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Energie sparen ohne Komforteinbuße - Energieeffizienz durch Raum- und Gebäudeautomation

Der folgende Beitrag beschäftigt sich unter anderem mit energieeffizienter Raumautomation, dynamischem Energiemanagement und mit der zukünftigen Rolle von Raum- und Gebäudeautomation bei der Integration Erneuerbarer Energien. Er basiert auf einem Seminar der Hochschule Biberach unter der Leitung von Prof. Martin Becker, der zunächst einen kurzen Überblick über wichtige Richtlinien und Normen zur Energieeffizienz gab.

Zur ISH 2013 erweiterte Kieback&Peter sein Produktportfolio im Bereich der Raumautomation. Im Bild der jetzt frei programmierbare LON Raumregler „RCC200-L“. Bild: Kieback&Peter

Das Gebäudemanagement-System „Desigo V4“ von Siemens ermöglicht die energieeffiziente Kühlung und Heizung von Gebäuden und sorgt gleichzeitig für ein angenehmes Raumklima. Bild: Siemens

Regelkreis eines Gebäudebetriebs. Bild: Wilming

 

Der europäische Gesetzgeber hat in den vergangenen Jahren zahlreiche Vorgaben zur Steigerung der Energieeffizienz erarbeitet und verabschiedet. Zu ihnen zählt die Richtlinie zur Gesamtenergieeffizienz von Gebäuden aus dem Jahre 2002 (2002/91/EG), die zuletzt vor zwei Jahren novelliert wurde und seither als EU-Richtlinie 2010/31/EU in Kraft ist.

Richtlinien und Normen für mehr Energieeffizienz

Der deutsche Gesetzgeber arbeitet zur Zeit noch daran, dieses im beruflichen Alltag auch „Gebäuderichtlinie“ genannte europäische Gesetz in deutsches Recht umzusetzen, was über die Novellierung der aktuellen Energieeinsparverordnung (EnEV) geschehen wird. Dazu muss allerdings zunächst das Energieeinsparungsgesetz (EnEG) geändert werden. Der Deutsche Bundestag hat das entsprechende Prozedere Mitte Mai 2013 in Gang gesetzt, sodass die neue EnEV wohl nicht vor Mitte 2014 Gültigkeit erlangen wird.
Von der EnEV zur Normenreihe DIN V 18599 Teil 1–11 „Berechnung des Nutz-, End- und Primärenergiebedarfs für Heizung, Kühlung, Lüftung, Trinkwarmwasser und Beleuchtung“ (siehe Tabelle 1): Der dort aufgezeigte Algorithmus unterstützt die energetische Bilanzierung von Wohn- und Nichtwohnbauten sowie von Neu- und Bestandsbauten. Für das im vorliegenden Beitrag behandelte Thema ist vor allem der neue Teil 11 von Bedeutung. Er stellt den Einfluss der Steuerung und Regelung sowie der Raum- und Gebäudeautomation einschließlich des technischen (energetischen) Gebäudemanagements auf den Energiebedarf eines Gebäudes im Betrieb dar. Dabei hat insbesondere das Energiemanagement als Teil des übergeordneten Gebäudemanagements zur Koordination der Verteilung und Nutzung der Energie im Gebäude eine große Bedeutung im Hinblick auf einen energieeffizienten Gebäudebetrieb. Die Norm beschreibt daher auch die Energiemanagementfunktionen und deren Wechselwirkungen mit den anderen Bereichen der Energieanwendung im Gebäude.
Wie die Norm DIN V 18599 ist auch die DIN EN 15232 „Energieeffizienz von Gebäuden; Einfluss von Gebäudeautomation und Gebäudemanagement“ vom September 2012 ein Resultat der Gebäuderichtlinie. Sie legt Methoden zur Einschätzung des Einflusses einer GA auf den Energieverbrauch fest und gibt dazu folgende Hilfen:

  • Eine strukturierte Liste von Funktionen der Regelung, der Gebäudeautomation und des technischen Gebäudemanagements, die Auswirkungen auf die Energieeffizienz von Gebäuden haben;
  • Ein Verfahren zur Definition der Mindestanforderungen hinsichtlich der Funktionen der Regelung, der Gebäudeautomation und des technischen Gebäudemanagements, die in Gebäuden unterschiedlicher Komplexität umzusetzen sind;
  • Ausführliche Verfahren zur Bewertung der Auswirkungen dieser Funktionen auf ein gegebenes Gebäude;
  • Ein vereinfachtes Verfahren für eine erste Abschätzung der Auswirkungen dieser Funktionen auf typische Gebäude.

Die Anhänge A–G behandeln die Bestimmung der GA-Effizienzfaktoren (A) und geben Beispiele für die Anwendung der GA-Funktionsliste nach EN ISO 16484-3 (B) sowie für die Auswirkungen der integrierten GA-Funktionen (C). Der 2012 neu hinzugekommene Anhang E informiert zur Anwendung der Automationsfunktionen im Zusammenhang mit Energiemanagementsystemen nach EN 16001; die ebenfalls neuen Anhänge F und G geben Hinweise zur Aufrechterhaltung der energetischen Qualität bei Automation (F) beziehungsweise zur Regelgenauigkeit (G).  

Teildisziplin der Gebäudeautomation

„Raumautomation ist als eine Teildisziplin der Gebäudeautomation anzusehen“, erläutert Prof. Becker in seinem Seminar. „Mit ihrer Hilfe lassen sich gewerkeübergreifende Automationsfunktionen und Aufgaben innerhalb von Räumen ausführen.“ Sie stelle ein integriertes System dar, so Becker weiter, das die einst getrennten Anlagen zur Beleuchtungs- und Sonnenschutzsteuerung sowie Raumklimaregelung zusammenfasst: Sensoren erfassen Temperatur, Luftqualität und Lichtverhältnisse im Raum; sie registrieren die Anwesenheit von Personen und kontrollieren den Status von Fenstern. Aktoren lösen auf der Basis dieser gesammelten Daten diverse Raumautomationsfunktionen aus. Sie dimmen das Licht oder schalten es je nach Bedarf ein oder aus; sie regeln Heizung und Lüftung nach voreingestellten Sollwerten oder nach individuellen Vorgaben; sie halten die Raumautomation über die integrierte Anwesenheitskontrolle in Funktion oder schalten sie in Stand-by-Betrieb; bei geöffnetem Fenster stellt die Heizung ihre Arbeit ein. „Raumautomation ‚kann‘ aber nicht nur bedarfsgerechte Regelung, sondern hilft auch, die natürliche Energie der Sonne zu nutzen“, betont Becker. „So kann eine intelligente Ansteuerung der Jalousien und deren Lamellen einen optimal hohen Anteil an Tageslicht in den Raum leiten und auf diese Weise Kosten für künstliche Beleuchtung, Heizung und Klimatisierung reduzieren. Generell lässt sich sagen: Raumautomation dient dem Ziel, Energie zu sparen – und zwar ohne Komforteinbuße.“
Die Voraussetzung für eine energieeffiziente Raumautomation ist, dass die benötigten Komponenten störungsfrei miteinander kommunizieren können. Der Markt bietet hier unterschiedliche Lösungen; grundsätzlich lässt sich eine Unterscheidung treffen zwischen kabelgebundenen und funkbasierten Automationen. Die Produkte der „technolon“-Familie von Kieback&Peter beispielsweise arbeiten auf der Basis des Bussystems LON, benötigen also eine Verkabelung. Zur Produktfamilie gehören u.a. Raumbedienmodule, Raumregler mit Bedienfunktion und Regler für Jalousien- und Lichtsteuerung. Das System kommuniziert problemlos mit allen anderen LON-Komponenten.
Die kabellose funkbasierte „technolink“-Lösung wird bevorzugt dort eingesetzt, wo Kabel zur Datenübertragung oder zur Stromversorgung stören würden oder wo flexible Raumautomationslösungen realisiert werden sollen. Die „technolink“-Messwertgeber nutzen die Funktechnologie der EnOcean GmbH; ihre Energie beziehen sie aus dem Umgebungslicht. „technolink“ eignet sich sowohl für die Nachrüstung von Altbauten als auch für moderne neue Gebäude mit viel Glas- und Sichtbetonflächen oder flexiblen Grundrissen.
Eine Raumautomation sollte den Vorgaben der VDI-Richtlinie 3813 entsprechen. Diese legt gewerkeübergreifend alle verfügbaren Funktionen fest – als Grundlage für eine einheitliche Planung und Ausführung auf Basis einer durchgängigen Beschreibungssystematik. Es sei davon auszugehen, so die verantwortliche VDI-Gesellschaft Technische Gebäudeausrüstung in einem Kommentar, dass bei konsequenter Anwendung der Richtlinie durch die Standardisierung von Prozessen, Software und Tools die Wertschöpfung der beteiligten Unternehmen steigen und die Investitions- wie auch die Betriebskosten der Bauherren sinken werden. Die Richtlinie gilt ausschließlich für Anwendungen der Raumautomation im Bereich der Technischen Gebäudeausrüstung (TGA) und dient zur Bedarfsplanung im Sinne der DIN 18205.
Die VDI 3813 wird in zwei Blättern herausgegeben. Blatt 1 dient zum Einstieg in das Thema Raumautomation. Besonders der neue Denkansatz, die Funktionalität eines Gebäudes vom Raum her zu definieren, habe die Akzeptanz der Gebäudeautomation bei Bauherrn und Betreibern deutlich gesteigert, teilte die VDI-Gesellschaft mit. Dieser erste Teil der Richtlinie soll den Dialog zwischen den Beteiligten fördern, um unabhängig von der technischen Umsetzung die Basis für ein Qualitätsmanagement zu schaffen. Blatt 2 der Richtlinie legt gewerkeübergreifend die Funktionen der Raumautomation in der Technischen Gebäudeausrüstung fest. So schaffe die Richtlinie die Grundlage für eine einheitliche Planung und Ausführung auf Basis einer durchgängigen Beschreibungssystematik, heißt es bei der VDI-Gesellschaft Bauen und Gebäudetechnik. Die Beschreibung der Raumautomationsfunktionen erfolgt dabei unabhängig von Technologien. Die technologische Umsetzung folgt nach wirtschaftlichen, technischen oder strategischen Kriterien. Zur Zeit ist Blatt 3 der Norm in Arbeit. Es zeigt Anwendungsbeispiele für Raumtypen und RA-Makrofunktionen.
Eine weitere Richtlinie, die VDI 3814, macht Vorgaben „für Einrichtungen, Software und Dienstleistungen zur automatischen Steuerung und Regelung, Überwachung, Optimierung und Bedienung sowie für das Management zum energieeffizienten und sicheren Betrieb der Technischen Gebäudeausrüstung (TGA).“ Sie ergänzt die internationale Norm DIN EN ISO 16484 „Systeme der Gebäudeautomation (GA)“, die nicht alle regionalen Erfordernisse beinhaltet.

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Dynamisches Energiemanagement erforderlich
Eine Gebäudeautomation als Gesamtsys­tem braucht ein leistungsfähiges Energiemanagement. Leider liege hier aber noch vieles im Argen, wie Prof. Becker im Biberacher Seminar kritisierte. Die Analyse des derzeit üblichen Vorgehens zeige, dass man statt eines dynamischen aktiven Managements in Nutzgebäuden häufig nur passives Energiecontrolling vorfinde. „Das genügt aber nicht. Um das vorhandene hohe Optimierungspotenzial nutzen zu können, braucht man ein kontinuierliches und sys­tematisches Gebäude-, Anlagen- und Energiemonitoring, das Änderungen von Energieflüssen schnell erkennen und adäquat darauf reagieren kann“, betonte Becker. Erforderlich seien außerdem Nachhaltigkeitskenngrößen (KPI – Key Performance Indikatoren) zur energetischen Bewertung von Gebäuden wie beispielsweise der spezifische Energieverbrauch. Auch das Benchmarking mit Gebäuden und Räumen ähnlichen Typs könne zur Qualitätsbewertung beitragen. Anzustreben sei außerdem der Aufbau eines Wissensmanagements mit Daten zur Art und zum Umfang von Energietechniken und Energieflüssen im Gebäude, wobei der Fluss von Wärme, Kälte, Strom und Wasser sowohl auf der Eingangs- als auch auf der Ausgangsseite darzustellen sei.

Eine neue Rolle für die Raum- und Gebäudeautomation?
Für eine effektive und wirtschaftliche Einbindung der Erneuerbaren Energien in die bestehende Energieversorgung sind Netze erforderlich, die „mitdenken“ können. Elemente solcher „Smart Grids“ sind vor allem Energiemanagement- und Betriebsführungssysteme, virtuelle Kraftwerksverbünde, intelligente Laststeuerungen und Smart-Metering-Systeme. Dem stehen auf der Gebäudeseite „Smart Buildings“ mit Raum- und Gebäudeautomation gegenüber. Für die Zukunft gelte es nun, diese beiden Teilnetze zu verknüpfen, so Prof. Becker. Dafür müsse man jedoch auf der Gebäudeseite zunächst einmal neue flexible Automatisierungs-Infrastrukturen schaffen. Dazu gehöre es beispielsweise, die Zentrale der Gebäudeleittechnik an interne und externe Informationsquellen anzubinden, um so etwa Wetterprognosen, Energiepreise und Aussagen zur Verfügbarkeit eigener Energieerzeuger optimal nutzen zu können.
Es gibt weitere Felder, die mit Blick auf die Energieeffizienz von Gebäuden und Anlagentechnik schon in naher Zukunft vorrangig behandelt werden sollten. Dazu Prof. Becker: „Wir dürfen bei der Raum- und Gebäudeautomation nicht stehen bleiben. Es gibt noch viel zu tun. Wir müssen zum Beispiel zügig leistungsfähige und transparente Monitoringsysteme entwickeln; ich denke dabei an Begriffe wie Energieampel und Energiecockpit. Des Weiteren sind Anforderungen an den Mindestumfang und die Genauigkeit von Messtechnik für ein Energiemonitoring zu definieren. Wir müssen außerdem Methoden entwickeln, um Anlagentechnik im laufenden Betrieb kontinuierlich optimieren können. Und nicht zuletzt: Wir müssen verbesserte Regelungs- und optimierten Betriebsführungsstrategien entwerfen, das Zusammenwirken der unterschiedlichen Systeme überprüfen und überwachen und integrierte Fassadensysteme energieeffizient gestalten.
Becker und seinem Team an der Hochschule Biberach liegt zurzeit vor allem das Monitoring am Herzen. „Es geht uns auch um die Frage“, betont Becker, „wie viel Ener­gie wir durch intelligente Ansätze bei der Darstellung des  Energieverbrauchs und der Energieflüsse sowie durch verbessertes Energiemonitoring  und eine optimierte Betriebsführung einsparen können. So wie es ja mittlerweile schon selbstverständlich ist, zu Hause auf einer Wetterstation alle wichtigen Wetterdaten abzulesen. sollte es zukünftig genauso selbstverständlich sein, auf einem Display, dem Smartphone oder einem Monitor alle Energiedaten des Hauses auf seinem persönlichen Energiecockpit abzurufen. Damit würde der Nutzer auf Dauer ein Gefühl für den Umgang mit Energie bekommen und lernen, mit seinem Gebäude und der Gebäudetechnik energieeffizient umzugehen. Es gibt Studien, die zeigen, dass sich alleine durch die Datentransparenz und ein damit verbundenes, verändertes Nutzerverhalten durchaus 20 Prozent Energiekosten einsparen lassen, ohne an Wohnkomfort zu verlieren.“

Fazit
Die Technik der gewerkeübergreifenden Raum- und Gebäudeautomation hat sich in den vergangenen Jahren stetig weiterentwickelt. Dort ist also sozusagen zusammengewachsen, was zusammengehört. Raum- und Gebäudeautomation brauchen allerdings zusätzlich ein leistungsfähiges Energiemanagementsystem, um die Gesamtenergieeffizienz eines Gebäudes zum Optimum führen zu können. Leider liegt hier aber noch vieles im Argen. Gleichzeitig tauchen aber schon neue Herausforderungen auf: Im Zuge der Integration der Erneuerbaren Energien in ein intelligentes Netz müssen Energieerzeugung und -verbrauch aufeinander abgestimmt werden. Wächst hierbei der Raum- und Gebäudeautomation eine neue Rolle zu? In den Entwicklungs- und Planungsabteilungen von Hochschulen und Industrieunternehmen werden dazu bereits erste Überlegungen angestellt.

Autor:
Wilhelm Wilming

 


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