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CE-Kennzeichen und Anwendernormen Harmonisierung mit Hindernissen

Einheitliche Normen und Regelwerke sind eine zentrale Voraussetzung für den freien Warenverkehr in der Europäischen Union. Im Gas- und Wasserfach prägen aber immer noch zahlreiche nationale Vorschriften oder (Ergänzungs-)Normen das Bild. Seit Jahren bemühen sich die europäischen Mitgliedstaaten daher um eine Harmonisierung der Standards. Es ist davon auszugehen, dass die bekannte CE-Kennzeichnung auch im Gas- und Wasserfach breit eingeführt wird. Welche Voraussetzungen dafür aus nationaler Sicht erfüllt sein sollten – das diskutierten im Rahmen eines Fachsymposiums Dipl.-Ing. Gerhard Cyris (DVGW) und Dipl.-Ing. Klaus Endrullat (DIBt) mit Franz-Josef Heinrichs (ZVSHK), Dr.-Ing. Günter Stoll (figawa) und Dipl.-Ing. Werner Schulte (Viega). Prof. Dr.-Ing. Klaus Homann (Präsident des Deutschen Instituts für Normung) moderierte das Gespräch in Berlin. Eine Zusammenfassung.

 

Deutschland hat bewährte Qualitätssicherungssysteme und Regelwerke, die den hohen nationalen Anforderungen an Schutzziele wie Erhalt der Trinkwassergüte oder Gassicherheit entsprechen. In anderen Ländern der EU gelten hingegen teilweise stark abweichende Richtlinien. So entsprechen beispielsweise in südlichen Ländern im Freien installierte Wandheizgeräte und entsprechende Gasleitungen der Baupraxis und den dort gegebenen Vorschriften. In Deutschland bestehen für solche Anwendungen – allein schon aufgrund anderer klimatischer Bedingungen – andere Regeln der Technik. Das führt zwangsläufig auch zu anderen Zulassungskriterien für die entsprechenden Produkte und beeinträchtigt so den grenzüberschreitenden Handel in der EU. Für die Hersteller bedeutet das aufwendige Prüf- und Zertifizierungsverfahren, damit beispielsweise ein Pressverbinder oder eine Armatur uneingeschränkt im Nachbarland installiert werden darf.

Italien, England, Spanien, Griechenland: Die Praxisbeispiele verdeutlichen die unterschiedlichen europäischen Installationsgewohnheiten. Eine Annäherung der Normen und Regelwerke kann nur über Zwischenschritte erfolgen.

 

Ein Ausweg könnte die schon für einige Produktbereiche in der EU eingeführte CE-Kennzeichnung sein. Doch der „Europäische Reisepass“ für Produkte hat für den Anwender seine Tücken. Beispiel Gasgeräte: Ob ein Gasgerät in einem Mitgliedstaat eingesetzt werden darf, ist nämlich nicht allein an der CE-Kennzeichnung, sondern nur an zusätzlichen Merkmalen abzulesen. Dazu gehören Aufstellungs-, Bedienungs- und Warnhinweise. Darüber hinaus haben sich die Gerätehersteller geeinigt, auf der Basis der Europäischen technischen Norm DIN EN 437 die darin für jedes Land beschriebenen unterschiedlichen Gaskategorien und Eingangsdrücke jeweils durch ein nationales Kürzel zu dokumentieren. Dabei steht „DE“ für Deutschland, „FR“ für Frankreich, „IT“ für Italien usw. Findet sich also neben der CE-Kennzeichnung auch ein solches Nationalitätenkürzel, dann, und nur dann, erklärt der Hersteller, dass das Gerät für die in dem benannten Bestimmungsland vorhandenen Versorgungsbedingungen geeignet ist. Anderes Beispiel: Rohrdämmstoffe. Sie müssen ab August 2012 mit dem CE-Kennzeichen versehen sein. Die Zulassung des Bauprodukts obliegt aber weiterhin den nationalen Zulassungsstellen. Das heißt, in Deutschland werden Rohrdämmstoffe weiterhin vom Deutschen Institut für Bautechnik DIBt mit einer Allgemeinen Bauaufsichtlichen Zulassung (ABZ) für die Anwendung im Hochbau freigegeben. Bei der Verarbeitung von Rohrdämmstoffen im Hochbau müssen Fachhandwerker künftig also grundsätzlich auf die CE-Kennzeichnung und die bauaufsichtliche Zulassung achten.

CE-Kennzeichen und Anwendernormen – eigentlich zwei Paar Schuhe. Doch sauber trennen lassen sich die Bereiche nicht. Das eine greift ins andere. Der stellvertretende Geschäftsführer Technik des Zentralverbandes Sanitär Heizung Klima, Franz-Josef Heinrichs, weist deshalb nachdrücklich darauf hin, dass die CE-Kennzeichnung für Produkte nur ein erster Schritt sein kann – der nicht ohne vergleichbare Voraussetzungen für die fachgerechte Montage betrachtet werden sollte. „Europäische Normung ist dann zielführend, wenn die Produkte auch künftig den Anforderungen der Baupraxis auf einem vertretbaren Qualitätsniveau entsprechen.“

Europäische Normung ist dann zielführend, wenn die Produkte auch künftig den Anforderungen der Baupraxis auf einem vertretbaren Qualitätsniveau entsprechen. Franz-Josef Heinrichs

Das CE-Zeichen bestätigt Mindestanforderungen, das DVGW-Zeichen steht für Qualität. Dipl.-Ing. Gerhard Cyris

Vor allem kleine und mittelständische Unternehmen mit innovativen Produkten profitieren von der Möglichkeit, CE-Kennzeichen über Einzelzulassungen zu erhalten. Dipl.-Ing. Klaus Endrullat

Nationale Alleingänge sind in der Normung der falsche Weg. Dipl.-Ing. Werner Schulte

Die Schere zwischen hochwertigen, zertifizierten Produkten und minderwertigen, nicht zugelassenen Produkten für die Trinkwasser-Installation klafft immer weiter auseinander. Dr.-Ing. Günter Stoll

Moderierte das Gespräch in Berlin: Prof. Dr.-Ing. Klaus Homann, Präsident des Deutschen Instituts für Normung.

 

Sinnvolle Co-Existenz
Welche Rolle aber spielen nationale Qualitätszeichen im künftigen europäischen Regelwerk? Eine bedeutende, meint Dipl.-Ing. Gerhard Cyris vom Deutschen Verein des Gas- und Wasserfaches (DVGW). Er sieht mittelfristig eine Co-Existenz der DVGW-Kennzeichnung und des CE-Zeichens kommen – das eine weiterhin als Gütesiegel, das andere ergänzend als „Hersteller-Erklärung“ zu den gesetzlichen Mindestanforderungen eines Produktes. „Der Gesetzgeber räumt den DVGW-Arbeitsblättern den Status von allgemein anerkannten Regeln der Technik ein. Der Anwender kann also rechtssicher davon ausgehen, dass bei Beachtung der DVGW-Regeln zugleich den öffentlich-rechtlichen Vorschriften entsprochen wird.“ Die DVGW-Arbeitsblätter wiesen damit ein Qualitätsniveau aus, wie es für Produkte im Kontakt mit Trinkwasser oder in Gas-Installationen notwendig sei. Das CE-Kennzeichen könne und werde aber ein wichtiger Schritt in der Weiterentwicklung des europäischen Normungssystems sein, so Cyris.

Dipl.-Ing. Klaus Endrullat, bis vor Kurzem Leiter des Referats Heiz-, Raumlufttechnik beim Deutschen Institut für Bautechnik (DIBt), sieht in der CE-Kennzeichnung „die große Chance, dass dem freien Warenverkehr ganz weit die Tür aufgemacht wird.“ Nationale und europäische Zulassungen seien ein exzellentes Tool, um auf die Sicherheitsanforderungen der Produkte eines einzelnen Herstellers individuell eingehen zu können. „Zulassungen und Normungen stehen nicht im Gegensatz zueinander, sondern ergänzen sich.“ Davon profitierten insbesondere kleine und mittelständische Unternehmen, denn deren innovative Produkte blieben bei mancher EN-Normung unberücksichtigt und könnten dann oft nur über eine Einzelzulassung (sogenannte European Technical Approval - ETA) ein CE-Zeichen erlangen.“

Und was sagen die Hersteller?
Dipl.-Ing Werner Schulte leitet bei Systemanbieter Viega das Technische Marketing und vertritt den Hersteller seit Jahren in zahlreichen Gremien und Ausschüssen. Dort hat er die Schwierigkeiten erlebt, für vergleichsweise unspektakuläre, aber sicherheitsrelevante Installationskomponenten wie beispielsweise Pressverbinder einen EU-weiten Normungskonsens zu finden – es sei bis heute nicht gelungen…

„Die fortschreitende Harmonisierung des europäischen Binnenmarktes im Gas- und Wasserfach bietet einerseits Chancen für Einsparungen im Bereich der Produktzertifizierungen. Andererseits ist aber zugleich ein ,Downgrading‘ der europäischen Regelwerke gegenüber den nationalen Standards zu erkennen. Das ist aus unserer Sicht aber nicht akzeptabel, denn gemessen an ihrem vergleichsweise geringen Wert in einer Gesamtinstallation können auch Produkte wie ein Pressverbinder, z.B. unter dem Estrich verlegt, immens hohe Schäden verursachen. Entsprechend nachdrücklich treten wir für die Erhaltung des erreichten deutschen Qualitätsniveaus auch in den Normen und Regelwerken des zukünftigen gemeinsamen Marktes ein“. Nationale Alleingänge seien aber prinzipiell die falsche Richtung.

Dr.-Ing. Günter Stoll, Geschäftsführer von Grünbeck Wasseraufbereitung und Präsidiumsmitglied der figawa, einem technisch-wissenschaftlichen Verband mit rund 1100 Herstellern als Mitgliedsunternehmen, möchte ebenfalls keine nationalen Alleingänge. Stattdessen fordert er europaweit einheitliche Standards, die im Interesse des Verbrauchers hohe Qualitätsniveaus sicherstellen müssen. „Die in der figawa organisierten Industrieunternehmen kämpfen seit langer Zeit an zwei Fronten. Zum einen schafft es die Europäische Kommission seit vielen Jahren nicht, europaweit einheitliche Standards für Materialien in Kontakt mit Trinkwasser zu schaffen. Die Konsequenz sind nationale Sonderwege, die unter anderem zu einem immensen Prüfaufwand für die Zulassung der einzelnen Produkte führen. Zum anderen werden die nationalen Anforderungen immer weiter verschärft.“ Das erhöhe die ohnehin schon beträchtlichen Prüfgebühren zusätzlich. Dadurch klaffe die Schere zwischen hochwertigen, zertifizierten Produkten und minderwertigen, nicht zugelassenen Produkten für die Trinkwasser-Installation immer weiter auseinander.


Kupferrohre mit CE-Kennzeichnung – ein Beispiel aus der Praxis
Bereits seit 2009 ist die CE-Kennzeichnung von blanken Kupferrohren für die Hausinstallation vorgeschrieben. Auch hier bekundet das CE Kennzeichen lediglich die Übereinstimmung des Produkts Kupferrohr mit den im EU-Bereich geltenden Anforderungen. Sie sagt nichts darüber aus, ob das Kupferrohr beispielsweise im Gas- oder Trinkwasserbereich eingesetzt werden kann. Im vorgenannten Fall ist ein DVGW-Zertifikat erforderlich. Lediglich für den Einsatzbereich Heizung gibt es keine entsprechenden Zertifizierungen; die entsprechende Produktnorm EN 1057 verlangt lediglich eine für den Einsatzfall geeignete Temperatur- und Druckbeständigkeit. In diesem Fall ist das CE Kennzeichen also geeignet, die Übereinstimmung mit den allgemeinen Anforderungen nachzuweisen.


CE ja, aber nicht um jeden Preis
Das Fazit der Fachleute fiel trotz unterschiedlicher Betrachtungs- und Herangehensweise nahezu gleichlautend aus. Das stellte Prof. Dr.-Ing. Klaus Homann in seinem Resümee fest: Generell wird die EU-weite Einführung der CE-Kennzeichnung für die Produkte des Gas- und Wasserfachs begrüßt, da es den Warenverkehr ebenso erleichtert wie die Ausführung von handwerklichen Leistungen mit eben diesen Produkten und Systemen. Das europaweit einheitliche Zulassungswesen für Produkte des Gas- und Wasserfachs stehe aber aktuell immer noch vor einer entscheidenden Hürde: Die gewachsenen nationalen Installationsgewohnheiten und -regeln unterscheiden sich teilweise nach wie vor so stark, dass nur über Zwischenschritte eine Annäherung der Normen und Regelwerke erfolgen kann. Aus Sicht der Fachleute sind vorerst eine Kombination aus CE-Kennzeichnung und die Absicherung der nationalen Qualitätsanforderungen über ergänzende Prüfzeichen wie beispielsweise vom DVGW denkbar. Langfristig, und da waren sich auch alle Experten einig, sei aber nur ein gemeinsamer, einheitlicher Standard vertretbar, um die Position der EU-Länder im globalen Wettbewerb zu stärken.

Anmerkung der Redaktion: Lesen Sie dazu auch den Standpunkt auf Seite 3.


CE-Kennzeichnung
Die 1995 eingeführte CE-Kennzeichnung ist gewissermaßen der sicherheitstechnische „Reisepass“ für Produkte und Maschinen innerhalb der EU. „CE“ stand dabei ursprünglich für Communauté Européenne (Europäische Gemeinschaft). Heute ist „CE“ ein reines Warenzeichen. Grundlage ist Beschluss Nr. 768/2008/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 9. Juli 2008 über einen gemeinsamen Rechtsrahmen für die Vermarktung von Produkten und zur Aufhebung des Beschlusses 93/465/EWG des Rates. Dieser Rechtsrahmen für die Vermarktung von Produkten legt unter anderem gemeinsame Begriffsbestimmungen, einheitliche Bewertungsverfahren für die Produkte und die entsprechenden Pflichten für die Hersteller fest. Die Regelung versteht sich dabei als eine Art Werkzeugkas­ten: In den EU-Rechtsvorschriften sind nur die wesentlichen Anforderungen festgelegt. Ansonsten müssen harmonisierte Normen angewandt werden. Ist durch eine Übereinstimmungserklärung bestätigt, dass ein Produkt den in der EU geltenden Anforderungen entspricht, darf der Hersteller die „CE“-Kennzeichnung auf dem Produkt anbringen. In der dazu gehörenden „CE“-Konformitätserklärung geben die Hersteller unter anderem ihren Namen, die eingetragene Handelsmarke und ihre Kontaktanschrift an. Importeure und Händler haben sich zu vergewissern, dass der Hersteller seinen Pflichten in der Serienfertigung nachgekommen ist. Sie müssen beispielsweise überprüfen, ob das Produkt die Konformitätskennzeichnung trägt und die erforderlichen Unterlagen vorliegen. Hersteller, Händler und Importeure haben außerdem den Behörden alle Informationen über das Produkt vorzulegen, damit dessen Rückverfolgbarkeit gewährleistet ist. (Quelle: Europäische Union)


Seitenblick
Der Frage „Bringen europäisierte DIN-Normen dem Handwerk einen Nutzen?“ haben wir uns in der Rubrik Pro & Contra bereits im Jahr 2009 gewidmet. Die Pro-Seite hat damals Ernst-Peter Ziethen vom DIN übernommen. Für die Contra-Seite zeichnete Günter Reuther, Prokurist der Canzler Ingenieure GmbH in Mülheim an der Ruhr, verantwortlich. Nachzulesen unter www.ikz.de (Suchwort: Ziethen).


 


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