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Vergessen – wiederentdeckt – tippverdächtig

Derzeit bieten drei Marken den Erdgasmotor als Alternative an: Fiat, Iveco, VW

Schnell getankt und langstreckentauglich: Beim aktuellen „Caddy TGI“ (VW) kann die mit Erdgas getestete Reichweite bis zu 600 km betragen. Bild: Thomas Dietrich

Minutensache: Der Tankvorgang an der Erdgassäule dauert unwesentlich länger als eine Diesel- oder Benzinfüllung. Stets ist auch ein Reservetank an Bord. Bild: Fiat Professional

Raumriese: Für den Check beim Kunden lassen sich beim kleinen „eco-load up!“ (VW) auf der Ladefläche über den Tanks etliche Servicekoffer deponieren. Bild: Thomas Dietrich

Gesamtkostenrechnung: Laut Fiat ist der Erdgas-„Ducato“ zwar 5900 Euro teurer als der vergleichbare Diesel, doch sollen Erdgaskosten und weitere günstige Faktoren den Aufpreis nahezu egalisieren. Bild: Fiat Professional

Emissionsarme Alternative wiederentdeckt: Seit Mitte 2017 verzeichnet der Erdgasantrieb nach einer längeren Durststrecke eine von Quartal zu Quartal steigende Nachfrage. Bild: Zukunft Erdgas

Keine Überraschung: Es gibt etliche Vorteile, die für Erdgasfahrzeuge schon seit Langem gelten. Deshalb ist der Aufschwung in dieser Sparte für Branchenkenner plausibel. Bild: DVGW

 

Der Rotstift beim Kosten-/Nutzenvergleich hat mancher Marke in den letzten Jahren den Erdgasmotor ausgetrieben. Werksintern erschienen Nachfrage und Entwicklungspotenzial zu gering. Bei leichten Nutzfahrzeugen setzen Fiat, Iveco und Volkswagen nach wie vor auf diesen alternativen Antrieb, haben die Weiterentwicklung vorangebracht und verzeichnen seit dem Diesel-Desaster einen vermehrten Zuspruch bei diesem Nischenangebot – für Branchenkenner ist diese Entwicklung plausibel.

Leichte Nutzfahrzeuge mit Erdgasantrieb konnten in den letzten Jahren den Motor abstellen und rollen lassen – denn sie befanden sich, statistisch gesehen und etwas zynisch betrachtet, kontinuierlich auf Talfahrt. Lange schien es, als ob nur noch eine Schar von Pendlern, Kommunalbetrieben, Individualisten und Ökos gerade für so viel Nachfrage sorgte, dass das Angebot bei einigen wenigen Marken bestehen blieb. Das war auch noch bis Mitte 2017 so. Und bis dahin konnte sich der Elektroantrieb über seinen Status freuen, in einer Umweltdebatte als Problemlöser zu gelten.

Bei Euro 6 genau hinschauen
Doch die anhaltende Dieselkrise hat alle Motorenentwicklungen auf den Prüfstand von Treu und Glauben gestellt. Immer wieder hat sich für den Kaufinteressenten gezeigt, dass es sich lohnt, nicht auf Slogans und Lockangebote hereinzufallen, sondern Vordergründiges zu hinterfragen. Beispielsweise ist die jetzt geltende Schadstoffgrenze Euro 6 kein Freibrief für die derzeit beste Technik. Nahezu ein Jahr hat es beispielsweise gedauert, dass in der breiten Öffentlichkeit verstanden wurde: Beim Verbrenner kommt es auf alle Emissionen im realen Fahrbetrieb an. Bei Fahrzeugen der ersten Generation, die gemäß Euro 6 zugelassen wurden, stand dies noch nicht im Fokus. Als eine Art Gütezeichen kann man jetzt die Zulassungsart Euro 6d Temp werten, die ab 2021 in Euro 6d übergeht. Mit dazu gehört der neue Abgastestzyklus WLTP. Diese Abkürzung steht für Worldwide Harmonized Light-Duty Vehicles Test Procedure und lässt sich übersetzen mit: weltweit einheitliches Leichtfahrzeuge-Testverfahren.
Und hierbei müssen die Hersteller endgültig Transparenz walten lassen. Mit der Konsequenz, dass es zwar bereits einige Pkws und nur sehr wenige leichte Nutzfahrzeuge gibt, die der Zulassungsart entsprechen. Doch werden im Sommer 2018 Tausende von Fahrzeugen produziert und abgestellt, die aber nicht ausgeliefert und zugelassen werden können, weil dem Kraftfahrt-Bundesamt die nötige WLTP-Freigabe noch nicht vorliegt. Im Fokus stehen Pkws, die im Herbst diese Hürde nehmen müssen – ob durch Nachbesserungen in der Soft- oder in der Hardware.
Leichten Nutzfahrzeugen, z. B. Kastenwagen, wird ein weiteres Jahr Zeit gegeben, um sich auf die Zulassungsart Euro 6d Temp vorzubereiten. Doch besteht da ein Kaufanreiz, sich jetzt für einen Lieferwagen oder Transporter mit nicht neuester Technik bzw. Zulassungsart zu entscheiden? Das begründet bei manchem Entscheider eine Kaufzurückhaltung.

Möglichst geringe Emissionen
Bevor die Erdgasfahrzeuge in diesem Beitrag in den Vordergrund rücken, seien noch weitere wichtige Aspekte erwähnt. Als im letzten Jahr durch den Diesel­skandal die Verunsicherung beim Autokäufer immer größer wurde, gab es (bei den Pkws) einen reflexartigen Trend zum Benziner und im bescheidenen Rahmen zum Elektroantrieb. Doch an eine nachhaltige Lösung für weniger Emissionen war dies nicht gekoppelt. Den Automobilherstellern kam diese „Schwarmintelligenz“ der Konsumenten keineswegs gelegen, denn die Order für mehr Benziner (zulasten der Diesel) negiert die in Europa überaus wichtige Bilanzierung der Emissionen innerhalb der Gesamtflotte einer Marke. Stehen beim Diesel vor allem Feinstaub und Stickoxid (NOx) unter besonderer Beobachtung, so gilt es beim Benziner den Schadstoffwert des Treibhausgases Kohlenstoffdioxid (CO2) weiter zu minimieren. Würde der Trend zum Benziner nach derzeitigem Stand der Technik bestehen bleiben, kämen Hersteller in Bedrängnis, die von der EU-Kommission festgelegten Emissionsgrenzen für den Gesamtabsatz ihrer Fahrzeuge (Flottengrenzwert) bis zum Jahr 2021 einzuhalten. Benziner emittieren nämlich bis zu 15 % mehr CO2 als Diesel.
Würde dagegen der Absatz von Erdgasfahrzeugen steigen, wäre dies für die Hersteller aufgrund allgemein niedriger Emissionswerte dieser Antriebsart ein willkommener Zuwachs. Selbst mit konventionellem Erdgas betriebene Fahrzeuge (hier auch CNG genannt:
Compressed Natural Gas) produzieren 96 % weniger NOx und 50 % weniger Feinstaub. Beim klimaschädlichen CO2 können 7 % eingespart werden. Ersetzt man nur ein Fünftel des Erdgases durch regenerativ erzeugte Gase, werden bereits 23 % weniger CO2 ausgestoßen. Ein rein mit Biogas betriebenes Auto fährt nach Angaben des DVGW (Deutscher Verein des Gas- und Wasserfaches) emissionsfrei.

Slogan beim E-Antrieb wird hinterfragt
Apropos emissionsfrei: Recherchen rund um die Produktion eines Elektroautos geben inzwischen keinen Anlass mehr zur Euphorie, sondern zu einer nüchternen Betrachtungsweise. Der Slogan „Null Emissionen“ wird hierzulande bei den Stromern gerne in den Vordergrund gestellt. Und die Region, in der der E-Antrieb eingesetzt wird, kann enorm davon profitieren. Doch inwieweit behält die Aussage ihren Wert in einer Gesamtenergiebilanz, in der die Art der Stromgewinnung und auch die Herstellung einbezogen wird? Auch ist von Relevanz, inwieweit Umweltbelastungen in eine andere Region der Erde verlagert werden, weil die energieintensive Herstellung der Fahrzeugakkus dort stattfindet. Die Entscheidung pro E-Antrieb ist daher allein aus ökologischen Erwägungen nicht leichtfertig zu treffen.

Erdgas als Alternative
Wenn Diesel, Benziner oder E-Antrieb mit Fragezeichen versehen sind: Was lässt sich darüber hinaus noch für den Einsatz im Handwerksbetrieb in Erwägung ziehen? Auf der Suche nach einer Alternative für den Fuhrpark wird der Unternehmer (vielleicht erneut) dem Erdgasantrieb begegnen. Liegt es Jahre zurück, seitdem man sich zuletzt mit dieser Antriebsart beschäftigt hat, so lohnt sich ein Neustart. Denn ein moderner Erdgasturbo hat mit einem heute zehn Jahre alten, mehr schlecht als recht auf Erdgas optimierten, leicht bollernden Ottomotor (außer dem Kraftstoff) nichts mehr gemein.
Das scheint bereits im Verlauf des Jahres 2017 auch manchem Kaufinteressenten die Entscheidung leicht gemacht zu haben. Seitdem nämlich ist der Absatz an Erdgasfahrzeugen von Quartal zu Quartal gestiegen. Im Vordergrund steht der Pkw-Bereich mit einem erheblich höheren Modellangebot als bei Nutzfahrzeugen. Das Webportal www.gibgas.de hält eine Gesamtübersicht zu den derzeit angebotenen Pkw- und Nutzfahrzeugmodellen auf dem neuesten Stand. Dazu gehört eine Vorschau, welche Marken im Modelljahr 2019 mit neuen Versionen kommen. Von Nutzen ist zudem, wenn man sich beispielsweise von www.gibgas.de oder www.erdgas.info eine App mit umfangreichen Serviceangeboten für Erdgasfahrer aufs Smartphone zieht, um deutschland- bzw. europaweit auf komfortable Weise mobil zu sein.

Sechs Nutzfahrzeuge stehen zur Wahl
Unter den Nutzfahrzeugen sind es durchweg bekannte Modelle, die zur Wahl stehen – und übrig geblieben sind. Hatte Daimler bis zum Sommer 2017 noch diverse Erdgas-Versionen des „Sprinter“ im Programm, so ist das Angebot mangels Nachfrage eingestellt worden.
Stark vertreten sind hierzulande die Italiener. Das liegt daran, dass sich Iveco und Fiat mit ihrem Erdgas-Programm auf einen großen heimischen Markt (Italien) stützen können. Wer darüber hinaus auch nördlich der Alpen von der ausgereiften CNG-Technik profitieren will, findet eine stattliche Auswahl vom Cityflitzer bis zum Großraumtransporter. Bemerkenswert ist vor allem, dass der „Daily“ (Iveco) mit CNG-Motor als Erster in seiner Klasse bereits die strengen zertifizierten RDE-Kriterien erfüllt (Real Driving Emissions = Reale Emissionen im Fahrbetrieb).
Volkswagen Nutzfahrzeuge ist in der CNG-Sparte für Gewerbetreibende mit dem kleinen Serviceauto „eco-load up!“ sowie dem Stadtlieferwagen „Caddy“ (in zwei Längen) präsent. Und es lohnt sich gerade bei dieser Marke, die Vergangenheit Revue passieren zu lassen.
In den letzten Jahren haben die Wolfsburger nochmals Verbesserungen auf bereits hohem Niveau erzielt. Schon der Erdgas-Turbo, der seit Ende 2008 zunächst im „Passat“ und dann auch im „Touran“ verbaut wurde, erwies sich als Top-Aggregat in puncto Leistung, geringem Verbrauch und Laufgeräuschen. Die ohnehin geringen Emissionen gerieten in der Vergangenheit nie in die Kritik. Heute, zehn Jahre später, zeigt der Vergleich zwischen diesen Entwicklungsschritten, dass VW die Technik seiner Erdgasfahrzeuge bereits für das Modelljahr 2017 in vielen Details verfeinert hat und seitdem inzwischen auch den „Caddy TGI“ mit dem CNG-Turbo ausstattet.

Neue Motoren in Aussicht
Doch die Entwicklung bleibt nicht stehen. Für den TGI-Motor mit bislang 1,4 l Hubraum steht bereits der Nachfolger fest: Der „1.5 TGI evo“ kommt mit einer Leistung von ca. 100 kW / 136 PS zunächst in den Golf und in weitere Schwestermodelle des VW-Konzerns und ist auch für den „Caddy“ vorgesehen. Die Betankung mit regenerativem CNG aus eGas/Biomethan soll zum Standard gehören.
Auf diesen Kraftstoff-Standard stellen sich auch die Ford-Werke ein, die nach einer Entwicklungspause erneut auf Erdgas bzw. Biogas setzen wollen. Basis für die umweltschonende Triebwerk-Alternative soll der neue „1,0-l-GTDI Ecoboost“-Dreizylindermotor sein, der bei seiner Vorstellung im Frühjahr 2018 mit einer Leistung von 110 kW / 150 PS angegeben wurde. Noch ist nicht publik, welche Ford-Modellreihen davon profitieren werden.

K.O.-Kriterium und Chancen
Auch wenn die Auswahl an Erdgas-Nutzfahrzeugen klein geworden ist, kann man das Angebot für diesen besonders emissionsarmen Antrieb ernst nehmen und ein Fahrzeug in geeigneter Größe finden. Längst spielen eine zu geringe Reichweite, fehlende CNG-Tankstellen oder eine verminderte Ladekapazität nur noch eine untergeordnete Rolle.
Was mit einem Erdgasfahrzeug allerdings unvereinbar ist, soll an dieser Stelle auch deutlich werden: Wer den Bleifuß aktiviert, statt mit dem Energievorrat sorgsam umzugehen und vorausschauend zu fahren, wird die Prognosen für Reichweite, Verbrauch und Kosten ad absurdum führen.
Und wenn es auf die maximale Nutzlast ankommt, die der Lieferwagen oder Transporter mit Dieselmotor bieten könnte, dann ist das Zusatzgewicht der Gastanks ein K. O.-Kriterium. Doch gerade für einen SHK-Unternehmer bieten sich beste Chancen für ein umweltbewusstes Marketingkonzept seines Betriebes, wenn er sich im Zeitalter der Energiewende für besonders emissionsarme Fahrzeuge entscheidet. Das gelingt bereits jetzt. Man muss nicht auf einen fernen Tag warten. Oder vielleicht doch? Die Talfahrt bei den Zulassungen war einmal, denn Lieferfristen für inzwischen begehrte Modelle sind keine Seltenheit mehr. Der Händler weiß mehr.

Autor: Thomas Dietrich, freier Journalist

 


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