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Orthopädie für Pellets

Die Abenddämmerung täuscht eine idyllische Ruhe in der deutschen Pelletproduktion vor. Hier das Werk der EC Bioenergie in Kehl am Rhein. Der Fluss allerdings trägt mehr und mehr Holzpellets aus dem Ausland in den deutschen Markt. Bild: EC Bioenergie

Pellets in Mega. Das Werk von Green Circle Bio Energy Inc. befindet sich in Cottondale, Florida, USA. Es besitzt eine Produktionskapazität von 600000?t/Jahr. Die größten Werke in Deutschland kommen auf 100?000 bis 250000 t. Bild: Green Circle

Product Carbon Footprint – keine Selbstverständlichkeit in der Branche. Bild: Westerwälder Holzpellets

Markus Mann, Geschäftsführer der Westerwälder Holzpellets. Bild: Mann Energie

 

 

Holzpellets gelten als CO2-neutraler Brennstoff. Doch das blendet ihre Produktion aus. Es gibt Versuche von Seiten innovativer Pelletproduzenten, auch andere Werte als nur den Preis im Markt zu kommunizieren um sich darüber davon abzugrenzen. Beispiele sind der Product Carbon Footprint oder die Zertifizierung Blauer Engel. Mitunter ein Wagnis im hart umkämpften Pelletmarkt.

Mit welchen neuen Argumenten kann man für Holzpellets aus der Region werben? Seitdem es DINplus- und/oder ENplus-Pellets gibt - manche Anbieter lassen ihre Pellets nach beiden Gütezeichen zertifizieren - ist der Brennstoff ja gleich geworden. Ähnlich wie ein Kunde in den Tank seines Autos Sprit unterschiedlicher Markentankstellen füllt, entscheidet nicht mehr so sehr die Herkunft den Kauf, sondern der Preis, weil die gleiche Qualität ja über das Gütezeichen garantiert wird.
Pellets werden inzwischen nicht nur aus Russland und dem Baltikum auf dem deutschen Markt angeboten. In erheblichen Umfang kommen Pellets aus USA und Canada nach Nordeuropa. Verteilt über Rhein, Elbe und die Kanäle, landen die Pellets auch vermehrt direkt vor der Haustür der Verbraucher. Doch die Gütezeichen sagen nichts darüber, wie die Holzpellets produziert wurden und wo.
Die Krux ist, dass Holzpellets zwar von Händlern, Herstellern und Installateuren als kohlendioxidneutraler Brennstoff verkauft werden - und damit die Umweltfreundlichkeit des Brennstoffs im Vergleich zu Heizöl oder Erdgas betonen. Was das Produkt an sich betrifft, mag das in der Bilanz ja auch stimmen. Bei der Verbrennung der Presslinge wird das Kohlendioxid (CO2) frei gesetzt, das der Baum zu seinen Lebzeiten der Atmosphäre entzog. Aber das blendet aus, dass die Pellets-Produktion selbst ja auch noch da ist und der Transport. Und durch sie entsteht CO2, das in dieser Bilanz nicht auftaucht.
Markus Mann, Geschäftsführer der Westerwälder Holzpellets, begann deshalb Anfang 2011, die CO
2-Bilanz in seinem Unternehmen zu ermitteln. Mit Erfolg. Der TÜV Rheinland bescheinigte dem Unternehmer per Zertifikat, dass er damals pro Tonne Holzpellets in seinem Werk in Langenbach 21 Kilogramm Kohlendioxid-(CO2)-Äquivalent ausstieß. Ein Versuch, gegen die zunehmende Internationalisierung der Holzpelletproduktion mit einem neuen Argument pro Regionalität zu werben. Mann: "Ein deutscher Pelletproduzent zahlt im Sommer 2014 für den Rohstoff zirka 100 bis 110 Euro/t Holzpellets. Produzenten in USA und Kanada erhalten diesen für 30 bis 40 Euro/t. In Südamerika ist das Sägemehl zum Teil sogar noch ein Entsorgungsgut. Bei deutschen Pellet-Produktionskosten von zirka 65 Euro/t im Sommer und 85 Euro/t im Winter sind die Rohstoffkosten die maßgebende Größe und es entstehen erhebliche Wettbewerbsverzerrungen."

Product Carbon Footprint

Dem Unternehmer hatten im Prinzip zwei Sachverhalte geärgert, die ihn zu diesem Schritt bewegten, seinen Product Carbon Footprint ermitteln zu lassen. Dass Verbraucher beim Kauf von Pellets nur nach dem Preis und der Qualität gehen, nicht aber fragen, wie die Pellets hergestellt werden und woher sie kommen. Das Schlüsselerlebnis von Mann waren russische Pelletwerke, die er zu Gesicht bekam. Der Rohstoff Späne wurde mit Erdgas oder Kerosin getrocknet, außerdem summierten sich die Transportstrecken auf bis zu 1000 km. Mann führte eine Vergleichsrechnung durch. Er kam auf 619 kg CO2-Äquivalent bei diesen Annahmen für die Produktion von Pellets, die aus Russland kommen - gleichwohl DINplus oder ENplus zertifiziert sein können. Der Treibhausgas-Fußabdruck - Carbon Footprint - wäre damit dreißig Mal so groß, wie der des Wes-terwälders. Selbst wenn dieser Wert einer genauen Berechnung nicht standhalten und sich als übertrieben erweisen sollte, so wurden doch die möglichen energetischen Unterschiede in der Produktion von Holzpellets erstmals plakativ verdeutlicht.
Mittlerweile fällt die CO2-Bilanz der Westerwälder Holzpellets größer aus. Der Wert liegt heute bei 31 kg CO2-Äquivalent. "Wir haben vermehrt Rundholz zu Spänen verarbeiten müssen, weil in diesem Winter das Angebot an Sägespänen knapper war. Dadurch wurden auch die Bezugswege etwas länger", so Mann Die Späne bezieht der Westerwälder aus einem Umkreis von 18 km; beim Rundholz sind es bis zu 40 bis 50 km. Hier zeigen sich auch die grundlegenden Zusammenhänge des Product Carbon Footprint: Er ist der spezifische CO2-Fußabdruck der Pelletproduktion entlang der kompletten Wertschöpfungskette vom Baum bis zum Pelletbunker beim Endkunden, gemessen in CO2-Äquivalenten. Verändern sich Parameter, verändert sich auch der Wert. Der Wert macht die Produktion transparenter.

Pellets sind nicht gleich Pellets

Ein relativ energieintensiver Schritt in der Abfolge der einzelnen Schritte in der Holzpellets-Produktion ist zum Beispiel die Trocknung des Ausgangsmaterials - Späne - auf die richtige Prozessfeuchte. Dafür gibt es industrielle Trockner, zum Beispiel Band- oder Trommeltrockner. Diese können ganz unterschiedlich ihre Energie beziehen. Etwa aus Abwärme einer am Werk angegliederten Stromproduktion. Zudem stellt sich die Frage, welcher Energieträger verwendet wird. Wird die Energie für die Trocknung der Späne aus Erneuerbaren Energien bereitgestellt oder aus Öl oder Erdgas? Wie verhält es sich mit der Herkunft des eingesetzten Stroms in der Produktion? Handelt es sich um Ökostrom oder Strom aus Kohlekraftwerken?
Etwa zeitgleich, auch Anfang 2011, kam ein neues Zertifikat auf den Markt, das in ähnlicher Weise wie der Carbon Footprint darauf abzielt, den Fußabdruck Kohlendioxid von Holzpellets zu messen und eine besondere Nachhaltigkeit einer Produktion auszeichnet: Der Blaue Engel für Holzpellets. Die Vergabegrundlagen des Blauen Engels für Holzpellets sind niedergelegt in der RAL-UZ 153. Hinter dem Blauen Engel steht das Umweltbundesamt.

Warum kein Bote für alle?

Auch hier ließe sich die Frage stellen, warum Holzpellets überhaupt noch extra mit einem Blauen Engel ausgezeichnet werden können/müssen. Sind sie als ökologischer Brennstoff nicht per se Blaue-Engel-Produkte auf dem Brennstoffmarkt, im Vergleich zu Heizöl oder Erdgas? Fakt ist: Pelletproduzenten, die den Blauen Engel führen wollen, müssen mehr nachweisen als nur den Einhalt bestimmter physikalischer und chemischer Eigenschaften ihrer Pellets nach ENplus oder DINplus. Ein Engel-Kandidat muss nachweisen, dass der Rohstoff aus nachhaltiger Forstwirtschaft stammt und dafür wiederum eine Zertifizierung nach PEFC, FSC oder Naturland vorlegen. Außerdem muss die Energie zur Trocknung der Späne im Pelletwerk aus Erneuerbaren Energien oder industrieller Abwärme stammen.
Zwar gibt es keinen CO2-Grenzwert, der die Verleihung eines Blauen Engels begrenzt. Das heißt, dass selbst Holzpellets aus Kanada oder Russland den Engel erhalten könnten, wenn die Produktionskriterien erfüllt sind. Die Transportentfernungen spielen für die Vergabe an sich also keine Rolle. Aber der CO2-Footprint für den Transport wäre in diesen Fällen höher, und der wird für den Konsumenten sichtbar gemacht. Denn die Werte werden auf Pelletsäcken bei Sackware und bei loser Ware auf dem Lieferschein ausgewiesen.
Der Engel könnte damit die Regionalität eines Produkts zusätzlich betonen, indem er dem Verbraucher unterschiedlich lange Wege in Form von CO2-Äquivalenten sichtbar macht. Außerdem könnte der Einsatz Erneuerbarer Energien oder industrieller Abwärme bei der Produktion als Abgrenzungskriterium gegenüber Ware dienen, bei deren Produktion eben nicht diese eingesetzt werden und die deshalb keinen Blauen Engel erhalten könnten.

Könnte, sollte, dürfte

Doch der Engel steht nach wie vor im Konjunktiv. Denn drei Jahre nach Einführung des Zeichens gibt es nur ein Unternehmen, das sich zertifizieren ließ. "Die Firma Gregor Ziegler GmbH nutzt für das Produkt Thermospan Holzpellets Premium den Blauen Engel. Leider hat sich bisher keine weitere Nachfrage entwickelt", gibt Angela Kohls vom Umweltbundesamt Auskunft. Auch Markus Mann hat sich nicht zertifizieren lassen, obwohl er das damals noch als erster Kandidat bekundete. Warum nicht?
Der Engel wurde seinerzeit mit Interesse, aber zugleich auch mit Skepsis von der Branche aufgenommen. Die deutschen Pelletproduzenten sahen darin zwar eine Chance sich zu profilieren, gleichwohl aber auch ein Zeichen, das nur beschrieb, was die Produzenten sowieso schon tun. "Um lange Transportwege zu vermeiden, beziehen wir unsere Rohstoffe, die für die Herstellung der Pellets benötigt werden von Unternehmen und Sägewerken, die sich vorwiegend im Umkreis von 100 km zu unseren Produktionsstätten befinden. Außerdem sind 90 % unserer Lieferanten PEFC-zertifiziert ", sagt beispielsweise Bastian Wald, Geschäftsführer der BSM Bioenergie-Stoffstrom-Management GmbH. Die BSM gehört zur EC Bioenergie Heidelberg. Das Unternehmen ist einer der größten Pelletproduzenten in Deutschland, mit vier Werken und einer Produktion von rund 200 000 t pro Jahr.

Ausblick: Effizienzklassen Pellets?

"Die Wirkung einer solchen Auszeichnung wie Carbon Footprint war weniger stark als erhofft. Der Markt nimmt davon immer noch nicht Notiz", stellt Mann fest. In der Hauptsache geht es nach wie vor immer nur um den Preis. Es war sogenommen ein Alleingang, der auch wirtschaftlich riskant war. Denn um den Carbon-Wert von 21 kg zu erreichen, muss er in der Produktion vier bis sechs Euro Mehrkosten pro Tonne in die Hand nehmen. Im umkämpften Holzpelletmarkt, wo jeder Euro beim Kunden zählt, ein Wagnis. Allerdings hat er es auf seine Art geschafft, auch damit eine starke Marke zu entwickeln, sodass 70 bis 80 % seiner Kunden nicht mal nach dem Preis fragen, sondern einfach bei ihm den Brennstoff kaufen. Die Hartnäckigkeit in der Profilierung des eigenen Produkts über besondere Kennzeichen, vor dem Hintergrund zunehmen-
der internationaler Konkurrenz 1) scheint dann doch Früchte hervorzubringen. Markus Mann ist derweil schon beim nächsten Projekt. Effizienzklassen für Holzpellets nach dem Vorbild der bekannten Energiekennzeichnung von D bis A+++, wie beim Kühlschrank, hervorzubringen. Dieses würde er gerne den bekannten Labels ENplus und DINplus als Zusatz anheften. Nach eigener Aussage könnte er aus dem Stand dafür zehn renommierte deutsche Pelletproduzenten gewinnen. Die Krux ist wieder mal nur, ob der Markt dies honoriert.

Autor: Dittmar Koop, Journalist für Erneuerbare Energie, Schwerpunkt Biomasse

1) Siehe Bericht „Der Markt wird internationaler“, IKZ-HAUSTECHNIK Heft 11/2014. Im Online-Archiv unter www.ikz.de (Suchwort Pellets).

 


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