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Hochschulzugangsberechtigung für Meister: Ein Gewinn für die SHK-Branche?

Jahrzehnte konnte nur derjenige ein Studium an einer Hochschule beginnen, der über eine bestimmte Mindestqualifikation verfügte. Zwei Wege waren möglich: Man hatte die gymnasiale Oberstufe erfolgreich abgeschlossen (G9, heute G8) oder man erhielt die Zugangsberechtigung, indem man eine Fachoberschule mit Praktikum oder Berufsausbildung erfolgreich abschloss. Dieses Prinzip verfolgte den Zweck, die Schüler auf das Studium an einer Hochschule vorzubereiten. Im Jahr 2008 beschloss die Hochschulrektorenkonferenz dann eine Neuordnung des Hochschulzugangs. Insbesondere beruflich Qualifizierten sollte die Möglichkeit eröffnet werden, ein Studium aufzunehmen. Ein Jahr später einigten sich die Kultusminister der Länder darauf, dass ein fertiger Meister oder Techniker die gleiche Qualifikationsstufe zuerkannt bekommen soll wie ein Gymnasiast: die allgemeine Hochschulreife. Damit können heute auch jene Personen studieren, die sich beruflich fortgebildet haben. Gleichwohl steht es den Hochschulen offen, eine bestandene Eignungsprüfung für die Aufnahme eines Studiums vorauszusetzen. Mit der Möglichkeit, dass heute ein Sanitär- und Heizungsbaumeister studieren kann, wurden alte Strukturen aufgebrochen. Und wie bei allen Veränderungen stellt sich die Frage: Ist das nun eine gute Entwicklung oder schadet sie? Gewinnt die SHK-Branche oder verliert sie?

Dipl.-Ing. Hans-Peter Sproten, Hauptgeschäftsführer Fachverband Sanitär Heizung Klima NRW

 

PRO

Prof. Dr.-Ing. Michael Deichsel, Dekan der Fakultät Maschinenbau und Versorgungstechnik an der Technischen Hochschule Nürnberg

Mit dem Beschluss des bayerischen Landtags im Jahr 2008, Meistern den Hochschulzugang zu gewähren, nahmen wir an der Georg-Simon-Ohm-Hochschule Nürnberg (seit Kurzem Technische Hochschule Nürnberg) Meister als Studierende auf. Dahinter stand der Gedanke, dass die Praxis­erfahrung eines Meisters, auf die ein Ingenieurstudium aufbauen kann, die ideale Voraussetzung für einen erfolgreichen Fachingenieur ist. Gute Ingenieure mit Praxiserfahrung sind Garanten für Erfolge in der Planung, Ausführung und Projektleitung und von ihren Kompetenzen profitiert auf lange Sicht die ganze Branche. Unsere ersten Meister, die den Bachelor in Versorgungstechnik abschlossen, sind dafür das beste Beispiel.
„Die Verzahnung von Theorie und Praxis durch die Kombination Meister plus Studium hilft mir heute sehr bei meiner Arbeit als Ingenieur. Erstens konnte ich mir im Studium eine effektive Arbeits- und Lernweise aneignen. Zweitens weiß ich nun, warum etwas funktioniert, kann Anlagen theoretisch planen, habe aber als Meister so viel Erfahrung aus der Praxis, dass ich weiß, dass nicht alles, was theo­retisch möglich auch praktisch umsetzbar ist. Mein akademischer Hintergrund hilft mir zudem bei öffentlichen Ausschreibungen“, so Christian Lohberger, Installateur- und Heizungsbaumeister, der 2011 den Ingenieur in Versorgungstechnik abschloss und heute nebenberuflich an der TH Nürnberg lehrt.
Auch Steffen Wittmann, Anlagenmechaniker, Installateur- und Heizungsbaumeis­ter und Student der Versorgungstechnik im 4. Semester, ist sich sicher. „Ein Ingenieur, der bereits mit langjähriger Praxis­erfahrung als Meister vom Studium zurück in die berufliche Tätigkeit geht, kann von vorneherein gezielter und damit weniger problemanfällig planen. Eine effektive Arbeitsweise und hohe Planungssicherheit sparen Kosten und führen somit auch zu höherer Zufriedenheit beim Kunden. Langfristig dürfte der Hochschulzugang für Meister deshalb zu einer Imageverbesserung der Branche beitragen“.
Wenn Meister Abiturienten gleichgestellt sind, erfährt die handwerkliche Berufslaufbahn eine Aufwertung. Der befürchtete Schwund von Facharbeitern an der Basis könnte dadurch sogar eher gebremst als beschleunigt werden. Die SHK-Branche kann ihrem Image- und Nachwuchsproblem entgegenwirken, wenn sie sich jungen Menschen als vielfältige, wenig krisenanfällige Branche präsentiert, die Aufstiegschancen vom Gesellen über den Meister zum Ingenieur bis hin zum Hochschuldozenten und Professor bereithält.
Die Anerkennung ihrer beruflichen Qualifikation führt bei unseren Meisterstudierenden zu hoher Motivation und Leis­tungsbereitschaft und die Praxiserfahrung der beruflich qualifiziert Studierenden erweist sich als eine Bereicherung für die Hochschule, für Mitstudierende und auch für uns Lehrende. An der TH Nürnberg unterstützen wir deshalb beruflich Qualifizierte mit bedarfsgerechten Zusatzangeboten gerade in der schwierigen Studieneinstiegsphase. Im weiteren Studienverlauf stehen die Meister ihren Kommilitonen in nichts nach und profitieren gerade in den anwendungsorientierten Fächern stark von ihrer Berufserfahrung. Spezialisierungen im Studium, wie Energie-, Kälte-, Heizungs- und Klimatechnik, Gas- und Wasserversorgung eröffnen ebenso wie die „Energiewende“ und der Ausbau Regenerativer Energie neue spannende Berufsfelder.
Herr Lohberger schloss als einer der ers­ten Meister den Bachelor in Versorgungstechnik als Jahrgangsbester ab. Die SHK-Branche sollte auf solche Botschafter für ihre Branche nicht verzichten.


CONTRA

Dipl.-Ing. Hans-Peter Sproten, Hauptgeschäftsführer Fachverband Sanitär Heizung Klima NRW

„Meister an die Hochschulen“ – dass dieser Forderung in NRW politisch Rechnung getragen wurde und seit einiger Zeit auch Handwerker ohne Abitur/Fachabitur an Hochschulen studieren können, ist aus Sicht der Praxis im besten Falle mit sehr gemischten Gefühlen zu betrachten. Nicht nur bezogen auf die dem SHK-Bereich zuzuordnenden Studiengänge Ver- und Entsorgung (ehemals Versorgungstechnik) werden an Studienanfänger hohe theoretische Zugangsvoraussetzungen gestellt. Technisch geprägte Studiengänge beinhalten nun einmal Fächer wie höhere Mathematik, technische Mechanik, Strömungslehre, Thermodynamik und verschiedenes mehr auf einem Einstiegsniveau, das selbst den Studienanfängern mit (Fach-)Abitur in den ersten vier Semestern sehr viel abverlangt und eine hohe Durchfallquote erzeugt.
Ohne Zweifel deckt das SHK-Handwerk ein fachlich sehr anspruchsvolles und immer komplexer werdendes Tätigkeitsfeld ab. Jedoch sind die Anforderungen im Vergleich zum Studium und zum Aufgabengebiet eines späteren Akademikers schlichtweg anders gelagert: Ein Geselle oder Meis­ter ist praktisch geprägt bzw. orientiert. Bei ihm dreht es sich im Schwerpunkt um Fachspezifisches, Betriebspraxis und Anwendungstechnik. Nicht umsonst basieren seit Jahrzehnten die Ansätze für den „Meister des Handwerks“ auf theoretischen Grundlagen, die dazu führen, ein handwerkliches Gewerbe ausüben zu können. Lernstrategien zu entwickeln, mit deren Hilfe es gelingen mag, komplexe Differentialgleichungen oder thermodynamische Prozesse bis ins Detail nachzuvollziehen zu können, das alles gehört nicht dazu.
Es scheint verwegen von SHK-Meistern zu erwarten, diese Hürde zu Beginn des Studiums direkt zu nehmen. Noch frustrierender dürften diese Erfahrungen an Hochschulen für SHK-Facharbeiter sein.
Da der Übergang der Ingenieurstudiengänge auf Bachelor und Master leider nicht mit dem erwarteten und vollmundig angekündigten höheren Praxisanteil einhergeht, kommen die Stärken des Handwerksmeisters auch nicht im Verlauf des Studiums zum Tragen. Das zeigt wieder einmal, dass politisch geprägte Reformen oftmals realitätsfremd sind. Das vorliegende Zugeständnis „Hochschulzugangsberechtigung“, das dem sonst sehr selbstbewussten Handwerk eine Aufwertung verschaffen sollte, macht es nun zum Anhängsel von Hochschulen.
Fakt sind eine Vielzahl frustrierter Handwerker und noch frustrierterer Unternehmen, die statt einer Weiterbildung des Gesellen mit oder ohne Meisterabschluss nun die Abwanderung zur Hochschule erleben müssen. Ist das Studium dennoch eine Erfolgsstory, geht der studierte Handwerker in der Regel für das Handwerksunternehmen verloren. Solche Absolventen wechseln lieber in die besser bezahlende Industrie. Das macht für SHK-Unternehmen, wie auch für die Wirtschaftsmacht Deutschland mit hoch qualifizierendem, im Ausland konkurrenzlosem Ausbildungssystem keinen Sinn.
Nicht nur in Zeiten des Fachkräftemangels ist ein Persilschein für den Hochschulzugang der falsche Weg. Vielmehr ist es aus Sicht des Handwerks wichtig und notwendig, die überaus guten Möglichkeiten einer handwerklichen Karriere gegenüber aufstrebenden, jungen Menschen, der eigenen Branche und der Gesellschaft im Allgemeinen deutlich herauszustellen. Die im letzten Jahr eingeführte NRW-landesweit einheitliche Gesellenprüfung ist ein erster Schritt zu dem erforderlich hohen Fachniveau bei Innungsbetrieben, auf welches der Geselle im nächsten Schritt mit einer Meistervorbereitung handfest aufsatteln kann. So funktioniert Arbeitsplatzsicherung in Deutschland.


 


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