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PV-basierte Komplett-Autarkie

Ergebnisse des Projektes Plus-Energie-Solarhaus der BayWa r.e. in Tübingen

Ein Modellhaus des Plus-Energie-Solarhauses wurde von der BayWa r.e. im Februar 2015 in Tübingen gebaut. Die Wohnfläche beträgt 200 m². Herzstück der Energieversorgung ist die große PV-Anlage (knapp 30 kWpeak). Bild: BayWa r.e.

Heizenergie und Warmwasser werden mit einer Luft-Wasser-Wärmepumpe erzeugt. Den notwendigen Betriebsstrom erhält sie ganz überwiegend vom hauseigenen Solargenerator. Bild: BayWa r.e.

Das Konzept wird derzeit auf ein Siedlungsprojekt in Friedberg-Hügelshart übertragen.

Seit diesem Frühjahr entsteht dort eine Effizienzhaus Plus-Siedlung, bestehend aus neun ­Einfamilienhäusern und vier Doppelhaushälften. Bild: asset GmbH

 

Mit dem Plus-Energie-Solarhaus will das Münchener Erneuerbare Energien Unternehmen BayWa r.e. zeigen, dass eine fast vollständige Selbstversorgung mit Haushaltsstrom, Heizenergie und Warmwasser über eine PV-Anlage auf dem Dach gelingen kann. Nach über einem Jahr Projektphase gibt es nun die ersten Messergebnisse. Wir stellen das Projekt und erste Ergebnisse vor.

Die Entwicklung des Solarmarkts in Deutschland geht im Einfamilienhausbereich seit einigen Jahren weg von der klassischen Einspeisung von Strom ins öffentliche Netz hin zum Standard aus PV-Anlage plus Solarspeicher, um die Eigenverbrauchsquote zu erhöhen. Neue und auch alte Anlagenbesitzer werden zu Prosumern. Für sie lohnt es sich mehr und mehr, den selbst erzeugten Strom (Produzent) auch selbst zu konsumieren (Konsument).
Diesen Trend hat die BayWa AG über ihr Tochterunternehmen BayWa r.e. GmbH aufgegriffen. In der BayWa r.e. bündelt die AG ihr Geschäftsfeld Erneuerbare Energien. Mit dem Plus-Energie-Solarhaus wollen die Münchner zeigen, dass der Jahresgesamtenergiebedarf eines Wohnhauses zu einem Höchstmaß durch selbst erzeugten PV-Strom von der eigenen Dachanlage gedeckt werden kann. Überschüssiger Strom kann ins öffentliche Netz gespeist oder zum Auftanken eines E-Autos verwendet werden.
Ein Modellhaus wurde von der BayWa r.e. im Februar 2015 in Tübingen gebaut. Die Wohnfläche beträgt 200 m². Es hat derzeit fünf Bewohner: vier Erwachsene und ein Kind. Das Haus wurde im KfW-55-Standard errichtet. Die Gebäudehülle besitzt sehr viel Glasfläche, was die Frage aufwirft, ob die passive Wärmegewinnung in diesem Umfang eine notwendige Voraussetzung zum Funktionieren dieses Konzepts ist oder ob es mit jedem KfW-55-Haus umgesetzt werden kann. Das sei nicht der Fall, sagt Elke Dehlinger, die bei der BayWa r.e. das Projekt Plus-Energie-Solarhaus leitet. „Die Glasfläche hat zwar Einfluss auf den Heizwärmebedarf, sie ist jedoch nicht konzeptentscheidend. Daher kann das Konzept mit jedem Ein- bis Zwei-Familienhaus umgesetzt werden“, sagt sie.

Sehr großer Generator
Die PV-Anlage des Tübinger Modellhauses wurde sehr groß dimensioniert. Sie besteht aus 124 Modulen (62 SolarFabrik-Module PremiumXM mono black (210 Wp) und 62 LG-Module MonoX LG270S1K-B3 (270 Wp)). Die Gesamtleistung beträgt 29,76 kWpeak. Im Zeitraum vom 1. März 2015 bis zum 29. Februar 2016 hat die Anlage 28 680 kWh Strom erzeugt (Für den Standort Tübingen wird ein Solarertrag von 956 kWh/kWp und Jahr angegeben).
Das Plus-Projekt hat gezeigt, dass es nicht unbedingt einer Südausrichtung des Daches bedarf. „Natürlich ist der Energieertrag pro kWp bei reiner Südausrichtung höher und damit etwas wirtschaftlicher als diese Anlage“, sagt Dehlinger. Aufgrund des Einsatzes der Batterie bringt dieser Umstand jedoch keinen nennenswerten Effekt. „Auch dies ist ein Resultat der Anlage und eine Bestätigung der Simulation. Daher kann man sagen, dass Süd- gegenüber Ost/West-Ausrichtung gleichwertig ist“, resümiert sie. Überdies hätten Ost-West-Dächer den Vorteil, dass Solarstrom früher am Morgen und später am Abend zur Verfügung stehe. „Dies führt zu einem höheren Eigenverbrauch“, sagt sie.
Vom Gesamtertrag wurden 4950 kWh Strom direkt verbraucht und 3680 kWh zunächst in dem hauseigenen Solarspeicher geladen und später verbraucht (effektiv nutzbare Speicherkapazität der Batterie: 16 kWh). Mit dem Strom wurde jeglicher Energiebedarf des Gebäudes gedeckt (Strom, Warmwasser, Heizung). Bemerkenswert ist, dass sich die Bewohner in ihrem Verhalten nicht an die Stromerzeugung anpassen mussten, z. B. dass Geschirrspüler oder Waschmaschine nur mittags laufen durften. Dehlinger: „Wir haben das Plus-Energie-Solarhaus bisher komplett ohne zusätzliche Verbrauchersteuerung betrieben, außer der Wärmepumpensteuerung. Die Bewohner müssen sich – trotz 80 % Autarkie – nicht einschränken.“ Falls Sie es tun würden, wäre laut BayWa r.e. noch mehr Autarkie und Eigenverbrauch möglich.
Was geschah mit dem „übrigen“ Strom? Er wurde ins Netz eingespeist. Sage und schreibe 20 050 kWh. Diese Menge beweist die beeindruckende Dimension des Generators nochmal. Die Macher betonen, dass der Fokus des Projekts in Tübingen nicht auf die Wirtschaftlichkeit gerichtet war, sondern auf die Technik. Und wie gleich noch zu lesen sein wird, sind die Kollektoren im Siedlungsprojekt Hügelshart deutlich kleiner.
Die Wirtschaftlichkeit der PV-Anlage ist also auch bei hoher Eigenstromnutzung zu einem guten Teil immer noch abhängig von der Einspeisevergütung, die das Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) dem Betreiber für jede eingespeiste kWh zahlt. Das gilt es vom Bauherren zu bedenken. Deshalb kann auch hier von Glück gesprochen werden, dass mit der Novelle des EEG nicht die Axt an die PV-Förderung gelegt wurde. Für Anlagen mit Leistungen unter 750 kW soll das EEG 2014 weiter gelten. Und sicher werden die Preise für Solarmodule weiter sinken und auch die für Solarstromspeicher. Allein in den vergangenen zwei Jahren haben sich die Preise für Solarspeicher um ein Drittel verringert.
Die Zukunft wird allerdings auch die Frage bringen, wie der eigene Strom-„Absatz“ vermehrt werden kann, sodass weniger Strom ins Netz eingespeist werden muss. Fast schon klassische Abnehmer, die heute schon behandelt werden als wären sie gewöhnlich, sind E-Autos. Vielleicht werden in Zukunft die Möglichkeiten, Strom an Dritte in unmittelbarer Nachbarschaft nach dem Modell „Mieterstrom“ (oder in Abwandlung) zu verkaufen, auch besser werden.

Luft/Wasser-Wärmepumpe als Wärmezentrale
Für die Wärmeversorgung wurde eine Luft/Wasser-Wärmepumpe (LWP, Stiebel Eltron Inverter-Luft/Wasser-Wärmepumpe, WPL 25A) installiert und diese mit einem Pufferspeicher kombiniert. Der Speicher besitzt ein Fassungsvermögen von 1500 l (Stiebel Eltron, Pufferspeicher SBS 1501). Die Messergebnisse zeigen, dass die Wärmepumpe nicht komplett mit selbsterzeugtem Solarstrom betrieben werden konnte. Die Wärmepumpe verbrauchte im Zeitraum September 2015 bis März 2016 3216 kWh Strom (die Aufzeichnungen des separaten Wärmepumpenverbrauchs begannen erst Mitte Juli 2015). Davon lieferte die PV-Anlage 2157 kWh entweder direkt oder indirekt über die Batterie. Somit wurden 67 % des benötigten Stroms für die Wärmeversorgung durch die eigene PV-Anlage abgedeckt. 33 % oder 1059 kWh Strom mussten aus dem Netz bezogen werden.
Das Konzert im Zusammenspiel der einzelnen Bestandteile zu einem Gesamtsystem dirigiert nur ein Energiemanager: der Sunny Home Manager von SMA. Er kommuniziert über das ISG (= InternetServiceGateway) mit dem Wärmepumpenmanager von Stiebel Eltron. Der Wärmepumpenmanager meldet den Bedarf an den Energiemanager und dieser plant dann den Betrieb der Wärmepumpe nach der Ertragsprognose ein. Werden jedoch bestimmte Mindestwerte (Raumtemperatur, Temperatur im Pufferspeicher) unterschritten, dann schaltet sich die Wärmepumpe selbsttätig ein. Die Hierarchie des Verbrauchs ist klar geregelt: Zuerst fließt der PV-Strom weitestmöglich direkt in den Eigenverbrauch. Der PV-Überschuss wird in der Solarbatterie und im Pufferspeicher geparkt. Was darüber nicht verwertet werden kann, fließt ins öffentliche Netz.

Ergebnisse: So viel Autarkie gibt’s
Im ersten Jahr wurde für das Gebäude ein Autarkiegrad von durchschnittlich 80 % erreicht. Wenn man sich das Ergebnis im Detail anschaut, dann zeigt sich, dass die Energie aus dem Solargenerator von März bis Oktober ausreichte, um das Haus annähernd zu 100 % zu versorgen. Von November 2015 bis Februar 2016 reichte die PV-Energie nicht, um den gesamten Bedarf für Strom, Warmwasser und Heizung zu decken, sodass Netzstrom bezogen werden musste. Aber selbst im Dezember wurde ein Autarkiegrad von 72 % erreicht. Mehr als die Hälfte des gesamten Energieverbrauchs (52 %) ließ sich in diesem Wintermonat direkt durch die PV-Anlage decken, weitere 20 % stammten aus dem in der Batterie zwischengespeicherten PV-Strom.

20 % Netzstrom sind notwendig
Obwohl der Generator sehr groß gewählt wurde, mussten 20 % der benötigten Energie über Netzstrom abgedeckt werden. Andererseits erzeugte der Generator sehr viel Strom, der gar nicht im Haus verwendet werden konnte und ins Netz eingespeist wurde.
Was die kWh Strom den Gebäudebesitzer mit diesem System kostet und was die kWh Wärme in der Summe aus Inves­titions- und Betriebskosten (Strombezug für die Wärmepumpe im Winter), diese Zahlen wurden im Projekt Tübingen noch nicht ermittelt. Auch gibt es keine Angaben, was ein solches Selbstversorgungs-System gesamt nach Marktpreisen in etwa kostet und auch keine Abschätzung bezüglich der anfallenden Installationskos­ten. „Die Investitionskosten sind sehr dynamisch und für jedes Objekt individuell verschieden. Dasselbe gilt für die Installationskosten. Davon abgesehen wurde bei der Planung des Plus-Energie-Solarhauses hier in Tübingen der Schwerpunkt nicht auf die wirtschaftlichen Kriterien gelegt“, sagt Dehlinger.
Allerdings gibt es einen Ausblick: BayWa überträgt das Tübinger Konzept gerade auf ein Siedlungsprojekt in Friedberg-Hügelshart. Seit diesem Frühjahr entsteht dort eine Effizienzhaus Plus-Siedlung, bestehend aus neun Einfamilienhäusern und vier Doppelhaushälften. Laut BayWa werden die Häuser aufgrund des sich bietenden Mehrwerts etwas über den in der Region üblichen Neubaupreisen liegen. Der Mehrwert entstehe Dank der Autarkie von über 70 %.

Siedlungsprojekt Friedberg-Hügelshart
Die Solargeneratoren sind dort deutlich kleiner geplant als der Generator in Tübingen. Die Gebäude haben alle Nord-Süd-Dächer, sodass nur das Süddach für eine PV-Anlage genutzt werden kann. Die Einfamilienhäuser in Hügelshart erhalten 44 Module (11,80 kWp) und die Doppelhaushälften „nur“ 28 Module (7,56 kWp) aufgrund von Vorschriften zum Brandschutz. Bei den Einfamilienhäusern wird mit einem jährlichen Stromertrag von ca. 13 170 kWh gerechnet, bei den Doppelhaushälften sollen es ca. 8340 kWh sein. Dem steht ein prognostizierter Strombedarf von 6650 kWh pro Jahr in den Einfamilienhäusern (EFH) gegenüber. Für die Doppelhaushälften (DHH) wird der Verbrauch auf 6050 kWh taxiert, in den Werten ist der Haushaltsstrom mit 3200 kWh (EFH) und 3100 kWh (DHH) bereits enthalten. Auch in Hügelshart wird der PV-Strom entweder direkt verbraucht oder zunächst in der Solarbatterie zwischengespeichert.

Schlussbemerkung
Im ersten Jahr Betrieb in Tübingen gab es laut BayWa r.e. keine technischen Schwierigkeiten oder Probleme mit der Bereitstellung der Energie, obwohl es ein sehr komplexes System ist. „Die Wartungszyklen sind die gleichen wie bei anderen Standard-PV- und Wärmepumpen-Anlagen auch“, sagt Projektleiterin Elke Dehlinger: „Das System ist mittlerweile – auch durch unser Plus-Energie-Solarhaus – so ausgereift, dass wir es unseren Kunden weiterempfehlen und weitergeben können.“

Autor: Dittmar Koop

 


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