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„Regenwasser-Retention ist Pflicht, auch wenn die Fläche fehlt“

Lösungsansatz für Industrie und Innenstadt durch Rigolen

In einem hoch verdichteten innerstädtischen Industriegebiet in Stuttgart kam die unterirdische Retention des Niederschlagswassers zum Einsatz – einer der in Zukunft wohl bedeutendsten Bausteine dezentraler Regenwasserbewirtschaftung. Bild: König

Geländeschnitt mit Regenentwässerung von Hausdach und befestigter Fläche, Kontrollschacht inklusive Sandfang sowie Anschluss an den unterirdischen Stauraum. Dieser dient hier mit allseitiger Abdichtung als Retentionsrigole, bei anderen Objekten ohne Abdichtung als Versickerungsrigole.

Stirnseite „Birco-Rigolentunnel“ von StormTech, gebildet aus parallel liegenden Reihen (gelb), verbunden durch eine Zulauf-Leitung. Kontrollschacht mit Steigstufen und Leitungen (grün) für Zulauf und Entlüftung. Bild: Birco

Abdichtung der Retentionsrigole nach unten und zur Seite. Die schwarze Dichtungsbahn wird abschnittsweise auf einem Schutzvlies ausgelegt und verschweißt. Bilder: Birco

7 Reihen Rigolentunnel vom Typ „SC-310“ mit insgesamt 75 m³ Retentionsvolumen, davon 4 Reihen als Sedimentationstunnel mit Zulauf DN 315. Bild: Birco

Anschluss Punkteinlauf 40 x 40 cm mit Gussabdeckung, für die Entwässerung der Verkehrsflächen, mit zusätzlicher Entlüftungsfunktion. Bild: Birco

Der Punkteinlauf wird mit der oberseitigen Dichtungsbahn der Rigole verschweißt.

Klaus W. König ist ö. b. u. v. Sachverständiger für die Bewirtschaftung und Nutzung von Regenwasser. Schwerpunkte seiner Arbeit sind Vorträge und Veröffentlichungen zur ökologischen Haustechnik. Die Redaktion sprach mit ihm über Regenrückhalte­räume und Starkregenereignisse.

 

Der in Zukunft wohl bedeutendste Baustein zur Regenwasserbewirtschaftung in bestehenden Siedlungsgebieten, in dicht bebauten Industrieregionen und ebenfalls in neu zu erschließenden Flächen von Ballungsräumen ist die Retention des Niederschlagswassers. Ausnahmen sind, wenn die bestehenden Möglichkeiten ausgeschöpft sind und die Versickerung aus geologischen Gründen nicht möglich oder wegen Altlasten im Untergrund nicht zulässig ist. Hier kann dann, wie im vorliegenden Fall, der Kanalanschluss mit gedrosselter Ableitung erfolgen.

Sammeln und Zurückhalten (lat. retinere) ermöglicht mehrere dezentrale Bewirtschaftungsmethoden, die gemäß dem Entwurf des technischen Regelwerkes DWA-A 102/BWK-A 3 [1] mit hoher Wahrscheinlichkeit ab 2019 in Deutschland Voraussetzung für Baugenehmigungen sein werden: Die verzögerte Ableitung, die Versickerung und zunehmend auch die Verdunstung. Neu ist dann, dass alle drei Versionen zugleich realisiert sein müssen, und zwar in dem Verhältnis der lokalen Wasserbilanz, das vor der Bebauung im ungestörten Zustand vor Ort gegeben war. Benötigt wird, falls die später gültige Fassung dem Entwurf entspricht, eine Speicher- bzw. Retentionsanlage, in der das Wasser zur weiteren Bewirtschaftung bereitgehalten wird – allerdings soweit gereinigt, dass es in Grund- und Oberflächengewässer eingeleitet werden darf. Zur Nachverdichtung in Industrie und Innenstadt brauchen wir Lösungen, die ohne Bedarf an Oberfläche auskommen und den Niederschlag in die Trennkanalisation oder ggf. mit Ausnahmegenehmigung in den Mischkanal einleiten – wie im nachfolgend beschriebenen Beispiel.

Retention im Tunnel
Gefragt sind also unterirdische Speicherräume, um die immer kostbarer werdenden urbanen Geländeflächen für andere Zwecke freizuhalten. Dennoch sollen die Speicher belastbar sein, denn der Platz darüber wird erfahrungsgemäß für Verkehrsflächen genutzt, in der Industrie z. B. auch als Materiallager. Tiefbau-Unternehmen haben bei derartigen Anforderungen traditionell Rigolen (der Begriff stammt laut Duden aus dem niederländischen und französischen) mit Grobkies oder Schotter gebaut und dabei Material einer einzigen Sieblinien-Fraktion ohne Feinanteile verwendet. So konnten die Zwischenräume der Steine Wasser aufnehmen. Allseitig war ein wasserdurchlässiges Geotextil erforderlich, damit in die Hohlräume von außen nicht Erde oder Sand eingeschwemmt wurde. Doch diese Bauweise hat Nachteile: Nur ca. 30 % des Rigolenvolumens sind Hohlräume. Außerdem belasten Gewinnung und Transport des mineralischen Materials die Umwelt mehr als die heute übliche Lösung:
In modularer Bauweise werden statisch ideale Kunststoffelemente mit mehr als 90 % Hohlraum zusammengefügt und nach außen durch ein Geotextil geschützt. Das Rigolenvolumen und damit der Aushub beträgt nur noch ein Drittel. Diese Module sind umso beliebter, je weniger tief sie eingebaut, je leichter sie zu handhaben und je kompakter sie zu transportieren sind. Im Wettbewerb stehen Blockrigolen aus kubischen Elementen und Tunnelsysteme.

Ableitung mit Drossel
Überlastete Kanalnetze führen dazu, dass beim Nachverdichten in Bestandsgebieten Baugenehmigungen die Auflage zur dezentralen Regenwasserbewirtschaftung erhalten. Wenn aber die bestehenden Möglichkeiten ausgeschöpft sind und die Versickerung aus geologischen Gründen nicht möglich oder wegen Altlasten im Untergrund nicht zulässig ist, bleibt nur der Kanalanschluss – wie im vorliegenden Fall in einem hoch verdichteten innerstädtischen Industriegebiet eines Stuttgarter Sportwagenherstellers – mit gedrosselter Ableitung.
Die Stadtentwässerung Stuttgart hat die Regenwassereinleitung bei diesem Objekt auf den Maximalwert von 37,7 l/Sekunde beschränkt. Marian Dürrschnabel, Teamleiter des Produktmanagements beim Rigolen-Hersteller Birco, hat vor diesem Hintergrund und auf Basis der Vorgaben des Fachplaners für TGA, Deerns Deutschland GmbH, eine statische Drossel mit Lochblende empfohlen: „Diese reguliert zuverlässig den Ablauf des zurück gehaltenen Regenwassers. Und wir konnten diese leicht zugänglich für die Inspektion in einem separaten Systemschacht unterbringen.“

Stauraumdimensionierung im Nachweisverfahren
Die Stadtentwässerung will bei Niederschlag keine größeren Volumenströme im Mischkanal haben als zuvor. So musste auf dem Gelände des expandierenden Betriebes ein Stauraum her, aus dem Regenwasser automatisch und zeitverzögert erst dann eingeleitet wird, wenn die Kläranlage den ersten Schwall aus der Umgebung bereits verarbeitet hat. Im Interesse der Bauherrschaft sollten weder Geländefläche noch umbauter Raum dazu geopfert werden. Die TGA-Planer haben sich im weiteren dieser Herausforderung angenommen.
Zur Dimensionierung des erforderlichen Stauraums gilt das Arbeitsblatt DWA-A 117 [2]. Wo früher noch das einfache Verfahren angewandt wurde, bedient man sich heute der inzwischen detaillierteren Niederschlagsdaten und schafft mithilfe deutlich verbesserter Rechnerkapazitäten Ergebnisse nach dem sogenannten Nachweisverfahren. Der Planungsaufwand hierzu ist deutlich höher, aber gerechtfertigt, da für den Betreiber das Risiko unkalkulierbarer Schäden infolge Unterbemessung ebenso reduziert wird wie kostspielige Überbemessungen.

Schwerlast oben, Grundwasser unten
Der Auftrag an den Generalunternehmer Moser GmbH & Co. KG enthielt u. a. den Bau eines unterirdischen Rückhalteraumes von 75 m³ Volumen mit Abflussdrossel inklusive Anschluss der Regenentwässerung eines neuen Gebäudes und des asphaltierten Innenhofs (der für Lieferverkehr sowie als PKW-Parkplatz genutzt wird). „Gefordert war eine Rigole in flacher Bauweise wegen des hohen Grundwasserstandes. Zugleich sollte darüber, und das bei nur wenig Überdeckung, Schwerlastverkehr möglich sein“, erinnert sich Andreas Olmosi, Projektleiter beim Bauunternehmer Moser. „Da gibt es kaum Alternativen, wenn die Bauherrschaft wie hier auch noch zusätzlich die Möglichkeiten einer Kamera-Inspektion und einer leichten Zugänglichkeit für Wartung wünscht“.
Bei nur 405 mm Scheitelhöhe werden immerhin 880 l Speichervolumen pro Tunnelelement erreicht. Ein Element ist an der Basis 2300 mm lang und 865 mm breit. Überdeckt wird es beispielsweise mit Schotter der Körnung 16 bis 32 mm. Das durch das DIBt in Berlin zugelassene Rigolen-Produkt mit der Nr. Z-42.1-525 ermöglicht dauerhaften Schwerlastverkehr SLW 60 bei einer Mindestüberdeckung von nur 1,00 m. Für Transport und Lagerung sind die Einzelteile kompakt. Auf eine Palette passen 40 Tunnel­elemente SC-310 mit einem Speichervolumen von 36 m³. Das geringe Gewicht von 17,5 kg pro Element und die kraftschlüssige Steckverbindung machen das Verlegen und Verbinden der Tunnel durch lediglich eine Person möglich. Für Großprojekte können so innerhalb kurzer Zeit selbst große Rigolen wirtschaftlich installiert werden.

Abdichtung nach allen Seiten
Die Birco-Rigolentunnel sind auch für die Regenwasserbehandlung mit anschließender Versickerung konzipiert. Aus diesem Grund wird die Anlage mit einem Schutzvlies umhüllt, welches das Eindringen von Erde und Sand von außen verhindert, Wasser jedoch von innen her allseitig gut austreten lässt. Als Stauraum mit verzögerter Ableitung zur Kanalisation funktioniert die Rigole allerdings nur dank einer dauerhaften, verschweißten Abdichtung. Hier wurde eine glatte schwarze Folie aus PE HD mit 2,0 mm Dicke und DIBT-Zulassung verbaut. „Sie ist wurzelfest, beständig gegen Nagetiere und wird vor allem bei Lagerhallen, Gefahrgutlager sowie im Straßen- und im Deponiebau eingesetzt. Als Schutzlage haben wir ein Multicolor-Faservlies mit 400 g Flächengewicht verwendet“, sagt Frank Müller. Er ist geschäftsführender Gesellschafter der F+T Müller GmbH. Sein Betrieb erfüllt die Qualitätsziele der Überwachungsordnung des Arbeitskreises Grundwasserschutz e. V.

Zusammenfassung
Regenwasserbewirtschaftung ist objektspezifisch. Auch in Innenstädten und Industriegebieten geht es darum, Niederschläge möglichst umweltverträglich dem natürlichen Wasserkreislauf zur Verfügung zu stellen. In vielen Fällen profitiert das Stadt- und Gebäudeklima, die Kanalisation wird entlastet. Wassergesetze, Verordnungen und kommunale Satzungen sind ebenso darauf ausgelegt wie die Regeln der Technik. Dennoch wird in Einzelfällen, vor allem bei nachträglicher Verdichtung im Bestand von Siedlungs- und Gewerbegebieten, ein Kanalanschluss für die Regenableitung erforderlich sein und auch genehmigt werden – allerdings mit vorgeschalteter Rigole als Puffervolumen und mit gedrosselter Ableitung. Bei unterirdischer Ausführung müssen Bauweise und Material dauerhaft beständig und statisch ausreichend belastbar sein.

Literatur:
[1] Entwurf Arbeitsblatt DWA-A 102/BWK-A 3. Grundsätze zur Bewirtschaftung und Behandlung von Regenwetterabflüssen zur Einleitung in Oberflächengewässer; Oktober 2016
[2] DWA-Arbeitsblatt 117. Bemessung von Regenrückhalteräumen; Februar 2014

Autorin: Barbara Sahler, Überlingen

 

Nachgefragt
IKZ-FACHPLANER: Welche Gründe kommen für die Anordnung von Regenrückhalteräumen häufig zum Tragen? Und welches Regelwerk ist hauptsächlich maßgebend?
Klaus W. König: Das Arbeitsblatt DWA-A 117 ist im Bereich der gesamten Abwasserableitung zwischen der Grundstücksentwässerung und dem Gewässer anwendbar. Es regelt die Bemessung und den Nachweis von Regenrückhalteräumen. Gründe für die Anordnung von Regenrückhalteräumen sind z. B. die Begrenzung von Gebietsabflüssen, Kosteneinsparungen beim Bau von Entwässerungssystemen, der Anschluss von Neubaugebieten an ausgelastete Entwässerungssysteme oder die Sanierung überlasteter Kanalnetze. Angesichts der Investitionen, die für den Bau von Abflusssystemen und Rückhalte­räumen erforderlich sind, kommt einer nach wirtschaftlichen Gesichtspunkten ausgerichteten Konzeption und Bemessung von Rückhalteräumen große Bedeutung zu.

IKZ-FACHPLANER: Bereits seit einigen Jahren häufen sich Starkregenereignisse. Hat dies zwischenzeitlich Einfluss auf die Bemessung von Regenrückhalteräumen genommen?
Klaus W. König: Einflüsse auf das Bemessungsergebnis könnten sich aus möglichen Auswirkungen des Klimawandels ergeben. Die heute vorliegenden Niederschlagsprojektionen weisen eine sehr große Variabilität auf. Für die Bemessung von Rückhalteräumen ist dabei insbesondere die Zunahme von lokalen Starkregenereignissen von Bedeutung, die zu einer Erhöhung der erforderlichen Rückhaltevolumina führen könnten. Aufgrund der großen regionalen Variabilität und der großen Unsicherheiten der prognostizierten Niederschlagsentwicklung wird jedoch von einem Klimawandelzuschlag im Bemessungsgang abgeraten. Vielmehr sind bei der Planung – auch im Hinblick auf die Ziele einer integralen Siedlungsentwässerung – Möglichkeiten zur späteren Erweiterbarkeit des Rückhalteraums und zur Verringerung des Niederschlagswasseranfalls zu berücksichtigen.

IKZ-FACHPLANER: Der Entwurf des Arbeitsblatts DWA-A 102/BWK-A 3 „Grundsätze zur Bewirtschaftung und Behandlung von Regenwetterabflüssen zur Einleitung in Oberflächengewässer“ ist bereits im Oktober 2016 erschienen. Warum ist der sogenannte Weißdruck erst für 2019 zu erwarten?
Klaus W. König: Zum Entwurf des Regelwerkes hat es sehr viele und umfangreiche Einsprüche gegeben. Diese will der Normenausschuss innerhalb von 25 bis 30 Monaten abgearbeitet haben, sodass mit dem Weißdruck in der ersten Jahreshälfte 2019 zu rechnen ist. Der Inhalt des Entwurfs soll aber weitestgehend nach Auskunft des Obmanns so bleiben.

 


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