Werbung

Digital und zentral statt analog und dezentral

Die Stadt Aschaffenburg verspricht sich mit der Umrüstung von Liegenschaften eine erhebliche Energieeinsparung

An der Digitalisierung der Technischen Gebäudeausrüstung (TGA) führt auch in der öffentlichen Hand kein Weg vorbei. Die Stadt Aschaffenburg packt das Thema an und rüstet ihre Liegenschaften digital um. Bild: Project Photos

Die Prozessbeteiligten an der energieeffizienten Gebäudeautomation in der Stadt Aschaffenburg (von links): Horst Zacharias (Inga mbH), Herbert Krüger (Stadt Aschaffenburg), Stefan Schaffner (ProFM/ASS), Holger Dietz (Ludwig Hammer GmbH) und Stefan Hindrichs (Synavision). Bild: Genath

 

Die Stadt Aschaffenburg setzt auf Energieoptimierung. Dazu hat sie ihre Immobilien digital umgerüstet. Die vorhandenen analogen Systeme durften zwar bleiben, erhielten aber eine Art digitalen Wandler.

An der Digitalisierung der Technischen Gebäudeausrüstung (TGA) führt auch in der öffentlichen Hand kein Weg vorbei, um die europäischen „20-20-20-Ziele“ zu erfüllen. Dahinter verbirgt sich ein Richtlinien- und Zielpaket für Klimaschutz und Energie, auf das sich die Europäische Union im Dezember 2008 geeinigt hatte. Demnach gelten bis zum Jahr 2020 folgende europaweite Vorgaben:

  • 20 % weniger Treibhausgasemissionen als 1990,
  • 20 % Anteil an Erneuerbaren Energien,
  • 20 % mehr Energieeffizienz.


In Deutschland müsste sich die jährliche Einsparquote noch verfünffachen, um den Energieverbrauch bis 2020 um 20 % zu senken. Im Nichtwohnungsbau erschweren allerdings noch vielfach vorhandene kommunikationsunfähige, analoge Steuerungs- und Regelungstechnik sowie dezentrale Gebäudeleittechnik (GLT) ein gesamtkommunales und zentrales Energiecontrolling- und management. Die unterfränkische Metropole Aschaffenburg (Bayern) packt diese Themen an. Das Schlüsselwort dazu: Migration – frei programmierbare DDC (Direct Digital Control)-Systeme und Informationstechnik (IT) wachsen Stück für Stück zusammen. Das Engagement kommt nicht von ungefähr: Die Vernetzung von Liegenschaften und der Zugriff auf Daten unabhängig vom Standort sollen zur Effizienzsteigerung beitra-
gen.

Kooperation mit Dienstleistern
Die Stadt Aschaffenburg rechnet für ca. 400 Quartiere mit Heiz- und Klimatisierungskosten in Höhe von 2,5 bis 3 Mio. Euro pro Jahr. Um die digitale Anbindung der 70 bis 100 energierelevanten Gebäudekomplexe an eine zentrale Gebäudeautomation zu realisieren, initiierte die Abteilung Energiemanagement eine Kooperation mit diversen Dienstleistern. Drei Jahre lang dauerte die Erfassung und Vorplanung, 2017 startete schließlich das über mehrere Jahre angelegte Projekt. Im ersten Schritt mussten die Daten der dezentralen GLT für das liegenschaftsübergreifende Energiemanagement zentral erfasst, lesbar und internetfähig gemacht werden. Das ermöglicht „intelli BMS (iBMS)“ der Ingenieurgesellschaft für Gebäudeautomation mbH (kurz: Inga). Die Software des Unternehmens aus Hameln (Niedersachsen) verknüpft u. a. Protokolle und stellt den Rechnern Informationen zur Auswertung zur Verfügung – verschlüsselt z. B. mit dem Netzwerkprotokoll „BACnet“ für die Gebäudeautomation.

Kanalisierter Datentransport
Wichtig ist auch der gesicherte und kanalisierte Datentransport zu den Nutzungsberechtigten. Um diese Netzarchitektur kümmert sich der Verbund ProFM/ASS IT-Systemhaus GmbH. Der Kommunikationsweg zu internen und externen Datenpunkten führt mehrheitlich über VPN (steht für virtuelles privates Netzwerk) -Kanäle. Solche Kanäle lassen es zu, dass z. B. Büro-EDV und technische Produkte der GLT miteinander kommunizieren können. Sie gestatten ferner die Aufteilung in sensible und weniger sensible Daten und damit eine Zuordnung von Nutzungsberechtigten.
Den Servicedienstleister ASS betraute die Stadt Aschaffenburg mit der Bereitstellung einer virtualisierten Server-Infrastruktur für das Gebäudemanagement. Die Virtualisierung des Servers läuft auf eine Cloud hinaus: ASS stellt der Kommune mehrere Server- und Datenbanksysteme des eigenen Rechenzentrums zur Verfügung. Darüber hinaus verantwortet ASS die Bereitstellung und den Betrieb des technischen Netzwerks. „Ursprünglich wollten wir alles selbst in die Hand nehmen. Aber die Mammutaufgabe Digitalisierung überfordert unsere eigenen Server“, sagt Herbert Krüger, Energiemanager der Stadt Aschaffenburg. In diesem Jahr sollen 35 bis 40 Liegenschaften von und an ASS angeschlossen sein und jährlich fünf bis zehn neue Immobilien hinzukommen.

Zentrale Datenverfügbarkeit
Die Inga mbH bereitet die Daten für eine zentrale Gebäudeleittechnik auf. ProFM baut die analoge Infrastruktur zurück und eine moderne und schnelle Internetverbindung mit Modems für den digitalen Datentransport, Routern, Sicherheitseinrichtungen usw. auf. Um den Anschluss der GLT mit Mess-, Steuerungs- und Regelungstechnik an das Aschaffenburger Netz kümmert sich das Unternehmen Ludwig Hammer (Kleinostheim) ebenso wie um die zentrale Datenverfügbarkeit. ASS verwaltet im Auftrag der Stadt die Daten.

Weil der Bediener aber einen Bruch in der Digitalisierungskette darstellt, da Interpretation und Reaktion auf seinen persönlichen Einschätzungen sowie auf seiner Fachkenntnis und Erfahrung beruhen, kommt mit der Synavision GmbH der fünfte Partner im Aschaffenburger Projekt ins Boot. Die GmbH ist von Forschern der Technischen Universität (TU) Braunschweig und der Rheinisch-Westfälischen Technischen Hochschule (RWTH) Aachen gegründet worden und befasst sich mit digitalen Methoden des Qualitätsmanagements für die Baubranche.
Das Team aus Ingenieuren und Architekten entwickelte u. a. eine cloudbasierte Software für das Monitoring. Die ist laut Anbieter bei einer großen Datenmenge in der Lage, u. a. eine konkrete Fehler- und Störungsanalyse vorzunehmen. In Aschaffenburg wird das Verfahren in zwei Liegenschaften getestet. Die daran anschließende Fehler- oder Störungsbeseitigung erfolgt zwar im Moment noch manuell – die Vision der Stadt ist aber eine Vollautomation: Nach der Bewertung der Abweichung aus dem Soll-Ist-Vergleich könnte der Computer zur Energieoptimierung z. B. das Zeitprogramm eines BHKWs, eine Ventilstellung in einer Klimaanlage oder den Bivalenzpunkt einer Wärmepumpen-Kessel-Kombination korrigieren.

Autor: Bernd Genath, Journalist

www.aschaffenburg.de

www.inga-hameln.de

 


Artikel teilen:
Weitere Tags zu diesem Thema: