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Es wird Veränderungen geben

Klimaschutzplan 2050: Auswirkung auf die Energieversorgung im Gebäudesektor

Bild 1: Treibhausgasemissionen in Deutschland und die Ziele des Klimaschutzplanes 2050.

Tabelle 1: Zieldaten aus Klimaschutzplan 2050 und zugehörigen Rahmenvorgaben.

Bild 2: Entwicklung der Beheizungsstruktur im Neubau.

Bild 3: Beheizungsstruktur im Wohnungsbestand.

Tabelle 2: Energieverbräuche 2008, Minderung 2050.

Bild 4: Energieverbrauch der privaten Haushalte in Deutschland 2000 bis 2015. (Datenquelle: BMWi Energiedaten)

Tabelle 3: Primärenergiefaktoren verschiedener Energieträger.

 

Die Bundesregierung hat bereits im Jahr 2010 in ihrem Klimakonzept das Ziel festgeschrieben, bis zum Jahr 2050 die Treibhausgas­emissionen um 80 % bezogen auf das Jahr 1990 zu mindern. Im Gebäudesektor wurde der Fokus auf energetische Gebäudesanierung und energieeffizientes Bauen gesetzt.

Treibhausgasminderungsziele im Klimaschutzplan 2050
In der Gruppe der treibhausrelevanten Gase hat CO2 (Kohlenstoffdioxid) den größten Anteil, gefolgt von CH4 (Methan) und N2O (Distickstoffmonoxid). Weitere von der Statistik erfasste Treibhausgase sind in Bild 1 genannt. Diese Gase werden mit ihren Treibhausgaspotenzialen in das CO2-Äquivalent eingerechnet. Als Basisjahr wird das Jahr 1990 herangezogen und relativ dazu die Treibhausgasminderung angegeben.
Im Jahr 1990 betrugen in Deutschland die Treibhausgasemissionen 1,25 Mrd. t CO2-Äquivalent. Seitdem sind die Emissionen kontinuierlich zurückgegangen. Das Kyoto-Ziel von durchschnittlich 974 Mio. t CO2-Äquivalent in den Jahren 2008 bis 2012 ist erreicht, sogar leicht unterschritten worden. Für das Jahr 2020 wird eine Reduzierung um 40 % auf 749 Mio. t angestrebt. Dieses Ziel findet sich auch im Energiekonzept 2010 der Bundesregierung und ist in den Klimaschutzplan 2050 übernommen worden.
Die Ziele des Klimaschutzplanes 2050 fußen u. a. auf dem Energiekonzept 2010 und auf dem EEG (Erneuerbare-Energien-Gesetz). Ziel des EEG ist es, die Energieversorgung umzubauen und den Anteil der Erneuerbaren Energien an der Stromversorgung bis 2050 auf mindestens 80 % zu steigern, die volkswirtschaftlichen Kos­ten der Energieversorgung zu verringern, die Nutzung fossiler Energieressourcen zu mindern und die Technologieentwicklung im Bereich der Erneuerbaren Energien zu beschleunigen. Aus dem Energiekonzept 2010 und dem EEG lässt sich auch aufgeschlüsselt nach Sektoren eine zeitliche Abfolge bis 2050 ableiten (Tabelle 1).

Wärmemarkt in Deutschland
In Deutschland sind im Jahr 2015 ca. 285 000 neue Wohneinheiten errichtet worden. Deren Beheizungsstruktur und die Entwicklungen der letzten Jahre sind aus dem Bild 2 zu ersehen. Rund die Hälfte der Wohnungsneubauten wird mit Gas beheizt. Der Anteil der Ölheizungen ist auf unter 1 % gesunken. Kompensiert wurden Gas- und Ölheizungen durch den Zuwachs von Elektro-Wärmepumpen und Fernwärme zu etwa gleichen Teilen.
Die Neubauquote in Deutschland bewegt sich um die 1-%-Marke. Die rechnerische Nutzungsdauer von Gas- und Ölkesseln wird nach der Richtlinie VDI 2067 mit 20 Jahren angegeben, Elektro-Wärmepumpen liegen bei 18 bis 20 Jahren. Aus der Erhebung des Schornsteinfegerhandwerks ist zu entnehmen, dass auch noch eine nennenswerte Anzahl von Gas- und Ölkesseln im Einsatz sind, die älter als 20 Jahre sind, ja sogar 30 Jahre überschreiten. Die daraus resultierende Beheizungsstruktur zeigt Bild 3.
Im Jahr 2015 waren in Deutschland mehr als 5,6 Mio. überwachungsbedürftige Ölfeuerungsanlagen und mehr als 8,7 Mio. überwachungsbedürftige Gasfeuerungsanlagen vorhanden. Nach einer Erhebung des BDH (Bundesverband der Deutschen Heizungsindustrie) wurden im Jahr 2015 in Deutschland 623 500 Gas- und Öl-Wärmeerzeuger, 29 500 Biomassekessel und 57 000 Heizungswärmepumpen abgesetzt.
Aus dieser Faktenlage ist klar erkennbar, dass in Deutschland überwiegend mit Gas geheizt wird. Veränderungen in der Beheizungsstruktur schlagen sich auch aufgrund der geringen Neubauquote und der Lebensdauer der Geräte nicht wesentlich im Bestand nieder. Auch der Austausch von Heizkesseln, die älter als 30 Jahre sind, wird in den nächsten Jahren wenig ändern.

Sanierungsquote und Energieeinsparung
In Bild 4 ist der nicht-klimabereinigte Ener­gieverbrauch der privaten Haushalte dargestellt. Die Einsparungen sind im Wesentlichen der energetischen Gebäudesanierung durch Verbesserungen des baulichen Wärmeschutzes und dem Wechsel zu effizienteren Wärmeerzeugern zuzuschreiben. Trotz dieser erkennbaren Energieeinsparungen bleiben die kohlenstoff-basierten Energieträger Heizöl und Erdgas dominant und werden das bei den langen Nutzungsdauern der Geräte auch noch auf längere Sicht bleiben. Es ist damit unschwer zu erkennen, dass ein Fortsetzen dieser Maßnahmen nicht zu den gesetzten Zielen für das Jahr 2050 führen wird.

Energieeffizienzstrategie Gebäude, ESG
Das BMWi (Bundesministerium für Wirtschaft und Energie) hat im November 2015 die „Energieeffizienzstrategie Gebäude – Wege zu einem nahezu klimaneutralen Gebäudebestand“ (ESG) veröffentlicht und zeigt darin auf, dass in einem Referenz­szenario sich der Primärenergiebedarf im Gebäude bis 2050 nur um 60 % absenken lässt. Für die Erreichung der Absenkung um 80 % bis 2050 wurden die Zielszenarien „Energieeffizienz“ und „Erneuerbare Energien“ entworfen.
Im Gebäude sind z. B. durch Dämmung der Gebäudehülle, energieeffizientere Fens­ter und Erhöhung der Luftdichtheit große Einsparpotenziale möglich. Auch die Anlagentechnik bietet Einsparpotenziale. Das BMWi sieht aufgrund technischer Grenzen eine Energieeinsparung durch Effizienzsteigerung im Szenario „Effizienz“ nur mit maximal 54 % als möglich an. Um die 80 % Einsparung zu schaffen, ist noch der Einsatz Erneuerbarer Ener­gien mit einem Anteil von mindestens 57 % erforderlich.
Erneuerbare Energien können im Gebäudebereich durch den Einsatz von Bio­masse (z. B. Pellets und Hackschnitzel), durch Umweltwärme (etwa Geothermie, Luft) sowie durch Solarthermie und Photovoltaik eingekoppelt werden. Darüber hinaus können Erneuerbare Energien über Wärmenetze mit Wärmespeichern und als Strom aus erneuerbaren Quellen (EE-Strom) in die Energieversorgung eingebunden sein. Der EE-Strom wird dabei über Wärmepumpen oder auch in Form von Power-to-Gas oder Power-to-Liquid in Wärmeerzeugern genutzt.
Aber auch die Erneuerbaren Energien sind eine begrenzte Ressource. Insbesondere bei Biomasse gibt es Nutzungs- und Flächenkonkurrenz und das Reststoffpotenzial ist auch nur begrenzt verfügbar. Die Technik und die Wirtschaftlichkeit bilden weitere Grenzen für den Einsatz. Das BMWi sieht eine Potenzialgrenze von 69 % für den Einsatz Erneuerbarer Energien, damit ist für das 80 % Primärenergie-Reduktionsziel noch eine Energieeinsparung von 36 % durch Energieeffizienzmaßnahmen notwendig.
Aus diesen beiden Szenarien folgt als Ergebnis, dass im Jahr 2050 der gesamte Wohngebäudebestand im Durchschnitt nur noch einen Energiebedarf von 40 kWh/(m² · a) und der Nicht-Wohngebäudebestand nicht mehr als 52 kWh/(m² · a) haben darf.

Notwendige Veränderungen des Energiebedarfs
Der Klimaschutzplan 2050 nimmt direkten Bezug auf die Szenarien der Effizienzstrategie Gebäude (ESG). Der durch die Szenarien „Effizienz“ und „Erneuerbare Energien“ (EE) aufgespannte Zielkorridor ist erreichbar mit den Einsparungen an Endenergie und der Zunahme an Erneuerbaren Energien (Tabelle 2). Die damit verbundene Reduktion der Treibhausgas­emissionen bzw. die dafür erforderliche Reduktion des Primärenergiebedarfs errechnet sich über das in der EnEV (Ener­gieeinsparverordnung) und darüber in der DIN V 18599 festgelegte Verfahren mittels Primärenergiefaktoren (Tabelle 3).

Brennwertgeräte
Mit Biogas oder Bioöl betriebene Brennwertgeräte sind keine Option für die Zukunft und werden auch nicht mit in die Szenarien eingeplant. Bewertet man die erforderlichen Einsparungen an End- und Primärenergie beider Szenarien, dürfen mit Erdgas oder Heizöl betriebene Brennwertgeräte ab 2030 nicht mehr eingebaut werden, wenn man eine Nutzungsdauer von 20 Jahren zugrunde legt. Mit der derzeitig in der EnEV festgelegten Austauschpflicht von 30 Jahren ist dieser Zeitpunkt bereits im Jahr 2020 erreicht.
In dem Klimaschutzplan 2050 wird auch eine „deutliche Reduzierung der direkten Verbrennung fossiler Energieträger“ angesprochen. Fördermaßnahmen sollen so gestaltet werden, dass Heizsys­teme, die Erneuerbare Energien nutzen, deutlich attraktiver sind als Heizsysteme, die Erdgas oder Heizöl nutzen. Eine Ausnahme und Möglichkeit, Erneuerbare Energien in Heizgeräten zu nutzen, bilden Power-to-Gas und Power-to-Liquid. Das so erzeugte Gas und Öl könnte direkt in Brennwertgeräten genutzt werden.

Wärmenetze
Beide Szenarien der ESG beinhalten deutliche Steigerungen der Anteile von Solarthermie und Umweltwärme (Elektrowärmepumpen). Diese sollen nicht nur für einzelne Häuser zum Einsatz kommen, sondern mit hocheffizienten Wärmenetzen der 4. Generation vernetzt und gekoppelt werden. Dies sind Niedertemperaturwärmenetze mit Vorlauftemperaturen unter 55 °C, ja sogar unter 40 °C. Die an diese Wärmenetze angeschlossenen Häuser mit sehr gutem baulichen Wärmeschutz verfügen über ein Niedertemperaturheizsystem (Fußbodenheizung), Solarkollektoren, Wärmespeicher und eine elektrische Nachheizmöglichkeit (Wärmepumpe, Strom-Direktheizung). Überschüssige Wärme aus den Solarkollektoren kann in das Wärmenetz eingespeist werden.

Sektorenkopplung Strom und Wärme
Insbesondere der Energiebedarf für Raumwärme geht in den Szenarien der ESG bis 2050 deutlich zurück (Tabelle 2) und führt damit zu einer größtenteils strombasierten Wärmeerzeugung. Elektrowärmepumpen nutzen Umgebungs- und Umweltwärme, also Erneuerba­re Ener­gie. Zusätzlich kann mit Photovoltaikanlagen am Gebäude erneuerbarer Strom erzeugt und im Gebäude genutzt werden. Überschüssiger Strom wird in das Stromnetz eingespeist und zusätzlicher Strom daraus bezogen.
Die Heizsysteme mit Wärmepumpen verfügen über einen Wärmespeicher mit Heizpatronen zur Spitzenlastabdeckung. Solche Heizsysteme können zur Regelung von Stromangebot und -nachfrage eingesetzt werden und gewährleisten so einen effizienten Einsatz von Strom aus Erneuerbaren Energien. In Zeiten mit starkem Wind und geringem Stromverbrauch kann der Überschussstrom in Wärme gewandelt und im Wärmespeicher bevorratet werden. In Zeiten mit hohem Stromverbrauch kann die Wärmepumpe abgeschaltet und die Wärmeversorgung über den Wärmespeicher sichergestellt werden. Mit Biogas oder Bio­öl betriebene KWK-Anlagen können ebenso eingebunden werden wie Wärmepumpen.

Sektorenkopplung Verkehr, Strom und Wärme
Die Vernetzung von Strom und Wärme kann in der Zukunft noch erweitert werden. Der Klimaschutzplan 2050 sieht einen erheblichen Anteil von elektrisch betriebenen Fahrzeugen vor. Eine Verbindung der Haustechnik mit der Elektromobilität, insbesondere das Laden der Fahrzeugbatterien, kann in der Energieversorgung mit Strom und Wärme zu einer Vergleichmäßigung, zu dem Abbau von Spitzen und damit zu einer Stabilisierung der elektrischen Netze beitragen.
Ein Gebäude kann große Mengen Ener­gie in Wärmespeichern wirtschaftlich auffangen und eröffnet damit die vielen vorteilhaften Möglichkeiten in den Sektorenkopplungen und den Vernetzungen. Diese Vernetzung ist nicht nur im einzelnen Gebäude möglich, sie kann auch auf Quartiere und kommunale Gebiete ausgedehnt werden.

Nahezu klimaneutraler Gebäudebestand
Das EEWärmeG (Erneuerbare-Energien-Wärmegesetz) regelt die Nutzungspflicht für Erneuerbare Energie im Neubau. Die EU-Gebäuderichtlinie fordert für neue Gebäude mit Behörden als Eigentümer ab 2019 und ab 2021 für alle anderen neuen Gebäude einen „Niedrigstenergiegebäude“-Baustandard (Energiebedarf fast null). Dazu muss die EnEV bis 2018 verschärft und entsprechend angepasst werden.
Bestandsgebäude müssen bis zum Jahr 2050 ebenfalls mit Energieeffizienzmaßnahmen und verstärkter Nutzung Erneuerbarer Energien saniert werden, um einen nahezu klimaneutralen Gebäudebestand zu erreichen. In all diesen Fällen wird nicht einseitig auf baulichen Wärmeschutz gesetzt, sondern es wird eine Vielzahl von Maßnahmen kombiniert. Baulicher Wärmeschutz und Anlagentechnik mit Nutzung Erneuerbarer Energien bilden die Hauptmerkmale, Vernetzung und Sektorenkopplung kommen hinzu.

Ausblick für die Haustechnik
Die in dem Klimaschutzplan 2050 gesteckten Ziele sind nur dann zu erreichen, wenn weitestgehend auf die Nutzung fossiler Energieträger wie Erdgas und Heizöl verzichtet wird. Der Einsatz von Erneuerbaren Energien ist zwar notwendig und gewollt, aber die jeweiligen Energieträger werden hinsichtlich verfügbarer Ressourcen, Umweltauswirkungen und ihres ener­getischen Beitrages unterschiedlich bewertet. Somit kann auch nicht ansatzweise Erdgas und Heizöl durch Biogas und Bioöl substituiert werden.
Im Klimaschutzplan 2050 werden die Möglichkeiten von Power-to-Gas und Power-to-Liquid angesprochen. Für beide Techniken wird elektrischer Strom benötigt. Und jede Wandlung von einer Ener­gieform in eine andere bringt Verluste mit sich, sodass sich die Wirtschaftlichkeit dieser erneuerbaren Energieträger infrage stellt. Je weniger von den gasförmigen und flüssigen Energieträgern noch benötigt werden, umso fragwürdiger ist die ökonomische Verteilung. Wirtschaftlich und sinnvoll können Power-to-Gas und Power-to-Liquid aus heutiger Sicht erst dann werden, wenn die damit verbundene Energiespeicheroption auch honoriert wird.
Der Sektor Strom gestaltet sich im Vergleich dazu zukunftsorientiert. Fossile Kraftwerke und AKW gehen vom Netz und werden kompensiert durch den Ausbau erneuerbaren Stroms, hauptsächlich aus der Windkraft. Grundstein und Antrieb dafür sind im EEG festgeschrieben. Elektrowärmepumpen können mit erneuerbarem Strom und unter Einbindung von Erneuerbarer Energie hocheffizient für Heizungswärme und Trinkwassererwärmung genutzt werden und sind damit als Wärmeerzeuger für die Zukunft gesetzt.
Solarthermieanlagen eröffnen die Möglichkeit, erneuerbare Wärme für die Heizung und Trinkwassererwärmung zu liefern. PV-Anlagen können dies indirekt und effizient über die Wärmepumpe oder direkt und weniger effizient über den Heizstab bieten. Sie haben aber den zusätzlichen Vorteil, dass der erzeugte Strom auch anderweitig genutzt oder in das Netz eingespeist werden kann.
Eine Vernetzung in den Sektoren Strom und Wärme ist also einfach machbar. Das Heizungssystem kann kostengünstig und in großen Mengen thermische Energie speichern, Batteriespeicher und auch die Elektromobilität bieten die Möglichkeit, elektrische Energie zu speichern. Es kann mit diesen Komponenten ein hochflexibles und effizientes Stromnetz dargestellt werden.
Ergänzt wird dieses System mit Wärmenetzen, in die in ähnlicher Weise Umweltwärme, z. B. aus geothermischen und solarthermischen Anlagen, einkoppeln und aus denen benötigte Wärme entnommen werden kann. Der Wärmesektor setzt nicht nur auf Energiesparen und Dämmen, sondern vielmehr auf Erneuerbare Energien und vernetzungsfähige Systemtechnik zur Sektorenkopplung. Damit wird die Haustechnik deutlich komplexer und umfangreicher und es stellen sich die Herausforderungen einer technischen und wirtschaftlichen Umsetzung.

Autor:
Prof. Dr.-Ing. Klaus Heikrodt, Hochschule Ostwestfalen-Lippe, Labor für Energietechnik, Lemgo

 


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