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Solarthermie im Kostencheck

Wissenschaftler untersuchen die relativ hohen Wärmegestehungskosten der Solarthermie

Ein Handwerker installiert einen Kollektor auf dem Dach. Mit vereinfachten Montagesystemen wäre es auch für Dachdecker oder Fensterbauer möglich, die Anlagen anzubringen. Bild: Solvis

Wissenschaftler modellieren im Projekt TeWiSoL detailgenau Schlüsselkomponenten,

wie etwa hier abgebildete solare Wärmespeicher. Bild: Fraunhofer ISE

 

Um langfristig konkurrenzfähig zu bleiben, muss die Solarthermie-Technologie kostengünstiger werden. Mithilfe wirtschaftswissenschaftlicher Verfahren identifizieren Forscher wichtige Teilprozesse und Kostentreiber. Die Ergebnisse von zwei Projekten können Firmen der Branche nutzen, um ihre Abläufe zu optimieren.
Vom Lieferanten über den Hersteller bis zum Handwerker: Im Projekt TEWisol untersuchen Wissenschaftler alle Teilprozesse bis zur fertig installierten Solarthermie-Anlage. Ziel ist es, Ursachen zu finden, die für die relativ hohen Wärmegestehungskosten der Solarthermie verantwortlich sind.
Erste Untersuchungen des Fraunhofer-Instituts für Solare Energiesysteme ISE zeigten, dass die solarthermischen Kombianlagen in den vergangenen Jahren vielfältiger und komplexer geworden sind. Allerdings erreichten die untersuchten Firmen dadurch keine wesentlichen Steigerungen des nutzbaren Ertrags. Während die produktbehafteten Einzelkosten gesunken sind, stieg der Anteil der zu kalkulierenden Gemeinkosten für das Variantenmanagement – z. B. für Lagerhaltung, Vertrieb, Verwaltung – um 30 %. „Dies liegt unter anderem daran, dass die Hersteller aus Sicht ihres Produktportfolios in zunehmendem Maße auch Nischenmärkte bedient haben; dadurch steigen die Komplexitätskosten. Da diese Entwicklung aber nicht parallel mit einer Zunahme des Absatzes von zentralen Produkten mit hoher Marge einherging, stiegen so die indirekten Kosten für das gesamte Sortiment“, erklärt Projektleiter Axel Oliva vom Fraunhofer ISE. Wenn es gelänge, die Komplexität und Variantenanzahl der Anlagen in einem Produktportfolie einer Firma zu reduzieren, ließen sich darüber auch die Gesamtkosten senken. Der Projektleiter fügt hinzu: „Voraussetzung hierfür ist, dass dabei dem Kunden ein Vorteil im Kosten-Nutzen-Verhältnis entsteht, und dieser betrachtet insbesondere die Wärmegestehungskosten in Euro pro Kilowattstunde Nutzwärme.“

Blaupause für Solarthermie-Unternehmen
Um wichtige Teilprozesse und Kostentreiber zu identifizieren, führen die Wissenschaftler Interviews mit Verantwortlichen aus projektbeteiligten Unternehmen der Heizungsbranche sowie einem Installationsbetrieb durch. Zusätzlich klassifizieren sie die auf dem Markt verfügbaren Systeme. Das Werkzeugmaschinenlabor WZL der RWTH Aachen erfasst in der Unternehmensanalyse u. a. die werthaltigen Komponenten. Die erhobenen Daten dienen als Basis für ein Simulationsmodell, an dem die Wissenschaftler aktuell arbeiten. Ziel ist es, verschiedene Anlagentypen in einer Simulation zu betrachten und dabei die Schlüsselkomponenten wie Wärmeübergabesysteme, Speicher oder Regelungssysteme detailliert zu modellieren. Die Ergebnisse können Firmen der Branche als Vorlage nutzen, um für ihr Unternehmen Optimierungspotenziale zu identifizieren.

Solaren Wärmepreis um 40 % reduzieren
Während im Forschungsprojekt TEWisol vor allem die indirekten Kosten untersucht werden, analysieren die Forscher am Forschungs- und Testzentrum für Solaranlagen (TZS) des Instituts für Thermodynamik und Wärmetechnik (ITW) der Universität Stuttgart die direkten Kosten in der Solarthermiebranche. Im Projekt KoST erarbeiten sie Vorschläge und Verfahren, um den solaren Wärmepreis um 40 % zu senken. Der Weg dorthin führt zum einen über die Handwerkskosten. Mit Vereinfachung und Standardisierung der Komponenten und Systeme sollen diese Kosten um ein Fünftel sinken. „Die Standardisierung von Kollektoren, Speicher, Regelungen, Montagesystemen und Anschlüssen reduziert deren Komplexität und ermöglicht, diese hersteller­übergreifend einzusetzen. Dies erleichtert dem Handwerker vor Ort die Installation der Anlagen und es eröffnen sich neue Vertriebswege, z. B. über Dachdecker oder Fensterbauer“, erläutert der Projektverantwortliche, Dr. Stephan Fischer vom ITW. Dazu entwickeln die Wissenschaftler einen sogenannten Solarthermie Mounting Guide. Dieser soll Handwerkern als Leitfaden bei der Installation von Solaranlagen dienen.

Alleinstellungsmerkmale nicht immer sinnvoll
Weitere 10 % könnten bei der Herstellung der Anlagen eingespart werden. Die Wissenschaftler empfehlen den Unternehmen, sich verstärkt auf die Massenfertigung der günstigeren und standardisierten Halbzeuge und Bauteile zu konzentrieren – sogenannte B- und C-Teile. Fischer: „Das bedeutet nicht, dass die Firmen bei ihren Anlagen keine Alleinstellungsmerkmale mehr aufweisen sollen. Es sollte aber kritisch geprüft werden, an welcher Stelle dies sinnvoll ist und wo nicht. So sind sicherlich Qualität, thermische Leistungsfähigkeit oder Design sinnvoller als eine gebrauchsmustergeschützte Verbindungstechnik.“
Neben den Kosten für Handwerker und Herstellung beeinflusst die thermische Leistungsfähigkeit der Anlagen den Wärmepreis. Wird diese verbessert, könnte sich der Wärmepreis um weitere 10 % reduzieren.
Ein Beispiel: In der Praxis sind Schnittstellen in den Anlagen häufig nicht ausreichend wärmegedämmt. Dies verschlechtert die Effizienz des Gesamtsystems und wirkt sich auf die Kosten aus. Um für solche und ähnliche Probleme Lösungen benennen zu können, untersuchen die Wissenschaftler die am Markt verfügbaren Produkte und benennen Schwachstellen und Vorteile einzelner Technologien, um daraus Standardisierungsempfehlungen abzuleiten.
Die Projekte TEWisol und KOST werden vom Bundesministerium für Wirtschaft und Energie und verschiedenen Industriepartnern und Verbänden gefördert. Innerhalb des KOST-Projektes findet am 20. Juni 2017 ein Workshop zum Thema „Standardisierung in der Solarthermie“ an der Universität Stuttgart statt.

Autorin: Birgit Schneider, „BINE Informationsdienst
www.bine.info


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