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„Wir brauchen in der Branche eine neue Debatte“

Interview mit Johannes Weniger von der HTW Berlin zum Thema Solarstromspeicher

Bild: Alexander Rentsch, HTW Berlin

Zwei von mehreren grundsätzlichen Erkenntnissen der Untersuchung waren, dass je nach Systemeffizienz der Unterschied im Einsparpotenzial beträchtlich sein kann und dass die Einsparungen aber nicht zwangsläufig mit der Größe der Speicher korrelieren. Vor dem Hintergrund fallender Systempreise wird das Thema Effizienz weiter an Bedeutung gewinnen. Bild: HTW Berlin

Die HTW Berlin hat im Rahmen der Studie erstmals einen Effizienz-Index (System Performance Index, SPI) für Batteriesysteme entwickelt. Allerdings nahmen nicht alle Hersteller, die sich der Bewertung unterzogen, daran namentlich teil. Dennoch lassen sich grundsätzliche Erkenntnisse ableiten. Bild: HTW Berlin

 

Die Berliner Hochschule für Technik und Wirtschaft (HTW Berlin) hat 20 Solarstromspeicher unter die Lupe genommen und vergleichbar gemacht. Die sogenannte „Stromspeicher-Inspektion 2018“ soll mehr Transparenz in den Markt für Solarspeichersysteme bringen. Die Studie stellt auch weit verbreitete Pauschalaussagen, z. B. zur Wahl der Speichergröße und Relevanz der Speicherverluste, infrage. Wir sprachen mit dem Hauptautor und Solarbatterie-Experten Johannes Weniger über die Ergebnisse.

IKZ-Energy:
Herr Weniger, die derzeitige Intransparenz auf dem wachsenden Solarstromspeicher-Markt haben Sie und Ihre Kollegen im Rahmen der Studie am eigenen Leib erfahren: Bei der Durchsicht der 60 Datenblätter wurden insgesamt 45 unterschiedliche Bezeichnungen zur Angabe der Speicherkapazität gefunden. Wie soll man da durchsteigen?
Johannes Weniger: Zunächst einmal muss man sagen, dass der Markt für Solarstromspeicher erst in den letzten vier Jahren so richtig an Fahrt aufgenommen hat. Im Gegensatz zu Wärmespeichern, Wärmepumpen oder Solarmodulen ist die Technologie also noch vergleichsweise jung. Dementsprechend ist die Standardisierung der Begrifflichkeiten auch noch nicht so weit fortgeschritten. Das Problem der eingeschränkten Vergleichbarkeit der Speichersysteme wurde aber frühzeitig von der Branche erkannt: Mit dem „Effizienzleitfaden für PV-Speichersysteme“ wurden Anfang 2017 einheitliche Prüfverfahren für Labortests veröffentlicht. Der Effizienzleitfaden enthält auch Vorschläge zur einheitlichen Benennung der Systemparameter. Zahlreiche Forschungsinstitute, Hersteller und Prüflabore waren an der Erstellung des Effizienzleitfadens beteiligt. Es existieren also branchenweit anerkannte Vorgaben zur Angabe der technischen Daten von Speichersystemen. Ein Grund, wieso diese bislang selten in Datenblättern zu finden sind, ist sicherlich auch die mangelnde Nachfrage danach.

IKZ-Energy:
Wie war das Verhalten der von Ihnen angeschriebenen Unternehmen? War man interessiert, an der Studie teilzunehmen oder war das Interesse eher verhalten?
Johannes Weniger: Für die Teilnahme an der Studie hatten wir alle in Deutschland aktiven Hersteller und Anbieter von Systemlösungen und Komponenten zur Speicherung von Solarstrom eingeladen. Voraussetzung war es, dass die Unternehmen Prüfberichte gemäß Effizienzleitfaden ihrer Produkte zur Verfügung stellen. Vor der Studie hatte nur SMA als einziger Systemanbieter diese Daten veröffentlicht. Unserem Aufruf sind jedoch zehn Hersteller gefolgt, die sich an der Studie mit Labormessdaten von 20 Systemen beteiligt haben. Die zehn Unternehmen repräsentieren mehr als die Hälfte des deutschen Solarstromspeicher-Markts. Von daher wurden unsere Erwartungen bei Weitem übertroffen.

IKZ-Energy: Eine Erkenntnis der Studie lautet, dass größer nicht gleich besser ist – warum hat man das bisher angenommen und worauf ist zurückzuführen, dass das gar nicht stimmen muss?
Johannes Weniger: In Verkaufsgesprächen geht es heute eher um die Größe des Batteriespeichers und weniger um die System­effizienz oder Speicherverluste. Je grö-
ßer die Speicherkapazität, so lautet oft die Empfehlung, desto größer ist die erreichbare Eigenversorgung. Der simulationsbasierte Vergleich der unterschiedlichen PV-Speichersysteme im Rahmen der Studie zeigt eindrucksvoll, dass Geräte mit größerer Speicherkapazität nicht immer in der Lage sind, den Strombezug aus dem Netz zu senken. Der Grund hierfür: Hohe Umwandlungs- und Standby-Verluste von größer dimensionierten Speichersystemen können den eigentlichen Nutzen der größeren Speicherkapazität zunichtemachen. Der Vorteil eines hocheffizienten Systems ist mindestens so groß wie der Nutzen eines um 2 kWh größeren Batteriespeichers. Wir brauchen in der Branche also eine neue Debatte, bei der nicht die Größe des Batteriespeichers, sonst die Systemeffizienz im Mittelpunkt steht.

IKZ-Energy: Wenn ich ein Verbraucher bin, der sich für ein System aus Photovoltaik plus Solarstromspeicher interessiert – was würden Sie mir zum Speicher raten, worauf sollte ich bei den Angaben achten?
Johannes Weniger: Einer der Schlüsselfaktoren für einen effizienten Betrieb sind geringe Umwandlungsverluste der Leis­tungselektronik. Bei einer Ausgangsleis­tung von 1000 W sind Umwandlungswirkungsgrade oberhalb von 95 % ein Indiz für ein sehr gutes Teillastverhalten. Alle Umwandlungspfade sollten diesen Wert erreichen, damit möglichst wenig Strom im Speichersystem als Abwärme verpufft. Effiziente Batteriespeicher kommen auf einen mittleren Batteriewirkungsgrad von über 95 %. Je nach Systemdimensionierung ist ein Batteriespeicher 2000 bis 4000 Stunden im Jahr komplett entladen. Die Asketen unter den Speichersystemen verbrauchen im Standby-Modus dann weniger als 5 W. Ein Batteriespeicher muss zudem starke Leistungsschwankungen im Haus meistern: Eine schnelle Systemregelung kann nach einem Leistungssprung in weniger als 2 s die Batterieleis­tung anpassen. Des Weiteren ist auch die Genauigkeit der Systemregelung entscheidend. Während des Lade- und Entladevorgangs sollte die Abweichung vom Sollwert bei unter 5 W liegen. Wer tiefer in die technischen Details der Speichersysteme einsteigen und nicht die Katze im Sack kaufen möchte, sollte beim Hersteller nach den erwähnten Parametern fragen. Diese sind in der Regel in Prüfberichten gemäß Effizienzleitfaden zusammengefasst.

IKZ-Energy: Sie haben im Rahmen der Studie erstmals einen Effizienz-Index für Batteriesysteme entwickelt, der diese untereinander vergleichbar macht. Was hat der Index an Ergebnissen und Erkenntnissen hervorgebracht?
Johannes Weniger: Durch die simulationsbasierte Systembewertung mit dem System Performance Index (SPI) konnten wir im Rahmen der Studie die Energieeffizienz von AC- und DC-gekoppelten PV-Speichersystemen vergleichbar machen. Das Ergebnis: Der mittlere SPI beider Systemkonzepte war überraschenderweise mit 88,1 % identisch. Auf Effizienz getrimmte AC-gekoppelte Systeme konnten geringere Effizienzeinbußen erzielen als der Großteil der DC-gekoppelten Systeme. Spannend ist es auch, wenn man einen Blick auf die Markteinführung der untersuchten Geräte wirft. Hier zeigt sich, dass gleich mehrere Hersteller mit neueren Produkten eine bessere Systemeffizienz erzielen konnten. Bei vielen Unternehmen ist anscheinend die Effizienz in den vergangenen Jahren stärker in den Mittelpunkt der Produktentwicklung gerückt. Ob dies auch auf die Hersteller, die nicht an der Studie teilgenommen haben, zutrifft, können wir allerdings nicht sagen.

IKZ-Energy: Die Studie zeigt gerade auch an dieser Stelle die Frage nach der Transparenz am Markt. Manche Hersteller wollten nicht namentlich genannt werden. Dessen ungeachtet hat die Studie einen großen Wert, weil sie grundsätzliche Erkenntnisse liefert. Welche sind das zusammengefasst aus Ihrer Sicht?
Johannes Weniger: Aus der durchgeführten  Verlustanalyse geht hervor, dass im Durchschnitt rund 70 % der gesamten Systemverluste auf die Umwandlungsverluste entfallen. Kurz gesagt: Die Wirkungsgrade der Leistungselektronik dominieren mit großem Abstand die Gesamteffizienz eines Speichersystems. Bisher wurde die Bedeutung der Effizienzverluste oft unterschätzt. Die Studie brachte allerdings große Effizienzunterschiede zwischen den untersuchten Systemen zutage: Allein in den ersten zehn Jahren beträgt der finanzielle Vorteil des effizientesten Speichersystems gegenüber dem System mit der geringsten Effizienz rund 1000 Euro. In Anbetracht sinkender Systempreise wird die Relevanz der Speicherverluste in Zukunft weiter steigen. Es ist also nur noch eine Frage der Zeit, bis sich auch im Speichermarkt ein Bewusstsein für hocheffiziente Produkte etabliert.

IKZ-Energy: Wer kann bzw. darf die Batteriekapazität heute ermitteln und wer müsste das eigentlich tun?
Johannes Weniger: Für belastbare Kapazitätsangaben auf Datenblättern sind in ers­ter Linie die Hersteller verantwortlich. Das heißt auch, dass bei modularen Systemen mit separaten Batteriespeichern die Wechselrichter- und Batterieanbieter in der Verantwortung stehen, die nutzbare Speicherkapazität korrekt anzugeben. Unabhängige Labortests von Forschungseinrichtungen oder Prüfinstituten sind weiterhin erforderlich, um die Kapazitätsangaben zu prüfen. In Extremfällen ist die entnehmbare Energie eines Batteriespeichers heute um bis zu 20 % geringer als die nutzbare Speicherkapazität im Datenblatt. Als Branche sollten wir das Vertrauen der Kunden durch realitätsferne Datenblattangaben nicht aufs Spiel setzen. Denn zufriedene Solarspeicherbesitzer sind für die Verbreitung der Technologie und für die Erschließung des Solarpotenzials im Wohngebäudebereich von entscheidender Bedeutung.

IKZ-Energy: Herr Weniger, vielen Dank für das Gespräch!
Die Fragen stellte Dittmar Koop.


Zur Person
Johannes Weniger ist seit 2013 wissenschaftlicher Mitarbeiter in der Forschungsgruppe ­„Solarspeichersys­teme“ an der Hochschule für Technik und Wirtschaft HTW Berlin. Dort forscht er zur Dimensionierung, Netzintegration und Energieeffizienz von Photovoltaik-Speichersystemen. Von 2009 bis 2013 war er in der Engineering-Abteilung der Solarpraxis AG tätig.


Info
Die aktuelle Studie „Stromspeicher-Inspektion 2018“ gibt es als Download unter: www.­stromspeicher-inspektion.de
Bei dem Interview handelt es sich um die gekürzte Fassung. Die Langfassung können Sie online lesen unter www.ikz.de

 


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