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Einiges im Fluss – Wenig Konkretes in Sachen EnEV

Der Referentenentwurf für die novellierte Energieeinsparverordnung (EnEV 2012) soll nach langem Hin und Her voraussichtlich im Frühjahr dieses Jahres fertiggestellt werden. Jan Mücke, parlamentarischer Staatssekretär im Bundesministerium für Verkehr, Bau- und Stadtentwicklung (BMVBS), sollte an dieser Stelle Auskunft geben über die wesentlichen Neuerungen der Verordnung. Allerdings scheint doch immer noch einiges im Fluss zu sein, denn zu den wirklich spannenden Fragen fallen die Antworten doch recht bescheiden aus.

Jan Mücke, parlamentarischer Staatssekretär im Bundesministerium für Verkehr, Bau- und Stadtentwicklung (BMVBS). Bild: © Deutscher Bundestag/Elke Schwalbach

 

IKZ-HAUSTECHNIK: Der Referentenentwurf der EnEV 2012 soll voraussichtlich im Frühjahr dieses Jahres fertiggestellt sein. Ursprünglich wurde ein Referentenentwurf für September 2011 angekündigt. Später wurde dann der Dezember als Termin ins Auge gefasst. Worauf sind diese Verzögerungen zurückzuführen?

Jan Mücke: Was sicherlich eine große Rolle auch für unsere Arbeit für den Referentenentwurf gespielt hat, ist das ganze Geschehen um den Ausstieg aus der Atom­energienutzung, den die Bundesregierung im Sommer letzten Jahres beschlossen hat. Wir waren alle sehr intensiv in die Entwicklung der damit beschlossenen Maßnahmen involviert. In diesem Rahmen konnten wir uns noch nicht um alle Einzelheiten der EnEV 2012 kümmern.

IKZ-HAUSTECHNIK: Die EnEV-Novelle bereiten Sie in Ihrem Haus auch auf der Grundlage der Ergebnisse von Begleitforschungsprojekten vor. Welche Arbeiten beziehen Sie mit ein?

Jan Mücke: Es sind einige. In dem Forschungsprojekt „Evaluierung und Fortentwicklung der EnEV 2009: Untersuchung zu ökonomischen Rahmenbedingungen im Wohnungsbau“ werden zum Beispiel die Auswirkungen der EnEV 2009 auf die Investitionen im Wohnungsneubau und Wohnungsbestand untersucht. Hierbei wird nicht nur der Fall des selbstnutzenden Eigentümers betrachtet, sondern auch der des vermietenden Investors. Nur zur Erinnerung: Deutlich mehr als die Hälfte des gesamten Wohnungsbestands sind Mietwohnungen!
Ein anderes Projekt befasst sich beispielsweise mit der Fortentwicklung des Ansatzes „EnEV easy“ für die Verwendung in EnEV 2012. Eine weitere Aufgabenstellung lautet „Validierung der überarbeiteten DIN V 18599 (Energetische Bewertung von Gebäuden), Version 2011“. Unter Beachtung der Praktikabilität und des Wirtschaftlichkeitsgebots lassen sich bei Weitem nicht alle der vorgelegten Vorschläge umsetzen. Es ist immer zwischen der „reinen Lehre“ einer wissenschaftlichen Gutachtermeinung einerseits und der Machbarkeit im Kontext aller politischen Ziele abzuwägen.

IKZ-HAUSTECHNIK: Wagen wir den berühmten Blick in die Glaskugel. Welche wesentlichen neuen Vorschriften bzw. Anforderungen erwarten Sie von der kommenden EnEV auf der bautechnischen Seite?

Jan Mücke: Die Bundesregierung hat Mitte letzten Jahres beschlossen, eine ambitionierte Erhöhung der energetischen Anforderungen anzustreben, soweit dies im Rahmen einer ausgewogenen Gesamtbetrachtung unter Berücksichtigung der Belastungen der Eigentümer und Mieter wirtschaftlich vertretbar ist. Zu dieser Frage möchte ich dem laufenden politischen Abstimmungsprozess jedoch nicht vorgreifen.

IKZ-HAUSTECHNIK: Und wie sieht es auf der anlagentechnischen Seite aus? Wird beispielsweise über eine Verschärfung der Nachrüstverpflichtungen diskutiert?

Jan Mücke: Auch zur Frage erweiterter oder zusätzlicher Nachrüstverpflichtungen im Bereich der Anlagentechnik möchte ich dem laufenden politischen Abstimmungsprozess nicht vorgreifen.

IKZ-HAUSTECHNIK: Energieausweise sind im letzten Jahr in die Kritik geraten. Untersuchungen hatten gezeigt, dass der vermeintlich günstige Verbrauchsausweis oftmals genauer ist als der teure Bedarfsausweis. Wird es neue Regelungen oder einen neuen Typ von Energieausweis geben?

Jan Mücke: Der Verbrauchsausweis liefert eine nutzerabhängige Aussage zum Energieverbrauch. Die Verarbeitung der vom Nutzer bereitgestellten Verbrauchsdaten zum Energieausweis ist im Allgemeinen nicht sehr fehleranfällig. Das bestätigen auch unsere Untersuchungen. Derzeit werden einige kleinere Änderungen (Skalenlänge bei Wohngebäude-Ausweisen, Einbeziehung Warmwasser, zusätzliche Primärenergieangabe bei Verbrauchsausweisen) untersucht, die auf das faire Nebeneinander der beiden Ausweistypen einen positiven Einfluss haben werden.

IKZ-HAUSTECHNIK: Sie stützen sich bei Ihren Entscheidungen auch auf die Wirtschaftlichkeitsuntersuchungen, die Sie als Begleitprojekte in Auftrag geben. Wie weit sind Sie mit Ihren Erkenntnissen angesichts der Ergebnisse dieser Untersuchungen?

Jan Mücke: Die vorliegenden Zwischenergebnisse der Wirtschaftlichkeitsuntersuchungen werden gegenwärtig aufmerksam geprüft. Insgesamt zeichnet sich ab, dass die Anforderungen der EnEV 2009 im Allgemeinen wirtschaftlich umsetzbar sind – bei Wohngebäuden sowohl für selbstnutzende Wohnungseigentümer als auch für Vermieter. Im Hinblick auf mögliche Handlungsspielräume für eine weitere Verschärfung der EnEV-Anforderungen liegen abschließende Erkenntnisse noch nicht vor.

IKZ-HAUSTECHNIK: Vor der EnEV 2009 wurde auch das EnEG novelliert? Wird es auch diesmal im Vorfeld der EnEV-Novelle geändert?

Jan Mücke: Ja, auch das Energieeinsparungsgesetz muss geändert werden, weil wir noch Ermächtigungen mit aufnehmen müssen, um die EnEV 2009 novellieren zu können, z.B. Regelungen zur Einführung von Energiekennwerten in Immobilienanzeigen, zur Erweiterung der Aushangpflicht und zu dem unabhängigen Kontrollsystem für Energieausweise, das die Richtlinie verlangt.

IKZ-HAUSTECHNIK: Mit Ausgabedatum Dezember 2011 wurde die aktuelle Fassung der DIN V 18599 – Energetische Bewertung von Gebäuden – Berechnung des Nutz-, End- und Primärenergiebedarfs für Heizung, Kühlung, Lüftung, Trinkwarmwasser und Beleuchtung – als Weißdruck veröffentlicht. Die derzeitige Fassung der EnEV nimmt aber explizit Bezug auf die alte DIN V 18599. Das ist ärgerlich für Planer, die diese wichtige Norm in der Praxis nicht anwenden können.

Jan Mücke: Es gibt im öffentlichen Recht drei verschiedene Wege der Verweisung auf technische Regeln: Eine Verordnung kann zum einen auf die allgemein anerkannten Regeln der Technik verweisen, sie kann zum anderen auf eine bestimmte technische Regel in der jeweils geltenden Fassung verweisen oder zum dritten auf einen ganz bestimmten Stand einer solchen Regel mit Ausgabedatum und Fundstelle.
Die erste und die zweite Möglichkeit scheiden aus rechtspolitischen Gründen immer dann aus, wenn die Verweisung auf die technische Regel essenziell ist für das geforderte Anforderungsniveau. Dies ist bei den Nachweisrechnungen nach EnEV der Fall. Vor diesem Hintergrund ist die neu erschienene DIN V 18599-2011 erst dann bei öffentlich-rechtlichen Nachweisen anwendbar, wenn die Verordnung darauf verweist – also nach Inkrafttreten der novellierten Fassung.
Es ist ferner darauf hinzuweisen, dass auch die vielen anderen technischen Regeln, auf die die beiden Berechnungsnormen undatiert weiterverweisen, jeweils in der Fassung anzuwenden sind, die zum Zeitpunkt der Herausgabe der darauf verweisenden technischen Regel (also z.B. der DIN V 18599: 2007-02) galt.
Aber auch aus rein fachlichen Gründen wäre die Anwendung der DIN V 18599: 2011-12, insbesondere parallel zu den bisherigen technischen Regeln, nicht möglich. Aufgrund der neuen Klimarandbedingungen sowie anderer veränderter Vorgaben können die Berechnungen zu anderen Ergebnissen führen. Selbst wenn dies bei der Ausstellung von Energieausweisen toleriert werden kann, würde es bei Neubauten die Rechtssicherheit für die Bauherren und Planer infrage stellen. Für den Planer entstünde unter Umständen ein zusätzlicher Aufwand, weil der Bauherr von ihm erwarten würde, dass die jeweils günstigere Regelung angewandt wird. Es darf auch nicht vergessen werden, dass die Softwarehäuser jetzt noch einige Zeit benötigen, um die neuen Regelungen in ihre Produkte zu integrieren. Darüber hinaus sind Modifikationen der Vornorm durch die EnEV nicht von vornherein auszuschließen. Erst wenn auch die Rechtsgrundlagen in der EnEV klar sind, kann der Planer diese Normen wirklich anwenden.

www.bmvbs.de

 


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