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Sonne unterstützt Fernwärme: 3388 m2 Vakuumröhrenkollektoren auf einem Messedach speisen Wärme direkt in das Fernwärmenetz ein

Auf dem Dach der Messehalle in Wels (Österreich) ging am 12. Mai dieses Jahres die mit ca. 3400 m² Kollektorfläche und ca. 2 MW Leis­tung größte Vakuumröhrenanlage in Betrieb, die Wärme in ein Fernwärmenetz speist. Im Sommer sparen die Elektrizitätswerke Wels mit dieser Solaranlage zeitweise über 50% an Erdgas. In der Solaranlage fließt das gleiche Wasser wie in den Fernwärmeleitungen. Das Kollektorfeld erstreckt sich über fast 10.000 m² Dachfläche, während die gesamte Haustechnik übersichtlich in einem nur etwa 50 m² großen Heizraum untergebracht ist. Die Ausdehnung des Wassers der Solaranlage erfolgt direkt ins Wärmenetz. Es gibt keinen anderen Solarspeicher als das Wärmenetz selbst.

3388 m² CPC-Vakuumröhren-Bruttokollektorfläche. Sie unterstützen die Fernwärmeanlage im österreichischen Wels.

Die Thermische Solaranlage in Wels. Das Kollektorfeld erstreckt sich über mehr als 10.000 m² Dachfläche, die gesamte Übergabestation für die Fernwärme kommt mit ca. 50 m² aus.

Vereinfachtes Schema, Momentaufnahme und Touchscreen-Display der SPS-Steuerung. Technische Daten: Temperaturen: 85 - 110°C

Das Kollektorfeld auf dem Welser Messedach in schematischer Darstellung.

Einige Hundert Meter Rohre sammeln die Wärme vom Dach. Dank ausgefeilter hydraulischer Berechnungen ist die Anlage frei von Entlüftern, Drosseln, Stellventilen sowie Hilfsrohren nach Tichelmann.

 

Ziele der Anlagenkonzeption
Der Betreiber des Fernwärme-Versorgungsnetzes Wels war auf der Suche nach einer CO2-freien Unterstützung der Gas-Wärmeerzeuger. In Wels ist die bedeutendste Ökomesse Österreichs ansässig. Deshalb sollte das Messedach zur lebendigen Präsentation des modernsten Standards thermischer Solarenergiegewinnung genutzt werden. Schließlich war es auch an der Zeit, eine solare Fernwärme-Pilotanlage im solartechnisch aktiven Oberösterreich zu errichten, nachdem dies z.B. in Kärnten und in Skandinavien schon lange zuvor in Angriff genommen wurde.

Darstellung aus Planersicht
An der Fernwärmeanlage durfte nichts verändert werden, die Solaranlage hatte sich den gegebenen Verhältnissen vollständig unterzuordnen. Die Ausschreibung beinhaltete ursprünglich lediglich eine Solaranlage unter Angabe von Einspeisetemperaturen, Ertragserwartung und maximal verfügbarer Stellfläche für die Kollektoren. Für den Gewinner der Ausschreibung wurde es eine zusätzliche und größere Herausforderung, dass ihm auch die komplette hydraulische, elektrische und EDV-technische Planung der Wärmeübergabe an die Fernwärme übertragen wurde. Dazu gehörte auch die Entwicklung und Lieferung der Schaltschranktechnik, der Hard- und Software der SPS-Steuerung, der Monitoring-Einrichtungen, der Kommunikation mit der Fernwärme-Leitstelle sowie der Schnittstellen zum Internet. Die Anlage muss unter allen Umständen eigensicher sein, z.B. auch bei Stromausfall, wenn die Fernwärme einmal wegen Wartungsarbeiten abgesperrt wird oder wenn Aggregate wie Pumpen ausfallen.
Auf Wunsch des Auftraggebers erfolgte die Montage und Bauleitung durch seine eigene Tochterfirma. Da es sich bei Solaranlagen, die mit Wasser und ohne Frostschutzmittel arbeiten, um eine derzeit noch wenig verbreitete Technik handelt, übernahm der Lieferant zusätzlich große Teile der Ausführungsplanung.
Auftraggeber und Auftragnehmer wünschten sich anfangs eine wesentlich bessere Ausnutzung der Dachfläche. Einwänden des Statikers, Schneeräumgassen und großzügige Dachkantenabstände reduzierten die ursprünglich geplante Kollektorfläche jedoch noch um ca. 20%.
Der laufende Messebetrieb durfte nicht gestört werden. Deshalb durften viele Arbeiten nur jeweils zwischen den Messen verrichtet werden. Und zu Messezeiten musste jede sicht- oder hörbare Baustelle weitgehend wieder beseitigt werden, was zu einer relativ langen Bauzeit führte.

Herausforderungen und Lösungen
Die Integration der solarthermischen Großanlage war mit einigen Herausforderungen verbunden. Doch sie alle konnten gelöst werden.

Größe der Zentrale
Der Platz für die Haustechnik wie Pumpen, Ventile, Ausdehnungsvorrichtungen ist auf einen einzigen Raum mit ca. 50m² begrenzt. Ein Wärmespeicher oder eine automatische Druckhaltestation kam deshalb gar nicht erst in Frage. Das Wärmenetz selbst ist der beste Solarspeicher. Die Ausdehnung des Wassers der Solaranlage erfolgt größtenteils ins Netz. Nur in ganz speziellen Situationen treten drei Membran­ausdehnungsgefäße mit je 500l in Aktion. Da in der Solaranlage Wasser fließt, konnten alle Leitungsquerschnitte und Armaturen eine Dimension kleiner gewählt werden als es mit einem Frostschutzgemisch notwendig gewesen wäre.

Druckverhältnisse im Netz
Der Druck im Welser Netzrücklauf kann im Winter unter den statischen Druck absinken, der aufgrund der Höhe des Messedachs als Mindestarbeitsdruck notwendig ist. Damit im Solarkreis ein höherer Druck und eine ausreichend hohe Siedetemperatur eingestellt werden kann, wurde ein Wärmetauscher notwendig, obwohl auf beiden Seiten das gleiche Wasser fließt. Auch hier ist die Wassertechnik auf der Solarseite vorteilhaft. Denn mit einem Frostschutzgemisch in den Kollektoren müsste der Wärmetauscher mindestens 3 Mal so groß sein.

Einspeisetemperaturen
Es sind ganzjährig hohe Einspeisetemperaturen von mindestens 85°C notwendig, im Winter werden bis 115°C gewünscht. Um dann noch nennenswerte Erträge erbringen zu können, fiel die Wahl auf CPC-Vakuumröhrenkollektoren, die in diesem Temperaturbereich eine bedeutend höhere Leistungsdichte erbringen als jede andere Sonnenkollektortechnik.

Ausrichtung des Daches
Das Messedach weist leider nicht nach Süden, sondern ca. 45° nach Südwest. Außerdem liegt es immer zu etwa 10% im Schatten seines Tragwerks und von Gebäudeteilen. Auch hier sind CPC-Vakuumröhrenkollektoren die beste Wahl. Denn diese Technik hat die geringsten Leistungseinbußen bei Abweichungen von der Ausrichtung nach Süden und bei Abweichungen des Sonnenstandes vom Mittagspunkt.

Höhenunterschied des Daches
Zwischen den Messedächern bestehen Höhenunterschiede von ca. 10m. Um möglichen Schwerkraft-Fehlzirkulationen innerhalb des Kollektorfeldes vorzubeugen, wurde es in ein ca. 15 m hohes 3000-m²-Feld und in ein 25m hohes 400-m²-Kollektorfeld unterteilt.

Druckdifferenz
Im Winter ist mit Fernwärme-Druckdifferenzen bis 9 bar zu rechnen. Der Druckabfall im Kollektorfeld beträgt seinerseits etwa 1,5 bar. Deshalb wurde zwischen der Solaranlage und dem Fernwärmenetz eine hydraulische Weiche gesetzt, die in ca. 2½ Minuten gefüllt und wieder geleert werden kann. Zum Einspeisen der Solarwärme aus der Weiche ins Netz wurden zwei Pumpen in Reihe geschaltet. Bis zu einer Druckdifferenz von 5 bar hält nur eine Pumpe den Volumenstrom von ca. 65 m³/h aufrecht, dann muss die zweite nachhelfen.
Für Pumpen und Ventile der Solaranlage kommen effektiv nur ca. 6,5 MWh (bzw. 0,5%) an Elektroenergie zum Einsatz. Für die Einspeisung ins Netz fallen jedoch wegen der hohen Druckdifferenzen zusätzlich ca. 20 MWh an. Allerdings wird ­exakt dieselbe Pumpenenergie in der Fernwärme-Zentrale wieder eingespart, wenn die Solaranlage das Heizwerk unterstützt.

Fernwärmewasser
Es darf zu keiner Zeit Luft in die Fern­wärmeleitungen gelangen oder Fernwärmewasser verloren gehen und alles Wasser, das zurück in die Fernwärme strömt, muss entgast werden. Deshalb wird das Kollektorfeld nach der Befüllung und im weiteren Betrieb ständig automatisch und sensorisch kontrolliert entgast. Trotzdem ist die Befüllung mit Fernwärmewasser und die Inbetriebnahme so einfach, dass sie ein einziger Ingenieur in ein bis zwei Stunden bequem erledigen kann.
Dabei gibt es in der gesamten Anlage nur einen einzigen Punkt zur Entlüftung, das ist die hydraulische Weiche. Das Kollektorfeld ist dagegen völlig frei von Armaturen wie Entlüftern, Drosseln, Stellventilen und dergleichen mehr. Das ist wichtig für eine lange Lebensdauer, für den optimalen Betrieb, für die Frostsicherheit und für eine bequeme Inbetriebnahme des Kollektorfeldes.

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Eigensicherheit
Die Solaranlage muss eigensicher sein gegen thermische Stagnation, auch bei Stromausfall. Sie wurde deshalb so berechnet und dimensioniert, dass bei beginnendem Sieden das Wasser sehr rasch aus den Kollektoren gedrückt wird und den weiteren Umständen entsprechend entweder standardmäßig vom Netz oder ersatzweise von den Ausdehnungsgefäßen aufgenommen wird. Es wurde zur Inbetriebnahme mittags bei wolkenlosem Himmel im Test festgestellt, dass dieser Vorgang völlig geräuschlos und ohne Fremdenergie innerhalb weniger Minuten erfolgt. Danach befüllt sich die Anlage wieder von selbst und arbeitet weiter wie zuvor.
Falls einmal das Fernwärmenetz wegen Reparaturarbeiten abgesperrt wird und die Anlage deshalb in den thermischen Stillstand wechselt, nimmt ein Auffangbehälter dieses Wasser auf, aus dem es später automatisch wieder zurückgepumpt wird. Das Kollektorfeld könnte auch „heiß gestartet“ werden, wenn sich in den Kollektoren überhitzter Dampf mit einer Temperatur von über 300°C befindet.

Frostsicherheit
Die Anlage muss frostsicher sein, auch bei Stromausfall. Im Normalbetrieb werden kleine Wärmemengen in die Solaranlage gepumpt, um sie frostfrei zu halten. Dazu werden voraussichtlich maximal 50 MWh (bzw. gut 3% des Solarertrages) benötigt. Bei einem Stromausfall sorgt eine unterbrechungsfreie Stromversorgung für den Frostschutz der Anlage. Diese benö­tigt weniger als 100 W elektrische Leistung, denn die Arbeit der Pumpen übernimmt bei einem Stromausfall bei Frostgefahr automatisch das Welser Wärmenetz.
Diese Wasser-Technologie ist seit 2003 über 60.000-fach erprobt, davon auch bereits an Hunderten von solaren Großanlagen.

Kosten und Rentabilität
Die Gesamtkosten der Anlage belaufen sich auf etwa 1,85 Mio. Euro. Etwa die Hälfte davon kosteten die Kollektoren samt Aufständerung, Verbindungs- und Anschlusstechnik, Regelung und Sensorik sowie die gesamte Planung. Die andere Hälfte wurde für die Unterkonstruktion der Kollektoren, die Rohre und Kompensatoren, die Pumpen, Ventile, Ausdehnungsgefäße, die hydraulische Weiche, für die Wärmedämmung aller Komponenten sowie für die gesamte elektrische und hydraulische Installation gebraucht.
Trotz der Kollektorfeldausrichtung nach Südwesten und einer ganzjährig vorherrschenden Verschattung durch Gebäude und die Tragkonstruktion des Hallendaches werden als Systemertrag mindes­tens 1300 MWh erwartet. In 20 Jahren Betriebszeit ergibt dies etwa 26 GWh bzw. einen Energiepreis von knapp 70 Euro pro MWh. Diese Grobschätzung vernachläs­sigt vieles, vor allem aber die Inflation. Denn was werden 70 Euro in 20 Jahren noch wert sein? Und was werden 26 GWh Wärme in 20 Jahren wirklich kosten? Die Solaranlage kann auch 25 oder 30 Jahre arbeiten.
Da ein beträchtlicher Anteil der Kosten in reiner Forschungs- und Entwicklungsleistung für dieses eine Großprojekt bestand und es auch auf der Installationsseite rückblickend noch Einsparpotenzial gab, ist eine solche Anlage zukünftig bereits auch für 50 bis 60 Euro/MWh in Mitteleuropa und auf anderen Kontinenten mit mehr Sonnenschein und niedrigeren Arbeits- und Materialkosten für 15 bis 25 Euro/MWh möglich. Die genannten Kosten beinhalten keine verzerrende Förderung. Vergleicht man sie mit aktuellen Energiepreisen, zeigt sich, dass die solare Wärmeerzeugung als effektivste Form der Sonnenenergienutzung der Unabhängigkeit von Fördertöpfen bereits am nächsten ist.
Erinnert man sich dabei an das Klimaziel, ist es gut zu wissen, dass diese Anlage in Wels jedes Jahr knapp 400 t CO? ein­spart und anderenorts über 900 t einsparen könnte. Für den Investor spart sie aufgrund der niedrigen Wärmepreise momentan jedoch höchstens 60.000 Euro im Jahr. Deshalb bedarf es eines Weitblicks und eines politischen Willens, damit solche Anlagen heute schon gebaut werden.
Die aktuelle Förderung der KfW (Kreditanstalt für Wiederaufbau) in Höhe von 30% wären als Investitionsanreiz vollkommen ausreichend, würde die Solarthermie in Deutschland im Wettbewerb zur „Eigenverbrauchs“-Stromerzeugung mittels Photovoltaik oder Kraftwärmekopplung nicht zunehmend verhindert. Dabei könnten solarthermische Großanlagen wie die in Wels sofort und ohne weiteren Entwicklungsbedarf bis zu 10% des deutschen Primärenergiebedarfs, das sind ca. 400 Mio. MWh, ersetzen. Dies erfordert eine Kollektorfläche von etwa 1000 km² (etwa 0,25% der Fläche Deutschlands) und würde 100 Mio. t CO2 jährlich sparen. Ohne das EEG (Erneuerbare-Energien-Gesetz) würde sich der „Eigenverbrauchswärmemarkt“ von selbst in diese Richtung bewegen. Solange aber ein EEG notwendig ist, muss dieses auch für die Chancengleichheit der Solarthermie sorgen.

Autor: Dr. Rolf Meißner, Produktmanager und Entwickler von Solarsystemen bei Ritter Energie- und Umwelttechnik (Paradigma) und Geschäftsführer der Ritter XL Solar GmbH, Karlsbad
Bilder: Ritter

www.ritter-xl-solar.de

 


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