher soll die alte Liste gelöscht und eine neue erstellt werden, die dann von der (dena) Deutsche Energie-Agentur gepflegt wird. Hier sollen jene Energieberater aufgenommen werden, die aufgrund ihrer Ausbildung und Zusatzqualifikation auch sonst berechtigt gewesen wären, in der alten BAFA-Liste geführt zu werden. Neu ist allerdings, dass sie künftig ihre Qualifikation regelmäßig nachweisen müssen: durch den Besuch von Weiterbildungsmaßnahmen und durch die Vorlage von Praxisberichten. Der Start der Liste ist bereits für den 15. Dezember dieses Jahres vorgesehen. Auf ungeteilte Gegenliebe stößt die Idee der neuen Liste allerdings nicht. Was dafür und was dagegen spricht, lesen Sie auf dieser Doppelseite.

 

PRO

Romy Reichenberger, Projektleiterin bei der Deutschen Energie-Agentur (dena)

Die Tatsache immer wieder in Erscheinung tretender Qualitätsmängel sowohl im Bereich der Energieberatungen als auch bei Planungen und Baubegleitungen hocheffizienter Bau- und Sanierungsvorhaben wird von kaum einem Experten ernsthaft angezweifelt. Ziel der Einrichtung der Liste ist es, diesem Problem durch Einführung einer qualifizierten Expertenliste für die geförderten Programme Vor-Ort-Energieberatung des BAFA und Planung und Baubegleitung von Effizienzhäusern 40 und 55 der KfW zu begegnen.
Das System soll mittels einheitlicher, transparenter und nachvollziehbarer Kriterien bezüglich Qualifikation und Zulassungen helfen, diese Qualität zu verbessern. Alle zwei Jahre müssen die Experten Weiterbildungen und Praxisberichte nachweisen. Für viele der tätigen Experten stellt dies keine Neuerung dar, sondern bildet lediglich den Stand ihrer derzeitigen beruflichen Praxis ab: Qualitativ gute Arbeit setzt in Zeiten rasanter Entwicklungen im Bereich der Gebäudeenergieeffizienz ein regelmäßig aktualisiertes Wissen zum Stand der Technik sowie eine aktive Tätigkeit in dem Arbeitsgebiet voraus.
Die Kosten für den Aufbau der Liste werden vollständig von den Projektpartnern Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie, Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung, KfW Bankengruppe und Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle übernommen. Diese Kosten werden nicht auf die Experten umgelegt und in keiner Weise über die Marktakteure refinanziert. Der Betrieb der Liste soll sich hingegen selbst tragen. Deshalb müssen Beiträge erhoben werden, die den Aufwand abdecken.
Viele Energieberater befürchten, umfangreiche Weiterbildungen absolvieren zu müssen, um sich überhaupt in der Ener­gieeffizienz-Expertenliste für Förderprogramme des Bundes registrieren lassen zu können. Diese Befürchtung ist unbegründet, da bis 30. Juni 2012 noch die Regeln gelten, die sich an der momentanen Regelung des BAFA orientieren. Notwendig sind eine Ausstellungsberechtigung nach § 21 der EnEV sowie eine Weiterbildung gemäß Anlage 3 der Richtlinie über die Förderung der Vor-Ort-Beratung. Wurde die Weiterbildung vor dem 1. Oktober 2007 begonnen, müssen Experten zusätzlich eine Weiterbildung im Bereich energiesparendes Bauen und Sanieren mit einem Umfang von 16 Unterrichtseinheiten nach dem 1. Oktober 2009 vorweisen können. Bereits gelis­tete BAFA-Berater werden ohne Weiteres für die geförderte Vor-Ort-Beratung in die Energieeffizienz-Expertenliste für Förderprogramme des Bundes übernommen. Für sie ist die Qualifikation nach § 21 EnEV nicht verpflichtend. Für die Zeichnungsberechtigung für die Planung und Baubegleitung von KfW-Effizienzhäusern 40 und 55 muss die Ausstellungsberechtigung nach § 21 EnEV jedoch vorhanden sein. Ab 1. Juli 2012 gelten neue Weiterbildungsinhalte.
Die neue Liste wird Anlaufstelle für Verbraucher sein, die auf der Suche nach Förderprogrammen des Bundes für energetisches Bauen und Sanieren sind. Sie können mit wenigen Klicks hochqualifizierte Experten finden, deren Qualifikation verlässlich und bundesweit einheitlich geprüft wurde. Wir werden verstärkt an die Öffentlichkeit gehen, um die Liste bekannt zu machen. Davon wird letztendlich jeder gelistete Berater profitieren.
Die Energieeffizienz-Expertenliste wird mit weiteren, qualitativ hochwertigen Lis­ten vernetzt. Dadurch kann für diese Akteure und deren Experten eine erfolgreiche Markpositionierung und bessere Kontaktvermittlung zwischen Angebots- und Nachfrageseite erreicht werden. Zudem wird die Energieeffizienz-Expertenliste damit auch von regionalen und bundesweiten Initiativen getragen. Auch das stärkt das Vertrauen der Verbraucher in Listung und Akteur.

 


 

CONTRA

Thomas Lohr, 1. Vorsitzender des Europäischen Verbands der Energie- und Umweltschutzberater


Als einer der größten Energieberaterverbände in Deutschland beurteilen wir die Einführung der dena-Expertenliste sehr kritisch. Und das aus gutem Grund: Unserer Ansicht nach ist das Ansinnen der Deutschen Energie-Agentur zwar durchaus nachvollziehbar, die ergriffene Maßnahme mit der Einführung einer „Qualifizierten Expertenliste“ wird den erklärten Zielen jedoch nicht gerecht. Oder anders ausgedrückt: Guter Gedanke, falsche Maßnahme.
Das hat mehrere Gründe: Energieberater, die heute Anträge für die Förderung der Vor-Ort-Beratung bei der BAFA stellen dürfen, können sich während einer Übergangszeit und ohne zusätzliche Weiterbildung ab sofort in die Expertenliste eintragen lassen. Erst nach dem Ablauf einer Übergangszeit wird für die Aufnahme in die Expertenliste eine Weiterbildung verlangt. Das ist Augenwischerei und alter Wein in neuen Schläuchen.
Zudem ist nicht sichergestellt, ob die von der dena geforderten Zusatzausbildungen tatsächlich zu einer besseren Qualifizierung der Energieberater führen. Der von der dena veröffentlichte Anforderungskatalog für die Ausbildungsträger entspricht weitgehend dem schon heute gültigen Anforderungskatalog zur Erlangung der Qualifikation für Vor-Ort-Beratungen der BAFA (Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle), und eine ganze Reihe der als neu gekennzeichneten Themen für die Ausbildung der Experten wird bereits seit Jahren von den Handwerkskammern im Rahmen der Ausbildung zum Energieberater (HWK) gelehrt. Dieses Programm als „Zusatzausbildung“ für gestandene Energieberater zu proklamieren ist praxisfremd.
Die Expertenliste unterliegt somit vielmehr dem Verdacht, hauptsächlich dazu zu dienen, das Angebot an Energieberatern auszudünnen, um den Energieberatern auf der neuen Expertenliste eine bessere Einkommenssituation zu verschaffen. Insoweit ist dies eine Bedrohung der Exis­tenz Tausender Energieberater, die nicht in die extrem teure, zeitaufwendige und wenig ergiebige Zusatzausbildung investieren wollen. Genau das – die Regulierung des Angebots an Energieberatern – ist jedoch nicht die Aufgabe der dena.
Und zu guter Letzt greift das Programm der Expertendatenbank an falscher Stelle. Nachdem Passivhäuser und Niedrigst­energiehäuser vorwiegend Neubauten sind, muss die Kompetenz für die Planung und Ausführung dieser Gebäudetypen in ers­ter Linie bei den Architekten und Bauingenieuren vorhanden sein. Das Programm der dena richtet sich jedoch an Energieberater, die sich überwiegend mit der Beratung von Sanierungsprojekten und nicht mit der Planung von Neubauten beschäftigen. Wir wollen nicht abstreiten, dass evtl. ein Nachholbedarf an Qualifikation der Architekten und Ingenieure in Bezug auf den Neubau besteht. Weiterbildungsmaßnahmen für diese Berufsgruppen müssen jedoch über die Architekten- und Ingenieurkammern und nicht über die dena angestoßen werden.
Ganz grundsätzlich sind wir der Auffassung: Anstatt die Anforderungen an den Standard der energetischen Sanierung ständig zu erhöhen, sollten daher Sanierungsprogramme entwickelt werden, die sich wirtschaftlich rechnen und in der Breite von Gebäudeeigentümern angenommen werden. Der Europäische Verband der Energie- und Umweltschutzberater hat dazu vor wenigen Wochen ein neues, vereinfachtes Fördermodell vorgestellt. Das Konzept ist unter www.eveu.de abrufbar. Wir sind der Meinung: Die Klimaziele der Bundesregierung sind nur über die Masse der sanierungswilligen Hauseigentümer und nicht über die Klasse des Effizienzhaus- und Beraterstandards erreichbar. Wir sehen daher keine Notwendigkeit und Berechtigung für die Forderung einer Zusatzausbildung für Energieberater.

 


Artikel teilen:
Weitere Tags zu diesem Thema: