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(Wärme-)Energie aus dem Erdreich

Grundlagen für die Planung und Errichtung erdgekoppelter Wärmepumpenanlagen auf Basis VDI 4640 Blatt 2

Bild 1: Die VDI-Richtlinie 4640 bildet eine wichtige Grundlage für die Planung und Errichtung qualitativ hochwertiger Anlagen für die thermische Nutzung des Untergrunds. Dazu wurde das Blatt 2 „Erdgekoppelte ­Wärmepumpen“ im Mai 2015 als Gründruck veröffentlicht.

Bild 2: Jährlich installierte erdgekoppelte Wärmepumpen, davon ca. 67 % mit Erdwärmesonden, rund 20 % mit Erdwärmekollektoren und ca. 13 % mit Grundwassernutzung. Die durchgezogene Kurve zeigt den durchschnittlichen jährlichen Rohölpreis in US$/Barrel.

Tabelle 1: Erforderliche dauerhafte Brunnenleistung in m³/h in Abhängigkeit von der durch das Grundwasser bereitzustellende Wärmeleistung in kW (entspricht der Verdampferleistung im Heizbetrieb) und dessen Temperaturänderung. (Quelle: VDI 4640 Blatt 2).

Tabelle 2: Maximalwerte der flächenspezifischen Entzugsleistungen und Entzugsarbeit für PE-Rohr 32 mm x 2,9 mm – Auszug aus VDI 4640 Blatt 2.

Bild 3: Typisches Lastprofil für Heizbetrieb, Brauchwarmwasser und sommerliche Kühlung. (Quelle: VDI 4640 Blatt 2)

Tabelle 3: Entzugsleistung bei Anlagenbetrieb Heizen und Warmwasser, mit TWP-Austritt ≥ -3 °C bei Maximalleistung, in W/m – Auszug aus VDI 4640 Blatt 2.

 

Die Oberflächennahe Geothermie hat in der ersten Dekade dieses Jahrtausends einen raschen Aufschwung mit erheblichen jährlichen Anlagenzuwächsen an erdgekoppelten Wärmepumpen erfahren. Allerdings ist dieser Trend seit 2009 rückläufig. Hierfür gibt es mehrere Ursachen. Einerseits ist die Installation einer erdgekoppelten Wärmepumpe kapitalintensiv im Vergleich zu anderen Heiztechniken und andererseits wurden die Genehmigungsverfahren wesentlich verschärft. Die restriktive Genehmigung mit zum Teil sehr kostspieligen Auflagen ist als Reaktion der Behörden auf mehrere Schadensfälle vor allem in Baden Württemberg zu sehen. Die VDI 4640 bildet hier mit ihrem Blatt 2 eine Grundlage für die Planung und Errichtung qualitativ hochwertiger Anlagen. Sie wird noch durch Leitfäden der einzelnen Bundesländer ergänzt, die auf die speziellen regionalen Anforderungen eingehen.

Die bereits im Jahre 2000 erschienene Richtlinie VDI 4640 „Thermische Nutzung des Untergrunds“ betrachtet alle Techniken der oberflächennahen Geothermie, ausgehend von der Planung über den Bau bis hin zum Betrieb derartiger Anlagen und deren Rückbau. Inzwischen besteht sie aus den folgenden fünf Blättern:

  • Blatt 1 „Grundlagen, Genehmigungen, Umweltaspekte“.
  • Blatt 2 „Erdgekoppelte Wärmepumpen“.
  • Blatt 3 „Unterirdische thermische Ener­giespeicher“.
  • Blatt 4 „Direkte Nutzungen“.
  • Blatt 5 „Thermal Response Test“.


Ziel der Richtlinie ist es, ausgehend vom Stand der Technik eine korrekte Auslegung, eine geeignete Materialwahl, die richtige Ausführung von Bohrungen sowie die korrekte Installation und Systemeinbindung von Anlagen zur thermischen Nutzung des Untergrunds sicherzustellen. Dem technischen Fortschritt wird dabei durch regelmäßige Revision (im Schnitt alle fünf Jahre) der Richtlinie Rechnung getragen. Im Mai 2015 ist das überarbeitete Blatt 2 „Erdgekoppelte Wärmepumpen“ im Gründruck erschienen. Blatt 5 „Thermal Response Test“ erscheint in Kürze als Gründruck.

Historische Entwicklung der VDI 4640
Der Richtlinienausschuss nahm im Juli 1995 seine Arbeit auf. Nach knapp drei Jahren Arbeit konnte im Februar 1998 der Gründruck von Blatt 1 „Grundlagen, Genehmigungen, Umweltaspekte“ und Blatt 2 „Erdgekoppelte Wärmepumpenanlagen“ der Öffentlichkeit vorgestellt werden. Die Fachwelt zeigte großes Interesse. Ende 2000 erschien der Weißdruck von Blatt 1 und 2001 der von Blatt 2. Blatt 3 zum Thema „Unterirdische Thermische Energiespeicher“ wurde im Juni 2001 und Blatt 4 „Direkte Nutzungen“ im September 2004 herausgegeben. Inzwischen wurden Blatt 1 und 2 vollständig überarbeitet und damit dem Fortschritt der Technik Rechnung getragen. Blatt 1 erschien im Juni 2010. Blatt 3 „Unterirdische Thermische Energiespeicher“ befindet sich derzeit in Revision. Der für die Planung größerer Anlagen wichtige Thermal Response Test (TRT), wurde als Blatt 5 in die Richtlinienreihe aufgenommen.
Die VDI 4640 hat in den letzten Jahren in der Praxis bei Genehmigungsbehörden, Planungsbüros, Herstellern von Halbzeugen und ausführenden Firmen Anerkennung gefunden. Dies zeigt sich auch in der starken Nachfrage nach der Richtlinie.

Blatt 2: „Erdgekoppelte Wärmepumpen“
Mit der Überarbeitung von Blatt 2, der Richtlinie des Monats im Mai 2015, wurde der rasanten Entwicklung des Marktes und den vielfältigen neuen Erkenntnisse aus dem Bau von Anlagen Rechnung getragen, was sich in umfangreichen Änderungen und Ergänzungen zeigt. Dabei wurden die Hauptkapitel beibehalten:

  • Thermische Nutzung des Grundwassers mit Brunnenanlagen,
  • Nutzung des oberflächennahen
  • Untergrunds mit
  • Erdwärmekollektoren,
  • Nutzung des Untergrunds
  • mit Erdwärmesonden,
  • Besonderheiten von Anlagen
  • mit Direktverdampfung,
  • Besonderheiten weiterer Wärmequellen(-senken)anlagen,
  • Systemeinbindung,
  • Wärmenutzungsanlagen,
  • Materialien für Wärmequellenanlagen,
  • Verhalten in Störfällen und Rückbau erdgekoppelter Wärmepumpenanlagen.


In der überarbeiteten Version werden alle Themenbereiche detaillierter behandelt als noch im Weißdruck von 2001. Wichtige Neuerungen sind die ausführlichen Angaben zur Auslegung, die Ergänzungen zur Installation und die geforderte Dokumentation der Anlage, die dem Bauherrn zu übergeben ist.

Thermische Nutzung des Grundwassers mit Brunnenanlagen
Dieser Abschnitt beschreibt ausführlich Auslegung, Planung und Bau von Brunnenanlagen, wobei ein enger Bezug zu Regelungen des DVGW hergestellt wird. Die wesentlichen Aspekte der Standortuntersuchung und Auslegung sind:

  • Welche Grundwasser-Fördermenge muss zur Verfügung gestellt werden?
  • Bietet der Untergrund am Standort die Voraussetzungen für eine ausreichende Brunnen-Ergiebigkeit?
  • Ist das Grundwasser am Standort (vor allem chemisch) für die Nutzung in einer Wärmepumpenanlage geeignet?


Der Wasserbedarf ergibt sich aus der Verdampferleistung der Wärmepumpe und der Temperaturspreizung am Verdampfer, also der Auskühlung des Grundwassers. Beide Werte können den Herstellerangaben der Wärmepumpe entnommen und daraus mit Tabelle 1 die Brunnenleistung ermittelt werden.

Nutzung des oberflächennahen Untergrunds mit Erdwärmekollektoren
Wesentliche Neuerung bei Erdwärmekollektoren gibt es im Bereich der „Auslegung“. Nachdem sie aus dem Untergrund bis etwa 5 m Tiefe saisonal gespeicherte Wärme entnehmen, muss besonders auf die Regeneration durch den Wärmestrom aus der Umgebung, Solarstrahlung und Niederschlag geachtet werden. Grundlegender Einflussparameter auf Wärmeleitfähigkeit und Wärmekapazität ist die Bodenfeuchte. Die neue Auslegung basiert auf detaillierten Simulationsrechnungen mit Wetterdaten der 15 Klimaregionen Deutschlands. Die Ergebnisse für Entzugsleistung, Entzugsarbeit, Volllaststunden und Rohrabstand sind beispielhaft als Ausschnitt für die Klimazonen 1 bis 3 und unterschiedliche Gesteinseigenschaften in Tabelle 2 angegeben.
Entsprechend wird auch die Auslegung von Erdwärmekollektoren aus Kapillarrohrmatten behandelt. Besonders wichtig ist, dass Erdwärmekollektoren nicht überbaut oder die Oberfläche über den Kollektoren versiegelt werden darf.

Nutzung des Untergrunds mit Erdwärmesonden
In der Neufassung wird auch bei Erdwärmesonden die Auslegung von kleineren Anlagen bis 30 kW sehr ausführlich behandelt. Es wurde eine Vielzahl von Simulationsrechnungen für unterschiedliche Randbedingungen durchgeführt und die Ergebnisse tabellarisch zusammengestellt. Diese Auslegungsrechnungen gelten für folgende Randbedingungen:

  • Bestimmtes Lastprofil (Bild 3).
  • Sondentiefe 50 bis 200 m.
  • Maximal 5 Sonden.
  • Keine thermische Wechselwirkung mit Nachbaranlagen.
  • Mind. 6 m Sondenabstand in Linienan­ordnung.
  • Jahresvolllaststunden 1200 h/a bis 2400 h/a.
  • Doppel-U-Sonde.

Bei Abweichungen von diesen Randbedingungen muss eine eigene Simulation durchgeführt werden.
Die Ergebnistabellen geben Entzugsleis­tungen für Wärmeleitfähigkeit 1, 2, 3, 4 W/(m ∙ K), bei turbulentem und laminarem Durchfluss für fünf verschiedene Volllaststunden und variabler Sondenzahl an (Tabelle 3). Für die minimalen Temperaturgrenzen 0°C, -3 °C und -5 °C und für reines Heizen sowie Heizen und Trinkwarmwasserbereitung sind jeweils eigene Tabellen aufgeführt. Schließlich gibt es noch Hinweise zum Vorgehen bei sommerlicher Kühlung.
Anlagen mit einer Heizleistung größer 30 kW und solche, die den angegebenen Anforderungen nicht entsprechen, z. B. mehrere unmittelbar benachbarte Einzelanlagen oder mehr als 2400 h/a Jahresvolllaststunden etc., erfordern eine eigene Simulationsrechnung. Als Eingabegrößen werden in der Regel der thermische Bohrlochwiderstand Rb (z. B. aus TRT), die Eigenschaften des Untergrunds , r, cp (z. B. aus TRT) und das genaue Lastprofil (mind. Monatsmittelwerte, Spitzenlast) benötigt. Für die Berechnung können analytische Lösungen, Nomogramme und vereinfachte Berechnungsverfahren (z. B. GEO-Handlight), Simulation mit Näherungsfunktionen und numerische Simulation (FD-/FE-Verfahren) eingesetzt werden.
In der Neufassung werden auch die hydraulische Auslegung sowie die Herstellung und der Einbau von Erdwärmesonden sehr ausführlich behandelt. Der Ringraumverfüllung wird der Bedeutung gemäß ein ausführlicher Abschnitt gewidmet, in dem auf die Anforderungen an die Baustoffeigenschaften und den Verfüllvorgang eingegangen wird.
Es werden in verschiedenen Bauphasen Sicht-, Druck- und Durchflussprüfung (nach DIN EN 805) gefordert, um die Sicherheit und Funktionstüchtigkeit der Anlage zu gewährleisten. Abschließend muss die Anlage einreguliert und eine ausführliche Dokumentation erstellt werden sowie die Einweisung des Betreibers in Bedienung, Wartung und Verhalten im Störfall erfolgen.

Weitere Kapitel in Blatt 2
Der Abschnitt „Besonderheiten weiterer Wärmequellen(-senken)anlagen“ wurde erheblich erweitert und behandelt Gründungspfähle, Tunnelbauwerke, kompakte Erdwärmekollektoren, Erdwärmekörbe, Grabenkollektoren und Speichersonden. Für Erdwärmekörbe werden Auslegungs­tabellen ähnlich denen von Erdwärmekollektoren angegeben.
Auch die abschließenden Kapitel – Systemeinbindung, Wärmenutzungsanlagen, Materialien für Wärmequellenanlagen und Verhalten in Störfällen und Rückbau erdgekoppelter Wärmepumpenanlagen – wurden überarbeitet und geben Hinweise für dessen Ausführung.
Mit dem grundlegend überarbeiteten Blatt 2 der Richtlinie wurde ein wichtiger Schritt zur Erhöhung der Qualität dieser Anlagen vollzogen.

Autor: Dipl.-Phys. Manfred Reuß, Bayerisches Zentrum für Angewandte Energieforschung e. V. – ZAE Bayern und Obmann des Richtlinienausschusses der VDI 4640

Bilder: Dipl.-Phys. Manfred Reuß

www.zae-bayern.de

 


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