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Deckung der Grundlast durch Wärmerückgewinnung aus Rauchgas

Expertenteam hat für das BMW Group Werk Landshut ein innovatives Energiekonzept realisiert

In der Energiezentrale des BMW Group Werks Landshut wurden zwei Absorptionskältemaschinen errichtet, die die Abwärme aus den Schmelzöfen nutzen, um Kälte zu erzeugen.

Ein zusätzliches Blockheizkraftwerk mit einer Leistung von 2,4 MWth und 2,6 MWel komplettiert das neue Energiekonzept, sodass durch die neuen Anlagen die Grundlast praktisch vollständig abgedeckt werden kann.

Zur Ergänzung des Systems im BMW Group Werk Landshut kam ein moderner hybrider Trockenkühler zum Einsatz.

 

Industriebetriebe haben fast immer ein individuelles Energiebedarfsprofil, das sich nicht mit den Systemen anderer Betriebe vergleichen lässt. Veränderungen oder Erweiterungen stellen deshalb auch für erfahrene Ingenieurdienstleister eine große Herausforderung dar. Das Ingenieurbüro Gammel Engineering aus Abensberg hat sich auf die Planung und Realisierung einer individuellen zukunfts­orientierten Energieversorgung spezialisiert. Das jüngste Beispiel ist eine Anlage zur Wärmerückgewinnung für das BMW Group Werk Landshut.

2010 plante die BMW Group für das Landshuter Werk eine neue Aluminiumschmelze und suchte eine Möglichkeit, die Wärmeenergie aus dem Abgas zurückzugewinnen. Zusätzlich sollte ein komplett neues Energiekonzept für den Standort erarbeitet werden, das bis dahin aus drei Gaskesseln mit je 16 MWth Leistung und zwei Blockheizkraftwerken mit je 1,4 MWth und 1,4 MWel Leistung bestand. Mit der Umsetzung dieses Vorhabens beauftragte die BMW Group im Rahmen eines Energie-Einspar-Contractings ein Konsortium aus der ArGe Siemens AG/Ulrich Müller GmbH und Gammel Engineering. Im Sommer 2014 wurde die Anlage in Betrieb genommen.
In der Leichtmetallgießerei wird mithilfe von Gasbrennern in insgesamt sechs Öfen angeliefertes Aluminium-Festmaterial geschmolzen, wobei für gewöhnlich drei Öfen im Schmelz-Betrieb und drei im Warmhaltebetrieb laufen. Das Rauchgas, das dabei austritt, hat eine Temperatur von etwa 640 °C. Ursprünglich wurde angenommen, dass eine Abkühlung erforderlich wäre, um den nachgeschalteten Feinstaubfilter nicht zu schädigen. Dieser stellte sich jedoch als überflüssig heraus, sodass auch die Abkühlung nicht mehr notwendig war. Deshalb wurde die Frage aufgeworfen, wie sich das Abgas anderweitig nutzen ließe.

Lösung bezieht gesamtes Werk mit ein
Siemens, Müller und Gammel konzentrierten sich zunächst auf eine lokale Lösung. „Erst war eine reine, direkte ORC-Verstromung im Gespräch, später die Überlegung, die Energie lokal für die Kühlung der Leichtmetallgießerei, die direkt neben der Schmelzerei liegt, zu nutzen“, erklärt Projektleiter Florian Prantl von Gammel Engineering. Schließlich betrachteten die Projektpartner nicht mehr nur die Leichtmetallgießerei, sondern bezogen auch den Energiebedarf des gesamten Werkes in ihre Überlegungen mit ein. Dabei wurde explizit der Kältebedarf in der Produktion betrachtet, der vor allem dann ansteigt, wenn höhere Außentemperaturen herrschen. „Bisher wurde Kälte mit Kompressoren erzeugt, was erheblichen Stromeinsatz bedeutet“, so Prantl.
Als Lösung bot sich an, die Abwärme aus den Schmelzöfen in das bereits bestehende Heißwassernetz einzuspeisen. Berechnungen ergaben, dass die Abwärme zudem ausreicht, um die Kompressionskältemaschinen durch neue mit Heißwasser betriebene Absorptionskältemaschinen zu ersetzen. Deshalb wurden zwei Kälteanlagen bei der Energiezentrale im Herzen des Werks errichtet, um den gesamten Betrieb mit Klima- und Prozesskälte zu versorgen. In Reihe geschaltet gewährleisten sie die geforderte Spreizung von 60 K im Heißwassernetz (130/70 °C) optimal: Die erste Maschine nimmt 130 °C auf und gibt etwa 100 °C an die zweite ab, die in den Rücklauf mit 70 °C einspeist. Bei niedrigeren Außentemperaturen wie etwa im Winter wird weniger Kälte, dafür aber mehr Prozess- und vor allem Heizwärme benötigt, sodass eine der beiden Maschinen heruntergefahren oder kurzfris­tig abgeschaltet werden kann. Durch die Wärme-Kälte-Kopplung geht schließlich nichts von der Energie verloren. „Mit den Absorptionskältemaschinen kann sich das Ener­giesystem dynamisch an Schwankungen bei Produktion oder Außentemperatur anpassen“, erklärt Prantl.
Zudem erhöht die Nutzung der Aluminiumschmelzerei als zweiten Einspeisungspunkt die Kapazität des Wärmenetzes. „Damit wurde eine sehr flexible Energielösung gefunden, mit der sich möglichst viele Produktions- und Funktionseinheiten versorgen lassen“, so Prantl weiter. Auch beim Wärmeübertrager realisierte man eine unkonventionelle Lösung, wie der Projektleiter erklärt: „Wir haben uns nach Simulationen hier für Gleich- statt Gegenstrom entschieden: Wasser und Rauchgas durchströmen den Wärmeübertrager in gleicher Richtung. Damit verliert man zwar minimal an Effizienz, doch wir vermeiden eine Taupunktunterschreitung und minimieren damit das Korrosionsrisiko durch aggressives Rauchgaskondensat.“

Nichts dem Zufall überlassen
Ein zusätzliches Blockheizkraftwerk komplettiert das neue Energiekonzept: Es hat eine Leistung von 2,4 MWth und 2,6 MWel. „Mit den neuen Anlagen und dem bereits vorhandenen KWK-System wird die Grundlast praktisch vollständig abgedeckt“, erklärt Prantl. „Die bestehenden Kesselanlagen ergänzen lediglich bei Mittel- und Spitzenlasten.“ Wann und wie oft das nötig sein wird, wurde nicht dem Zufall überlassen: Anhand von Messungen der bestehenden Vorgängeranlage simulierten die Projektingenieure ein Lastgangprofil für die neue Anlage. Der Plan, die Energie in den Kreislauf zurückzuführen und somit Primärenergie und Emissionen einzusparen, ist aufgegangen: „Mit der neuen Anlage wird die Betriebszeit der Heizkessel deutlich reduziert sowie erheblicher Stromzukauf substituiert“, so Prantls Resümee.

Bilder: Gammel Engineering

www.gammel.de

 

Hintergründe zum Ingenieurdienstleister

Die Gammel Engineering GmbH wurde 1987 von Michael Gammel gegründet und ist ein inhabergeführtes Familienunternehmen mit Sitz in Abensberg. Die Firma bietet Ingenieurdienstleistungen im Bereich dezentrale Energiesysteme und Gebäudetechnik an und führt alle Aufgaben von der Planung, der Bauleitung bis zur Betriebsbetreuung durch. Gammel hat sich darauf spezialisiert, individuelle, dezentrale Energiesysteme in bestehende Produktionsprozesse einzubinden. Derzeit werden 55 Mitarbeiter beschäftigt.

 


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