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Auswirkungen der BDEW-Mittelspannungsrichtlinie auf PV-Wechselrichter - Thema Mittelspannungsrichtlinie noch nicht abgeschlossen

Seit Einführung des EEG 2001 schreitet der Ausbau EE rasant voran. PV, Bioenergie, Wasser- und Windkraft hatten bereits 2006 32,7 GW Einspeiseleistung erreicht. Für die Zeit danach ist von einem noch höheren Ausbautempo auszugehen. Die installierte Leistung liegt somit bei etwa einem Drittel der Jahreshöchstlast. Insbesondere der europäische Beinahe-Blackout vom November 2006 hat deutlich gemacht, dass Regenerative Energien für die Netzstabilität systemrelevant sind. Die Regelreserve im europäischen Verbundnetz beträgt 3 GW. Trennen sich aufgrund kleiner Störungen viele erneuerbare Erzeugungsanlagen vom Netz, kann diese Regelreserve schnell aufgebraucht sein.

Leistungsreduzierung bei Überfrequenz. Bild: BDEW Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft

Grenzlinie des Spannungseinbruchs. Oberhalb Grenzlinie 2 dürfen sich Wechselrichter nicht vom Netz Trennen. Bild: BDEW Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft

Die Leistung des KACO-Wechselrichters „Powador 4500xi“ lässt sich mittels einer eigens entwickelten Software vom Verteilnetzbetreiber abregeln. Bild: Kaco

Der mit einer neuen Software aufgerüstete KACO-Datenlogger „Powador-proLOG XL“ wertet die Signale eines Funk-Rundsteuerempfängers aus. Bild: Kaco

Anlagen-Konfiguration: Der Funk-Rundsteuerempfänger ist der PV-Anlage vorgeschaltet und verfügt über vier Relais-Ausgänge, die für 0, 30, 60 und 100% der Anlagen-Nennleistung stehen. Bild: Kaco

 

Die neue technische Richtlinie „Erzeugungsanlagen am Mittelspannungsnetz“ des Bundesverbandes der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW) trägt dieser Entwicklung Rechnung. Erstmals werden Erzeugungsanlagen nicht mehr als negative Last betrachtet, sondern als Kraftwerke, die sich bei Netzstörungen gerade nicht vom Netz trennen dürfen, sondern stabilisierend reagieren müssen. In der Konsequenz sind jetzt Funktionen gefordert, die bislang ausdrücklich verboten waren.

Statische und dynamische Netzstützung

Die neu geforderten Kraftwerkseigenschaften umfassen die statische und dynamische Netzstützung. Bei der statischen Netzstützung ist ein Beitrag zur stationären Spannungs- und Frequenzhaltung gefordert, also ein Beitrag zum Ausgleich der Wirk- und Blindleistungsbilanz im Netz. Bei der dynamischen Netzstützung ist ein Beitrag zum Kurzschlussstrom erforderlich, der mindestens im Bereich des Nennstroms liegen muss. Die Phasenlage ist abhängig von der Einbruchstiefe des Spannungseinbruchs am Anschlusspunkt. Darüber hinaus sind neue Kommunikationsfunktionen nötig. Die Richtlinie wirkt sich somit in drei Bereichen auf PV-Wechselrichter aus:

  • Einem langsamen, in dem im Sekundenbereich Vorgaben des Verteilnetzbetreibers umgesetzt werden.
  • Einem mittleren, in dem im Bereich von 20 ms Effektivwerte für Blind- und Wirkstrom geregelt werden.
  • Einem schnellen, in dem im Fehlerfall ein definierter Kurzschlussstrom eingespeist wird.

Im Sekundenbereich müssen einige Funktionen ergänzt werden:

  • Langsames Anfahren nach Fehlerabschaltung: Um dem Verteilnetzbetreiber ein geordnetes Hochfahren des Netzes nach einem Fehler zu ermöglichen, ist es notwendig, dass die Einspeiseleistung nicht schlagartig zugeschaltet, sondern langsam gesteigert wird.
  • Versetztes Zuschalten der Wechselrichter: Um die Netzrückwirkungen eines großen Parks (ab 1 MW Gesamtleistung) zu minimieren, dürfen die einzelnen Wechselrichter nicht zeitgleich zuschalten, da sonst Einschaltströme (z.B. von Transformatoren) zu einer unerlaubten Netzrückwirkung führen können. Dies erfordert eine zentrale Steuerung, die den einzelnen Einheiten die Zuschaltung erlaubt.
  • Schnittstelle zur Leistungsabregelung: Bereits das 2009 novellierte EEG sieht für die Verteilnetzbetreiber eine Möglichkeit vor, PV-Anlagen aus technischen Gründen (z.B. Überlastung von Betriebsmitteln) abzuregeln.

Seit Anfang 2009 sind entsprechende Kommunikationslösungen auf dem Markt. Als einer der ersten Hersteller hat KACO new energy als einer der ersten Hersteller seine Wechselrichter und seinen großen Datenlogger aufgerüstet. Mit der Software „Power-Control“ können jetzt beispielsweise die Signale eines Rundsteuerempfängers ausgewertet und als Stellvorgabe an die Wechselrichter weitergegeben werden.

Wirk- und Blindleistung

Bei der statischen Netzstützung ist zwischen Wirk- und Blindleistung zu unterscheiden. Mit Regelung der Wirkleistung wird ein Beitrag zur Frequenzstabilität im Netzverbund, mit Regelung der Blindleistung ein Beitrag zur Spannungshaltung am Einspeisepunkt geleistet.

Wirkleistung:
Neben der mit „KACO-Power-Control“ umgesetzten Funktion der Leistungsreduzierung auf Anforderung des Verteilnetzbetreibers, muss die Wirkleistung auch in Abhängigkeit der Frequenz reduziert werden.
Seit 1. Mai 2009 dürfen sich neue Anlagen bei einer Frequenz zwischen 50,2 Hz und 51,5 Hz nicht mehr vom Netz trennen und müssen nach einem Gradient von 40% je Hertz die Leistung reduzieren (Bild1). Damit wird im Mittelspannungsbereich die bislang geltende Grenze von 50,2 Hz als maximale Netzfrequenz, auf die eingespeist werden darf, erweitert. Im  Niederspannungsbereich bleibt diese Grenze erhalten.
Dadurch reduziert sich die Einspeiseleistung, ohne dass schlagartig mehrere GW Einspeiseleistung vom Netz getrennt werden, was die Netzstabilität gefährden würde.

Blindleistung:

Um die Spannung am Netzverknüpfungspunkt zu stützen und um die Spannungsanhebung durch die Wirkleistungseinspeisung zu reduzieren, müssen Erzeugungsanlagen Blindleistung bereitstellen. Die Regelung der Blindleistung erfolgt auf Basis einer Cos  (P) Kennlinie oder einer Q (U) Kennlinie, die vom Verteilnetzbetreiber vorgegeben werden kann. Der Verschiebefaktor Cos  muss sich zwischen 0,95 Ind bis 0,95 Cap einstellen lassen.
Unter dynamischer Netzstützung versteht man das Durchfahren von Spannungseinbrüchen und das Einspeisen auf Kurzschlüsse (Englisch: fault ride through oder FRT). Im Fehlerfall ist demnach ein definierter Blindstrom einzuspeisen. Der Betrag dieses Blindstroms ist dabei abhängig von der Tiefe des Spannungseinbruchs. Bei einem Spannungseinbruch auf 50% Un muss der Blindstrom dem Nennstrom entsprechen. Erzeugungseinheiten mit Wechselrichtern müssen keinen Kurzschlussstrombeitrag über dem Nennstrom liefern.

Übergangsregelungen

Die Mittelspannungsrichtlinie wird die Wechselrichtertechnik teilweise stark verändern. Einige neue Funktionen lassen sich in allen Wechselrichtertechnologien leicht umsetzen, andere sind nur mit speziellen Technologien möglich und erfordern erheblichen Entwicklungsaufwand. Die Kommunikationsfunktionen und die langsamen Regelmechanismen haben KACO new energy und andere Hersteller bereits realisiert.
Die Bereitstellung von Blindleistung ist nicht mit allen derzeit eingesetzten Technologien möglich. An sich stellt diese Anforderung für leistungselektronische Geräte kein Problem dar. In der Vergangenheit galt jedoch die strikte Vorgabe Cos  = 1. Auf diese Vorgabe hin optimierte Wechselrichter können mit einem abweichenden Cos  nicht mehr einspeisen. Problematisch sind vor allem analoge Steuerungen, die keine regelungstechnische Veränderung des Cos  zulassen, sowie oft aufwendige Topologien, die zur Optimierung der Wirkungsgrade entwickelt wurden.
Auch die dynamische Netzunterstützung bedeutet Entwicklungsaufwand. Drei Punkte sind hier von Bedeutung:

  • Eigenversorgung: Viele PV-Wechselrichter entnehmen ihre Eigenversorgung aus dem Netz. Sollen Fehler durchfahren werden, müssen Puffer in den Netzteilen berücksichtigt werden, die Spannungseinbrüche von ca. 700 ms überbrücken können. Insbesondere bei kleineren Geräten, bei denen die Eigenversorgung auf der Leistungsplatine untergebracht ist, müssen Leistungsplatinen überarbeitet werden. Teilweise müssen redundante Netzteile aufgebaut werden, die den Wechselrichter von der AC- oder DC-Seite aus versorgen.
  • Regelgeschwindigkeit: Bei einem Netzfehler treten sehr schnelle Spannungsänderungen auf. Innerhalb 300 s kann sich die Spannung um 600 V ändern. Diese Spannungssprünge bewirken sehr schnelle Stromänderungen des Wechselrichters, die von der Wechselrichter-Steuerung beherrscht werden müssen.
  • Regelung der Blindleistung: Da auch auf asymmetrische Fehler ein definierter Blindstrom eingespeist werden soll, muss die Regelung in der Lage sein, asymmetrische Fehler zu erkennen und asymmetrische Ströme einzuspeisen. Dies erfordert eine Überarbeitung der Ansteuerung der Wechselrichterbrücke.

Grundsätzlich lassen sich alle Anforderungen umsetzen, die Hersteller müssen jedoch ihre Produkte zum Teil erheblich überarbeiten. Aus diesem Grund wurden Übergangsregelungen ausgehandelt. Aber auch diese Regelungen setzen die Hersteller noch unter großen Druck. Es ist damit zu rechnen, dass nur einzelne Hersteller ihre gesamte Produktpalette bis Inkrafttreten der letzen Stufe zum 1. Januar 2011 anpassen können. Die Übergangsregelung sieht drei Terminstufen vor:

  • 1. Januar 2009 – Inkrafttreten der Richtlinie als solche,
  • 1. Juli 2010 – Umsetzung der Blindleitungsregelung zur statischen Netzstützung – Durchfahren von Fehlern ohne Einspeisung von Blindstrom,
  • 1. Januar 2011– Durchfahren von Fehlern mit Einspeisung von Blindstrom.

Neben den technischen Neuerungen enthält die Richtlinie zudem eine wichtige Forderung, deren Umsetzung in der Praxis zu verfolgen interessant werden dürfte: Ab dem 1. Juli 2010 werden Erzeugungsanlagen nur ans Netz angeschlossen, wenn für sie ein Anlagenzertifikat erstellt wurde. Die Vorgaben der Zertifizierung sind in den technischen Richtlinien der Fördergesellschaft Windenergie und andere EE FGW TR3, TR4 und TR8 niedergelegt. Danach muss jede Erzeugungseinheit vom Hersteller nach der Mittelspannungsrichtlinie zertifiziert werden.
Im Fall der PV sind mit den Erzeugungseinheiten Wechselrichter gemeint, deren netzrelevante Daten im Zertifikat aufgelistet werden. Auf Basis dieser Erzeugungseinheiten-Zertifikate kann von einer akkreditierten Stelle ein Zertifikat für die gesamte Erzeugungsanlage erstellt werden. Hierbei wird geprüft, ob die Forderungen, die die einzelnen Einheiten erfüllen, auch von der Gesamtanlage erfüllt werden. Insbesondere bei großen Solarparks können die Ergebnisse aufgrund der Kabelkapazitäten und ähnlicher Effekte abweichen. Derzeit dürfen ganze zwei Körperschaften dieses Zertifikat vergeben, wobei unter der TR8 die Zertifizierung der Anlage selbst noch gar nicht ausgeführt ist. Schon allein deshalb steht fest, dass das Thema Mittelspannungsrichtlinie keineswegs abgeschlossen ist, sondern vielmehr die Branche noch einige Zeit beschäftigen wird.

Autor: Thomas Schaupp ist bei der KACO new energy GmbH beschäftigt und arbeitet in der Abteilung Forschung und Entwicklung.
KACO new energy GmbH, 74172 Neckarsulm, Tel. 07132 38180, Fax 07132  3818703, info@kaco-newenergy.de, www.kaco-newenergy.de

 


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