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Ein ständiges Hin und Her

Lüftungsleitungen von Schmutz- und Mischwasser-Abflussrohrsystemen haben eine Doppelfunktion: Sie sollen das Leitungssystem be- und entlüften. Im Falle von Unterdruck in der Leitung z.B. muss Luft von außen zugeführt werden. Bei nicht ausreichender Belüftung sind die Folgen riechbar, denn das Abflussrohrsystem holt sich im Zweifelsfall durch Sperrwasserabsaugung die nötige Luft an den Ablaufstellen. Wenn die Belüftung durch ungünstigen Leitungsverlauf weiter behindert wird, sind die Folgen auch hörbar - Gurgeln und Gluckern in den Rohrleitungen.

 

Schon kleine Installationsfehler können die Be- und Entlüftung empfindlich beeinträchtigen: Ein mit dem Sprung nach oben installiertes Reduzierstück, eine "verrutschte" Befes-tigung, die ein Gegengefälle in der Sammelleitung verursacht, eine an sich korrekt verlegte Hauptlüftung, die aber durch Abdeckungen auf dem Dach in ihrer Effizienz beeinträch-tigt wird. Die Liste ließe sich leicht verlängern.

Entlüftung von Fäulnisgasen
Eines ist zu bedenken: ein Entwässerungssystem dient nur bei Wasseranfall wirklich zur Entwässerung. Je nach Gebäudenutzung ist dies häufig oder nur gelegentlich der Fall. Es dient aber durchgängig zur Entlüftung.

Eine mangelhafte Entlüftung macht sich nicht unmittelbar bemerkbar. Ziel der Entlüftung ist, Fäulnisgase aus dem Abwassersystem abzuführen. Das öffentliche Kanalnetz nutzt die angeschlossenen Entwässerungsanlagen zur Be- und Entlüftung mit. Ziel ist unter anderem, dort arbeitende Personen vor giftigen Gasen zu schützen.
Doch auch innerhalb des Leitungssystems im Gebäude können Fäkalien und andere organische Stoffe, z.B. in der Sammelleitung, verweilen und Gase entwickeln. Diese Gase können gesundheitsschädlich, schädlich fürs Rohrmaterial und sogar explosiv sein. Somit ist es im Interesse jedes einzelnen, dass der Leitungsverlauf das Abführen von Gasen an jeder Stelle erlaubt. Daher darf die Be- und Entlüftung einer Schmutz- oder Mischwasserleitung zwischen dem öffentlichen Abwasserkanal und der Lüftungsöffnung über Dach nicht durch Einbauten, z.B. Siphons, unterbrochen werden. Das planmäßige Abziehen von warmen Fäulnisgasen aus der Kanalisation sorgt für einen Sog, der auch die im System selbst entstehenden Gase zuverlässig entlüftet.

Belüftung
Beim Ablaufen reißt Schmutzwasser in einer Entwässerungsanlage ca. das 10- bis 35-Fache seines eigenen Volumens an Luft mit. Das Wasser fällt in einer Fallleitung nicht etwa im freien Fall in der Rohrmitte herab, sondern es fließt an den Rohrwänden entlang nach unten. In der Mitte des Rohres befindet sich ein "Luftkern". Diese Luft wird teilweise bis in die liegenden Leitungen hineingeschleppt, wo sich der Wasserfluss verlangsamt, beruhigt und so die Luft freigibt. Auch diese Luft muss, ähnlich wie die oben beschriebenen Gase, abströmen können.

Auffangen von Druckschwankungen
Gewünschter Nebeneffekt der ausreichenden Belüftung ist die Reduzierung von Druckschwankungen. Die Sperrwasservorlagen in Geruchverschlüssen müssen stabil sein, um Geruchsbelästigungen und die Übertragung von Fließgeräuschen zu vermeiden.

Begriffsdefinitionen
Die maßgebende Norm für die Be- und Entlüftung von Entwässerungsanlagen in Gebäuden und auf Grundstücken sind die DIN EN 12056 und die DIN 1986-100 (Bild 1). Die DIN EN 12056 prägt unter dem Überbegriff Lüftungsleitungen folgende Definitionen:

  • Lüftungsrohr: Rohr das die Druckschwankungen innerhalb einer Entwässerungsanlage begrenzt,
  • Hauptlüftung: Verlängerung einer senkrechten Schmutzwasserfallleitung, deren Ende zur Atmosphäre hin offen ist, oberhalb der letzten Anschlussleitung,
  • Sekundärlüftung: Senkrechte Lüftungsleitung, die mit einer Schmutzwasserfallleitung verbunden ist. In Deutschland spricht man im Allgemeinen von Nebenlüftungen; den Begriff Sekundärlüftung verwendet man eher für das z.B. amerikanische System, bei dem jede einzelne Ablaufstelle belüftet ist.


Folgende weitere Begriffe werden in der DIN 1986-100 verwendet:

  • Nebenlüftung: Zusätzliche Lüftungsleitung neben der Hauptlüftung. Die Kontrolle des Drucks in der Fallleitung wird durch die Verwendung von separaten Nebenlüftungen (direkte Nebenlüftung) und/oder durch Belüftung von Anschlussleitungen (indirekte Nebenlüftung) mit Verbindung mit Hauptlüftungen erreicht,
  • Umlüftung: Eine indirekte Nebenlüftung, die mit einem 135°-Bogen auf die Fallleitung zurückgeführt wird.
  • Umgehungsleitung: Eine direkte Nebenlüftung, die bestimmte druckbelastete Bereiche einer Fallleitung entlastet und mit einem 135°-Bogen auf die Fallleitung zurückgeführt wird.
  • Sammellüftung: Die Zusammenführung mehrerer Lüftungsleitungen, oft mit dem Ziel, die Anzahl der Dachdurchdringungen zu reduzieren.

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Hauptlüftung
Grundsätzlich ist jede Fallleitung über Dach zu entlüften; Ausnahmen werden im weiteren Text erklärt. Die Kontrolle des Drucks in Fallleitungen wird durch Be- und Entlüftung der Fallleitung durch die Hauptlüftung erreicht.

Direkte und indirekte Nebenlüftung
Nebenlüftungen entlasten die Fallleitung von einem guten Teil des Luftstroms und erhöhen so die Ablaufleistung der Fallleitung beträchtlich. Sowohl bei direkter als auch bei indirekter Nebenlüftung ist der zulässige Schmutzwasserabfluss laut Punkt 6.5.2 der DIN EN 12056-2 erheblich höher als bei Fallleitungen mit reiner Hauptlüftung.
Die Nebenlüftung ist nach Tabelle 12* der DIN EN 12056-2 zu dimensionieren. Während eine Schmutzwasserfallleitung in DN 100 bei Abzweigen mit Innenradius oder 45°-Einlaufwinkel maximal 5,2l/s erlaubt, hat dieselbe Fallleitung mit einer Nebenlüftung in DN 50 eine Abflussleistung von 7,3l/s. Der größte Vorteil einer Nebenlüftung liegt jedoch darin, dass die Druckschwankungen sicherer und effektiver aufgefangen werden können als mit reiner Hauptlüftung. Vor allem bei hohen Fallleitungen sollte dies bedacht werden.
Direkte Nebenlüftungen bieten sich vor allem bei kurzen Anschlussleitungen an. Bei längeren Anschlussleitungen ist sowieso häufig eine Belüftung dieser Leitungen vorgeschrieben, sodass sich hier die indirekte Nebenlüftung anbietet.

Anschlussleitungen
Nur Einzelanschlussleitungen mit einem Gefälle von mindestens 1 cm/m und höchs-tens 4m Länge dürfen unbelüftet bleiben (Bild 2). Die Anschlussleitung darf auch höchstens drei 90°-Umlenkungen aufweisen und eine Höhendifferenz von 1m nicht überschreiten. Bei Sammelanschlussleitungen gelten dieselben Bedingungen, nur die längste Fließweglänge darf nennweitenabhängig bis zu 10m betragen (Tabelle 7 der DIN 1986-100).
Alle Einzel- und Sammelanschlussleitungen, die die vorgenannten Bedingungen nicht erfüllen können, müssen belüftet werden. Wenn dies in mehreren Stockwerken der Fall ist, empfiehlt sich eine indirekte Nebenlüftung. Bei einer einzigen zu belüftenden Anschlussleitung kann auch eine Umlüftung die Lösung sein. Umlüftungen sind in der gleichen Nennweite auszuführen wie die dazugehörige Sammelanschlussleitung an ihrem Endpunkt, jedoch ist DN 70 ausreichend. Im Falle von hoch belasteten Sammelanschlussleitungen ist am Anschluss an die Lüftungsleitung eine Reinigungsöffnung empfehlenswert.

Fallleitungsverziehungen und Umgehungen
Die Länge der Fallleitung ist der Höhenunterschied zwischen dem obersten Anschluss und dem Übergang in die Grund- oder Sammelleitung. Bei Fallleitungen mit Längen zwischen 10 und 22 m sind Verziehungen zugangs- und abgangsseitig mit 45°-Bögen auszuführen. Wenn die Verziehung kleiner als 2 m ist, ist eine Umgehungsleitung einzubauen, deren oberes Ende mit einem 135°-Bogen in die Fallleitung geführt wird (DIN 1986-100, Bild 3).
Bei Fallleitungen über 22m Länge sind Umgehungsleitungen bei allen Verziehungen und beim Übergang in eine liegende Leitung nötig. Mehrfach verzogene Fallleitungen sind mit Nebenlüftung auszustatten.
Umgehungsleitungen haben dieselbe Nennweite wie die Fallleitung, maximal ist jedoch DN 100 notwendig. Ihr Hauptzweck ist, die besonders druckbelasteten Stellen von hohen Fallleitungen durch Aufnahme der Luft zu entlasten.

Ausführung von Lüftungsleitungen
Die Dimensionierung der Hauptlüftung erfolgt nach der auftretenden Wassermenge am untersten Punkt der Fallleitung. Die Fallleitung wird also über die gesamte Länge in dieser Nennweite ausgeführt und auch nach oben hin nicht verengt. Nach Punkt 6.5.4 der DIN EN 12056-2 müssen Lüftungsleitungen sogar in der Nennweite vergrößert werden, wenn sie sehr lang sind oder sehr viele Bogen enthalten sind.

Der Leitungsquerschnitt einer Sammel-Hauptlüftung muss nach DIN 1986-100 mindestens eine Nennweite größer sein als die größte der darin zusammengeführten Einzel-Hauptlüftungen. Insgesamt muss ihr Querschnitt mindestens die Hälfte der Summe aller Einzel-Hauptlüftungen betragen.
Lüftungsleitungen sind möglichst senkrecht nach oben zu führen. Umlenkungen sind mit 45°-Bogen auszuführen. Wenn Verziehungen unumgänglich sind, muss für Gefälle gesorgt werden. Bei einem etwaigen Gegengefälle können nicht nur Fäulnisgase zurückbleiben, es kann sich auch von oben eindringendes Regenwasser oder Kondensat sammeln und so den Leitungsquerschnitt verengen.

Am oberen Ende können Lüftungsschläuche von maximal 1m Länge eingesetzt werden, da größere Längen die Gefahr des Durchhängens und damit der Querschnittsverengung durch Wasser mit sich bringen würden (Bild 4). Das obere Ende der Lüftungsleitung über Dach ist vorzugsweise offen auszuführen. Wenn Abdeckungen vorgesehen sind, darf der Luftstrom dadurch maximal um 90° umgelenkt werden. Zudem muss der Austrittsquerschnitt mindestens dem 1,5-fachen des Leitungsquerschnitts entsprechen. Jegliche Abdeckung birgt jedoch in sich die Gefahr, durch Eis oder Schmutz an Durchlässigkeit zu verlieren, sodass die offene Ausführung am sichersten ist. Je nach Schneerisiko muss die Mündung mindestens 15 cm oder mehr über der Dachfläche liegen.
Zur Vermeidung von Geruchsbelästigungen sind Mindestabstände zu Fenstern von "Aufenthaltsräumen" und zum Sogbereich, z.B. von Klimaanlagen, einzuhalten. Die DIN 1986-100 hält diese Abstände im Punkt 6.5.1 wieder ausdrücklich fest, nachdem sie in der Zwischenzeit einige Jahre aus dem Regelwerke verschwunden waren (Bild 5).

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Lüftungsoptimierte Ausführung des Abflussrohrsystems
Im gesamten Leitungssystem muss das Zu- und Abfließen der Luft ermöglicht werden. Manches Detail, das zunächst strömungsgünstig erscheint, erweist sich in der Praxis als untauglich, da die Luftbewegungen abgeschnitten werden. So könnte man sich vorstellen, dass ein exzentrisches Reduktionsstück in einer liegenden Leitung mit dem Sprung nach unten das Abwasser unnötig verwirbelt. Dies wird jedoch mehr als wettgemacht dadurch, dass die Luft oben ungehindert zirkulieren kann.
45°-Abzweige zum Anschluss an eine Fallleitung mögen ein besonders sanftes Abfließen des Wassers ermöglichen. Wenn jedoch Anschluss- und Fallleitung denselben Durchmesser besitzen, kann das Wasser z.B. beim WC-Spülvorgang den Querschnitt des Fallrohres komplett verschließen und so den Druckausgleich vorübergehend verhindern - eine Sperrwasserabsaugung wäre die Folge. Auch einfache 88°-Winkel sind an dieser Stelle ungünstig, da das Abwasser ungebremst an die gegenüberliegende Seite des Fallrohres stößt und die Belüftung erschwert. Hydraulisch am günstigsten sind hier 88°-Abzweige mit 45°-Einlaufwinkel oder aber mit Radius, die nach DIN 1986-100 über dementsprechend höhere Ablaufleistungen verfügen (Bild 6).

Hebeanlagen und Fettabscheider

Lüftungsleitungen von Behältern wie Abwasserhebeanlagen und Fettabscheidern unterliegen besonderen Regelungen. Abwasserhebeanlagen müssen größtenteils über Dach be- und entlüftet werden: Fäkalienhebeanlagen in jedem Fall, Schmutzwasserhebeanlagen für den Fall, dass sie geruchsdicht verschlossen sind. Diese Lüftungsleitungen dürfen an andere Hauptlüftungs- oder Sekundärlüftungsleitungen angeschlossen werden.
Strengere Regeln gelten beim Einbau eines Fettabscheiders. Die Zulaufleitung ist laut DIN EN 1825-2 grundsätzlich über Dach zu entlüften, genauso wie jede einzelne Anschlussleitung über 5m Länge. Wenn die Zulaufleitung auf den letzten 10m vor dem Fettabscheider keine solchen entlüfteten Anschlussleitungen hat, muss so nah wie möglich am Abscheider nochmals eine Lüftungsleitung integriert werden. Laut DIN 1986-100 dürfen die verschiedenen Lüftungsleitungen der Zuleitung und gegebenenfalls des Abscheiders selbst zu einer Sammellüftung zusammengeführt werden. Lüftungsleitungen anderer Abflussleitungen oder die der dem Abscheider nachgeschalteten Hebeanlage dürfen hier jedoch nicht mit angeschlossen werden.

Belüftungsventile
Belüftungsventile ersetzen Lüftungsleitungen nur zum Teil, da sie zwar be-, aber nicht entlüften können. Deshalb muss nach DIN 1986-100 selbst in Ein- und Zweifamilienhäusern beim Einsatz von Belüftungsventilen mindestens eine Fallleitung, die mit der größten Nennweite, über Dach geführt werden. In größeren Entwässerungsanlagen können Belüftungsventile Umlüftungen oder indirekte Nebenlüftungen ersetzen, nicht jedoch Hauptlüftungen oder Umgehungsleitungen.

Regenwasserleitungen
Reine Regenwasserentwässerungen benötigen grundsätzlich keine eigene Be- und Entlüftung. Die Belüftung erfolgt im Allgemeinen über die Dachabläufe. Nur bei Regenwasserleitungen mit Druckströmung ist diese Belüftung in dem Moment abgeschnitten, in dem die Berechnungsregenspende eintritt, da Luftzufuhr hier kontraproduktiv wäre.
Fäulnisgase, die zu entlüften wären, dürfen in einer Regenwasserleitung nicht auftreten. Wenn Regenwasserentwässerungen an eine Mischkanalisation angeschlossen sind, ist dafür zu sorgen, dass keine Geruchsbelästigung entsteht, z.B. mithilfe von Geruchverschlüssen.

Autoren: Christian Untch und Ursula Hereth, Düker GmbH & Co. KG, Karlstadt

Bilder: Düker

www.dueker.de

 


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