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Create the future Gesamtheitliches Konzept zur dezentralisierten Energieversorgung auf der Basis regenerativer Quellen – Teil 2

Im folgenden Artikel stellen die Autoren Prof. Dr. Wolfgang Weller und Marco Will das Konzept eines zukunftsorientierten Energiesystems vor, das auf die weitgehende Verwertung regenerativer Energien gerichtet ist. Im Mittelpunkt des zweiten Teils stehen die Umsetzung des Konzeptes und die beispielhaften Lösungen ökologischer Subcluster in Berlin. Teil 1 des Artikels ist in der IKZ-ENERGY 2-2011 erschienen.

Auch in den ländlichen Gebieten kommt die Errichtung energieautarker Subcluster gut voran. Hier versorgen sich vor allem Landwirte dank der auf Stalldächern installierten großflächigen Solarpaneelen sowie hofeigener Biogasanlagen nicht nur selbst mit dem benötigten Strom, sondern speisen den beachtlichen Überschuss gewinnbringend in das öffentliche Netz ein.

 

Die Realisierung des hier vorgestellten systemorientierten Gesamtkonzepts zur dezentralen Energieversorgung auf der Basis erneuerbarer Energiequellen wird zu einem permanenten Umbau des Energieversorgungssystems führen und sich voraussichtlich über einen längeren Zeitraum erstrecken. Man kann daher zu Recht von einer „Grünen Evolution“ sprechen. Dennoch würde die Umsetzung in durchaus differenzierter Weise verlaufen.
Die Realisierung des vorgeschlagenen dezentral orientierten Konzepts könnte an die bereits begonnene Herausbildung Energieautarker Subcluster anknüpfen und würde somit „von unten her“ beginnen. Die Etablierung solcher Insellösungen basiert vor allem auf Einzelinitiativen, welche von engagierten und umweltbewussten Bürgern sowie Aktivisten getragen werden.

Umrüstung auf Energieautarkie

Diese Bereitschaft gründet sich auf wachsende Einsicht und zunehmende Ausprägung eines Umweltbewusstseins. Aber auch wirtschaftliche Gründe spielen eine wesentliche Rolle. Finanzielle Vorteile verspricht einerseits ein Tarifsystem, das die Einspeisung Erneuerbarer Energien bezuschusst. Wiederum lassen sich auch Kosteneinsparungen durch Nutzung verbilligten Stroms in Zeiten des Energieüberschusses erzielen. Die notwendigen Investitionen für die Umrüstung auf Energieautarkie sind vom Eigentümer der jeweiligen Immobilie weitgehend privat zu tragen, werden aber teilweise auch durch Förderungen mitfinanziert. In Gegenüberstellung mit den finanziellen Einsparungen durch eigene Stromproduktion und Einnahmen aus der Einspeisung ins öffentliche Stromnetz ergibt sich eine durchaus interessante Amortisationszeit.
Die elementarsten Beiträge der Kategorie Subcluster stammen von Eigenheimbesitzern, die ihre Immobilie mit Dämmmaßnahmen versehen und mit Solarpaneelen sowie ggf. Wärmepumpen ausrüsten lassen und sich auf diese Weise von externen Strom- und auch Wärmelieferungen weitgehend entkoppeln. Hier haben inzwischen auch die Architekten ein reizvolles Betätigungsfeld entdeckt, indem sie Lösungen für mehr oder weniger spektakuläre Angebote von Eigenheimen mit dem Label Null- oder sogar Plus-Energiehaus präsentieren. Hinzu kommen die immer mehr ökologisch ausgerichteten Vorzeigeprojekte von Geschäftshäusern, Firmensitzen und öffentlichen Gebäuden. Auch in den ländlichen Gebieten kommt die Errichtung energieautarker Subcluster gut voran. Hier versorgen sich vor allem Landwirte dank der auf Stalldächern installierten großflächigen Solarpaneelen sowie hofeigener Biogasanlagen nicht nur selbst mit dem benötigten Strom, sondern speisen den beachtlichen Überschuss gewinnbringend in das öffentliche Netz ein. In den Kommunen gründen sich ebenfalls Interessenverbände, die gemeinschaftlich in kleine sogenannte Bürgerkraftwerke investieren.
Die Objekte solcher Initiativen sind vor allem Wohnanlagen, Kitas, Schulen und Verwaltungsgebäude. Beispiele der hier genannten Art von Subclustern aus dem Raum Berlin werden an späterer Stelle noch vorgestellt. All diese bereits auf der Ebene der Subcluster laufenden Initiativen tragen auch zur Erhöhung des Grades der Energieautonomie in den Clustern bei und leisten damit einen wirkungsvollen Beitrag für die spätere Globallösung.
Der Ausbau auf der nächst höheren Ebene der Cluster wird durch die ehrgeizigen staatlichen Vorgaben zur Steigerung des Anteils Erneuerbarer Energien wesentlich unterstützt. Dementsprechend kommt es zu einem zügigen Ausbau der Windkraftwerke und Solaranlagen. Die dazu notwendigen Mittel werden den Energieversorgern durch eine Öko-Stromabgabe abverlangt, die diese wiederum an die Verbraucher weitergeben. Mit zunehmender Verfügbarkeit der Energie aus erneuerbaren Quellen müssen die zuvor geschilderten Maßnahmen  zur Erreichung der Energieautarkie schritt haltend umgesetzt werden. Die Bereitschaft dazu, insbesondere zur ökologischen Sanierung der Gebäude, wird durch staatliche Förderprogramme gestärkt und lässt eine gute Rendite erwarten. Somit gehen hier Ökologie und Ökonomie Hand in Hand.

Netzbetreiber gefordert

Ein wichtiger Beitrag ist auch von den Netzbetreibern zu leisten. Hier sind örtliche Leitwarten einzurichten, die für ein optimales Management der verschiedenen lokalen Energiequellen, -speicher und Verbraucher zu sorgen haben. Beim Ausbau der Erneuerbaren Energien nimmt das Bundesland Brandenburg – einst ein reines „Braunkohlenland“ – mit seiner Energiestrategie 2020 inzwischen einen Spitzenplatz ein. Dort hat sich beispielsweise die Gemeinde Feldheim (Potsdam-Mittelmark) als eine der ersten ihren Traum von der Energieautarkie in Eigeninitiative verwirklicht und kürzlich alle Strom- und Wärmeleitungen zur Außenwelt gekappt.
Im Zusammenhang mit der Errichtung energieautarker Cluster spielt auch die E-Mobilität eine wesentliche Rolle. Wegen der (noch) begrenzten Reichweite elektrisch betriebener Fahrzeuge sind gerade die großen Städte ein dafür geeignetes Einsatzfeld. Die Umsetzung  dieses Mobilitätskonzepts erfordert neue Allianzen, in die auch die Stromversorger eingebunden sind. Entsprechende Feldversuche laufen derzeit vor allem in Ulm und Berlin.
Den größten Zeitbedarf wird es bei dem notwendigen Umbau des Versorgungsnetzes auf die Erfordernisse der dezentralen Energieversorgung geben. Hier wird man mit Zeiträumen von mehreren Jahrzehnten rechnen müssen. Zu den erforderlichen Maßnahmen wird die Einrichtung von Stromautobahnen gehören, welche voneinander räumlich getrennte Windkraft- oder Solarparks mit Zentren des Verbrauchs verbinden. Mit zunehmender Autarkie der Cluster lässt sich auch vermutlich das vorhandene Stromnetz „ausdünnen“, soweit Stromleitungen nicht zur Abwehr von Ausfällen in Reserve gehalten werden sollen. Besonders hohe Anforderungen werden an die Steuerung solcher Stromnetze gestellt. Diese muss vielfältigen Anforderungen gerecht werden und kann somit zu Recht als intelligent bezeichnet werden. Insgesamt sind auf der Netzseite nicht nur landesweit übergreifende Baumaßnahmen, sondern dementsprechend auch erhebliche Investitionskosten zu erwarten. Dennoch dürften diese Netzkosten sich noch in moderatem Rahmen halten, vergleicht man diese mit den entstehenden
finanziellen Aufwendungen, wie sie etwa bei der Realisierung des Projekts Desert Tec anfallen. Hierbei handelt es sich um eine in der Sahara zu errichtende Solarfarm, welche Europa über ein Gleichstromnetz mit Energie versorgen soll. Die geschätzten Kosten liegen hier im zweistelligen Milliardenbereich.

Realisierung von Subclustern

Angesichts der hohen Entwicklungsdynamik werden wir uns im Weiteren der Kategorie der Subcluster detaillierter zuwenden. Dazu soll zunächst ein gewisser Eindruck vom aktuellen Stand der Realisierung energieautarker Insellösungen vermittelt werden mit dem gezeigt werden soll, dass der Ausbau gut vorankommt. Dazu werden wir eine Auswahl treffen, welche sich auf Lösungen des Berliner Raums beschränkt. Bei der Auflistung der Beispiele werden wir uns aus Gründen einer kompakten Darstellung der tabellarischen Form bedienen (s. Tabelle 1).



Bei der Auswahl wurden bewusst Beispiele bevorzugt, die verschiedenen Arten von Immobilien entstammen. Die Palette der hier aufgeführten ökologischen Projekte reicht vom selbst genutzten Privathaus über Wohnanlagen bis hin zu Firmensitzen. Außerhalb des Berliner Raums hat sich ebenfalls eine fortlaufend vergrößernde Anzahl weitgehend energieneutraler Projekte vom Charakter der Subcluster etabliert; die meisten davon im süd- und südwestdeutschen Raum. Nach vorliegenden Schätzungen gibt es bundesweit allein 13 500 Passivhäuser. In nördlicheren Breiten verfügt man vor allem über Energie aus Windkraftanlagen, sodass dort eher Lösungen auf Clusterebene entstehen.

Solarhaus EQUIA als Beispiellösung

Im Weiteren soll eine detailliertere Darstellung eines solaren Positivhauses gegeben werden, die  von einem Studententeam namens „living EQUIA“ innerhalb von zwei Jahren eigenständig entwickelt und auch gebaut wurde (s. in Tabelle 1). Die Studierenden entstammen drei Berliner Hochschulen (Hochschule für Technik und Wirtschaft, Universität der Künste und Beuth-Hochschule Berlin). Die beteiligten Studenten gehören den Fachrichtungen Regenerative Energien, Architektur und Wirtschaftswissenschaften an. In der Planungsphase wurden sie durch Prof. Quaschning (Lehrstuhl für regenerative Energiesysteme an der HTW) unterstützt. Das für das Projekt eigens gesteckte Ziel besteht in der größtmöglichen Ausnutzung der Sonnenstrahlung, wobei sogar ein Stromüberschuss erzeugt werden soll. Dieses „Positivhaus“ produziert also mehr Energie als seine Bewohner verbrauchen.
Das Haus ist rechtwinklig angelegt und besitzt eine Grundfläche von 74 m². Es wird in Nord-Süd- als auch Ost-West-Richtung von einem 30 cm breiten Lichtband durchzogen, sodass das Sonnenlicht den gesamten Innenraum des Hauses erhellt. Die Fassade besteht aus abgeflammtem Holz. Als weitere ökologische Baumaterialien wurden Hanf und Lehm eingesetzt. Für eine hochwirksame Wärmeisolierung des Gebäudes sorgen im Außenbereich Holzfaserplatten, für die Innenwände gibt es eine Zellulose-Dämmung und für die reichlich vorhandenen Fenster eine 3-fache Wärmeschutzverglasung. Die Wärmeregulierung in den Innenräumen übernehmen in die Wände eingebaute Latentwärmespeicher (Phase Change Materials).
Die benötigte Energie entstammt einer in das Süddach integrierten 5 kWp Photovoltaikanlage, den in die Fassade eingelagerten Flachkollektoren sowie einer Wärmepumpe. In den Verschattungselementen der Fenster wurden zusätzliche Solarzellen verbaut. Damit wird insgesamt mehr Strom produziert als von den Bewohnern benötigt wird. Die überschüssige Energie ist für den Betrieb eines Elektromobils vorgesehen und wird in dessen Batterien gespeichert. Die Kühlung erfolgt über Wärmetauscherplatten auf dem Norddach. Bei der Auswahl der technischen Geräte wurde auf maximale Energieeffizienz und ökologische Verträglichkeit geachtet. Eine intelligente Haustechnik für Lüftung mit Wärmerückgewinnung, Entfeuchtung, Stromspeicherung und Wärmebereitstellung rundet den angenehmen Wohnkomfort ab.
Durch die studentischen Initiativen wurde im Ergebnis eine beispielgebende Lösung für ein Plus-Energiehaus erreicht, deren Erfolg im Zusammenspiel von Wärmedämmung, Energieeinsparung, Ausnutzung der Sonnenenergie und Nutzung des Energieüberschusses liegt.
Die Studenten des living EQUIA-Teams haben sich mit ihrem Positiv-Energiehaus an dem internationalen Wettbewerb Solar Deckathlon Europe beteiligt, der im Juni dieses Jahres in Madrid ausgetragen wurde. Dort sind sie in der Teildisziplin „Solare Systeme“ mit dem 1. Preis ausgezeichnet worden.


Ansicht des Positiv-Energiehauses der Berliner Studenten.

Ergebnisse und Ausblick

Im vorstehenden Beitrag wurde ein neuartiges ganzheitliches Konzept zur zukünftigen Versorgung eines Landes mit Elektroenergie vorzugsweise aus regenerativen Quellen vorgestellt, dessen Hauptmerkmale eine Systemorientierung, hochgradige Dezentralisierung, weitgehende Eigenversorgung der Teilsysteme sowie der Einsatz intelligenter Steuerungen sind. Dazu wurden auch die wesentlichen Maßnahmen vorgestellt, welche der angestrebten weitgehenden Energieautarkie dienen. Die vorgeschlagene Lösung leistet nicht nur einen wichtigen Beitrag zum Klimaschutz, sondern verbessert auch wesentlich die Versorgungssicherheit, Wirtschaftlichkeit und ist zudem schrittweise umsetzbar. Darüber hinaus erlaubt es die Einbindung bereits vorhandener Initiativen und eingeleiteter Maßnahmen.
Im zweiten Teil der Arbeit wird auf bereits vorliegende Realisierungen energie-autarker Projekte vor allem in den Subclustern eingegangen. Bei der Auswahl der Beispiele wurde aus Aufwandsgründen eine Beschränkung auf den Berliner Raum vorgenommen. Aus dem vorgestellten Spektrum wurde nachfolgend eine Einzellösung ausgewählt und näher erläutert.
Das hier vorgestellte auf die autarke Versorgung mit elektrischer Energie aus regenerativen Quellen gerichtete Konzept ist noch weiter ausbaubar. Der nächste folgerichtige Schritt würde dann in der Zusammenführung der Elektroenergie- mit der Wärmeversorgung bestehen. Eine zentrale Rolle spielen hier verteilte Blockheiz-Kraftwerke (BHKW) mit Kraft-Wärme-Kopplung, welche außer Strom auch Wärme liefern. Dafür gibt es bereits Lösungen in Gestalt von Mini- und. Micro-E-Kraftwerken. Eine zweite wichtige Komponente sind Heizungsanlagen auf der Basis von Wärmepumpen, welche dadurch interessant sind, dass der zu ihrem Betrieb benötigte Strom aus überschüssiger regenativer Energie bezogen werden könnte. Eine weitere energetische Ressource bietet die Rückgewinnung (Rekuperation) thermischer Energie aus der Abluft von Gebäuden, womit zugleich auch eine effektive Kühlung erreicht werden kann. Auch die Wärme von Abwässern kann in geeigneten Fällen in Verbindung mit hocheffektiven Wärmepumpen noch energetisch genutzt werden.
Die Visionen reichen inzwischen bis zu Vorstellungen über die vollständige Autarkie von Clustern im Format von Großstädten. Dazu gehört dann neben der autonomen Versorgung mit Elektro- und Wärmeenergie auch die Wiederverwertung von Abfällen und Müll (Wertstoffrecycling) sowie von Wasser durch Einführung geschlossener Kreisläufe, die Begrünung innerstädtischer Flächen und Gebäudedächer, die urbane Mobilität und anderes mehr. Durch das Zusammenwirken der verschiedenen Maßnahmen werden Synergieeffekte erzielt.
Wir gehen also einer Zukunft entgegen, die zunehmend ökologisch geprägt sein wird.

Autoren:
Prof. Dr.-Ing. habil. Wolfgang Weller: 1960-1970 Forschungstätigkeit in der Industie; Lehraufträge am Higher Institute for Electronics in Menouf (Ägypten) und an der Univ. Rostock; 1970-1998 Inhaber des Lehrstuhls für Technische Kybernetik und Direktor des Instituts für Automatisierungstechnik an der Humboldt-Univ. zu  Berlin; 1992-2008 Ingenierubüro für Intelligente Informationstechnologien
Marco Will: Student an der Hochschule für Technik und Wirtschaft Berlin, Studiengang Umwelttechnik/Regenerative Energien; Mitwirkung im Living EQIA-Team mit Wettbewerbsbeteiligung in der Teildisziplin Solare Systeme; zusammen mit Prof. Weller Teilnahme am Zukunftswettbewerb der GASAG Berlin

 


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