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Steigende Toleranz statt beseitigte Legionellenbelastung

Thermische Verfahren und ihre Langzeitfolgen für die Trinkwasserhygiene

Die teilweise extremen Inkrustationen innerhalb der Rohrleitungen wirken für vorhandene Keime wie ein Schutzmantel. Maßstab der Temperaturmessung muss daher die Materialtemperatur an der Rohr-Außenwand sein.

Für die nachweisbare Wirksamkeit einer thermischen Desinfektion ist der korrekte Ablauf der Maßnahme entscheidend. Sämtliche Parameter (Temperatur/Zeit) sollten genaues­tens protokolliert werden.

Die Protokollierung ermöglicht die gründliche Auswertung und Einschätzung des Erfolges respektive Scheiterns der thermischen Desinfektion. Daraus lassen sich Optimierungsmöglichkeiten ableiten.

 

Die regelmäßige thermische Behandlung des Trinkwassers zur Qualitätssicherung oder zur Beseitigung von hygienisch-mikrobiellen Auffälligkeiten ist nach Arbeitsblatt W 556 des Deutschen Vereins des Gas- und Wasserfaches (DVGW) nun endlich als nicht zielführend eingestuft worden. Etwas anderes gilt für die Anlagendesinfektion durch starke Erhitzung: Sie wird über das Arbeitsblatt DVGW W 557 zwar deutlich reglementiert, jedoch nach wie vor mit fraglichen Parametern. Jüngste Erkenntnisse aus der mikrobiologischen Forschung stützen diese Einschätzung.

Um sicherzustellen, dass Trinkwasser weitestgehend frei von mikrobiologischen Krankheitserregern wie Legionella Pneumophila bleibt, muss der betriebspraktischen Einhaltung der Trinkwasserhygiene besondere Aufmerksamkeit gewidmet werden. Die Betreiber von Trinkwasserinstallationen sind dabei eng an die Auflagen der Trinkwasserverordnung
(TrinkwV), basierend auf dem „Gesetz zur Verhütung und Bekämpfung von Infektionskrankheiten beim Menschen″ (IfSG) und der EG-Trinkwasserrichtlinie, gebunden. Für öffentlich oder gewerblich genutzte Objekte gilt ab Hausanschluss eine Prüf- und Informationspflicht für das Trinkwasser. Bei Auffälligkeiten ist eine Ursachenklärung und Prüfung der Einhaltung der allgemein anerkannten Regeln der Technik verpflichtend.

Regelmäßige thermische „Angriffe“ begünstigen die Populationsentwicklung
Kritische Temperaturabweichungen und mangelnder Austausch von Trinkwasser im Leitungssystem und in den Speicher­einrichtungen der Installation fördern ein schnelles mikrobielles Wachstum und zählen zu den primären Ursachen für eine Legionellenkontamination. Grundsätzlich ist eine Replikation von Bakterien wie Legionella Pneumophila auch unterhalb von 12 °C sowie oberhalb von 60 °C möglich. Optimale Vermehrungsbedingungen finden diese und weitere hygienekritische Spezies aber in einem Temperaturband von über 20 °C (also auch im Kaltwasser) bis ca. 55 °C vor.
Insbesondere in öffentlichen oder gewerblichen Einrichtungen, in denen längere Betriebspausen auftreten (z. B. während der Ferienzeiten in Schulen und Sporthallen oder in saisonal genutzten Objekten), bergen unzureichende Wasseraustauschraten und die unzulässige Veränderung des Temperaturniveaus – neben anderen Bedingungen wie etwa das Nährstoffdargebot – steigende Risiken für die Trinkwasserhygiene. In der Sanitärplanung und Betriebspraxis versucht man deshalb verbreitet, dieser Problemstellung mit vermeintlich wirksamen chemischen oder thermischen Behandlungsmaßnahmen zu begegnen.
Die mikrobiologische Forschung dokumentiert indes eine Anpassung des Legionellenwachstums als Folge von wiederholter Hitzeeinwirkung. Der Nachweis, dass prophylaktisch periodisch durchgeführte thermische Desinfektionsmaßnahmen (Legionellenschaltungen) nicht zu einer Dekontamination führen, sondern dem eher entgegen einen bedenklichen Anstieg der Nasskeime im Leitungssystem unterstützen können, erbrachte u. a. eine Studie der Universität Tübingen. Verantwortlich für diesen gegenläufigen Effekt sind schnelle und hochentwickelte Anpassungsmechanismen des Legionellen-Bakteriums. Evolutionsbiologisch nachvollziehbar bilden die Mikroorganismen im Laufe der Zeit Überlebensstrategien aus, die es ihnen ermöglichen, sich an komplexe und potenziell lebensfeindliche Umweltbedingungen effizient anzupassen. Beständige Umweltreize, wie thermischer Kontakt bei der periodischen Aufheizung von Installation und Trinkwasser, steigern folglich mittel- und langfristig die Toleranz der Bakterien gegenüber erhöhten Wassertemperaturen. Bei Legionella Pneumophila können gegenwärtig bereits Temperaturresistenzen von über 80 °C nachgewiesen werden.
Für die Methode der Legionellenschaltung genauso wie für die thermische Anlagendesinfektion nach Arbeitsblatt DVGW W 557 (jede Zapfstelle wird für länger als 3 Min. mit über 70 °C heißem Wasser beaufschlagt) bedeutet dies, dass sie sich nicht nur als unter Umständen wirkungslos sondern sogar als kontraproduktiv erweisen und zum Wachstum und fortschreitenden Konditionieren der Bakterien beitragen.

Ganzheitlich und diskontinuierlich: Parameter für einen wirksamen Hitzeeinsatz
Lebensraum und bevorzugter Vermehrungsort der Bakterien sind Biofilme, eine Art Lebensgemeinschaft von Mikroorganismen in einer schleimartigen Matrix, die als extrazelluläre polymere Substanz bezeichnet wird. Diese ökologischen Nischen finden sich in jeglicher Art (technischer) wasserführender Systeme. In ihnen sind Legionellen zusätzlich durch Inkrustationen vor thermischen Desinfektionsmaßnahmen weitestgehend geschützt. Durch epigenetische Reaktionen erweitert sich das genetische Repertoire der Bakterien und ihre Toleranz gegenüber schädlichen äußeren Einwirkungen erhöht sich. Darüber hinaus ist davon auszugehen, dass die kontinuierliche thermische Trinkwasserbehandlung über Legionellenschaltungen tatsächlich lediglich die im Wasser schwebenden Organismen erreicht, kaum aber den am Installationsmaterial von Rohren und Anlagenkomponenten haftenden Biofilm vollständig penetriert.
Die Wirksamkeit einer thermischen Anlagendesinfektion setzt entsprechend voraus, dass sämtliche Installationsbereiche, Anlagenteile und Entnahmestellen des Trinkwasser-Installationssystems mit ausreichend hohen Temperaturen beaufschlagt werden. Deshalb sollte als Kriterium einer zumindest technisch erfolgreichen thermischen Anlagendesinfektion immer die an der Außenwand des Installationsmaterials gemessene Temperatur sein und nicht die Trinkwassertemperatur. Weiterhin sollten Biofilmanhaftungen bereits im Vorfeld durch etablierte mechanische Verfahren (z. B. Luft-Wasser-Spülungen) bestmöglich entfernt werden. Eine Reinigung und die Ursachenbeseitigung sind einer Desinfektion dabei stets voran zu stellen.
Bei diesen Verfahren der Reinigung und Desinfektion von Anlagen handelt es sich somit um Prozessschritte eines sys­temischen Sanierungskonzeptes
(DVGW W 557). Gemäß Regelwerk muss im Vorfeld einer thermischen Anlagendesinfektion a) die Kontamination über eine mikrobiologische Trinkwasseruntersuchung nachgewiesen und b) der Versuch, die Verunreinigung durch bau- und betriebstechnische Maßnahmen zu beheben, erfolglos geblieben sein. Ist dieser Nachweis nicht erbracht, ist eine thermische Anlagendesinfektion auch gar nicht sinnvoll.

Von Beginn an: Installationen sinnvoll planen und hygienekonform betreiben
Neben der Vermeidung gesundheitlicher Risiken durch Legionellen müssen Betreiber auch wirtschaftliche Faktoren berücksichtigen. Eine thermische Anlagendesinfektion erfordert hohe Energie- und Wasseraufwände und sie belastet zusätzlich das Installationsmaterial. Verbindungen wie Lötstellen und Dichtungen werden durch die hohen Temperaturen beeinträchtigt. Abgelöste Teilchen können sich an anderen Stellen ablagern und die Funktionsfähigkeit der Installation gefährden. Rohrleitungen und Anlagenkomponenten werden insgesamt korrosionsanfälliger.
Die maßgeblichen Stellhebel für den hygienekonformen Betrieb eines Wasserversorgungssystems stehen bereits in der Planungsphase zur Verfügung. Dazu gehört insbesondere die im Rahmen der Erstellung des Raumbuches akribische Definition des bestimmungsgemäßen Betriebes und die dadurch vermeidbare Überdimensionierung, zu der auch die exakte Rohrnetzberechnung nach DIN 1988-300 und DVGW W 553 zählen. Ein dauerhaft hygienekonformer Installationsbetrieb lässt sich durch Einbindung der Sanitärtechnik in die Gebäudeautomation unterstützen. Die technische Integration sollte bereits in der Planungsphase gemeinsam mit dem Auftraggeber vereinbart werden. Auf diese Weise können alle heute zur Verfügung stehenden Mittel wie beispielsweise eine Gleichzeitigkeitsunterdrückung bei gleichartigen Zapfstellen (Urinale, WC) genutzt werden, um eine erhebliche Reduzierung der Rohrquerschnitte zu realisieren. Gleichzeitig lassen sich die beiden wichtigsten Kontaminationsursachen effektiv vermeiden, indem eine permanente Überwachung der Temperaturen im Warm- und Kaltwasser als auch die Registrierung mangelnder Wasseraustauschraten erfolgt und bei Bedarf selbstauslösende Zapfstellen für eine automatische Aktivierung genutzt werden können. 

Autor: Reinhard Bartz, Leiter Technikum und Schulung, Franke Aquarotter GmbH

Bilder: Franke Aquarotter GmbH

 


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