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Raumlufthygiene: VDI 6038 setzt neue Maßstäbe

Die VDI 6038, die sich derzeit noch im Gründruck befindet, setzt im Bereich der Raumlufthygiene neue Maßstäbe und bringt in Deutschland bisher nicht beachtete Neuerungen mit sich. Auch diese Richtlinie wird – wie andere Normen und Richtlinien in diesem Bereich – kein Gesetze darstellen, sondern eine „Empfehlung sachkundiger Kreise“ sein. Doch was macht diese Richtlinie so anders als bestehende und welche Neuerungen bringt sie wirklich mit sich?

 

Seit 1998 besteht die VDI 6022 (aktuelle Ausgabe 2006), die in den vergangenen 12 Jahren immer wieder Forderungen zur Luft­hygiene in Raumlufttechnischen Anlagen (RLT) formuliert hat und weiterhin zu den „allgemein anerkannten Regeln der Technik“ zählt. Weitere wesentliche Normen und Richtlinien im Bereich der Raumlufthygiene waren bis vor fünf Jahren beispielsweise auch die DIN 1946 mit ihren Blättern 1 und 2, die durch die DIN 12792 (entspricht DIN 1946 Blatt 1) sowie DIN EN 15251 (Ausgabe 2007) und DIN 13779 (Ausgabe 2007) abgelöst und mit der DIN SPEC 13779 (Ausgabe 2009) ergänzt wurden.
Die Richtlinienreihe der VDI 6022 erfährt in diesem Jahr einige weitere Ergänzungen und Anpassungen. So werden einzelne VDI-Normen der Lufthygiene zusammengefasst und in der VDI 6022 Blatt 1 bis Blatt X integriert. Inhaltliche Änderungen sind dabei für die bisher bekannten Blätter der VDI 6022 nicht vorgesehen.

Der Entwurf der VDI 6038 enthält einige bemerkenswerte Neuerungen. Erstmals werden die Atemluftinhaltsstoffe bewertet und als Ziel formuliert. Ganz im Sinn der Arbeitsstättenverordnung, die „ausreichend gesundheitlich zuträgliche Atemluft“ fordert. Die VDI 6038 analog zu EN 13779 oder EN 15251 vier verschiedene Qualitätskategorien für die Raumluft durch die Festlegung von Beurteilungswerten.

Gesundheit der Raumnutzer im Fokus
Da sich der Mensch heute zu 80 bis 90 % in Innenräumen aufhält und die Räume gegenüber der Außenluft immer mehr isoliert werden, ist deren Berücksichtigung ein wichtiger und logischer Schritt für den Schutz der Gesundheit der Raumnutzer. Dr. ­Achim Keune, Antragssteller und Vorsitzender der neuen VDI-Norm: „Bisher war es nicht gefordert, einen Nachweis zu erbringen, ob die Atemluft, die wir in Räumen einatmen, auch gesundheitlich zuträglich ist. Und das, obwohl wir uns im Durchschnitt rund 20 Stunden in Räumen aufhalten. Die Luft, die wir dort einatmen, besteht entweder aus Außenluft – bei freier Lüftung – oder aus aufbereiteter Zuluft. Dies erfolgt bei maschineller Lüftung. Hier wird die Außenluft gefiltert, geheizt, gekühlt o.ä. Innerhalb des Raumes nimmt die Luft Las­ten auf, sodass die eingeatmete Luft eine andere Qualität hat als die Außenluft, die dem Raum bei freier Lüftung zugeführt wird. Durch die Vorgabe von gezielten Beurteilungswerten ist es mit der VDI 6038 nun erstmals auch in Räumen möglich, die Qualität der Atemluft zu bewerten. So, wie es für die Außenluft bereits Vorgabe ist. Gemeinsam mit meinem Team haben wir genau analysiert, welche Inhalte der Raumluft in Deutschland häufig Anlass für Kritik waren. Dabei wurden die Messungen so vorgeschlagen, dass der RLT-Branche große Investitionen für Messverfahren weitestgehend erspart bleiben. So werden zum Beispiel CO2, Radon oder Schimmelpilzsporen in Räumen gemessen, da diese in hohen Konzentrationen für Menschen, die sich regelmäßig in belasteten Räumen aufhalten, gesundheitlich nicht zuträglich sind.“

 

Doch bei der Bewertung der Raumluftqualität (nach VDI 6038) geht es nicht nur um die Einhaltung der Beurteilungswerte wie für: Kohlenmonoxidgehalt, TVOC, Radon, Dichlormethan, Schimmelpilzsporen oder Ozon (weitere finden ebenfalls Beachtung in der VDI 6038), sondern auch um die Behaglichkeit (thermisch und olfaktorisch), die ein Mensch in einem Raum empfindet. Letztere sind bereits in der DIN EN ISO 7730 und DIN EN 15251 festgelegt.

Gesundheitsschädliche Luftinhaltsstoffe
„Unter Verbesserung der Luftqualität in Räumen sind (mit Einschränkungen) die Verbesserung der Behaglichkeit sowie der Atemluft – in ihrer Zusammensetzung – zu verstehen. Unter dem Begriff Behaglichkeit werden die thermische Behaglichkeit und eine olfaktorische Behaglichkeit zusammengefasst. Die formulierte „Einschränkung“ bei der Behaglichkeit berücksich­tigt, dass zur thermischen Behaglichkeit auch beispielsweise statische Heizungen und gut isolierte Fens­ter beitragen können und müssen. Bei der Olfaktometrie werden die von Menschen über den Geruchssinn wahrnehmbaren Luft­inhaltsstoffe bewertet. Dazu muss man wissen, dass mindestens 300 Luft­inhaltsstoffe bekannt sind, die der Mensch nicht riechen kann, die jedoch gesundheitsschädlich für den Menschen sein können“, führt Dr. Keune zur genauen Erläuterung aus und begründet damit, dass geruchslose Luft nicht automatisch als gesunde Luft bezeichnet werden kann. Als Beispiel hierzu benennt er Kohlenmonoxid, das bei unvollständiger Verbrennung entsteht, geruchslos ist und gesundheitlich schädlich ist.

Doch wann ist Raumluft überhaupt rein? „Ein unreiner Luftinhaltsstoff in Räumen entsteht durch die ganz „natürliche Verunreinigung“; nämlich durch das Ausatmen von Luft durch die Nutzer eines Raumes. So ist in unbelüfteten Räumen zumindest Kohlendioxid als Verunreinigung vorzufinden“, so Dr. Keune. „Auch die Außenluft enthält zunehmend Kohlendi­oxid, deren Konzentration wir durch vielfältige Energieeinsparmaßnahmen bekämpfen wollen. Für die zulässige Kohlendioxid-Konzentration in Räumen gibt es schon seit rund 150 Jahren einen Grenzwert den man „Pettenkofer-Wert“ nennt. Dieser liegt bei 1000 ppm und soll laut Pettenkofer in Aufenthaltsräumen nicht überschritten werden.“ Grenzwerte hierfür sind bereits in der DIN EN 13779 und DIN EN 15251 definiert. Allerdings in Abhängigkeit der vorliegenden Konzentration der Außenluft, was zu Diskussionen innerhalb der Branche führte. Daher legte des Umweltbundesamt (UBA) in einer Kommission für Innenraumlufthygiene 2008 Richtwerte fest, deren Grenzwerte auch in der VDI 6038 übernommen wurden (siehe dazu Grafik 4). Die CO2-Messung gehört laut VDI 6038 zu den Standardmessungen in der Raumnutzungsphase und wird bereits heute von immer mehr Anbietern durchgeführt.

Neben der Verunreinigung mit Kohlendioxid sind auch andere „luftfremde“ (Luft-)Inhaltsstoffe in Räumen zu finden, die in entsprechenden Konzentrationen schädlich sein können. Allen voran Feinstaubkonzentrationen, deren Grenzwerte (PM2,5) erstmals mit der VDI 6038 in einer Lufttechnik-Richtlinie berücksichtigt werden. Die Messung gehört jedoch nicht zu den vorgeschriebenen Standardmessverfahren bei Inbetriebnahme von RLT-Anlagen, da hier teure Messgeräte und eine entsprechende Erfahrung des Prüfers erforderlich sind. Andere Verunreinigungen, die durch Reinigungsmittel, Kleber in Teppichen, Pols­tern und Möbeln oder Lacken und Farben entstehen, werden ebenfalls als Schadstoffe in der neuen VDI-Richtlinie aufgeführt, da sie zu einer Belastung der Raumluft beitragen. Auch die Ozonkonzentration wird hier berücksichtigt. „Hohe Ozonkonzentrationen in Räumen kommen meist nicht durch hohe Außenluftkonzentrationen, wie oft fälschlich angenommen. Die Halbwertzeit von Ozon beträgt nämlich nur 30 Minuten“, erklärt Dr. Keune. „Jedoch arbeiten einige am Markt vorhandene Luftverbesserungsgeräte mit Ozon, da dieses ein hervorragendes Oxidationsmittel für z.B. gasförmige Verunreinigungen, Geruchsstoffe oder auch Bakterien und Viren ist. Wenn auf diese Weise stetig Ozon in einen Raum eingebracht wird, steigt die Konzentration auf nicht zulässige Werte an und kann ebenfalls gesundheitlich schädlich sein.“
„Die VDI 6038 wird neue Maßstäbe setzen und die Branche zum Umdenken bewegen, dessen sind wir uns sicher“, so Dr. Burhenne, Vorsitzender des Deutschen Fachverbandes für Luft- und Wasserhygiene e. V. (DFLW). Der Weißdruck der Richtlinie wird für Juli 2011 erwartet.

Autoren: Dr. Achim Keune, Fachbuchautor und Mitglied in vielen Normen- und Richtlinien-Ausschüssen in Zusammenarbeit mit dem Deutschen Fachverband für Luft- und Wasserhygiene e. V. (DFLW)

www.dflw.info

 


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