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„Die Photovoltaik geht in eine völlig neue Zeit“

Die PV befindet sich in einer Umdenkphase – Interview mit Detlef Neuhaus, CEO Solarwatt

Über das wachsende Thema Eigenstrom-Nutzung erfährt auch die Wahrnehmung der PV beim Kunden einen Wandel: Es wird noch mehr Wert auf die Langlebigkeit der Module gelegt. „Deshalb wird auch Glas-Glas immer mehr zum Thema – auch wenn Doppelglasmodule in der Anschaffung ein wenig teurer sind als Glas-Folie“, sagt Detlef Neuhaus. (Solarwatt)

Module made in Germany: Nach der Solarworld-Pleite war hier große Ernüchterung aufgekommen. Jetzt kündigt Solarwatt eine Kapazitätsverdoppelung auf 500 MW an – noch in diesem Jahr. „Wir haben derzeit ein jährlich wachsendes Umsatzplus von 20 - 30%“, berichtet Neuhaus. Bild: Shutterstock (Solarwatt)

Der 52-GW-PV-Deckel ist aus psychologischen Gründen schlecht, sagt Neuhaus: „Endkunden glauben, dass sich eine Anlage ohne eine Einspeisevergütung nicht mehr lohnt, was ja völliger Unfug ist.“ (Shutterstock)

Woher kommt der Sektor-Strom? „Die Verkehrswende ist nur sinnvoll, wenn die Millionen Elektro-Fahrzeuge, die in wenigen Jahren auf Deutschlands Straßen fahren sollen, auch tatsächlich mit Ökostrom betankt werden – beispielsweise über die eigene Photovoltaik-Anlage auf dem Dach“, sagt Neuhaus. (Solarwatt)

Auf die Frage, was sich Verbraucher für ihr zukünftiges Zuhause wünschen, kommen klare Vorstellungen. Solarstrom und die Ladesäule für das eigene Elektroauto stehen dabei laut einer Umfrage des Bundesverbands Solarwirtschaft hoch im Kurs. (BSW-Solar)

Der Speichermarkt boomt. Gefragt sind Übersichten, die Orientierung am Markt geben, wie die Solarstromspeicher-Inspektion der HTW Berlin. Solarwatt nahm nicht daran teil. „Die Aussagekraft der Ergebnisse ist eingeschränkt, da die HTW dieses Prüfverfahren nur selbst anbietet“, begründet Neuhaus. (Solarwatt)

Die modernen Energiesysteme stehen erst am Anfang. „Was wir nicht wollen: Dass ein Handwerker erst zum IT-Spezialisten werden muss, bevor er unsere Produkte installieren kann. Das darf nicht der Weg sein“, sagt Detlef Neuhaus. (Solarwatt)

 

Unser IKZ-Energy-Interview mit dem CEO von Solarwatt, Detlef Neuhaus, befasst sich u. a. mit folgenden Themenfeldern: Split-Module, Eigenstrom, Solarstromspeicher, Transparenz von Wirkungsgraden bei Solarstromspeichern und wohin die Entwicklung bei Speichern weiter geht. Er sieht, dass auch das Thema Langlebigkeit an Fahrt gewinnt.

IKZ-ENERGY: Herr Neuhaus, Solarwatt wird in diesem Jahr seine Modulproduktion in Dresden von 250 MW auf 500 MW verdoppeln und außerdem 100 weitere Mitarbeiter einstellen – das klingt wie ein Märchen aus den vergangenen Solarworld- Zeiten – was macht Sie so optimistisch, dass die Produktion von Modulen Made in Germany jetzt wieder funktioniert?

Detlef Neuhaus: Wir spezialisieren uns nahezu ausschließlich auf Photovoltaiklösungen für Häuslebauer und das Gewerbe, dabei geht es oftmals um Anlagengrößen bis 10 kWp. Und dieser Markt wächst momentan enorm. Vom Massenmarkt haben wir uns fast vollständig verabschiedet. Da haben die asiatischen Hersteller uns Europäern den Rang abgelaufen. Wir fokussieren uns auf Komplexität, Innovation und systemische Anwendungen. Damit sind wir in Europa sehr erfolgreich. Natürlich bekommen wir aktuell auch die Auswirkungen der Corona-Krise zu spüren, z. B. in Italien und in Spanien. Aber wir sind uns ziemlich sicher, dass nach Corona das Thema Photovoltaik weiter an Fahrt gewinnt. Wenn wir mit der Modulproduktion auf 500 MW gehen, heißt das aber natürlich nicht, dass wir dann auch sofort 500 MW jedes Jahr produzieren. Aber wir haben derzeit ein jährlich wachsendes Umsatzplus von 20-30 %.

 

ZUR PERSON:

Detlef Neuhaus ist als CEO neben Sven Böhm (CFO) Geschäftsführer der Solarwatt Solar-Systeme GmbH. Das Dresdener Unternehmen wurde 1993 von Dr. Frank Schneider und Lothar Schlegel als Solar Systeme GmbH gegründet. 1998 wurde das erste Glas-Glas-Modul entwickelt, 2005 lief das 500 000ste Modul vom Band. Aber es lief nicht immer alles glatt. 2012 musste sich das Unternehmen über eine Insolvenz in Eigenverwaltung sanieren. In dieses Jahr fällt auch die strategische Entscheidung, sich vom reinen Modulhersteller zum Systemanbieter zu entwickeln. 2013 begann eine strategische Zusammenarbeit mit BMW, seitdem ist Stefan Quandt Hauptanteilseigner. Nach eigenen Angaben beschäftigt Solarwatt heute rund 400 Mitarbeiter international. Der Hauptsitz ist nach wie vor Dresden.

 


IKZ-ENERGY: Neben Corona ist für die Solarbranche derzeit die größte Gefahr, dass der 52-GW-PV-Deckel nicht mehr schnell gehoben wird und es dann zum Markteinbruch kommt. Wie sehen Sie das?
Detlef Neuhaus:
Das würde in jedem Fall negative Folgen für den Markt haben, besonders aus psychologischen Gesichtspunkten. Wenn der Deckel erreicht ist und die Förderung wegfällt, sendet das ein Signal an die Bevölkerung – das ist doch ganz klar. Die Endkunden glauben, dass sich eine Anlage ohne eine Einspeisevergütung nicht mehr lohnt, was ja völliger Unfug ist. Aber bis das aus den Köpfen raus ist, kann es eine ganze Weile dauern. Wir befinden uns in einer Umdenk- Phase, in der wir vom reinen Rendite- Denken wegkommen, zu dem wir auch vom EEG in den vergangenen 20 Jahren erzogen wurden. Bei einer Photovoltaik- Anlage mit Speicher und Energiemanagement- System liegt die Eigenstromnutzung bei 70-80 %. Und die restlichen noch fehlenden Kilowattstunden werden aus dem Netz bezogen. Die Photovoltaik geht in eine völlig neue Zeit.

IKZ-ENERGY: Ab kommendem Jahr fallen die ersten PV-Anlagen nach 20 Jahren aus der staatlichen Förderung. Der Weiterbetrieb in Form von Eigenstromnutzung ist zu empfehlen, auch dadurch wird die Eigenstromnutzung für die Photovoltaik weiter an Bedeutung gewinnen. Ist am Markt zu erkennen, dass Eigenheimbesitzer beginnen, die Photovoltaik anders zu sehen? Äußert sich das und wie?

Detlef Neuhaus: Ja, definitiv. Es wird noch mehr Wert auf die Langlebigkeit der Module gelegt. Deshalb wird auch Glas-Glas immer mehr zum Thema – auch wenn Doppelglasmodule in der Anschaffung ein wenig teurer sind als Glas-Folie. Aber es geht eben nicht mehr darum, die Module möglichst günstig einzukaufen und damit maximal einzuspeisen. Glas-Glas-Module erzeugen allein in der Garantiezeit schon 30 % mehr Strom als Glas-Folie-Module. Über die gesamte Lebensdauer gesehen, liegt der Mehrertrag sogar noch deutlich höher. Die Anlage gewinnt dadurch auch eine größere Bedeutung: Statt Kilowattstunden einfach ins Netz einzuspeisen, in dem sie dann „anonym“ verschwunden sind, kann man jetzt konkret erleben, wohin der selbst produzierte PV-Strom fließt, z. B. in den Betrieb der Kaffeemaschine oder des eigenen Elektroautos. Die Anlagenbetreiber achten auch bewusster auf den Verbrauch der selbsterzeugten Energie – das hören wir von Kundenseite immer wieder.

IKZ-ENERGY: Wie können wir PV-Wirkungsgrade weiter steigern, was sind hier technisch die Effizienz-Perspektiven, um auf gleicher Fläche mehr ernten zu können – und wo sind die Flächen? Welche Rolle werden Halbzellen-(Split)-Module spielen und warum. Wo sehen Sie Grenzen?

Detlef Neuhaus: Wir holen heute auf gleicher Fläche schon etwa das Dreifache an Modulleistung heraus als noch vor 20 Jahren. Da sind wir aber noch nicht am Limit. Pro Jahr sehen wir am Markt aktuell eine Verbesserung des Wirkungsgrads von einem halben Prozent. Halbzellenmodule sind tatsächlich sehr spannend, da sie deutlich weniger Widerstand haben, was wiederum den Stromertrag verbessert. Wenn die neue Fertigungslinie läuft, werden wir das Thema definitiv weiter vo-rantreiben. Und was die Flächen betrifft: Bei Freiflächen gibt es sicherlich noch Chancen, bei den Dachanlagen sehe ich aber das größte Potenzial. Wir haben in Deutschland beispielsweise rund 17 Mio. Einfamilienhäuser, von denen aktuell nur 1,5 Mio. mit einer PV-Anlage ausgestattet sind. Zwar lässt sich natürlich nicht jedes Dach nutzen, aufgrund der Ausrichtung oder aus Denkmalschutzgründen, aber wir haben hier trotzdem deutlich Luft nach oben. Hinzu kommen vermehrt Dachflächen des Gewerbes und der Industrie. Erhebliches Potenzial gibt es natürlich noch auf Mehrfamilienhäusern – gerade in den Städten. Bevor das genutzt werden kann, muss die Bundesregierung aber erst mal ein vernünftiges Mieterstromgesetz auf den Weg bringen. Das aktuelle Bürokratiemonster schreckt interessierte Nutzer reihenweise ab.


IKZ-ENERGY:
Ein zentraler Bestandteil der Eigenstromversorgung ist der Speicher. Hier wächst natürlich das Interesse, in Form von Übersichten klar gesagt zu bekommen, worauf man achten muss und worauf nicht, welche Werte als gut anzusehen sind und welche nicht. Orientierung liefert hier seit 3 Jahren die Speicher- Inspektion der HTW Berlin. An der aktuellen Neuauflage 2020 hat Solarwatt nicht teilgenommen. Andere bekannte, die auch nicht teilnahmen, begründeten das mit Zeitüberschneidungen: Die neuen Modelle konnten nicht mehr in den Zeitplan der Inspektion integriert werden. Warum war Solarwatt nicht dabei?

Detlef Neuhaus: Wir freuen uns natürlich, wenn sich eine renommierte Forschungseinrichtung wie die HTW Berlin dem Thema Energiespeicher zuwendet und in diesem Bereich für mehr Transparenz und Information sorgen will. Die Aussagekraft der Ergebnisse ist aktuell allerdings dadurch eingeschränkt, dass dieses Prüfverfahren nur die HTW Berlin selbst anbietet. Es kann also nicht überprüft werden, ob ein anderes Labor mit exakt denselben Prüfvorschriften auch zu identischen Ergebnissen käme. Momentan halten wir deshalb andere Tests für besser geeignet, um die Leistungsfähigkeit eines Heimspeichers zu testen – beispielsweise den Effizienzleitfaden 2.0 für Hausspeicher des Bundesverbands Energiespeicher.


IKZ-ENERGY:
Welche weiteren Entwicklungen sehen Sie am Markt vor dem Hintergrund der zunehmenden Eigenstromversorgung und der Sektorenkopplung bei den Eigenheim-Systemen kommen?

Detlef Neuhaus: Die Sektorenkopplung wird immer mehr an Bedeutung gewinnen – davon bin ich absolut überzeugt. Denn nur wenn die Bereiche Energie, Verkehr und Wärme tatsächlich zusammenwachsen, können wir den CO2-Ausstoß nachhaltig reduzieren – und damit möglicherweise den Klimawandel zumindest abschwächen. Ich gebe Ihnen ein Beispiel: Was bringt es der Umwelt, wenn ich ein Elektrofahrzeug mit Netzstrom betanke, der im Jahresdurchschnitt zu gut zwei Dritteln aus fossilen Rohstoffen erzeugt wird? Die Antwort lautet: Wenig! Die Verkehrswende ist nur sinnvoll, wenn die Millionen Elektro-Fahrzeuge, die in wenigen Jahren auf Deutschlands Straßen fahren sollen, auch tatsächlich mit Ökostrom betankt werden – beispielsweise über die eigene Photovoltaik-Anlage auf dem Dach.


IKZ-ENERGY: Wie muss sich der Installateur, der erfolgreich an der Energiewende teilnehmen möchte, in Zukunft präsentieren? Wo gibt es für ihn selbst Anpassungsbedarf in der Praxis?

Detlef Neuhaus: Für die Installateure hat sich bereits extrem viel getan. Vor wenigen Jahren musste ein Handwerker „nur“ die Module mit dem Wechselrichter verbinden und fertig. Das hat sich schon deutlich weiterentwickelt – und wir stehen ja in Bezug auf die modernen Energiesysteme erst ganz am Anfang. Ich sehe da aber nicht nur die Installateure in der Pflicht. Ganz im Gegenteil. Auch Unternehmen wie Solarwatt müssen dafür sorgen, dass sie ihre Partner auf die neuen Anforderungen gründlich vorbereiten. Sei es durch Schulungen oder dadurch, dass sie bei der Entwicklung der Produkte auf einfache Plug-&-Play-Lösungen setzen. Was wir nicht wollen: Dass ein Handwerker erst zum IT-Spezialisten werden muss, bevor er unsere Produkte installieren kann. Das darf nicht der Weg sein.

Die Fragen stellte Dittmar Koop, Journalist für Erneuerbare Energien und Energieeffizienz

 


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